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7. Aufgaben für die Stadt Bonn


Zuständigkeit für Nord-Süd-Fragen bei der Stadtverwaltung

In Beantwortung einer Anfrage des Eine-Welt-Forums, einem Zusammenschluß lokaler Bonner Dritte-Welt-Gruppen, mit der ein stärkerer städtischer Beitrag zur Rolle Bonns als Nord-Süd-Zentrum gefordert wurde, hat die Oberbürgermeisterin klargestellt, daß in der Stadtverwaltung das Vorstandssekretariat 01 (Abteilung Repräsentation und internationale Angelegenheiten, Frau Dr. Maria Hohn-Berghorn) Ansprechstelle ist und die Koordination mit den übrigen Bereichen der Stadtverwaltung übernimmt.

Diese Regelung gibt Grund für die Erwartung, daß sich die Oberbürgermeisterin selbst in diesem Aufgabenbereich weiterhin engagieren wird; sie weist in ihrer Stellungnahme aber auch darauf hin, daß die Stadt verstärkt auf die Mithilfe und Unterstützung durch private und freiwillige Initiativen angewiesen sein wird.

Die Stelle ist für den zu erwartenden Zuwachs an Aufgaben personell und sachlich zureichend auszustatten.

Informationsservice

Die Stadt muß die Information über das Nord-Süd-Zentrum verstärken.

In Vorbereitung ist eine englischsprachige Broschüre für Neubürger, die in Bonn in internationalen Einrichtungen arbeiten werden.

Das Presseamt hat mit dem "Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee e.V." vier Arbeitsschritte zur Vorbereitung der kommenden Zusammenarbeit mit UNV vorbereitet:

  • Präsentation der Bonner Dritte-Welt-Institutionen in einer Serie der Bonner Presse

  • eine Ausstellung mit Selbstdarstellung der Bonner Dritte-Welt-Institutionen im Foyer des Stadthauses sowie eventuell anschließend in Bonner Schulen.

  • Dritte-Welt-Informationen für Bonner Schulen – etwa in Verbindung mit einem Schülerwettbewerb – und Verstärkung des Themenbereiches Entwicklungszusammenarbeit in der Volkshochschule.

  • Präsentation des Themenfelds Entwicklungspolitik im Bonner Medienclub, einem Zusammenschluß Bonner Journalisten.

Diese Arbeitsschritte sollten in einer systematischen und kontinuierlichen Informationsarbeit über Nord-Süd-Fragen ihre Fortsetzung finden. Ein Arbeitskreis unter Federführung des städtischen Presseamtes mit den Referenten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bonner Dritte-Welt-Institutionen könnte zur Ergänzung und Erweiterung dieser Informationsarbeit führen.

Kontaktpflege

Durch viele kleine und große Gesten könnte das Bewußtsein der Bürgerinnen und Bürger für die Rolle als Nord-Süd-Stadt gestärkt werden:

  • hochrangige offizielle Besucher aus der Dritten Welt sollten auch durch hochrangige Vertreter der Bundesstadt empfangen, begrüßt und auf die Situation und Interessenlage Bonns eingestimmt werden.

  • durch Förderung informeller Kontakte, Einladungen und Besuche könnte mehr geschehen, um Gäste aus der Dritten Welt – Mitarbeiter der Botschaften, Gastwissenschaftler, Studenten, Stipendiaten – vor Isolation zu bewahren und ein Klima der Weltoffenheit und Gastfreundschaft zu sichern. Hierbei könnten unter anderem die Kommunalpolitiker mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie die in ihrem Umfeld lebenden und arbeitenden Mitbürger aus Entwicklungsländern zu Vorträgen und Diskussionen in örtliche Gremien der Bonner politischen Parteien einladen,

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    Familienbegegnungen und gegenseitige Besuche anbahnen und die Lokalpresse über solche Ereignisse informieren. Ähnliche Initiativen sollten von den Pfarrgemeinden, Service-Clubs und Sportvereinen unternommen werden – es sollte nicht unterschätzt werden, wie sehr auch in einer weltoffenen und begegnungsfreudigen Stadt wie Bonn Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika in Vereinsamung geraten können.

Förderung der Bonner Dritte-Welt-Initiativen

Die örtlichen Dritte-Welt-Initiativen sollten von der Stadt gefördert und ihnen nach Möglichkeit eine Hilfestellung bei ihrer ehrenamtlichen und selbstlosen Tätigkeit gegeben werden, um hierdurch die Bonner Bürger mehr für Fragen der Nord-Süd-Zusammenarbeit zu interessieren und zu einem verstärkten eigenen entwicklungspolitischen Engagement zu motivieren.

Denkbar wäre etwa eine jährliche Selbstdarstellung dieser Organisationen im Foyer des Stadthauses mit Präsentation gegenüber dem Stadtrat vor einer Ratssitzung.

Auch könnte eine Hilfestellung der Stadt bei regelmäßigen Besprechungen mit diesen Organisationen zum Erfahrungsaustausch sowie zur Abstimmung und Erarbeitung neuer Strategien zu mehr Transparenz und Bewußtseinsbildung der Bonner Bürgerinnen und Bürger führen.

Jugend, Schule, Bildung

Auch in der Jugendarbeit und in den Bonner Schulen könnte ein "Eine-Welt"-Schwerpunkt gebildet werden:

  • Neue Modelle der entwicklungspolitischen Bildung könnten in Zusammenarbeit und mit Förderung des BMZ gerade in Bonn – durch Workshops mit Jugendleitern und Lehrern – erprobt werden.

  • Die Präsentation der Bonner Dritte-Welt-Institutionen in Bonner Schulen – etwa in den Fächern Politik oder Geographie – könnte das Interesse der Bonner Schüler für Dritte-Welt-Fragen verstärken. Pädagogische Arbeitshilfen und Erfahrungen hierzu sind im Referat "Entwicklungspolitische Bildung" des BMZ abrufbar.

  • Denkbar wäre – in Zusammenarbeit mit dem Bonner Stadtjugendring, der Vertretung der Bonner Jugendorganisationen – die Durchführung einer zentralen jährlichen Veranstaltung von Internationalen Kinder- und Jugend-Kulturtagen mit thematischem Schwerpunkt "Eine Welt".

  • Das Jugendgästehaus könnte für internationale Nord-Süd-Jugendbegegnungen stärker genutzt werden.

Da das Thema der Nord-Süd-Beziehungen im deutschen Bildungswesen noch unterrepräsentiert ist, könnten mit den in Bonn ansässigen bildungspolitischen Institutionen – vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), der Kultusministerkonferenz (KMK), der Deutschen UNESCO-Kommission bis zum Deutschen Volkshochschulverband, dem Deutschen Bundesjugendring und dem AEBÖ, dem Arbeitskreis Entwicklungspolitischer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Initiativen unternommen werden, damit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit in deutschen Schulen fächerübergreifend behandelt werden und in der Lehreraus- und -fortbildung mehr Platz bekommen.

Der hierzu inzwischen begonnene Dialog zwischen BMZ, den Kultusministerien, den Schulen und den Nichtregierungsorganisationen könnte durch den Bonner Nord-Süd-Verbund, nicht zuletzt auch durch wissenschaftliche Begleitung, vorangebracht werden. Empfehlenswert hierfür wäre, nach dem Vorbild des EPIZ (Entwicklungspolitisches Informationszentrum) in Berlin, die Bildung eines örtlichen Informations- und Koordinationszentrums in Bonn, vor allem zum Thema "Die Dritte Welt in Bonner Schulen".

Kultur und Kunst

Eine stärkere Präsentation von Kunst und Kultur der Entwicklungsländer wäre für die kulturelle Selbstdarstellung, den interkulturellen und interreligiösen Dialog und die Kommunikation mit den

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Ländern der Dritten Welt besonders wichtig, da bei Kunst und Kultur die Entwicklungsländer gleichberechtigte und gleichwertige Partner sind. Im Kulturausschuß wurde hierzu beschlossen, daß die Kulturverwaltung hierzu Vorschläge und ein Konzept erarbeiten soll.

Dabei geht es nicht darum, neue Einrichtungen zu schaffen, sondern in den in Bonn jetzt vorhandenen Foren – z.B. der "Museumsmeile" – und den bewährten Veranstaltungsformen wie z.B. dem "Bonner Sommer" das Thema "Dritte Welt" unter Vermeidung von Exotismus so darzustellen, daß ein vertieftes Verständnis für andere Kulturen möglich wird.

Die Deutsche Welle sollte dafür gewonnen werden, sich aktiv in der Bonner Kultur zu engagieren und ihre Erfahrungen und ihr Potential bei der Präsentation von Kunst und Kultur der Entwicklungsländer einzubringen.

Die Umgestaltung des Musums Koenig in ein ökologisches Informationszentrum als Teil der "Museumsmeile" kann die immer engere Vernetzung von "Umwelt und Entwicklung" bewußt machen.

Kommunikationsvernetzung und Dokumentation

Ausgehend von der zentralen Datenbank der Dokumentation der Bonner Abteilung der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) könnten innovative Impulse bei der Vernetzung der staatlichen und privaten Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden, wenn der Zugang und die Zusammenarbeit mit ausländischen und internationalen Datenbanken geschaffen und der Datenaustausch mit den Farmerorganisationen im Süden ermöglicht wird.

Dies würde die Qualität der Informations- und Beratungsleistungen des Nord-Süd-Zentrums Bonn erheblich verbessern.

Veranstaltungen, Tagungen, Internationale Konferenzen

Zur Zeit sind folgende Veranstaltungen im Rahmen des Nord-Süd-Zentrums Bonn in der Planung:

  • Der "Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee" bereitet eine Tagung mit UNV im Dezember in Bonn über Fragen der zukünftigen Zusammenarbeit deutscher Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Freiwilligenprogramm der Vereinten Nationen vor.

  • Das Gustav-Stresemann-Institut (GSI) will im Herbst in einer Veranstaltung mit Bundesminister Spranger, einem Vertreter der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Bonner Oberbürgermeisterin das geplante Forum für Entwicklungspolitik als überparteiliches Forum für entwicklungspolitische Diskussionen in Bonn vorstellen. Zielgruppe des Forums sollen nationale und kommunale Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit sein.

  • Das Nord-Süd-Forum Bonn will in einer Tagung einen Ideenwettbewerb zur Ausgestaltung des Nord-Süd-Zentrums in Gang setzen, wobei vor allem an die internationalen Institutionen gedacht ist.

  • Die nächste "Quadrilog"-Veranstaltung am 1./2. 12. 95 in Bonn, die regelmäßig im Gustav-Stresemann-Institut stattfindet. Ziel von "Quadrilog" ist die Förderung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der 4 Dialogpartner aus Bund, Bundesländern, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen.

Bonn sollte sich in den nächsten Jahren auch als internationale Konferenzstadt immer mehr ins Gespräch bringen. Hierbei sollte deutlich gemacht werden, daß sich Bonn vor allem als neutraler Treffpunkt für Verhandlungen anbietet, die nicht in den Hauptstädten selbst stattfinden sollen. Gekoppelt an große internationale Konferenzen sollte Bonn vor oder nach solchen Konferenzen Forumsveranstaltungen zur Vorbereitung oder Auswertung anbieten.

Zur konzeptionellen und organisatorischen Vorbereitung sollten die politischen Stiftungen gewonnen

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werden; ein Arbeitskreis der politischen Stiftungen – mit jeweils wechselnder Federführung – könnte die Konferenzaktivitäten vorbereiten. Vorbild hierfür könnten die Davos-Konferenzen mit hochrangigen Referenten sein. Als Standort bietet sich das "Wasserwerk" oder das Gustav-Stresemann-Institut an.

Zur Pflege der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen sollten "Bonner Petersberg-Konferenzen für Nord-Süd-Zusammenarbeit" eingerichtet werden. Träger hierfür könnte das Entwicklungspolitische Forum (EF) der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) sein. Hierbei wäre eine Zusammenarbeit mit der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF), der Stiftung Wirtschaft und Politik, dem Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen denkbar.

Jährliche Petersberg-Konferenzen könnten das Kernstück der Funktion Bonns als Dialogstandort für die Vereinten Nationen werden; ihre Vor- und Nachbereitung sollten zu weiteren Kontakten mit den Nord-Süd-Einrichtungen in Bonn genutzt werden.

Bei der Bemühung um die Rolle als Konferenzstadt der Vereinten Nationen sollte immer wieder darauf hingewiesen werden, daß künftig Bonn neben Genf und Wien der dritte europäische Standort der UN sein wird.

Medien

Um Bonn als Nord-Süd-Zentrum mehr bekannt zu machen, empfiehlt sich eine internationale Imagekampagne, etwa durch

  • IPS Inter-Press-Service

  • PR-Aktionen im internationalen Tourismusbereich

  • Präsentation auf der internationalen Tourismusbörse (ITB)

  • Zielgruppenorientierte Anzeigekampagne etwa in Japan oder USA

Hierbei sollte sich Bonn künftig, ähnlich wie Genf oder Wien, als Konferenzstadt präsentieren, aber auch die übrigen Facetten (Wirtschaft, Kunst und Kultur, Rheinaue usw.) einbezogen werden.

Allerdings: für die Verbreitung in den Medien sind laufende "Events" mit internationaler Ausstrahlung unerläßlich – diese müssen in Bonn stattfinden!

Botschaften der Entwicklungsländer

Angesichts der Unsicherheit über den zukünftigen Standort der Entwicklungsländer-Botschaften empfiehlt es sich, systematisch alle Botschaften auf ihre Planungen und Probleme anzusprechen und einen Informations- und Beratungsservice anzubieten, um rechtzeitig Infrastruktur-Hilfen möglich zu machen. Soweit bekannt, wollen viele Botschaften ihren Sitz in Bonn behalten oder zumindest Teile in Bonn belassen. In jedem Einzelfall müßte überlegt werden, wie freiwerdende Kapazitäten – im Einzelfall vielleicht auch als Kulturzentrum – genutzt werden können. Dabei ist zu beachten, daß Ausnahmen für die Residenzpflicht am Sitz der Verfassungsorgane möglich sind.

Städtebauliche Aspekte und Unterbringung

Es empfiehlt sich die Konzentration der Nord-Süd-Institutionen an möglichst wenigen, aber attraktiven Standorten. Diese könnten sein

  • BMZ-Umfeld und Museumsmeile

  • Schürmannbau und Wasserwerk

  • Haus Carstanjen und Umfeld wie z.B. der amerikanische Club nach eventueller Aufgabe durch die Botschaft der USA.

Die Stadt könnte eine Initiative für ein Rundgespräch der Bonner Dritte-Welt-Institutionen und Botschaften der Entwicklungsländer in Gang setzen, um die langfristige Nutzung von bisher vom Bund genutzten Einrichtungen wie z.B. das "Wasserwerk" zu klären.

Vorteilhaft wäre die Unterbringung der wichtigsten Einrichtungen in einem Haus, um auch äußerlich das "Nord-Süd-Zentrum" sichtbar zu machen. Falls dies zustandekommt, sollte es durch ein aussagefähiges Kunstwerk mit Symbolcharakter ausgestattet werden.

Für die örtlichen Dritte-Welt-Gruppen könnte ein gemeinsames Zentrum (Büros von Organisationen,

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Treffpunkt, Restaurant, Buchhandlung, Umwelt-Laden, Veranstaltungsräume) wie etwa das Heinrich-Böll-Haus in Lüneburg die Öffentlichkeitswirkung verbessern und verstärken.

Für die Unterbringung der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) und den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) sind großzügige Anlagen (Campus-Stil) erforderlich.

Da die Auslandsvorbereitung von Fachkräften der Entwicklungszusammenarbeit in der Zentralstelle der DSE im Uhlhof in Bad Honnef sachlich und hinsichtlich der Teilnehmer weitgehend ähnlich ist der Auslandsvorbereitung der Freiwilligen des DED – Durchschnittsalter auch dort heute 37 Jahre –, ist eine Zusammenlegung der Vorbereitungsstätten naheliegend. Der DED legt aber Wert auf die Unterbringung seiner Leitung, der operativen und Verwaltungseinheiten am Sitz der Vorbereitung der zu entsendenden Freiwilligen.

Jahresempfang der Oberbürgermeisterin

Durch einen jährlich an einem bestimmten Tag stattfindenden Empfang für die Botschafter der Entwicklungsländer, die in Bonn ansässigen entwicklungspolitischen Institutionen und die örtlichen Dritte-Welt-Initiativen würde die gegenseitige Wahrnehmung geschärft, das Bewußtsein für die Bedeutung der gemeinsamen Aufgabe verstärkt und der Öffentlichkeit die Rolle als Nord-Süd-Stadt regelmäßig in Erinnerung gerufen.

Gesprächskreise und Foren

Die von einigen Organisationen (Gustav-Stresemann-Institut, Nord-Süd-Forum) vorgeschlagenen Foren sollten von der Stadt, aber auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt, aber auch genutzt werden, um Dialog und Begegnung in Bonn zu fördern.

Zunächst sollten diese Foren der gegenseitigen Information und Förderung der Zusammenarbeit vor Ort dienen – sie sollten aber auch genutzt werden, um wichtige Zielgruppen der Entwicklungszusammenarbeit anzusprechen und nach Bonn einzuladen; diese könnten sein:

  • Hochschulabsolventen mit entwicklungspolitischen Interessen und Fragestellungen ("Sommerseminare" des GSI),

  • Stipendiaten und Gastwissenschaftler aus Entwicklungsländern, insbesondere bei Wiedereinladungen und Abschlußseminaren,

  • Künstler und Kunstvermittler,

  • Entscheidungsträger aus vorstaatlichen Organisationen in Entwicklungsländern, z.B. der Agrarforschungsinstitute,

  • Partner für den interreligiösen Dialog,

  • Vertreter der Deutsch-ausländischen Ländergesellschaften,

  • Vertreter der Studentenvereinigungen von Studenten aus Entwicklungsländern,

  • Teilnehmer von Maßnahmen zur Reintegrationsförderung von Fachkräften aus Entwicklungsländern,

  • Vertreter von deutschen – insbesondere kleineren und mittleren – Städten mit Partnerschaften in Entwicklungsländern.

Kosten

Zusätzliche Leistungen verursachen in der Regel auch zusätzliche Kosten – bliebe dieser Aspekt unkommentiert, wären die meisten Anregungen dieser Studie ohne Aussicht auf Verwirklichung.

Fast alle der an die Stadt gerichteten Vorschläge, wie Verbesserung des Informationsservices, Kontaktpflege oder Jahresempfang, sind voraussichtlich im Rahmen der vorhandenen Haushaltsansätze realisierbar. Dabei kann noch nicht übersehen werden, wie sich die – angesichts der verschlechterten Haushaltslage, einem bei der Jahresrechnung 1994 ermittelten Defizit von 87 Millionen DM und der vom Regierungspräsidenten angeordneten sofortigen Einsparung von 8 Millionen DM – verfügte Haushaltssperre im einzelnen auswirken wird; angesichts der Bedeutung der städtischen Beiträge für die Zukunftssicherung des Nord-Süd-Zentrums sollte die Bonner Kommunalpolitik bei Prioritätsfestlegungen

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daran denken, daß diese mit geringeren Kosten verbundenen städtischen Aufgaben realisierbar bleiben.

Bei der Ansiedlung neuer Institutionen kann die Stadt über Beratungsleistungen hinaus eine Hilfestellung durch Bereitstellung von Liegenschaften im Umfang von 100 Mio. DM geben, die seither im Besitz des Bundes waren; hierzu sind konzeptionelle und verfahrensmäßige Aspekte bei der Stadtverwaltung noch in Erarbeitung.

Die Finanzierung von internationalen Konferenzen, nationalen und kommunalen Tagungen und Veranstaltungen kann nicht Sache der Stadt sein; hierzu sind vor allem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die nationalen und internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und nicht zuletzt die politischen Stiftungen aufgerufen, Bonn immer mehr als Tagungsstandort zu nutzen und die sich hier anbietenden besonderen Möglichkeiten der Begegnung und des Erfahrungsaustausches aktiv aufzugreifen.

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8. Aufgaben für das Land Nordrhein-Westfalen

  1. Das Land sollte jährlich einmal einen "Bonner Konvent" fördern, d.h. eine Zusammenkunft wichtiger entwicklungspolitischer Forschungseinrichtungen, ausgewählter Bürgerinitiativen, wichtiger Parlamentarier und zuständiger Dienststellen des Landes, um über die Nord-Süd-Arbeit des Landes zu beraten.

    Auch die die international tätige Wirtschaft des Landes sollte an diesem Konvent teilnehmen.

    Für die Organisation könnte die Stiftung Entwicklung und Frieden in Bonn verantwortlich sein.

  2. Für die Förderung von Nord-Süd-Bildungsveranstaltungen in Bonn nach dem Weiterbildungsgesetz des Landes sollte die oft hemmende sogenannte "Landeskinderklausel" (d.h. eine Mindestteilnahme von Teilnehmern aus NRW) fortfallen.

    NRW bietet mit dem Nord-Süd-Zentrum Bonn einen Service für das entwicklungspolitische Bewußtsein der ganzen Bundesrepublik.

  3. Das Land Nordrhein-Westfalen sollte die Initiative zur Gründung eines Bonner Instituts für Menschenrechtsfragen (BMRJ) ergreifen, das von Bund, Land und privaten Sponsoren gefördert werden sollte. Eine erste Konzeption für dieses Institut findet sich in der Anlage zu dieser Studie.

    Menschenrechtsfragen müssen bei allen Themen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mitbedacht werden.

  4. Die NRW-Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 1. Juli 1995 sieht die Einsetzung eines Landtagsausschusses für Europa- und Eine-Welt-Politik vor. Institutionen, die wie die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung oder das Gustav-Stresemann-Institut im Bildungs- und Informationsbereich tätig sind, können die Länder dabei unterstützen, das Bewußtsein für die Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern und für den in den Industrieländern notwendigen Wandel zu fördern. Innerhalb des Nord-Süd-Zentrums sollte – um eine Vorstellung der NRW-Koalitionsvereinbarung aufzugreifen – eine Person als "Eine-Welt-Promotor" (in ganz NRW sind 25 Promotoren vorgesehen) angesiedelt werden, die als Kristallisationspunkt der Eine-Welt-Informations- und Bildungsarbeit für die Region Bonn wirken sollte.

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9. Aufgaben für die Bundesregierung

Das BMZ fördert weiterhin die schon traditionellen Wochenseminare "Entwicklungspolitik in der Praxis" im Gustav-Stresemann-Institut (GSI).

Für Hochschullehrer und ihre (fortgeschrittenen) Studenten, die Entwicklungspolitik zum Gegenstand von Lehrveranstaltungen haben, wird Gelegenheit gegeben, mit Praktikern der Planung und Administration von Entwicklungspolitik, vornehmlich im BMZ, AA, aber auch aus wichtigen entwicklungspolitisch tätigen Organisationen über die praktische Alltagsarbeit zu diskutieren. Es gibt keine Protokolle, keine Presse, um die Offenheit der Veranstaltung nicht zu beeinträchtigen. Eine Reihe renommierter Lehrstühle in der Bundesrepublik nutzt diese Gelegenheit Jahr für Jahr, und viele Teilnehmer der Anfangsjahre sind jetzt in nationalen und internationalen Institutionen tätig.

Die jährlich fünf Seminare könnten noch um drei bis vier Veranstaltungen gleicher Art vermehrt werden, um der Nachfrage der deutschen Universitäten Genüge zu tun.

Diese Bonner GSI-Seminare sind in einigen Hochschulen bereits zu einem Markenzeichen geworden.

  • Die alte Tradition der "Sommerseminare des BMZ", organisiert von der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE), sollte nach dem Umzug der Stiftung nach Bonn wieder aufleben.

    Im Einsatz erfahrener Projektmitarbeiter aus vielerlei Organisationen und Verantwortliche des BMZ haben in einer nicht zu anstrengenden Sommerakademie viel Gelegenheit zu informellen Gesprächen, die Möglichkeit, sich quer durch die Organisation kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und "Meinungen zu bilden": auch hier keine Protokolle, keine Presse, keinerlei Nachteile auch bei "zu freien" Äußerungen.

    Als Neuerung sollte man drei bis vier Wissenschaftler aus dem ZEF-Bereich teilnehmen lassen und den Teilnehmern Gelegenheit geben, ggf. anschließend an das Seminar in einem kurzen Sommerkurs die neueste Entwicklung der wissenschaftlichen Diskussion zur Nord-Süd-Politik kennenzulernen.

  • Das BMZ bietet für "einschlägige" Wissenschaftler eine Möglichkeit an, durch Praktika im BMZ den Spielraum und dabei auch die Grenzen ministerieller Alltagsarbeit genauer zu studieren und vor allem die so wichtigen "informellen Zusammenhänge" der Arbeit auf der Ministerialebene zu erfahren.

  • Alle drei bis vier Jahre sollte das BMZ einen Tag der Sonder- und Spezial-Organisationen der UN mit Vertretern dieser Organisationen nicht nur aus deren Zentralen, sondern auch aus der Feldarbeit veranstalten. Damit können dann auch die Mitarbeiter vor Ort – eine oftmals vergessene Ebene – bei den Reformüberlegungen zur UN in Erscheinung treten und sich bemerkbar machen.

  • Der Wissenschaftliche Beirat des BMZ sollte zumindest bei jeder zweiten Sitzung vor seinen Beratungen auch ein Gespräch mit den "Praktikern" der Nichtregierungsorganisationen und des Bonner Verbundes an Nord-Süd-Institutionen führen.

    Die Tätigkeit des Wissenschaftlichen Beirats könnte auch einmal im Jahr in einem Bonner Bilanzgespräch einer weiteren kritischen Öffentlichkeit vermittelt werden.

  • Das BMZ könnte einen regelmäßigen Tag der Offenen Tür einführen, an dem die Referenten von ihren Schreibtischen aus Besuchern erklären, was sie denn praktisch an diesem Tag tun und wie die administrativen Abläufe aussehen, und zwar konkret und augenblicklich.

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  • Im Material- und Übersetzungsprogramm von Inter Nationes sollte Informationsmaterial auch über die Nord-Süd-Stadt Bonn und ihre Möglichkeiten in mehrere Sprachen übersetzt und verwaltet werden.

    Dieses Material sollte auch an Besucher in Berlin verteilt werden, die aus Ländern des Südens, internationalen Organisationen oder anderen Geberländern kommen.

  • Das BMZ sollte sich bemühen, die Vor- und Nachtagungen ("prepcoms" u.a.) wichtiger internationaler Konferenzen (etwa Habitat 1996, Istanbul) nach Bonn zu ziehen.

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10. Weitere Aufgaben

Die folgenden Aufgaben sind (noch) nicht eindeutig zuzuordnen; sie sind Stadt, Land, Bund und den Einrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit in Bonn je nachdem oder gemeinsam aufgetragen.

  • Vorrangig ist die Einrichtung eines "Internationalen Clubs" auf Welt-Niveau, eine Aufgabe für Bonn mit Hilfe von Bund und Land. Er könnte UNO-Club heißen (siehe 6.4).

    Nicht zu luxuriöse, aber gute Gastronomie, Gelegenheit zu Sport und Spiel, Konzert- und Ausstellungsräume für Gruppen und Kreise bei informellen oder geselligen Anlässen müssen geboten werden.

    Ein solcher Club müßte nicht nur für Mitglieder, sondern auch deren Gäste geöffnet sein, gute Zeitschriften und Informationsmaterial bereithalten und von einer Dame oder einem Herrn geleitet werden, die die Gabe zu "Verknüpfungen" haben, neue Gäste mit alteingesessenen bekannt machen, Hinweise geben, wo es interessante Veranstaltungen gibt, nicht nur in Bonn, sondern auch im weiteren Umfeld. Der Club müßte in der Lage sein, den in Bonn Tätigen und Verantwortlichen, nicht nur aus dem engeren Bereich der Entwicklungspolitik, ein Gefühl von Gastfreundschaft und Zuhausesein zu geben. Er sollte zugleich als Serviceeinrichtung für die in Bonn verbleibenden diplomatischen Vertretungen oder Teilen davon dienen.

    Der amerikanische Club in der amerikanischen Siedlung Bonn-Plittersdorf wäre dafür ein Modell. Er liegt zentral und ist mit den schönen Rheinauen verbunden. Der Club muß verkehrsgünstig angebunden sein und Ausstellungen und Präsentationen kultureller Art, ohne Formalität und Aufdringlichkeit, ermöglichen. Luxus wäre ebenso zu vermeiden wie womöglich subventionierte Preiswürdigkeit.

    Vom Club sollten auch "Stammtische" der Geschäftsführer und Leiter der Institutionen der Stadt Bonn sowie mit Vertretern des Landes und der Bundesinstitutionen angeboten werden, dazu auch noch von Zeit zu Zeit Exkursionen an Rhein, Nahe und Mosel.

    Exkursionen nach Brüssel, Köln, Aachen und ins Ruhrgebiet in Zusammenarbeit mit dortigen Einrichtungen können das Angebot verstärken. Im Club sollte Inter Nationes sein Informationsprogramm für ausländische Besucher – die zur ständigen Klientel gehören sollten – ausstellen können. Das sollte auch für interessierte NROs gelten. Das Inter Nationes-Programm ist zu erweitern.

  • Für thematische Veranstaltungen auch über das Angebot der Stadt Bonn hinaus bieten sich die DSE bzw. ihr Entwicklungspolitisches Forum und das Gustav-Stresemann-Institut (GSI) an, die eine Art Nord-Süd-Plattform sein können, in der vor allem auch die Verknüpfung von Entwicklungspolitik im Zusammenhang mit anderen Politikbereichen wie Umwelt, Sicherheitspolitik und Fachpolitiken, beispielsweise internationale Agrar- und Verkehrspolitik diskutiert werden können.

    Zu den Schwerpunktthemen (6.1 ff.) sollten im GSI regelmäßig etwa zweimal im Jahr Bonner "Bilanztage" veranstaltet werden, dazu ein Bonner UN-Tag.

  • Mindestens einmal jährlich sollte die entwicklungspolitische Diskussion in Bonn durch einen Tag des Deutschen Bundestages und der Landtage belebt werden. Die für internationale Politik in der einen oder anderen Weise zuständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages und der Landtage sollten zu einer Exkursion nach Bonn eingeladen werden, um in einem der Bonner "Bilanzgespräche" über den Stand der Erkenntnisse und Diskussionen informiert zu werden, der insbesondere bei den Schwerpunktthemen in Bonn erreicht wurde. Dabei könnten in Arbeitsgruppen auch konkrete Fragen der praktischen Entwicklungspolitik einer Lösung durch parlamentarische Beschlüsse, insbesondere der rele-

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    vanten Ausschüsse, und darin wiederum vor allem des Haushaltsausschusses, näher gebracht werden.

    Einzelne Organisationen und Institutionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union sollten sich regelmäßig in Bonn der Nord-Süd-Community, der Öffentlichkeit und den Medien vorstellen. Auch dafür ist das GSI geeignet.

  • In Absprache mit dem Internationalen Club der Universität und dem Bonner Verbund der Nord-Süd-Institutionen sollten das Gustav-Stresemann-Institut und der Internationale Club jeweils und auch ad hoc genügend kleinere Räumlichkeiten bereithalten, in denen sich Communities von Fachleuten zu bestimmten Bereichen der Nord-Süd-Arbeit regelmäßig oder kurzfristig auch ad hoc treffen können.

    Für solche Communities sollte jeweils vorerst eine Institution und später eine gewählte Person die Federführung übernehmen. Nicht nur Vereine und Organisationen sind gefragt, sondern Clubs, in denen sich Fachleute regelmäßig oder unregelmäßig oder auch ad hoc zu bestimmten Fragen und zum allgemeinen Erfahrungsaustausch versammeln. Zugelassen ist jeder, der als Spezialist auf einem bestimmten Gebiet Erfahrung hat oder entsprechende Verantwortung trägt, unabhängig von der Stellung in der Hierarchie der Behörden und Organisationen. Hier kann dann durchaus der Abteilungsleiter des Bundesministeriums mit einem fortgeschrittenen Studenten aus dem Bereich von ZEF und Sachbearbeiter auch aus kleineren Hilfsorganisationen zusammentreffen, um regelmäßig oder nach Art von TASK FORCES Fragen eines speziellen Fachbereichs zu diskutieren. Dies ist eine Chance, die nur im Verbund und nur bei Vorhandensein angenehmer äußerer Bedingungen (Clubatmosphäre, Tagungsstätte mit Gastronomie) ihre volle Wirkung als tragendes Element zwischen den Säulen des Systems der Nord-Süd-Stadt Bonn entfalten und wirklich fruchtbar werden kann.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002

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