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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: 12(Fortsetzung)]


2. Umsetzung der 20:20-lnitiative




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2.1 Leistungen des BMZ'



2.1.1 Zusagen für menschliche Prioritäten

Laut Aussage der zuständigen Mitarbeiter wartet das BMZ ab, wie die internationale Definition der 20:20-Förderbereiche ausfallen wird. [Fn.12 Gespräch mit Prof. Dr. Bohnet, Dr. Jentsch und Herrn Strobel am 22.12.1995 im BMZ.]
Es wird eine Einigung auf der erwähnten Konferenz in Oslo angestrebt. Bis dahin verwendet das Ministerium in Anlehnung an die ursprüngliche Begrifflichkeit von UNDP einen selbst zusammengestellten Katalog

[Seite der Druckausg.: 13 ]

von menschlichen Prioritäten. Hierfür liegen konkrete Zahlen hinsichtlich der BMZ-Zusagen in den Jahren 1993 und 1994 vor. [Fn.13: Es handelt sich dabei um bilaterale Zusagen auf Grundlage der unterzeichneten Verträge der Durchführungsorganisationen, die das BMZ Jährlich dem Development Assistance Committee meldet. Davon zu unterscheiden sind die Soll- und Ist-Zusagen für Regierungsabkommen, die auf den zeitlich vorgelagerten Stufen des Vergabeverfahrens angesiedelt sind.]

Die Tabelle, die nach dem statistischen Förderbereichsschlüssel, dem sogenannten YG-Schlüssel des BMZ (1995a) aufgebaut ist, setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Sie ist als Anlage 1 dieser Studie beigefügt. Im ersten Teil werden diejenigen Maßnahmen aufgeführt, die sich relativ eng am Katalog des 20.20-Vorschlags orientieren. Der zweite Teil umfaßt weitere Förderbereiche, die nach Meinung des BMZ den menschlichen Prioritäten zugerechnet werden sollten.

Folgende Zahlenwerte hat das BMZ errechnet: [Fn.14: In dieser Aufstellung werden sämtliche bilaterale Zusagen, die dem DAC gemeldet wurden, als Bezugsgröße berücksichtigt, auch wenn sie keinem bestimmten Sektor zugerechnet werden können. Werden nur die sektoral zuordenbaren Maßnahmen betrachtet, steigt der Anteil der menschlichen Prioritäten auf 24,3 % in 1993 und 29,8 % in 1994. Die Gesamtsummen der an das DAC gemeldeten bilateralen BMZ-Zusagen betrugen 1993 9,9 Milliarden DM und 1994 10,2 Milliarden.]


1993

1994

Zusagen insgesamt

9,9 Mrd. DM

10,2 Mrd. DM

Davon: menschliche Prioritäten

1,6 Mrd. DM

2,2 Mrd. DM

in Prozent der Gesamtsumme

15,9%

21,2%

Ein größerer Teil der Steigerung von 1993 auf 1994 erklärt sich aus der Tatsache, daß 1994 erstmals die Leistungen an Kirchen und private Träger in Höhe von rund 335 Millionen DM in die sektorale Statistik einbezogen wurden. Bis 1993 einschließlich wurden die Zuwendungen an NRO als separate Gesamtgröße außerhalb der Sektorsystematik ausgewiesen. Diese Änderung der statistischen Berechnungsmethode ist als Schritt in die richtige Richtung zur vollständigen Erfassung der sozialen Grunddienste zu begrüßen. Wenn diese Umstellung berücksichtigt wird, fällt das Wachstum der Zusagen für menschliche Prioritäten nach BMZ-Definition mit etwa 260 Millionen DM von 1993 auf 1994 deutlich bescheidener aus.

Anhand dieser Aufstellung nimmt das BMZ für sich in Anspruch, seinen Anteil der 20:20-Verpflichtung schon im Jahr vor dem Weltsozialgipfel erfüllt zu haben. Bei näherer Analyse der deutschen Leistungen ergeben sich jedoch folgende kritische Anmerkungen:

  1. Schon der Teil 1 der BMZ-Liste weicht in wesentlichen Punkten von der Definition der sozialen Grunddienste durch die UN-Institutionen ab. Vom Gesamtbetrag her steht die Position Wasserversorgung/Sanitärmaßnahmen mit 761 Millionen DM in 1994 an der Spitze - immerhin mehr als ein Drittel aller Zusagen für menschliche Prioritäten. Das statistische System des BMZ läßt aber keine Differenzierung der Maßnahmen nach dem Kostenniveau zu. Es kann deshalb nicht näher ermittelt werden, für welchen Anteil der Gesamtsumme die Obergrenzen von 30 US-Dollar pro begünstigte

    [Seite der Druckausg.: 14 ]

    Person bei der Trinkwasserversorgung beziehungsweise 20 US-Dollar bei Sanitäranlagen eingehalten wird.

    In seinem kürzlich erarbeiteten sektorübergreifenden Zielgruppenkonzept verweist das BMZ jedoch selbst auf Anhaltspunkte für die zielgruppenorientierte Differenzierung der Leistungen im Wassersektor. Als Beispiel für armutsrelevante Fördermaßnahmen werden dort aufgeführt: "Wasserversorgung mit Brunnen und Wasserstellen/Zapfstellen, Handpumpen, Wasserentsorgung/Sanitärmaßnahmen/Latrinen" (BMZ 1995h: 14).

    Ein Hinweis für die Vermutung, daß ein wesentlicher Teil der deutschen Leistungen im Wassersektor nicht den sozialen Grunddiensten zugerechnet werden darf, ist die Aufstellung von Projektbeispielen in der kürzlich erschienenen Wasser-Broschüre des BMZ (1995h: 117-131). Bei den dort beschriebenen zwölf Maßnahmen spielen gezielte Leistungen für die armen Bevölkerungsgruppen nur eine untergeordnete Rolle. In die gleiche Richtung weist das geringe Volumen der Wasserver- und -entsorgungsmaßnahmen in der BMZ-Projektliste für selbsthilfeorientierte Armutsbekämpfung (BMZ 1995i). Von insgesamt 494 Millionen DM Ist-Zusagen im Jahr 1994 werden nur 55,7 Millionen erkennbar als Trinkwasser- und Sanitärvorhaben ausgewiesen.

    Die Behandlung der deutschen Leistungen für Wasserversorgung/Sanitäranlagen im Rahmen der menschlichen Prioritäten zeigt exemplarisch die Schwächen des BMZ-Projektschlüssels (YG-Schlüssel) auf. Es werden weder das Kostenniveau pro Nutznießerin noch die Zielgruppen bei der Verschlüsselung der einzelnen Maßnahmen erfaßt. Zentrales Zuordnungskriterium ist die sektorale Bestimmung des Vorhabens. Andere Dimensionen, z.B. geschlechtsspezifische Merkmale oder sozialer Status der Begünstigten, läßt der YG-Schlüssel außen vor. Deshalb kann er nicht für eine direkte Zielgruppenanalyse genutzt werden. Dafür muß auf andere Informationssysteme beziehungsweise auf die individuellen Projektunterlagen zurückgegriffen werden.

  2. Bei einigen kleineren Positionen (z.B. Entwicklung des Gemeinwesens und Sozialfürsorge) ist fraglich, ob, beziehungsweise in welchem Umfang sie tatsächlich als Bestandteil der sozialen Grunddienste zu verstehen sind.

  3. In Teil 2 der Liste werden nur diejenigen Projekte und Programme berücksichtigt, die der Grundbedürfnisorientierung und/oder der selbsthilfeorientierten Armutsbekämpfung dienen. Für einige der Maßnahmen mag die 20:20-Definition zutreffen, sofern es sich um eine Stärkung der Ernährungssicherheit auf Haushalts- und Dorfebene handelt. Andere Förderbereiche, z.B. Slum-Sanierungsmaßnahmen oder ländliche Regionalentwicklung, können den sozialen Grunddiensten nicht zugeordnet werden, auch wenn sie die Lebenssituation der Armen nachweisbar verbessern mögen.

    Die vom BMZ vorgelegte Liste der menschlichen Prioritäten erhöht ohne Zweifel die Transparenz über die Armutsorientierung der deutschen Entwicklungshilfe. Angesichts der zahlreichen, auch vom Volumen her relevanten Abweichungen von der Definition der 20:20-lnitiative durch die UN-Fachinstitutionen unterstreicht sie jedoch die Notwendigkeit international verbindlicher Festlegungen hinsichtlich der relevanten Förderbereiche.

    [Seite der Druckausg.: 15 ]

    2.1.2 Meldungen an das DAC

    Seit kurzem fordert das Development Assistance Committee (DAC) der OECD seine Mitglieder auf, im Rahmen der jährlichen Berichterstattung auch einzelne Bereiche der sozialen Grunddienste auszuweisen. Davor gab es nur eine breite sektorale Aufschlüsselung, z.B. eine Gesamtziffer für alle Leistungen im Gesundheits- oder Bildungsbereich.

    Folgende Werte für bilaterale Zusagen in den hier relevanten Bereichen hat das BMZ an das DAC gemeldet (siehe Anlage 2 für den kompletten Meldebogen 1994): [Fn.15: Siehe BMZ 1994b und 1995l. Die gesamten bilateralen Zusagen des BMZ betrugen 1993 9,9 Milliarden DM und 1994 10,2 Milliarden, Es werden hier dieselben Bezugsgrößen wie in der BMZ-Liste für menschliche Prioritäten verwendet.]


    1993

    1994

    Basisgesundheitsdienste

    99,2 Mio. DM

    159,2 Mio. DM

    in Prozent

    1,0 %

    1,6 %

    Grundbildung

    206,3 Mio. DM

    295,1 Mio. DM

    in Prozent

    2,1 %

    2,9 %

    Bevölkerungspolitik

    30,6 Mio. DM

    133.7Mio.DM

    in Prozent

    0,3 %

    1,3 %

    ZUSAMMEN

    3,4 %

    5,8 %

    Nach den international akzeptierten Kriterien des Gebergremiums DAC für die statistische Erfassung von Basisgesundheitsdiensten und Grundbildung erreichen diese beiden Positionen zusammen mit der Bevölkerungspolitik einen Anteil von insgesamt 5,8 Prozent der deutschen bilateralen Zusagen im Jahr 1994. Wie in der BMZ-Liste über menschliche Prioritäten ist die Steigerung von 1993 auf 1994 wohl zu einem großen Teil dadurch zu erklären, daß 1994 zum erstenmal die Leistungen an NRO auf die sektoralen Kategorien aufgeteilt wurden, während sie 1993 noch als separate Sammelposition in Erscheinung traten.

    Der quantitative Stellenwert des Kernbereichs der sozialen Grunddienste (Basisgesundheitsdienste, Grundbildung und Bevölkerungspolitik) im BMZ-Programm kann somit als geklärt und unstrittig gelten. 1994 entfielen weniger als sechs Prozent der gesamten bilateralen Zusägen auf diese zentralen Schwerpunkte im Kampf gegen die absolute Armut.

    Angesichts der ungenügenden Datenaufbereitung im BMZ muß derzeit aber noch offen bleiben, wie hoch die deutschen Leistungen für die gezielte Beseitigung von Unterernährung sowie für kostengünstige Trinkwasser- und Sanitärmaßnahmen zugunsten der Armen sind. Die Position Nahrungsmittelhilfe kann in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden, da sie Lieferungen umfaßt, die als Lohnersatz dienen (food for work).

    [Seite der Druckausg.: 16 ]

    Die Angaben des BMZ zur Wasserver- und -entsorgung sind ebenfalls ungeeignet, da unklar ist, inwieweit sie die kostenmäßigen Vorgaben der 20:20-lnitiative erfüllen.

    Auch wenn die Gesamtleistungen des BMZ für soziale Grunddienste nach der Definition der UN-Fachinstitutionen derzeit nicht exakt berechnet werden können, läßt sich folgende Tendenzaussage treffen: Die BMZ-Werte für Grundbildung, Basisgesundheitsdienste und Bevölkerungspolitik fallen mit weniger als sechs Prozent der bilateralen Zusagen in 1994 so niedrig aus, daß die Erfüllung der 20-Prozent-Vorgabe für soziale Grunddienste völlig ausgeschlossen ist.

    2.1.3 Rahmenplanung 1996

    Die bisher betrachteten Zahlen beziehen sich auf die Jahre vor dem Weltsozialgipfel. Von besonderem Interesse ist jetzt die Frage, ob sich das BMZ nach der Kopenhagener Konferenz stärker für soziale Grunddienste engagiert hat. Die einzigen Informationen, die dafür ausgewertet werden können, finden sich in der Rahmenplanung 1996. Dort berichtet das BMZ, wie das insgesamt zur Verfügung stehende Finanzierungsvolumen auf einzelne Nehmerländer und Fördersektoren verteilt werden soll (Soll-Zusagen). Aus einer Vielzahl von Gründen können allerdings die später bei Regierungsverhandlungen vereinbarten Maßnahmen (Ist-Zusagen) von den Planungswerten abweichen.

    Die sektorale Aufteilung der Rahmenplanung reicht nicht zur vollständigen Ermittlung der Werte für soziale Grunddienste aus. Nur Grundbildung und Bevölkerungspolitik werden einzeln ausgewiesen. Bei den aufgeführten Zahlen für das Gesundheitswesen handelt es sich um die Gesamtsumme für diesen Sektor. Der davon auf Basisgesundheitsdienste entfallende Betrag ist unbekannt.


    1996

    1995

    1992

    Grundbildung

    244 Mio. DM

    218 Mio. DM

    47,1 Mio. DM

    in Prozent der Gesamtzusagen

    6,5 %

    6,1 %

    1,3 %

    Bevölkerungspolitik

    152 Mio. DM

    148 Mio. DM

    97,5 Mio. DM

    in Prozent der Gesamtzusagen

    4,0 %

    4,1 %

    2,6 %

    Gesundheitswesen

    145 Mio. DM

    156 Mio. DM

    253,5 Mio. DM

    in Prozent der Gesamtzusagen

    3,9 %

    4,4 %

    6,8 %

    ZUSAMMEN

    14,4 %

    14,6 %

    10,7%

    Aus den geplanten Zusagen für 1996 läßt sich keinerlei Prioritätenänderung nach dem Weltsozialgipfel ablesen (BMZ 1995g: Tabelle 3; BMZ 1995e: 9; BMZ 1993a: Tabelle 3; BMZ 1993b: Tabellen 4a und b). [Fn.16: Die ursprünglich vom BMZ dem Parlament und der Öffentlichkeit gemeldeten Zahlen für Grundbildung in der Rahmenplanung 1996, die wesentlich niedriger lagen, wurden später mit Verweis auf einen internen Rechenfehler korrigiert. Die Bezugsgrößen für 1996 (sektoral zuordenbare Gesamtzusagen für Technische und Finanzielle Zusammenarbeit: 3,7 Milliarden DM) und 1995 (3,6 Milliarden) sind Soll-Zusagen; die für 1992 (3,7 Milliarden) Ist-Werte.]
    Die deutschen Leistungen für soziale Kernbereiche

    [Seite der Druckausg.: 17 ]

    sind praktisch unverändert gegenüber dem Vorjahr. Zu beachten ist bei diesen Prozentzahlen, daß hier ausschließlich die sektoral zuordenbaren Regierungszusagen für die Finanzielle und Technische Zusammenarbeit als Bezugsgröße verwendet werden. Die Gesamtsumme dieser Zusagen macht weniger als die Hälfte der dem DAC gemeldeten bilateralen Zusagen aus, die der BMZ-Liste über menschliche Prioritäten und den Berechnungen zu sozialen Grunddiensten im vorherigen Abschnitt zugrundeliegen. Es kann deshalb nicht überraschen, daß die Anteilswerte für die erfaßten sozialen Bereiche um einiges höher liegen als die bisher angeführten Zahlen.

    Verglichen mit den Summen des Jahres 1992 ergibt sich ein gemischtes Bild. Während die Zahlen für Grundbildung und Bevölkerungspolitik 1996 deutlich höher liegen, ist der Anteil für den gesamten Gesundheitssektor stark geschrumpft. Die Steigerung des Anteils der Grundbildung um das Fünffache innerhalb von nur vier Jahren zeigt, wie der Stellenwert bestimmter Förderbereiche gesteuert werden kann, wenn ein entsprechender politischer Wille vorhanden ist.

    2.1.4 Sonstige Umsetzungsbereiche

    Auch in anderer Hinsicht scheint der Weltsozialgipfel keine Spuren in der praktischen Tätigkeit des BMZ hinterlassen zu haben. Gespräche mit den zuständigen BMZ-MitarbeiterInnen haben deutlich gemacht, daß kein spezifischer Handlungsbedarf nach Kopenhagen identifiziert wurde. Es ist weder vorgesehen, der 20:20-lnitiative einen besonderen Stellenwert bei den Sektor- und Länderkonzepten einzuräumen. Noch gibt es Absichten, mit einzelnen Ländern konkrete Vereinbarungen zur Umsetzung von 20:20 anzustreben. Nach Auskunft des BMZ ist bisher auch noch kein Nehmerland mit dem entsprechenden Wunsch an das Ministerium herangetreten.

    Beispielhaft für diese Einstellung ist die im September 1995 - also ein halbes Jahr nach Kopenhagen - herausgegebene BMZ-Broschüre über Wasser, auf deren rund 200 Seiten kein Verweis auf die 20:20-lnitiative zu finden ist. Das darin enthaltene neue Sektorkonzept "Wasserversorgung und Sanitärmaßnahmen in Entwicklungsländern" nimmt zwar häufig Bezug auf die Notwendigkeit kostengünstiger Maßnahmen für die Armen. Es fehlen jedoch operationalisierte Kriterien für die Verknüpfung von Investitionskosten mit dem sozialen Status der Zielgruppen.

    2.1.5 Bewertung der BMZ-Politik

    Die Erkenntnisse über den Stellenwert sozialer Prioritäten in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden hier noch einmal im Überblick präsentiert. Es handelt sich dabei um die Zahlen für 1994, die den aktuellen Stand der Meldungen an das Development Assistance Committee wiedergeben.

    [Seite der Druckausg.: 18 ]


    Kernbereich*
    Soziale Grunddienste

    BMZ-Definition**
    "Menschliche Prioritäten"

    Ausgewählte Sozialsektoren***

    Anteil in Prozent

    5,8 %

    21,2 %

    13,0 %

    Bezugsgröße

    Gesamte bilaterale Zusagen (DAC-Meldung) 10,2 Milliarden DM

    Gesamte bilaterale Zusagen (DAC-Meldung) 10,2 Milliarden DM

    Gesamte Ist-Zusagen TZ und FZ
    3,9 Milliarden DM+

    * Grundbildung, Basisgesundheitsdienste, Bevölkerungspolitik (BMZ 19951; siehe Anlage 2).

    ** Siehe die als Anlage 1 wiedergegebene vollständige Liste des BMZ.

    *** Grundbildung, gesamtes Gesundheitswesen, Bevölkerungspolitik (Quelle: BMZ 1994a und 1995f).

    + Ohne Sonder- und überplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen für China (insgesamt 750 Millionen DM)

    Die bisherigen Ausführungen haben den Nachweis erbracht, daß den sozialen Grunddiensten nur ein nachrangiger Stellenwert in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eingeräumt wird. Obwohl die 20:20-lnitiative in öffentlichen Stellungnahmen unterstützt wird, haben die Beschlüsse des Weltsozialgipfels keine erkennbaren Spuren in der BMZ-Politik hinterlassen. Auch wenn präzise Berechnungen aufgrund der unbefriedigenden Datenlage im BMZ bisher nicht möglich sind, kann es keinen Zweifel daran geben, daß die deutschen Leistungen für soziale Grunddienste nach Definition der UN-Fachinstitutionen weit unter der 20-Prozent-Marke liegen.

    Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich und nicht akzeptabel, daß die Bundesregierung jeden Handlungsbedarf bestreitet. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS-Bundestagsgruppe zur Umsetzung der 20:20-lnitiative formuliert sie: "Die Förderung sozialer Dienste nimmt bisher schon einen hohen Stellenwert in der Konzeption und Praxis der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein, so daß eine Neuorientierung nicht erforderlich ist." (Deutscher Bundestag 1995: Frage 4).

    Neben objektiven Gründen - Fehlen einer international akzeptierten Definition der sozialen Grunddienste und mangelnde internationale Koordination - könnte die Zurückhaltung des BMZ dadurch bedingt sein, daß das 20:20-Konzept als konkurrierender Ansatz zum eigenen Verständnis einer strukturellen Armutsbekämpfung gesehen wird (BMZ 1995b: 3). Dieses Mißverständnis sollte möglichst rasch beseitigt werden. Das BMZ sollte der 20:20-lnitiative einen zentralen Platz in den laufenden Arbeiten für ein Sektorpapier zu sozialen Sicherungssystemen einräumen. Zusammen mit dem sektorübergreifenden Ansatz sollte dieser Förderbereich in ein umfassendes Programm der Armutsbekämpfung integriert werden.

    Das BMZ sollte den qualitativen und quantitativen Stellenwert der sozialen Grunddienste in der Rahmenplanung 1997 deutlich ausweiten und diesem Förderschwerpunkt bei der Erstellung von Sektor- und Länderkonzepten sowie bei Regierungsverhandlungen in Zukunft höchste Priorität beimessen.

    [Seite der Druckausg.: 19 ]

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    2.2 Statistische Erfassungsmethoden beim DAC

    International einheitliche und verbindliche Kriterien für die sektorale und übersektorale Zuordnung einzelner Maßnahmen sind unerläßlich, um die Vergleichbarkeit und Transparenz der Geberpolitiken sicherzustellen (EUROSTEP/ICVA 1995; 8). Eine Vertiefung der internationalen Koordination und Arbeitsteilung auf Geberseite ist nur auf dieser Grundlage denkbar.

    Der Wunsch nach innovativen, vieldimensionalen Projektschlüsseln zur qualitativen Bestimmung von Armutsvorhaben sowie nach Verbesserung der statistischen Datenbasis ist keine kleinkarierte Fliegenbeinzählerei. Das zugrundeliegende Anliegen ist vielmehr, die Verständigung über Ziele und Mittel in der Armutsbekämpfung voranzubringen und die realen Wirkungen der armutsorientierten Programme zu steigern. Gleichzeitig sollen Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber einer zunehmend skeptischen Öffentlichkeit erhöht werden. Unbestritten ist, daß der Ausbau der statistischen Systeme kein technokratischer Selbstzweck werden darf. Zusätzlicher Erhebungsaufwand und Qualitätsgewinn hinsichtlich der Aussagekraft verfügbarer Daten müssen in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen - sowohl bezogen auf den Mitteleinsatz (input) und als auch die Projektwirkungen (outcome).

    2.2.1 Jährliche Meldebögen

    Das DAC kann auf zwei Meldesysteme für die Entwicklungshilfeleistungen der Geberländer zurückgreifen. Das erste System wird vom DAC eigenständig konzipiert und verwaltet. In den schon angesprochenen Jahresbögen (DAC Table 5.1) werden die Zusagen des zurückliegenden Jahres nach Sektoren sowie nach den sektorübergreifenden Dimensionen Frauen und Umwelt zusammengefaßt. Innerhalb der einzelnen Sektoren wird dann noch nach Instrumenten (technische oder finanzielle Hilfe) sowie finanziellen Konditionen (Zuschuß oder Darlehen) unterschieden.

    Für die Zuordnung der einzelnen Leistungen liefert das DAC präzise Vorgaben, die von allen Mitgliedsländern vorher im Konsensverfahren verabschiedet werden müssen. Alle DAC-Mitglieder kommen ihrer Berichtspflicht nach. Da kaum noch Entwicklungshilfe von Staaten außerhalb des DAC geleistet wird, ermöglichen die dort gesammelten Daten erschöpfende Analysen des öffentlichen Nord-Süd-Transfers.

    Angestoßen durch die Kontroverse mit UNDP über menschliche Prioritäten in der Entwicklungshilfe hat das Development Assistance Committee vor kurzem den Fragebogen für die jährliche Berichterstattung der Geberländer um einige Kategorien der sozialen Grunddienste erweitert. Beginnend mit dem Jahr 1993 werden jetzt die jährlichen Zusagen für die Bereiche Basisgesundheitsdienste sowie Grundbildung abgefragt. Bei der Grundbildung wird darüber hinaus die Teilmenge Primarerziehung separat erfaßt. Der jüngste Meldebogen des BMZ für die Zusagen des Jahres 1994 ist als Anlage 2 dieser Studie beigefügt.

    Der im Februar 1996 erschienene DAC-Jahresbericht für 1995 (OECD/DAC 1996: Table 27, S. A45) enthält zum erstenmal Zahlenangaben für Grundbildung und Basisgesundheitsdienste. Aber nur bei acht der 21 DAC-Mitgliedsländer finden sich Angaben zur Grundbildung als Anteil der gesamten bilateralen Zusagen im Jahr 1993:

    [Seite der Druckausg.: 20 ]

    Grundbildung:


    Finnland

    3,0 %

    Spanien

    1,7 %

    Australien

    1,6 %

    Norwegen

    0,6 %

    Schweiz

    0,6 %

    Dänemark

    0,5 %

    Kanada

    0,1 %

    Italien

    0,1 %

    DAC Gesamt

    0,1 %

    Erstaunlicherweise wird Deutschland hier nicht aufgeführt, obwohl das BMZ entsprechende Angaben (2,1 % in 1993) an das DAC gemeldet hatte.

    Im Bereich der Basisgesundheitsdienste sind Zahlen für sieben Länder erfaßt:

    Basisgesundheitsdienste:

    Australien

    3,8 %

    Niederlande

    1,9 %

    Italien

    1,6 %

    Deutschland

    1,0 %

    Finnland

    0,6 %

    Dänemark

    0,6 %

    Schweiz

    0,2 %

    DAC Gesamt

    0,3 %

    Aus den bruchstückhaften Informationen des jüngsten DAC-Jahresberichts wird deutlich, daß die Berichterstattung der Geber und die internationale Auswertung dieser Angaben im Bereich der sozialen Grunddienste noch erhebliche Wünsche offen lassen. Das erschreckend niedrige Niveau der Leistungen macht deutlich, daß dieser Förderbereich in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit bisher völlig vernachläßigt worden ist.

    2.2.2 Reform des Creditor Reporting Systems

    Das zweite Berichtssystem des DAC wird als Creditor Reporting System (CRS) bezeichnet, weil damit ursprünglich nur öffentliche Leistungen auf Kreditbasis erfaßt wurden. Das CRS wird gemeinsam von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, und der Weltbank getragen. Die organisatorische Verantwortung liegt aber allein bei der OECD.

    Das CRS baut auf Meldungen der Geber für jedes einzelne Vorhaben auf. Zu diesem Zweck bietet es ein detailliertes geographisches und sektorales Verschlüsselungssystem. Erfaßt werden auch weitere Aspekte wie Zuschußanteil und Lieferbindung. Die Verteilung der Entwicklungshilfe auf spezielle Förderbereiche sowie qualitative Fragestellungen können hier sehr viel besser als mit dem relativ groben Raster des ersten DAC-Berichtssystems untersucht werden.

    [Seite der Druckausg.: 21 ]

    Die Beteiligung der Geberländer am CRS-Meldeverfahren fällt höchst unterschiedlich aus, da die Meldung für die technische Hilfe freigestellt ist (OECD/DAC 1995a: 6). [Fn.17: Mit regelmäßigen Quartalsberichten informiert das DAC seit kurzem die Öffentlichkeit detailliert über alle beim CRS eingegangenen Einzelmeldungen (OCED/DAC 1995a).]
    Einige Regierungen berichten inzwischen sämtliche bilateralen Leistungen an das CRS. Für Deutschland liegt der Anteil deutlich unter 50 Prozent, da u.a. die Technische Zusammenarbeit außen vorbleibt (Fues 1994: 13). Die Finanzielle Zusammenarbeit wird hingegen vollständig erfaßt, auch wenn sie als nicht-rückzahlbarer Zuschuß abfließt.

    Um dem Wunsch der Geber und der Öffentlichkeit nach größerer Transparenz nachzukommen, hat das DAC eine Reform des CRS-Projektschlüssels eingeleitet. Erklärtes Ziel ist dabei auch die bessere Erfassung der Leistungen für soziale Grunddienste. Ein Vorschlag des DAC-Sekretariats (OECD/DAC 1995b) ist inzwischen mit einigen Änderungen akzeptiert worden. Verschiedene internationale Organisationen, darunter UNDP und UNICEF, waren an der Beratung beteiligt. Dem Vernehmen nach ist UNICEF zufrieden mit der Berücksichtigung der sozialen Grunddienste. [Fn.18: Eine Differenz in technischer Hinsicht gab es zwischen UNICEF und UNFPA bei der sektoralen Einordnung der Gesundheitsfürsorge für Mütter mit Kleinkindern. Im vorläufigen Beschluß des DAC wird dieser Bereich der reproduktiven Gesundheit zugeordnet, während UNICEF die Erfassung bei den Basisgesundheitsdiensten wünscht.]
    Ein kritischer Punkt könnte die Position für Wasserversorgung und Sanitäreinrichtungen mit niedrigem Kostenniveau sein, die möglicherweise einer präziseren Definition bedarf. [Fn.19: Im DAC-Vorschlag wird die Position low-cost water and sanitation folgendermaßen näher beschrieben: "Water supply and sanitation through low-cost technologies such as handpumps, gravity-fed Systems, rain water collection, latrines." (OECD/DAC 1995b Anhang 3: 3)]

    So erfreulich die wohl bald abgeschlossene Reform des CRS-Schlüssels auch ist, so gering ist ihr praktischer Nutzen, wenn die meisten Geber nur unvollständige Daten abliefern. Ein internationaler Vergleich der sektoralen Schwerpunkte wird erst dann möglich sein, wenn sämtliche bilateralen Leistungen gemeldet werden. Im BMZ wird derzeit in Zusammenarbeit mit den Durchführungsorganisationen, Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), darüber beraten, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit auch die Maßnahmen der Technischen Zusammenarbeit künftig an das CRS übermittelt werden können. Wie von der GTZ zu hören ist, werden dort überhaupt keine Schwierigkeiten für die sofortige Einführung des CRS-Projektschlüssels gesehen.

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    2.3 Leistungen der Länder im Süden für soziale Grunddienste

    Schon im Human Development Report 1991 hatte UNDP detaillierte Statistiken für die Ausgaben zahlreicher Länder des Südens im Bereich der sozialen Grunddienste vorgelegt. Die von Jespersen/Parker (1995: Tabelle 2) aktualisierte Liste wird als Anhang 3 dieser Studie wiedergegeben. Die Nehmerverpflichtung der 20:20-Regel wird demnach nur von vier Ländern erfüllt: Simbabwe (25 %), Südkorea (23 %), Marokko (22 %) und Malaysia (20 %). Der Durchschnitt aller 25 Staaten beläuft sich auf 12 Prozent.

    Um die 20:20-lnitiative empirisch abzusichern, hat UNICEF die Staatsausgaben für soziale Grunddienste anhand von Fallstudien näher analysieren lassen. Mehrotra/Thet

    [Seite der Druckausg.: 22 ]

    (1995) fassen die ausführlichen Länderberichte, die in enger Zusammenarbeit mit einheimischen GutachterInnen und Regierungsstellen entstanden, zusammen. Von UNICEF wurden die Philippinen, Nepal, Tansania und Guinea ausgewählt, weil ihre Sozialindikatoren Werte unter dem Durchschnitt der jeweiligen Region aufweisen. [Fn.20: Die vollständige Studie für Nepal ist vom Institute for Sustainable Development (1994) veröffentlicht worden. Die übrigen Länderstudien liegen nicht öffentlich vor.] Die zugrundeliegende Hypothese war, daß die Regierungen weniger für Sozialleistungen ausgeben und deshalb ungenutzte Handlungsspielräume zugunsten der sozialen Grunddienste existieren.

    Die Untersuchung ergab folgende Zahlen für den Anteil der sozialen Grunddienste an den Staatshaushalten: Nepal 14 Prozent (1993/94), Guinea 13 Prozent (1991), Tansania 13 Prozent (1993) und Philippinen 8 Prozent (1992). Während der Anteil der sozialen Grunddienste bei den ersten drei Ländern in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen ist, zeichnet sich bei den Philippinen keine Verbesserung ab.

    Es werden auch die finanziellen Verteilungsspielräume betrachtet. Als Ergebnis wird festgehalten, daß der Anteil der sozialen Grunddienste um 10 Prozentpunkte gesteigert, also fast verdoppelt werden könnte. Voraussetzung dafür ist, daß öffentliche Gelder von den unproduktiven Sektoren (Militär und Polizei, Verluste öffentlicher Unternehmen etc.) weggenommen werden sowie innerhalb der Sozialbereiche in Richtung Grunddienste umgeschichtet wird. Der Ausnahmefall sind auch hier die Philippinen, wo die Umverteilungschancen sehr viel niedriger eingeschätzt werden.

    Die Untersuchung identifiziert die Hemmnisse für eine Umstrukturierung der öffentlichen Ausgaben. Neben politischen Faktoren, z.B. mangelnde Bereitschaft privilegierter Gruppen, auf staatliche Zuteilungen zu verzichten, erweist sich die interne und externe Verschuldung als schwerwiegende Blockade für alle Länder. Bei den afrikanischen Staaten sind es vor allem die Zinszahlungen an das Ausland, die einen höheren Anteil der sozialen Grunddienste verhindern. Bei den asiatischen Ländern bindet zusätzlich die inländische Verschuldung des Staates einen erheblichen Teil der laufenden Ausgaben. Eine weitere Erkenntnis ist, daß die Erhöhung der Steuereinnahmen auf den regionalen Durchschnittswert erhebliche Finanzierungspotentiale mobilisieren könnte.

    Schließlich zeigt die UNICEF-Studie, daß auch im Bereich der Entwicklungshilfe großer Handlungsbedarf liegt. In keinem der untersuchten Länder umfaßt der Anteil der sozialen Grunddienste an den gesamten öffentlichen Hilfeleistungen mehr als zehn Prozent. Da die Studie für Nepal vollständig der Öffentlichkeit zugänglich ist, kann auf deren detaillierte Angaben zurückgegriffen werden. Die Analyse der empfangenen Entwicklungshilfe seit 1980 zeigt, daß die meisten Finanzmittel für Baumaßnahmen der physischen Infrastruktur (wie Transport, Kommunikation und Energie) zur Verfügung gestellt wurden (Institute for Sustainable Development 1994: 56). Auf den gesamten Erziehungsbereich entfielen im Jahr 1992 nur 2,6 Prozent, auf den Gesundheitssektor nur 2,3 Prozent der Auszahlungen. Andere Sozialmaßnahmen, darunter Wasserversorgung, Sanitäranlagen und Gemeinwesenarbeit, erhielten einen Anteil von 10,4 Prozent. Die niedrigen Zahlen für die Sozialsektoren müssen aber nicht ausschließlich Ausdruck der Geberprioritäten sein. Denkbar sind auch Absorptionsprobleme, die eine schnelle Umwandlung der Zusagen in Auszahlungen verhindern.


    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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