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Initiativen vor Ort -
Berichte aus Äthiopien und Ägypten




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Alemneh Abebech

Die Ursache für FGM liegt in den ungleichen Geschlechterbeziehungen. Äthiopien ist eine patriarchalische Gesellschaft, in der die männliche Überlegenheit auf jede nur denkbare Art ausgedrückt wird. Sogar die Gesetzgebung wie das Zivil- und das Strafrecht Äthiopiens legitimieren die Unterlegenheit der Frauen in bestimmten Beziehungen.

Im ländlichen Äthiopien wird die Situation der Opfer weiblicher Genitalverstümmelung noch durch frühe Heirat verschärft. Mädchen werden schon im Alter von acht Jahren von ihren Familien verheiratet. Da sie sehr früh schwanger werden, ergeben sich oft Komplikationen, die in einer besonders schweren Geburt von mehreren Tagen Dauer resultieren und in der Entstehung von Fisteln.

FGM in der äthiopischen Gesetzgebung

FGM wird in Äthiopien nicht als Straftat betrachtet und ist auch nicht als Verbrechen im Strafgesetz spezifiziert. Kürzlich jedoch wurde ein Zusatz zur äthiopischen Verfassung (No. 1/1995) proklamiert, der in Absatz 35 (4) folgende Bestimmung enthält: „Der Staat soll das Recht der Frauen durchsetzen, die Einflüsse schädlicher Gebräuche zu eliminieren. Gesetze, Gebräuche und Praktiken, die der Unterdrückung dienen oder körperliche oder geistige Schäden für Frauen zur Folge haben, sind verboten."

Außerdem regelt die Kinderrechtskonvention in Artikel 19 den Schutz des Kindes vor allen Formen von physischer oder psychischer Gewalt, Verletzung oder Mißbrauch, Mißhandlung oder Ausbeutung einschließlich sexuellen Mißbrauchs. In Artikel 2(f) fordert die Konvention für die Eliminierung der Diskriminierung von Frau-

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en die Abschaffung all jener Gesetze, Regeln, Gebräuche und Praktiken, die die Diskriminierung von Frauen konstituieren. Äthiopien hat beide Konventionen ratifiziert und sie werden nach Artikel 9 (4) der Verfassung als äthiopisches Recht betrachtet.

Deshalb können sowohl die Ratifizierung der beiden Konventionen, wie auch das Verbot schädlicher traditioneller Praktiken durch die Verfassung als erste Initiativen bezeichnet werden, FGM als eine Menschenrechtsverletzung gegen Frauen abzuschaffen.

Die äthiopische Regierungspolitik

Verschiedene Sektoren der Regierungsministerien verfolgen eine Politik, schädliche traditionelle Praktiken einzudämmen - was FGM einschließt.

Dazu zählt die nationale äthiopische Frauenpolitik, die 1993 von der Abteilung für Frauenfragen des Büros des Premierministers formuliert wurde. In ihr wird das Problem der weiblichen Genitalverstümmelung angesprochen und die Notwendigkeit betont, Männern und Frauen die schädlichen Auswirkungen von FGM bewußt zu machen. Dies soll in allen denkbaren Foren geschehen, der Schwerpunkt jedoch in den Schulen liegen.

Zur Umsetzungsstrategie wird in der Richtlinie gesagt, daß die Regierung in Zusammenarbeit mit der äthiopischen Bevölkerung Bedingungen schaffen soll, die der Information und Erziehung der Gemeinschaften über schädliche Praktiken wie Beschneidung oder die Verheiratung von jungen Mädchen förderlich sind.

Zur Umsetzung dieser Politik wurden Abteilungen für Frauenfragen sowohl in den verschiedenen Regierungsministerien als auch bei den Regionalregierungen eingerichtet.

Auch die Bevölkerungspolitik der Regierung setzt sich für beherzte Schritte ein, alle kulturellen und sozialen Hindernisse zu beseitigen, die die Frauen daran hindern, in den Genuß ihrer fundamentalen Menschenrechte zu gelangen. Speziell die negativen Effekte einer Heirat im Kindesalter auf die hohe Mütter-, Säuglings- und Kindersterblichkeit werden darin betont.

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Darüber hinaus sorgt auch die Gesundheitspolitik für eine Eindämmung schädlicher traditioneller Praktiken, und FGM ist Bestandteil der Gesundheitserziehung verschiedener Institutionen.

Eine der Aufgaben der Bildungspolitik ist es, Bürger zu erziehen, schädliche traditionelle Praktiken von nützlichen unterscheiden zu können. Deshalb enthalten auch die Schul-Curricula Themen zu schädlichen traditionellen Praktiken.

Die Arbeit einheimischer NRO

Seit seiner Gründung im Jahre 1987 hat das Nationale Komitee für Traditionelle Praktiken in Äthiopien (NCTPE) daran gearbeitet, die Öffentlichkeit auf die negativen Auswirkungen von FGM und anderen Praktiken aufmerksam zu machen. Es hat folgende Aktivitäten und Programme durchgeführt:

  • Forschung: Die Forschung ist eine der Methoden, die wichtigsten schädlichen traditionellen Praktiken zu identifizieren. Es werden qualitative und quantitative Methoden benutzt. Es gibt einen direkten Kontakt zwischen den Forschern und den Gemeinden. Dieser wird auch dazu genutzt, Bewußtseinsarbeit über die Auswirkungen schädlicher Praktiken im allgemeinen und FGM im besonderen zu leisten.
  • Materialien zur Information, Erziehung und Kommunikation wie Flugblätter, Broschüren, Poster, T-Shirts, Videofilme, Lieder und Theateraufführungen wurden in verschiedenen lokalen Sprachen produziert, um die Bevölkerung insgesamt informieren zu können.
  • Es wurden verschiedene Trainingsprogramme aufgelegt; darunter ein Training für Trainer von professionellen Gruppen, ein Training um Informationskampagnen für sozial einflußreiche Grup-

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    pen durchzuführen, Workshops und Seminare für Politiker, Künstler Journalisten und andere. Die Sensibilisierungskampagnen in den Schulen für Schüler und Lehrer werden so durchgeführt, daß ein Netzwerk von Trainern bis hinunter auf die Ebene der Distrikte gebildet werden soll, um die Gemeinschaften in Graswurzelarbeit zu erreichen.

  • Informationskampagnen durch die Massenmedien wie Radio, Fernsehen und die Presse wurden in verschiedenen Sprachen durchgeführt.
  • Monitoring- und Follow-Up-Aktivitäten wurden auf verschiedenen Ebenen begonnen, um abschätzen zu können, wie weit die Interventionen bisher gereicht haben und was dabei bewirkt wurde.

Um die Trainings- und Informationskampagnen und das Follow-Up durchführen zu können, hat das NCTPE zehn regionale Zweigstellen eröffnet, die die Aktivitäten teils koordinieren und teils selbst durchführen.

Die äthiopische Vereinigung der Rechtsanwältinnen

Die äthiopische Vereinigung der Rechtsanwältinnen (Ethiopian Women Lawyers Association, EWLA) ist eine private nicht profitorientierte und nichtparteiliche Freiwilligenorganisation, die 1995 von äthiopischen Rechtsanwältinnen gegründet wurde, um den rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Status der äthiopischen Frau zu verbessern. Unter den Zielsetzungen der EWLA ist auch die Eliminierung aller Formen von rechtlich oder durch Traditionen sanktionierte Diskriminierung von Frauen festgeschrieben.

Die wichtigsten Aktivitäten von EWLA sind die Bereitstellung von juristischem Beistand, die Forschung über legale und schädliche traditionelle Praktiken sowie die Advocacy-Arbeit und die öffentliche Erziehung.

EWLA hat bereits eine Studie über schädliche traditionelle Praktiken durchgeführt, die FGM einschloß. Darüber hinaus hat sie einen Workshop über Gewalt gegen Frauen veranstaltet, Diskussionen über FGM in verschiedenen Regionen des Landes organisiert und ein Radioprogramm in Form einer Erzählung produziert.

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Aber obwohl die weibliche Genitalverstümmelung Gewalt gegen Frauen und eine Menschenrechtsverletzung darstellt, ist keine einzige Frau zum Büro der EWLA gekommen, um sich in einem FGM-Fall juristisch vertreten zu lassen. Der Grund: Weibliche Genitalverstümmelung ist in Äthiopien nicht gesetzlich verboten. Die Praktiken sind traditionell akzeptiert. FGM geschieht nicht, um dem Mädchen oder der Frau zu schaden, und es ist unmöglich, die Beschneiderin für Körperverletzung oder ein anderes strafbares Verbrechen anzuklagen: Der Vorsatz fehlt.

Deshalb beschränkt sich die Arbeit von EWLA gegen die weiblichen Genitalverstümmelung im Moment auf das Lobbying und Kampagnen, um die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren.

Internationale NRO

Eine Reihe internationaler NRO, die für die Sache der Frauen und Kinder in Äthiopien arbeiten, finanzieren lokale NRO wie das NCTPE. Darüber hinaus führen einige von ihnen eigene integrierte Entwicklungsprojekte in der Stadt oder auf dem Land durch. Dazu gehören auch Sensibilisierungsprogramme zu FGM und anderen schädlichen traditionellen Praktiken.

Diese NRO haben eine ganze Reihe verschiedener Aktivitäten begonnen, um die Prinzipien der Kinderrechtskonvention zu verbreiten und die Beachtung der Kinderrechte zu fördern und Kindesmißhandlungen vorzubeugen. Sie haben verschiedene Workshops durchgeführt und Poster, T-Shirts usw. produziert, um die Öffentlichkeit, Regierungsinstitutionen, lokale Gemeindeorganisationen sowie Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Lehrer, religiöse Führer, die Jugend und die Frauen auf den Mißbrauch von Kindern aufmerksam zu machen, der FGM einschließt.

Die Arbeit der Ministerien

Obwohl die Programme gegen die weibliche Genitalverstümmelung von Seiten der Regierung nicht als signifikant bezeichnet werden können, haben die verschiedenen zuständigen Ministerien Aktivitäten gegen FGM aufgenommen. Die Berater des Landwirt-

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schaftsministeriums belehren die Bauern über die negativen Auswirkungen von schädlichen traditionellen Praktiken. Auch das Informationsministerium verbreitet Informationen über dieses Thema. Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat ein Forum für Sensibilisierungskampagnen geschaffen. Das Gesundheitsministerium integriert das Thema FGM in seine Gesundheitserziehungsprogramme.

Das Engagement der UN-Organisationen

Während der letzten Jahrzehnte haben sich besonders das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) für die Regierungszusammenarbeit zu diesem Thema eingesetzt, sowie NRO-Bewegungen und spezifische Aktivitäten auf Länderebene gefördert, um FGM und andere schädliche traditionelle Praktiken zu eliminieren.

UNICEF unterstützt das NCTPE seit 1996 finanziell in der Arbeit in den vier Regionen des östlichen Oromiya, wo die weibliche Genitalverstümmelung noch weit verbreitet ist.

UNFPA hat das NCTPE bei der Produktion von Materialien finanziell unterstützt. Auch die WHO und das NCTPE haben bei der Umsetzung des regionalen Aktionsplanes für die Eliminierung von FGM zusammengearbeitet.

Schlußfolgerungen

Der weitere Kampf gegen FGM sollte alle Frauen und Männer angehen, und es wird eine Menge Arbeit von allen erwartet, um ein Bewußtsein gegen die weibliche Genitalverstümmelung zu schaffen, die Menschenrechte zu lehren und Verhaltensänderungen herbeizuführen - sowohl in der Gesellschaft, besonders aber in den Familien.

Unabhängig von dieser Lobbyarbeit wird ein Gesetz benötigt, das weibliche Genitalverstümmelung verbietet und die Mädchen und Frauen vor dieser Gewalt rechtlich schützt.

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Aida Seif El Dawla

Der Kampf gegen FGM begann lange vor der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) im Jahre 1995. Einheimische Bemühungen um die Abschaffung der Genitalverstümmelung reichen zurück bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts [ Fn 1: Wassef, N. Da Min Zaman: „Past and Present Discourses on FGM", Friedrich-Ebert-Stiftung 1998 (in arabischer Sprache)] .
Die ICPD war jedoch ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der und den Debatten über die Genitalverstümmelung.

Beschneidung war wiederholt in den Vorbereitungen der Bevölkerungskonferenz von mehreren Organisationen aufgegriffen worden: aus gesundheitspolitischer und aus feministischer Sicht, sowie unter dem Aspekt der reproduktiven Gesundheit.

Doch der Wendepunkt wurde durch die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms von CNN markiert, der ein junges ägyptisches Mädchen zeigte, wie sie FGM unterworfen wurde. Noch einen Tag vorher hatte der ägyptische Gesundheitsminister erklärt, daß FGM eine seltene Praxis in Ägypten sei. Die CNN Dokumentation brachte den Minister nicht nur dazu, FGM zu verurteilen (ein positives Statement) sondern darüber hinaus der internationalen Gemeinschaft - und nicht seinem eigenen Volk - zu versprechen, daß er ein Gesetz herausbringen werde, um FGM unter Strafe zu stellen.

Die Kairoer Konferenz bot neuen Akteuren also eine Gelegenheit, die Bühne zu betreten: dem Staat, den Islamisten, und den Medizinern. Alle diese Akteure spielen seitdem eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um die Genitalverstümmelung. Die Auseinandersetzung verschob sich zudem von der abstrakten Arena, die als Tradition bekannt ist auf das konkrete Aktionsfeld politischer Körperschaften

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Anstöße durch die Kairoer Bevölkerungskonferenz

Nach der Bevölkerungskonferenz erhielt das NRO Komitee für Bevölkerung und Entwicklung einen permanenten Status durch das damalige Ministerium für Bevölkerung und Entwicklung, um das Follow-Up für die Empfehlungen der ICPD durchzuführen. Marie Assad, ein Mitglied des Komitees, schlug vor, daß die Gruppe der NRO und Einzelpersonen, die an einer Arbeit gegen die weibliche Beschneidung interessiert seien, eine Einsatzgruppe bilden sollen, die dem Nationalen Komitee für Bevölkerung und Entwicklung zur Seite gestellt wird.

Die FGM Taskforce wurde offiziell im Oktober 1994 gegründet - mit Marie Assad als Koordinatorin. Ihre Mitglieder kamen aus den verschiedensten Bereichen: Organisationen, Einzelpersonen, unabhängige Forscher und Frauen und Männer, die alle aus den Bereichen Entwicklung, Frauenrechte, Menschenrechte, Gesundheit, Erziehung und juristischer Hilfe kommen. Diese Diversität ist Teil der Stärke der Einsatzgruppe, die dadurch einen multi-disziplinären Ansatz in der Arbeit gegen FGM garantieren kann. Seit November 1994 findet ein monatliches Treffen statt, und die Mitgliederzahl ist auf 60 Organisationen angewachsen.

Die erste Aufgabe, die die Taskforce in Angriff nahm, bestand darin, eine gemeinsame Position bezüglich FGM zu erarbeiten. Man einigte sich auf eine völlige Ablehnung der weiblichen Beschneidung - unabhängig davon, wer sie durchführt und wieviel entfernt wird. Diese Entscheidung war von heftigen Diskussionen begleitet, in der auch die Position vertreten wurde, die Medizinisierung von FGM solange zuzulassen, bis die Ausmerzung dieser Praxis erreicht ist, um zu verhindern, daß Nicht-Professionelle Beschneidungen vorgenommen werden. Die zweite Entscheidung betraf die Frage, als was man weibliche Beschneidung zukünftig anzusprechen habe - nämlich als das, was sie tatsächlich beinhaltet: weibliche Genitalverstümmelung. Man einigte sich darauf, daß diese Benennung den Lobby- und Advocacyaktivitäten dienen sollte, während es den Aktivisten auf lokaler Ebene freigestellt bleiben sollte, welche Sprache ihren Zwecken am meisten nützt.

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Die ersten Aktivitäten der Taskforce betrafen die Organisation einer Konferenz unter der Schirmherrschaft des damaligen Ministeriums für Bevölkerung und Entwicklung. Diese wurde im März 1995 durchgeführt und es wurde eine Agenda verabschiedet, wie künftig an das Problem heranzugehen sei. Obwohl die Agenda nicht in der ursprünglich konzipierten Form umgesetzt wurde, half das Treffen doch bei der Identifizierung der verschiedenen beteiligten Parteien.

Problem der Medizinisierung

Eine der ersten Herausforderungen, denen sich die Einsatzgruppe gegenüber sah, war das ministerielle Dekret, welches kurz nach der ICPD herausgegeben wurde. Dieser Erlaß sah zum ersten Mal in der ägyptischen Geschichte eine Erlaubnis für die Durchführung von FGM vor, solange sie in staatlichen Krankenhäusern durchgeführt würde. Man hoffte, durch die Medizinisierung ein Schritt auf dem Weg zur Abschaffung dieser Tradition tun zu können. Der Erlaß führte zur Verwirrung und verstärkte die Auffassung vieler, daß das eigentlich Schädliche an dieser Praxis ihre Durchführung durch Laien sei. Zudem bedeutete der Erlaß einen Rückzug aus der ursprünglichen Position der Regierung.

Jetzt nahm die Kampagne gegen die Medizinisierung von FGM eine zentrale Rolle in der Arbeit der Einsatzgruppe ein. Die Aufgabe war schwierig angesichts der Macht der medizinischen Institutionen, aus denen die Stimmen, die sich in aller Deutlichkeit für die Praxis aussprachen, jene überschatteten, die eine intelligentere Meinung vertraten.

Die Aktivitäten der Taskforce beschränkten sich jetzt nicht mehr auf

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die Arbeit an der Basis, sondern schlössen Verhandlungen und Lobbyarbeit beim Ministerium ein. Einige Wochen später brachte dieses eine Verlautbarung heraus, in der erklärt wurde, daß es keinen Grund mehr für die Durchführung von FGM in Krankenhäusern gäbe, weil es durch die bisherige Politik gelungen sei, die Häufigkeit der Tradition stark zu senken. Diese Verlautbarung wurde unseres Wissens nach jedoch nicht in Form eines Erlasses herausgegeben und auch nicht an die Gesundheitsabteilungen weitergeleitet wie das erste Dekret.

Regelmäßig wurde in den Zeitungen nun über Todesfälle von Mädchen berichtet, die von Ärzten beschnitten worden waren. Die Gesamtzahl betrug zum Schluß 11 Fälle im Ablauf eines Jahres. Der Wechsel des Ministers brachte dann auch einen Wechsel in der Politik: Am 8. Juli 1996 veröffentlichte das Gesundheitsministerium einen Erlaß, (Decree # 261/1996) der FGM vollständig verbot.

FGM Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen

Dieser ministerielle Erlaß wurde von den Befürwortern von FGM angefochten, die mit der Begründung vor Gericht zogen, daß ein solches Dekret nicht in seiner Zuständigkeit liege. Der Minister verlor in der ersten Instanz, was viele Aktivisten sehr enttäuschte. Ohne die Unterstützung durch die staatliche Position mußte eine neue Kampagne konzipiert werden - diesmal unter erschwerten Vorzeichen. Eine zweite negative Auswirkung des Gerichtsentscheides waren die leidenschaftlichen Reaktionen von Organisationen und offiziellen Stellen in den Ländern des Nordens. In ihrer - gerechtfertigten - Enttäuschung über die Entscheidung des Gerichts versuchten sie, auf verschiedene Arten und Weisen zu intervenieren, oder ‘Solidarität' zu demonstrieren, die nicht mit den nationalen

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Vorstellungen darüber übereinstimmten, wie das Problem zu lösen sei. Die Anstrengungen der Einsatzgruppe mußten daher aufgeteilt werden: Einmal wurde auf lokaler Ebene gegen den Gerichtsentscheid gekämpft, andererseits mußte aber auch international die Sensationalisierung des Urteils verhindert und Interventionsvorschläge abgewendet werden, die einen starken Rückschlag im ägyptischen Kampf gegen FGM bedeutet hätten.

Zu diesem Zweck produzierte die Taskforce ihre erste offizielle Stellungnahme, die als das ‘Positionspapier' der Taskforce bekannt wurde und am 9. Dezember 1997 erschien. Zunächst wurde in dem Papier noch einmal die klare Ablehnung von FGM betont, sowie die Ablehnung jeglicher Begründung für die Praxis als auch ihrer Medizinisierung. Dann wurde Verständnis für die sozialen Gründe geäußert, die dazu beitragen, diese Tradition aufrecht zu erhalten. Aber es wurde auch das Engagement hervorgehoben, sich dieser Gründe anzunehmen und die Situation zu verändern. Schließlich wurde die internationale Gemeinschaft angesprochen und ihr für ihre Solidarität gedankt. Doch wurde von ihr auch verlangt, daß diese Solidarität keine Formen annehmen dürfe, die lokale Bemühungen zunichte machen.

Es war ein großer Erfolg für die Einsatzgruppe gegen FGM als das Verwaltungsgericht einige Monate später ein Urteil im Sinne des Gesundheitsministeriums fällte und so das Verbot von FGM erneuerte. Die verbleibende Herausforderung an dieser Front liegt in einer Regelung dieses Erlasses, die besagt, daß „die Praxis verboten ist, außer, wenn es eine Indikation für sie gibt, wie sie der Vorsitz der gynäkologischen Abteilung bestimmt hat". Die Taskforce betrachtet diese Regelung als ein gefährliches Schlupfloch, das noch gestopft werden muß.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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