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[Seite der Druckausg.: 9 ]


3.
Begrüßungsansprache von Holger Börner


„Sehr geehrter Herr Bundesminister Spranger, Exzellenzen, verehrte Abgeordnete und Vertreter internationaler Organisationen, meine Damen und Herren, zu Ihrer Jahreskonferenz in der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüße ich Sie im Namen unseres Vorstandes.

Es ist für uns eine besondere Freude, daß Sie, Herr Bundesminister Spranger, hier heute sprechen. Dies unterstreicht auch die gute Zusammenarbeit mit Ihrem Hause. Die deutschen politischen Stiftungen sind in ihrem Programmangebot unabhängig. Aber sie sind Teil der deutschen Entwicklungspolitik. Die Verbesserung der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Entwicklung ist unser Hauptanliegen. Demokratie, Rechtsstaat, Beteiligung der Gesellschaft und internationale Zusammenarbeit sind die gemeinsamen Ziele.

Unsere Arbeit liegt damit in dem Kernbereich der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, so wie sie von Ihnen, Herr Minister Spranger, verantwortet wird. Dies wurde in unserer gemeinsamen Pressekonferenz in diesem Frühjahr noch einmal deutlich gemacht.

Ihre Bereitschaft zur Eröffnung der Jahreskonferenz dieses Forums von Nichtregierungsorganisationen zeigt erneut den Stellenwert, den Sie der entwicklungspolitischen Arbeit dieser Organisationen beimessen. Die Pluralität und subsidiäre Einbeziehung der gesellschaftlichen Organisationen ist ein Markenzeichen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Wir stehen dazu und freuen uns, Sie heute hier zu haben.

Vor allem begrüße ich die Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen des Deutschen NRO-Forums Weltsozialgipfel. Einigen, wie z.B. dem DGB, sind wir traditionell eng verbunden. Mit anderen hat sich in den letzten Jahren eine gute Zusammenarbeit ergeben, die auch die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in mancher Hinsicht erweitert hat.

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    „Das Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Solidarität wollen und können wir nicht aufgeben."

Die Zusammenarbeit der Entwicklungsorganisationen und Sozialverbände in diesem Forum hat für uns einen besonderen Stellenwert. Deshalb haben wir uns seit 1994 für die Zusammenarbeit des Forums und den Dialog mit der Bundesregierung und den Parteien eingesetzt. Wir sind nicht zum erstenmal Gastgeber, aber wir haben immer auf den überparteilichen Ansatz des Forums geachtet.

In der Arbeit des Forums sind Kernbereiche unserer Arbeit in Deutschland und im Internationalen zusammengebunden: Wir wissen, daß von der .Regelung der sozialen Verhältnisse in unseren Ländern und in den internationalen Beziehungen ganz wesentlich unsere gemeinsame Zukunft bestimmt wird. Das Streben nach „sozialer Gerechtigkeit" und „Solidarität" wollen und können wir nicht aufgeben. Aber wir werden manches neu definieren und praktisch neu regeln müssen.

[Seite der Druckausg.: 10 ]

Dazu gehört Mut und die Bereitschaft zu einem neuen gesellschaftlichen Konsens. Der Rückzug auf die vermeintliche „Insel des Wohlfahrtsstaates" im Meer der sozialen und ökologischen Krisen ist uns verbaut. Die rein defensive Verteidigung bestehender Verhältnisse und Besitzstände ist keine dauerhafte Lösung.

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Gerade wer den Sozialstaat für ein hohes Gut hält, wird der Verantwortung des Einzelnen und der Selbsthilfefähigkeit gesellschaftlicher Organisationen einen neuen und höheren Stellenwert beimessen müssen. Aber es bedarf auch des Freiraums rechtlicher Rahmenbedingungen und entsprechender Förderung. Mich hat in meinem politischen Denken der kategorische Imperativ von Kant entscheidend geprägt. Verantwortungsethik hat mit dem platten Eigeninteresse neoliberaler Politik nichts gemein. Die persönliche Verantwortung und staatliches Handeln als Ausdruck der Verpflichtung auf das Gemeinwohl müssen aufeinander bezogen sein und sich ergänzen. Der soziale Ausgleich zwischen Starken und Schwachen ist eine gesellschaftliche und eine politische Aufgabe; dieser darf sich der Staat nicht entziehen. Verteilungsfragen sind Kernfragen der Politik. Sie prägen die politische Kultur eines Landes und die Art und Weise, wie internationale Verantwortung wahrgenommen wird. Freiheit und Pflicht, Verantwortung und Solidarität sind Begriffspaare, die für mich ihren positiven Sinn haben.

Diese Jahreskonferenz nimmt ein zentrales Thema auf: Staat und zivile Gesellschaft in der sozialen Entwicklung. Es geht nicht mehr um den polarisierten Gegensatz: Staat oder Markt bzw. Staat oder individuelles Eigeninteresse. Das wäre zu einfach gedacht. Nach meinem Verständnis ist der schmale Weg zu finden zwischen der notwendigen marktwirtschaftlichen Dynamik und der Einbindung in das Gemeinwohl. Auf die politische Gestaltung der Rahmenbedingungen, die soziale Ordnungsfunktion des Staates und Ausgleichsleistungen innerhalb und zwischen den Gesellschaften kann nicht verzichtet werden. Es gilt, neu zu bestimmen, was der Staat notwendigerweise zu leisten hat und wie er dies tut. Und was an Eigenverantwortung und Problemlösung den Einzelnen und ihren gesellschaftlichen Selbstorganisationen übertragen werden kann.

Die Befähigung der Menschen muß heute im Zentrum stehen. Chancengleichheit hat mit Bildung und Ausbildung, mit dem Zugang zu Arbeit und dem Erwerb von Eigentum zu tun. Dies ist die Perspektive, die sich mit dem Begriff der „sozialen Marktwirtschaft" verbindet. Diese gilt es neu auszufüllen und für die Politik in der Ausgestaltung der internationalen Rahmenbedingungen zu nutzen.

    Die Zeit rein nationaler Wirtschafts- und Sozialpolitik ist vorbei

Die Zeit rein nationaler Wirtschafts- und Sozialpolitik ist vorbei. Aber es bleibt richtig, was wir aus historischer Erfahrung wissen: Soziale Gerechtigkeit muß immer neu erstritten werden. Und dazu braucht es politische Organisationen und Interessenvertretungen in den jeweiligen Ländern. Internationale Absprachen und Vereinbarungen sind nicht genug. Hier sehen wir unsere Hauptaufgabe als politische Stiftung.

Ich begrüße besonders die Vertreter der Weltbank und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, die an dieser Konferenz teilnehmen. Wir

[Seite der Druckausg.: 11 ]

werden am 19. November auch den Weltbank-Präsidenten Wolfensohn als Redner hier in diesem Saal haben.

Die Politik der Weltbank wird von vielen mit einer kritischen Distanz beobachtet. Dies gilt für das politische Feld, dem sich diese Stiftung zuordnet. Es galt und gilt für viele der Organisationen, die das Forum Weltsozialgipfel tragen.

Aber wir sehen, daß die Politik der Bank sich weiterentwickelt. Der diesjährige Bericht über den „Staat in einer sich verändernden Welt" ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gerade die deutschen Organisationen mit ihren Erfahrungen an „sozialer Marktwirtschaft" und an gesellschaftlicher Beteiligung sollten sich dem Dialog mit der Weltbank und den UN-Organisationen stellen. Sie sollten ihre Möglichkeiten der politischen Mitgestaltung nutzen. Wir sind dazu bereit und sehen uns dabei in Partnerschaft zur Entwicklungs- und Außenpolitik von Regierung und Parlament. Deutsche Verantwortung in der Welt hat hier ein Handlungsfeld.

Ich wünsche Ihnen eine gute Diskussion und danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Herr Minister Spranger, Sie haben das Wort!"


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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