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Sozialklauseln

Sozialklauseln sind Klauseln in Handelsvereinbarungen, die Vorschriften über Sozialstandards enthalten. Die Inanspruchnahme der in diesen Verträgen gewährten Handelsprivilegien wird von der Einhaltung der Sozialklauseln abhängig gemacht.

Von verschiedener Seite wurden Vorschläge für eine Sozialklausel innerhalb der Welthandelsorganisation erarbeitet. Heute besteht unter den Befürwortern von Sozialklauseln weitgehend Konsens, daß sich ihr Inhalt auf folgenden Kernbereich von Arbeiterrechten beschränken sollte:

  • Vereinigungsfreiheit (Konvention Nr. 87 von 1948);
  • Recht auf Kollektivverhandlungen (Konvention Nr. 98 von 1949);
  • Verbot von Kinderarbeit (Konvention Nr. 138 von 1973);
  • Verbot von Zwangsarbeit (Konventionen Nr. 29 von 1930 und Nr. 105 von 1957);
  • Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Konvention Nr. 111 von 1958);
  • Beseitigung von geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung (Konvention Nr. 100 von 1951).

Der Bundesvorstand des DGB unterbreitete im Juli 1994 folgenden Vorschlag, der weitgehend der Forderung des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) entsprach:

    „Die neue Welthandelsorganisation (WTO) und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) erstellen in regelmäßigen Abständen detaillierte und unabhängige Analysen zum generellen Zusammenhang von Handel und Arbeitnehmerrecht.

    Die ILO prüft nach ihrem eigenen Mechanismus die Einhaltung von ILO-Normen. Klagen und Beschwerden, die einen Zusammenhang zwischen internationalem Handel und den ILO-Normen zu den Bereichen Vereinigungsfreiheit, Verbot der Zwangsarbeit, Verbot der Kinderarbeit und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf sehen, sollten auch dann überprüft werden, wenn die Mitgliedsstaaten diese zentralen Sozialnormen nicht ratifiziert haben. Der ILO sollte dabei das Recht eingeräumt werden, auch von sich aus den Internationalen Gerichtshof anzurufen, wenn Mitgliedsstaaten diese ratifizierten Normen nicht einhalten und die Entscheidungen der Kontrollgremien mißachten. Gleichfalls sollten ihre Möglichkeiten erweitert werden, die sozialen Konsequenzen von Strukturanpassungs-Programmen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zu analysieren.

    Die WTO verpflichtet sich, diese grundlegenden Normen gleichfalls als Voraussetzung für einen fairen Welthandel anzuerkennen und in einem eigenen Rechtsakt festzuhalten, daß nach einem abgestuften System vorrangig Anreize und auch Handelssanktionen ergriffen werden können. Die WTO prüft, inwieweit die von der ILO mitgeteilten Verletzungen grundlegender Normen Auswirkungen auf den Handel haben.

    Wird ein Zusammenhang zwischen Sozialklauseln und internationalem Handelsaustausch festgestellt, sollten die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, einen nationalen Aktionsplan mit konkreten Schritten vorzulegen, wie eine völkerrechts-konforme Situation hergestellt werden kann und soll. Die Beteiligung der jeweiligen Sozialparteien ist dabei sicherzustellen.

    Dieser Aktionsplan sollte gemeinsam von WTO und ILO geprüft und die Umsetzung überwacht werden. Die Mitgliedsstaaten sollen dabei technische Hilfe und Unterstützung von WTO und ILO anfordern können. Über das bisherige Unterstützungsangebot hinaus könnte beispielsweise ein internationaler Sozialfonds eingerichtet werden, um zusätzliche Umsetzungsaktivitäten zu unterstützen. Die WTO sollte

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    zugleich prüfen, wie den Staaten besondere Handelspräferenzen eingeräumt werden können, die ernstlich eine völkerrechtskonforme Praxis anstreben.

    Wird trotz mehrfacher Aufforderung kein konkretes Aktionsprogramm vorgelegt oder werden die erforderlichen Umsetzungsaktivitäten nicht ergriffen, sollte ein gemeinsames Beratungsgremium von WTO und ILO auch Handelssanktionen empfehlen können.

    Die WTO sollte anknüpfend an die Anti-Dumping-Bestimmungen des GATT einen entsprechenden Mechanismus vorsehen, der bei schwerwiegenden Verletzungen von Arbeitnehmerrechten Handelssanktionen ermöglicht.

    Dieses vorgeschlagene System elementarer Sozialklauseln sollte nach einer Phase von fünf Jahren auf seine Wirksamkeit hin überprüft und möglicherweise reformiert werden." (DGB 1994)

Diese Forderung konnte allerdings noch nicht realisiert werden. Bisher finden sich Sozialklauseln allein in mehreren US-Handels- und Außenwirtschaftsgesetzen, die handelsrelevante Vergünstigungen unilateral, also ohne Verhandlungen mit den betroffenen Ländern, von der Einhaltung elementarer Arbeiterrechte abhängig machen (s. Tabelle III im Anhang). Zudem wurde 1994 mit dem North American Agreement on Labor Cooperation erstmalig im Rahmen eines internationalen Handelsvertrags, dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), die Gründung einer Kommission für Arbeit vereinbart, die die Einhaltung nationaler Sozialstandards überwachen soll.

Die Erfahrungen mit den Sozialklauseln in der US-amerikanischen Handelsgesetzgebung sind ausführlich aufgearbeitet worden und bieten deshalb eine empirische Grundlage zur Bewertung dieses Instrumentes (siehe unten). Seit 1994 ist auch im Allgemeinen Zollpräferenzsystem der Europäischen Union eine Sozialklausel wirksam, die erstmals 1997 Anwendung fand (siehe unten).

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Ökonomische Begründung und Erfahrungen



Ökonomische Begründung von Sozialklauseln

Im politischen Diskurs werden Sozialklauseln vor allem nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen bewertet. Die schärfste Kritik an international verbindlichen Arbeiterrechten wird von neoklassischen ÖkonomInnen vorgetragen. Ihr zentrales Argument ist, daß jede Verteuerung der Arbeit den zentralen Wettbewerbsvorteil der Entwicklungsländer (billige Arbeitskräfte) und damit deren Entwicklungschancen gefährdet (Bhagwati 1994: 60; Krugman 1994). Doch auch innerhalb der Neoklassik können Kernarbeiterrechte begründet werden. Die Vereinigungsfreiheit ist bspw. eine Antwort auf die Machtasymmetrie auf den Arbeitsmärkten (vgl. Feld 1996). Das Verbot der Zwangs- und der Kinderarbeit gehört zu den Grundprinzipien einer neoklassischen Marktordnung, denn der Markt wird als Warentausch zwischen freien Subjekten definiert (OECD 1996b: 79-80). Darüber hinaus kann die Einhaltung der Rechte sowohl zur volks- als auch betriebswirtschaftlichen Effizienz beitragen. Gewerkschaften tragen zu Effizienzgewinnen vor allem dadurch bei, daß sie den Beschäftigten Mitspracherechte verschaffen (vgl. Freeman/Medoff 1984; Hansson 1983: 45-66).

Marktversagen läßt sich zudem für den Weltmarkt feststellen. Über den Konkurrenzmechanismus des Weltmarkts können Verstöße gegen die Kernarbeiterrechte in einigen Ländern zur Nichteinhaltung dieser Rechte im eigenen Land führen (Leebron 1996: 54). Im Extremfall kann es zu einem „ruinösen Wettbewerb" kommen, der die Sozialstandards der handeltreibenden Länder auf das niedrigste Niveau drückt.

Die meisten Kritiker internationaler Arbeiterrechte halten allerdings das durch den Wettbewerb erzwungene niedrigere Regulierungsniveau für gerechtfertigt. Dabei unterliegen sie jedoch einem Zirkelschluß: Der Markt wird zum Mechanismus der Bestimmung der regulativen Reichweite des Marktes erklärt (Langille 1996).
Der Verdrängungswettbewerb findet jedoch weniger auf der Achse Nord-Süd als vielmehr auf den Achsen Nord-Nord und Süd-Süd statt.

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Die Konkurrenz ist dort am schärfsten, wo mit ähnlichen Produktionstechniken vergleichbare Produkte angeboten werden. Dies trifft zwar auf einen wachsenden Teil des Handels zwischen Nord und Süd zu, aber er ist noch nicht dadurch bestimmt. Demgegenüber steht innerhalb der jeweiligen Erdkugelhälften ein großer Teil des Warensortiments in direkter Konkurrenz. Die Schärfe des Konkurrenzkampfes innerhalb des Südens wird durch folgende Faktoren verstärkt: (a) einfache Produktionstechniken, die den Markteintritt neuer Konkurrenz erleichtert, (b) ein stark wachsendes Arbeitskräftepotential aufgrund der Verdrängung der Subsistenzwirtschaften, (c) die Verschuldungskrise, die die Notwendigkeit für die Erwirtschaftung von Devisen erhöht und (d) die Fähigkeit transnationaler Konzerne, Produktionsstätten zu verlagern.
Im Rahmen einer solchen Konkurrenzsituation können bereits geringe Lohnkostenerhöhungen zu Marktanteilsverlusten führen. Wie gezeigt werden kann, sichert zwar die Einhaltung von Arbeiterrechten langfristig die industrielle Entwicklung eines Landes (Sengenberger 1994), aber kurzfristig verspricht die Mißachtung der Arbeiterrechte Konkurrenzvorteile (Haas 1998: 75f). Solange es für ein Land möglich ist, solchermaßen einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, sind die anderen Länder in Gefahr, Marktanteile und somit Beschäftigungschancen zu verlieren. Sie werden entsprechend weniger bereit sein, ihrerseits an der Einhaltung der Arbeiterrechte festzuhalten. Wenn es allerdings gelingen sollte, durch internationale Abkommen die fundamentalen Arbeiterrechte aus der Konkurrenz zu nehmen, dann kann vermieden werden, daß diejenigen Produzenten, die diese Rechte respektieren, einen Wettbewerbsnachteil erleiden.

Erfahrungen mit Sozialklauseln in den US-Handelsgesetzen

Akzeptiert man die Stichhaltigkeit dieser theoretischen Argumente, bleibt noch offen, ob nicht die konkreten Erfahrungen mit Sozialklauseln die zentralen Vorwürfe der Kritiker bestätigen. Insbesondere gegenüber unilateral, also ohne Verhandlungen mit den betroffenen Ländern, eingebrachten Sozialklauseln wird die Kritik an ihrer inkonsistenten Anwendung und am protektionistischen Mißbrauch erhoben. Zudem werden sie als ungerechtfertigte Einmischung in innere Angelegenheiten kritisiert (Alston 1996).

Die Untersuchung der Umsetzung der 1984 verabschiedeten Sozialklausel im Allgemeinen Präferenzzollsystem der USA (GSP) bestätigt, daß ihre Anwendung faktisch nicht nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, sondern willkürlich nach den jeweiligen innenpolitischen Kräfteverhältnissen und dem außenpolitischen Kalkül des Präsidenten erfolgt. Die grundsätzlich freihändlerische Ausrichtung der US-Regierung bewirkte, daß selten konsequent gegen Verstöße von elementaren Arbeiterrechten vorgegangen wurde. Die Partizipationsmöglichkeiten für Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen im gesetzlich vorgesehenen Petitionsverfahren und im administrativen Aushandlungsprozeß stellte aber zumindest sicher, daß die Anwendung der Sozialklausel öffentlich eingefordert werden kann und daß der Verzicht auf Sanktionen bei nachgewiesenen Verstößen gegen die Sozialklauseln gut begründet werden muß. Protektionistischer Mißbrauch der Sozialklauseln konnte, entgegen den Behauptungen der Kritiker, nicht festgestellt werden. Zudem stellen unilaterale Sozialklauseln keine ungerechtfertigte Einmischung dar, weil zur Gewährung von Präferenzen keine Verpflichtung besteht, insbesondere dann nicht, wenn der Nutznießer des Vorteils gegen wichtige Prinzipien des Präferenzgebers verstößt bzw. gegen universelle Rechte (Mandel 1989).

Das Nebenabkommen für Arbeit (NAALC), das seit 1994 im Rahmen der NAFTA in Kraft ist, vereinbarte keine transnationalen Standards, sondern verpflichtet die Vertragsstaaten zur Einhaltung ihres jeweiligen nationalen Arbeitsrechts (USA et al. 1993). Hintergrund des Abkommens sind gravierende Mängel bei der Durchsetzung des Arbeitsrechts in Mexiko. Die USA und Kanada haben sich allerdings mit dem Nebenabkommen gleichfalls zur Einhaltung ihrer Gesetzgebung verpflichtet. So betraf eine mexikanische Petition Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit in den USA. Der damalige US-Arbeitsminister Robert Reich stimmte der Erstellung einer Studie zum Zusammenhang von plötzlichen Betriebs-

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schließungen und gewerkschaftlichen Organisierungsbemühungen zu (Secretariat 1997).

Die Sanktionsmöglichkeiten des Nebenabkommens für Arbeit sind sehr beschränkt und mit umständlichen Verfahren verbunden. Hauptsächlich wird, wie bei Verfahren im Rahmen der ILO, moralischer bzw. diplomatischer Druck ausgeübt. Der regionale Fokus des Nebenabkommens erleichtert allerdings die Mobilisierung der Öffentlichkeit. Bislang hat es in keinem der behandelten Fälle nennenswerte Fortschritte gegeben; manche Beobachter verzeichnen aber tendenziell eine Verbesserung der Arbeitsrechtssituation in Mexiko, die z.T. auf das Nebenabkommen zurückgeführt wird (Compa 1997).

Auswirkungen der Sozialklauseln auf das Arbeitsregime der Handelspartner

Wie effektiv sind Sozialklauseln im Rahmen von Allgemeinen Zollpräferenzabkommen? Im Rahmen eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojektes hat Volker Frank die Reaktionen in Guatemala und der Dominikanischen Republik auf die Petitionen von US-Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen untersucht (Frank 1998). Die Regierungen beider Länder mußten sich zur Sicherung ihrer Handelsprivilegien in Washington vor einem Ausschuß für ihre arbeitspolitischen Praktiken rechtfertigen. Beide konnten letztlich den Entzug der Handelspräferenzen vermeiden, da sie in den Augen des Ausschusses ausreichende Fortschritte vorweisen konnten. Vor allem stärkten sie den Schutz gewerkschaftlicher Kollektivrechte in ihren jeweiligen Arbeitsgesetzen. Die Regierungen unternahmen jedoch nur geringe Anstrengungen, den Gesetzesvollzug sicherzustellen. Das Arbeitsgerichtswesen ist nur geringfügig effektiver geworden und bei den staatlichen Aufsichtsbehörden herrscht weiterhin krasser Personalmangel. Weder außergerichtliche Schlichtungsverhandlungen noch der Verhaltenskodex guatemaltekischer Unternehmer führten zur besseren Einhaltung des Arbeitsrechts.

Unterschiede zwischen beiden Länder verweisen auf die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen jeglicher Verbesserungen: Die dominikanischen Gewerkschaften wurden auf nationaler Ebene von Unternehmer- und Regierungsseite als wichtige Verhandlungspartner anerkannt und erreichten Erfolge in überbetrieblichen Kollektivverhandlungen. Zudem etablierten sie eine Reihe von Gewerkschaften in Betrieben der Freihandelszonen und unterzeichneten dort sieben Tarifverträge. In Guatemala dagegen kämpfen die Gewerkschaftsorganisationen auch heute noch um Partizipationsmöglichkeiten in nationalen Dialogforen. Auf betrieblicher Ebene erreichten sie erst im August 1997 die Unterzeichnung eines Tarifvertrags in einem Unternehmen der Freihandelszonen.

Wieviel Anteil an den bescheidenen Fortschritten hatten die Sanktionsdrohungen im Rahmen der Sozialklausel? Demokratisierungsprozesse, Exporterfolge und die Arbeit der ILO können die Verbesserungen des Arbeitsregimes in Guatemala und der Dominikanischen Republik nicht ausreichend erklären. In beiden Ländern fanden zwar Demokratisierungsprozesse statt, die den Interessenvertretungen der Beschäftigten politische Einflußchancen öffneten und somit legale Handlungsoptionen zur Verfügung stellten. Die Nutzung dieser Möglichkeiten war den guatemaltekischen Gewerkschaften jedoch versperrt, da das Militär und die Unternehmer im Bündnis mit staatlichen Stellen einen einheitlichen Block bildeten. Die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen erschwerten zusätzlich eine effektive Gewerkschaftsarbeit. Auf ähnliche Schwierigkeiten stießen die dominikanischen Gewerkschaften. Auch sie konnten formelle Partizipationschancen innerhalb des Parteienwettbewerbs kaum nutzen.

Die Exporterfolge der guatemaltekischen Wirtschaft waren begleitet von einem Anstieg des Handelsdefizits, einer zunehmenden Armut und einer wachsenden Einkommensschere. Die verstärkte Einbindung in den Weltmarkt führte in diesem Fall nicht zu verbesserten Arbeiterrechten. Die sozialen Daten für die Dominikanische Republik deuten auf eine vergleichsweise gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Ein wachsender Handel kann zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung führen. Allerdings erfolgt dies nicht automatisch, wie das gleichbleibend hohe Handelsdefizit und die wachsende Zahl von Armen deutlich machen.

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Erst die Petitionen im Rahmen der Sozialklauseln bewirkten gewerkschaftsfreundliche Reformen der Arbeitsgesetze beider Länder. Diese brachten auch die Regierungen dazu, zwei Unternehmen in den Freihandelszonen wegen des Verstoßes gegen das Arbeitsgesetz die Exportlizenz zu entziehen. Drohende Handelssanktionen zwangen die Unternehmer zudem, den Gewerkschaften Zugeständnisse bei überbetrieblichen Verhandlungen zu machen. Die Sozialklausel beförderte die Tarifvertragsabschlüsse in Betrieben der Freihandelszonen.

Der Nutzen der Sozialklausel ging noch über die konkreten arbeitsrechtlichen Verbesserungen hinaus. Die Petitionen stießen gewerkschaftliche Lernprozesse im Bereich der Verhandlungsführung und der internationalen Kooperation an. Sie erweiterten zudem die traditionell stark eingeschränkten gesellschaftlichen Handlungsspielräume der guatemaltekischen Gewerkschaften.

Insgesamt weist die Effektivitätsanalyse auf ein prinzipielles Problem von Sozialklauseln hin: Sie sollen Basisrechte und Gewerkschaftsorganisationen stärken, doch ihre Wirksamkeit hängt von handlungsfähigen Gewerkschaften ab. Im Vergleich beider Länder wird deutlich, daß die stärkeren Gewerkschaften in der Dominikanischen Republik besser von den Sozialklauseln Gebrauch machen konnten.

Die Sozialklauselverfahren im Rahmen der Allgemeinen Zollpräferenzabkommen und das NAFTA-Nebenabkommen für Arbeit förderten zudem die Kooperation von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen in den USA mit sozialen Bewegungen in den betroffenen Ländern. Die Informationsbeschaffung vor Ort verlieh den Petitionen in Washington mehr Glaubwürdigkeit. Umgekehrt lernten die amerikanischen Beschwerdeführer wie sie ihren Partnerorganisationen dabei helfen können, den Vorwurf der Unternehmer zu entkräften, sie seien Instrumente protektionistischer Interessen in den USA. Auf Wunsch ihrer Partner mäßigten sie in einigen Fällen ihre Forderungen, wofür diese im Gegenzug gewisse Zugeständnisse seitens der Unternehmer erhielten.

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Haltung der Akteure



Gewerkschaften

Gewerkschaften und internationale Berufssekretariate des Textilbereichs drängten bereits in den 1970er Jahren auf die Einführung von Sozialklauseln im internationalen Handel. Zunächst forderte die deutsche Gewerkschaft Textil und Bekleidung (GTB) neben den Kernrechten auch die Berücksichtigung von Mindestlöhnen und der 48-Stunden-Woche in einer Sozialklausel. Sie setzte sich dadurch heftigen Protektionismusvorwürfen aus, da die Entwicklungsländer durch niedrige Löhne besondere Erfolge gerade in der Textilbranche erzielen konnten. Die Gewerkschaften des Metallbereichs, die die Forderung später aufgriffen, zogen Konsequenzen aus der Kritik. Während der Internationale Metallgewerkschaftsbund (IMB) eine umfassende Internationale Sozialcharta formulierte, ohne allerdings explizit einen Durchsetzungsmechanismus zu nennen, konzentrierte sich der Vorschlag der IG Metall auf eine Sozialklausel zur Durchsetzung der Kernrechte (Braun 1995: 29-34).

Nationale und internationale Gewerkschaftsverbände wie der DGB, der AFL-CIO, der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), der Weltverband der Arbeit (WVA) und der Europäische Gewerkschaftsbund griffen die Forderung der Textil- und Metallgewerkschaften spätestens ab 1992 energisch auf und strebten eine Sozialklausel schon für die im Abschluß befindliche Uruguay-Runde des GATT an. Der Bundesvorstand des DGB unterbreitete am 5. Juli 1994 den oben vorgestellten Vorschlag. Zentrales Element des Vorschlages war, daß die Sozialklausel lediglich WTO-Mitgliedsstaaten gemäß GATT-Regeln dazu berechtigen würde, Handelssanktionen gegen solche Länder auszusprechen, die eklatant und andauernd gegen zentrale Arbeiterrechte verstoßen und sich einer Verbesserung der Situation verweigern. Eine Verpflichtung, Handelssanktionen zu verhängen, bestünde nach diesem Vorschlag nicht.

In Vorbereitung der 3. Ministerkonferenz der WTO bekräftigte der DGB im Juli 1999 sein Eintreten für Sozialklauseln:

    „Die Bundesregierung wird in aller Deutlichkeit aufgefordert, sich sowohl in der EU

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    als auch auf multilateraler Ebene nachdrücklich dafür einzusetzen, dass auf der 3. WTO-Ministerkonferenz ein WTO-Ausschuss zum Thema ,,Handel und Kernarbeitsnormen" eingerichtet wird:

    • Pate für das Modell eines solches Ausschusses kann der in Marrakesch beschlossene WTO-Ausschuss zum Thema "Handel und Umwelt" sein.
    • Der Ausschuss soll mit dem Mandat ausgestattet werden, in der jetzt anstehenden Runde ein wirksames und einforderbares System zu erarbeiten, dass die Achtung der international anerkannten Kernarbeitsnormen durch alle Handelspartner gewährleistet.
    • Ziel muss es sein, die genannten Arbeitsnormen vollständig und gleichberechtigt mit den anderen Themen in die Verfahren und Mechanismen der WTO aufzunehmen.
    • Dazu zählt insbesondere auch das Streitbeilegungsverfahren der WTO.
    • Die Arbeit der zu gründenden Arbeitsgruppe sollte gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) auf gleichberechtigter Basis und unter Beteiligung internationaler Gewerkschaftsorganisationen ausgeführt werden.
    • Ein Überwachungsausschuss unter gewerkschaftlicher Beteiligung sollte regelmäßig zusammentreten und die Ergebnisse des Prozesses überprüfen sowie Empfehlungen zur Gewährleistung des Erfolges erarbeiten.
    • Im Zuge der handelspolitischen Überprüfungen (trade policy reviews) sollte der thematische Dekkungsbereich der Untersuchungen um handelsbezogene Umwelt-, Sozial-, Geschlechterfragen einschließlich Kernarbeitsnormen erweitert werden.

Um die Akzeptanz für das Thema „Handel und Arbeitsnormen" in den Entwicklungsländern zu erhöhen, schlägt der DGB eine Reihe positiver Anreize vor:

    • finanzielle Hilfestellungen seitens der Industrieländer auch im Rahmen der WTO, z.B. Handelshilfsprogramme; Unterstützung zur Nutzung des handelsbezogenen Streitbeilegungsmechanismus der WTO;
    • Neuverhandlung der Vereinbarung über handelsbezogene Aspekte von Schutzrechten für geistiges Eigentum (TRIPS), um den von den Entwicklungsländern dringend benötigten Technologietransfer zu gewährleisten;
    • insbesondere Ausnahmeregelungen für lebenserhaltende Medikamente sollten eingeräumt werden;
    • umgehende Abschaffung der Zölle und Einfuhrmengenbegrenzungen der Industrieländer für die am wenigsten entwickelten Länder, soweit sie die Kernarbeitsnormen anerkennen;
    • verbesserter Marktzugang für Entwicklungsländerexporte durch Aufhebung von Maß- nahmen der Industrieländer (z.B. Exportsubventionen, interne handelsverzerrende Stützung etc.);
    • Ausnahme der Entwicklungsländer von bestimmten Liberalisierungsverpflichtungen und anderen WTO-Regeln, um dem unterschiedlichen Entwicklungsstand angemessen Rechnung zu tragen. (Eckpunkte des DGB und seine Einzelgewerkschaften zur WTO Ministerkonferenz vom 30.11. bis 3.12.1999 in Seattle, Düsseldorf 6. Juli 1999)

Noch 1995 hatten die großen indischen Gewerkschaftsdachverbände eine Sozialklauseln als protektionistisch motiviert abgelehnt (Haas 1998: 117-124). Vor der ersten Ministerkonferenz der WTO in Singapur im Dezember 1996 bekräftigte die internationale Gewerkschaftsbewegung dann aber einmütig ihre Forderung nach einer Sozialklausel. Beim 16. Weltkongreß des IBFG in Brüssel verabschiedeten die etwa 800 anwesenden Delegierten, Stellvertreter von 127 Millionen organisierten Beschäftigten aus 196 Gewerkschaftsverbänden und 136 Ländern, einstimmig acht Kernelemente zum Aufbau der globalen Solidarität. Die Sozialklausel stand

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dabei an erster Stelle (Freie Gewerkschaftswelt Juli/August 1996: 5). Diese Einigkeit zwischen Gewerkschaften aus dem Norden und dem Süden konnte bei einer internationalen Gewerkschaftskonferenz in Singapur, unmittelbar vor dem WTO-Gipfel, erneut demonstriert werden.

Nichtregierungsorganisationen

Unter den deutschen Nichtregierungsorganisationen hat sich vor allem MISEREOR für Sozialklauseln ausgesprochen (Piepel 1995b), aber auch das Institut Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED; Falk 1996). German Watch befürwortet Sozialklauseln, möchte aber der WTO nur die Rolle zukommen lassen, für Sanktionen der ILO einen „waiver" (Ausnahme von den allgemeinen GATT-Prinzipien) zu erteilen (Palm 1996: 217). „Mehr Gefahren als Chancen" sieht die deutsche Sektion von FIAN (Food First Informations- und Aktionsnetzwerk). Sie befürchtet grundsätzlich, daß die Anwendung von Sozialklauseln oft protektionistisch motiviert sei und stützt ihre Detailkritik auf folgende Argumente: Sozialklauseln könnten hauptsächlich die Bedingungen in der Exportwirtschaft verbessern, diese sei aber ohnehin bessergestellt als die Binnenwirtschaft und der informelle Sektor. Sozialklauseln spielten Menschenrechte gegeneinander aus, weil z.B. das Recht auf Ernährung ignoriert würde. Sie würden die Liberalisierungspolitik und die Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und Internationalem Währungsfonds ausklammern. Bei einer Sozialklausel in der Welthandelsorganisation würden Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften von den Entscheidungen ausgeschlossen, folglich seien Willkürentscheidungen zu erwarten, wie beim GATT-Artikel XX(e) zur Gefangenenarbeit, der gegen China nie angewendet wurde. FIAN setzt sich für eine Stärkung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein und für erhöhte Entwikklungshilfe zum Menschenrechtsschutz (Braßel/Windfuhr 1995; Windfuhr 1997).

Prominenter internationaler Befürworter von Sozialklauseln ist die britische Organisation Oxfam (Coote / LeQuesne 1996). Sie schlägt vor, sich in einer Sozialklausel zunächst auf die Durchsetzung der ILO-Konventionen Nr. 87 und Nr. 98 zur Vereinigungsfreiheit und zum Tarifvertragsrecht zu konzentrieren, da diese Rechte Voraussetzung für die Durchsetzung der anderen Kernrechte seien. Ein Mindestalter für Kinderarbeit gemäß ILO-Konvention Nr. 138 lehnt Oxfam ab, da die Verhängung eines Mindestalter für Beschäftigung ohne die Bereitstellung von Alternativen für die Kinder kontraproduktiv sei. Oxfam schließt sich dem Vorschlag des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) für eine institutionalisierte Zusammenarbeit von ILO und WTO bei der Durchsetzung der Sozialklausel an. Die Verhängung von Handelssanktionen soll nur als letzte Möglichkeit erwogen werden (ebd.: 47-58). Anti-Slavery-International setzt sich auch aktiv für Sozialklauseln ein, ebenso wie SOLIDAR, der entwicklungspolitische Arm der der Arbeiterbewegung nahestehenden Wohlfahrtsverbänden.

In den USA haben sich zahlreiche NROs für Sozialklauseln ausgesprochen. So sind u.a. die in der Alliance for Responsible Trade (ART) locker verbundenen Organisationen (wie z.B. The Development GAP, Global Exchange) Mitunterzeichner von „Alternatives for the Americas", eines von NROs des ganzen Kontinents getragenen Vorschlags zur Gestaltung einer amerikanischen Freihandelszone unter Einbezug sozialer und ökologischer Standards (ART et al. 1998). ART und die Coalition for Justice in the Maquiladoras (CJM) sind auch Mitunterzeichner einer gemeinsamen Erklärung von NROs und Gewerkschaften des Kontinents („Building a Hemispheric Social Alliance to Confront Free Trade"), die parallel zu einem Handelsministertreffen im Mai 1997 verabschiedet wurde. Auch das gewerkschaftlich getragene National Labor Committee in New York, das in den 80er Jahren gegründet wurde, um der antikommunistischen AFL-CIO-Außenpolitik einen Fokus auf Menschenrechte entgegenzusetzen, hat sich wiederholt für Sozialklauseln ausgesprochen (NLC 1995).

Zwei Umfragen unter Nichtregierungsorganisationen aus Entwicklungsländern weisen eine hohe Zustimmung zu Sozialklauseln aus. Die Erklärung von Bern – ein Organisationszusammenhang, aus dem auch die Schweizer Erklärung zur Sozialklausel von etwa 70 Schweizer Organisationen vom März 1995 entstanden war – gab

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zusammen mit Brot für alle eine Umfrage unter 67 Nichtregierungsorganisationen des Südens und Osteuropas in Auftrag. Knapp die Hälfte dieser Organisationen waren nicht-kirchlich, 32 v.H. kirchlich und 13 v.H. Gewerkschaften. 91 v.H. der Organisationen begrüßten Sozialklauseln und sogar 95 v.H. eine Ökoklausel. Für eine Kooperation von WTO und ILO bei der Durchsetzung einer Sozialklausel sprachen sich 50 v.H. der befragten Nichtregierungsorganisationen aus (Egger/Schümperli 1996).

Eine Umfrage unter 26 Partnern der kirchlichen Organisation MISEREOR ergab, daß asiatische Nichtregierungsorganisationen einer Sozialklausel im Welthandel skeptischer gegenüberstehen als lateinamerikanische und afrikanische. Handelssanktionen wurden mehrheitlich abgelehnt, da die Schwächsten darunter zu leiden hätten; positive Anreize und finanzielle und technische Unterstützung wurden dagegen begrüßt (Piepel 1995b: 93-98).

Einer der schärfsten Kritiker von Weltbank, Internationalem Währungsfonds und der wirtschaftlichen Übermacht des Nordens und Westens, Martin Khor vom Third World Network in Kuala Lumpur/Malaysia, hat sich eloquent gegen Sozialklauseln ausgesprochen und insbesondere gegen eine Rolle der WTO, die ein „vom Norden kontrolliertes Tier" sei (Khor 1995: 33). Zentrales Argument gegen Sozialklauseln ist für Khor die protektionistische Motivation bei ihrer Anwendung: „Der Versuch, ... 'Arbeitsstandards' und 'Arbeiterrechte' als Themen für die WTO einzuführen, ist eindeutig nicht auf Wohlwollen für die Arbeiter der Dritten Welt zurückzuführen, sondern ist der protektionistische Versuch, die Abwanderung von Arbeitsplätzen aus dem Norden in den Süden zu verhindern" (zit.n. LeQuesne 1996: 51; Übersetzung TG). Khor argumentiert weiter, daß die niedrigen Löhne in den Entwicklungsländern nicht auf absichtsvolle Politik zurückzuführen seien, und daß eine Anpassung an westliche Standards den Verlust komparativer Kostenvorteile zur Folge hätte (LeQuesne 1996: 53; Khor 1994).

Ein großer Teil der indischen Nichtregierungsorganisationen lehnt Sozialklauseln ebenfalls strikt ab. Ein Appell aller großen indischen Gewerkschaftsdachverbände, von Frauen- und Menschenrechtsgruppen, Universitäten, Aktionsbündnissen, Hilfsorganisationen und anderen an die fünfte Konferenz der Arbeitsminister der Bewegung der Blockfreien Staaten in Neu-Delhi vom März 1995 lehnte Sozialklauseln als protektionistisch motiviert ab. Diese Position wurde in der nachfolgenden Bangalore-Erklärung vom Oktober 1995 bekräftigt, doch stärker als in der Erklärung von Neu Delhi wurde dies mit einer Kritik an Weltbank und Internationalem Währungsfonds verbunden. Zudem wurden Alternativen zu Sozialklauseln diskutiert. Im Vordergrund standen dabei Vorschläge zu einer UN-Konvention über Arbeitsrechte, zur stärkeren Nutzung von Gütesiegeln – mit denen bei der Bekämpfung der Kinderarbeit gute Erfahrungen gemacht wurden – und zur Gründung eines nationalen Komitees zur Überwachung der Arbeitsstandards (Haas 1998: 117-124).

Allerdings begrüßte die South Asian Coalition on Child Servitude (SACCS) ebenso wie das Südostasiatische Nichtregierungsorganisations-Forum vom Juli 1994 die Möglichkeit handelspolitischer Sanktionen bei Verstößen gegen elementare Arbeiterrechte, da sie den Dialog über ausbeuterische Arbeitsbedingungen in allen betroffenen Ländern intensivieren würde (Haas 1998: 117-124; Piepel 1995a: 122).

Arbeitgeber

Bei einer Umfrage des Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, unter 305 international tätigen Unternehmen in Deutschland waren nur 52 Firmen bereitet, sich zum Thema Kinderarbeit zu äußern. Von diesen 52 Firmen haben fast die Hälfte noch nie überprüft, ob eine ihrer Zulieferfirmen Kinder beschäftigten. Lediglich fünf Unternehmen befassen sich laut UNICEF intensiv und systematisch mit dem Thema Kinderarbeit (taz 31.7.1998 S. 1).

Innerhalb einer Arbeitsgruppe, die der Bundesverband der Arbeitgeber (BDA) zum Thema Handel und Arbeitnehmerrechten 1994 einberufen hatte, haben nur zwei Mitgliedsbranchen ihre Sympathie für eine Sozialklausel bekundet: die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie und die Textilindustrie. Die ganz überwiegende Mehrheit der Mitglieder des BDA sprach sich entschieden gegen Sozialklauseln aus. Der beim

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BDA zuständige Referent für Handelsfragen betonte, daß sich die Arbeitgeber nicht gegen die weltweite Anwendung bestimmter grundlegender Mindestarbeit- und Sozialstandards richtet. Die Kritik betreffe einzig und allein das Mittel: den Einsatz handelspolitischer Maßnahmen (Hess 1995).

Die in der ILO vertretenden Arbeitgeberverbände haben sich mit Ausnahme der Arbeitgeber Frankreichs, Belgiens und Argentiniens gegen Sozialklauseln ausgesprochen (Hess 1995).

Regierungen

Norbert Blüm hat sich als Bundesarbeitsminister wiederholt öffentlichkeitswirksam gegen Kinderarbeit eingesetzt, allerdings nicht immer mit dem notwendigen Feingefühl gegenüber den indischen Politikern (Haas 1998: 109).

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA), das die Bundesregierung in der ILO vertritt, nahm unter der Kohl-Regierung in den Worten eines seiner Mitarbeiter eine „kritisch-aufgeschlossene" Position ein. Handelssanktionen sollten jedoch allenfalls als letztes Mitteln in besonders schwerwiegenden Fällen angewendet werden. Das BMA kam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) zu folgender gemeinsamer Position: „Handelssanktionen sind ungeeignet, der möglichen Erzielung ungerechtfertigter Handelsvorteile durch die Vorenthaltung der Arbeitnehmerrechte vorzubeugen oder zu begegnen. Im Vordergrund stehen müssen Hilfsangebote und das Bemühen, Staaten davon zu überzeugen, daß durch Wirtschaftswachstum und steigenden Anteil am Welthandel erzielte Vorteile auch den Arbeitnehmern zugute kommen müssen" (Willers 1995: 34-35). Im Unterschied zum BMWi befürwortete jedoch das BMA, die Einhaltung bestimmter internationaler Schutznormen für Arbeitnehmern durch besondere Vergünstigungen im internationalen Handel zu belohnen, insbesondere im Rahmen Allgemeiner Zollpräferenzen (ebd.).

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt sorgte 1996 zusammen mit der britischen Regierung dafür, daß die EU-Kommission bei der WTO-Ministerkonferenz nicht konsequent der Entschließung des Europäischen Parlaments zugunsten von Sozialklauseln folgte. In seiner Rede in Singapur lehnte Rexrodt eine Behandlung des Themas Arbeiterrechte innerhalb der WTO ab und stützte sich dabei auf kulturrelativistische Argumente, wie sie auch z.B. von der chinesischen Regierung vorgebracht werden (Rexrodt 1996).

Innerhalb der neuen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder bedurfte es in Sachen Sozialklauseln gewisser Überzeugungsarbeit. Zwar enthält die Koalitionsvereinbarung vorsichtig zustimmende Formulierungen, doch blieb die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zunächst mit folgender Forderung allein:

    „Wenn bei einer Produktion soziale Mindeststandards nicht eingehalten werden (Sozial-Dumping), kann dies zu internationalen Wettbewerbsverzerrungen durch Billigimporte, die unter Umgehung international anerkannter Schutzregeln für Arbeitnehmer hergestellt wurden, führen. Auch hier ist es Aufgabe der Entwicklungspolitik daß international gültige Mindest-Sozialstandards vereinbart werden und ihre Einhaltung sichergestellt wird. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die entwicklungspolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarbeit. ILO und WTO müssen sich dieses Themas verstärkt annehmen." (Rede von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Rahmen des VIP-Panels des Weltbankforums am 27. Januar 1999 in München zum Thema: „Putting People First", Hervorhebung im Original)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hielt sich in der ersten Jahreshälfte von 1999 unter dem Hinweis auf die ablehnende Haltung der Entwicklungsländer zurück. In einer Gesprächsrunde mit Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes und einiger seiner Einzelgewerkschaften im Juli 1999 ließ Minister Müller jedoch erkennen, daß die Bundesregierung auf der dritten Ministerkonferenz der WTO Ende November in Seattle die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Kernarbeitsnormen und Handel" anstreben werde. Es sei auch klar, daß man zur Durchsetzung dieser Forderung bereit sein müsse, den Entwicklungsländern auf anderen

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Feldern entgegenzukommen. Zugleich betonte er jedoch, daß man das Mandat einer solchen Arbeitsgruppe im Vorfeld nicht so genau definieren sollte (Interview mit Marchlewitz vom DGB, 6.10.1999).

International setzen sich besonders nachdrücklich die Regierungen der USA, Frankreichs und der skandinavischen Länder für Sozialklauseln ein (Leary 1996: 189f). Der Omnibus Trade and Tariff Act von 1988 verpflichtete die Verhandlungsführer der USA in der Uruguay-Runde des GATT, sich für die Durchsetzung elementarer Arbeiterrechte einzusetzen (Gladbaw/ Medwig 1996: 151). Auch nach dem diese GATT-Runde ohne Sozialklauseln beendet wurde, tritt die Regierung Clinton weiterhin für die Behandlung des Themas Sozialstandards und Handel innerhalb der WTO ein. Allerdings lehnen die Abgeordneten und Senatoren der republikanischen Partei, die seit 1994 über eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verfügt, Sozialklauseln strikt ab.

Wortführer der Gegner von Sozialklauseln ist die Regierung Malaysias. Sie versucht alle sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern hinter ihre Position zu vereinen und die Frage von Sozialklauseln zu einem Nord-Süd-Konflikt zu stilisieren. Doch nicht alle Regierungen der aufstrebenden Marktwirtschaften folgen ihr dabei. Auf der Ministerkonferenz der WTO 1996 sprachen sich beispielsweise die Minister von Argentinien, Chile und Uruguay für eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der WTO und der ILO aus.

Internationale Organisationen

Lange Zeit schien die ILO nicht in der Lage zu sein, Stellung zu Sozialklauseln bzw. zu Handelssanktionen als Durchsetzungsinstrument für elementare Arbeiterrechte zu beziehen (Leary 1996: 188-189). Der Grund für diese zögerliche Haltung ist der tripartistische Charakter der ILO. Die Unternehmervertreter sind sich einig in ihrer Opposition, während die Regierungen gespalten sind (siehe oben). Im November 1994 erstellte eine Arbeitsgruppe des Internationalen Arbeitsamts, dem ständigen Sekretariat der ILO, eine Studie zur „Sozialen Dimension der Liberalisierung des Welthandels" für die Sitzung des Verwaltungsrats (ILO 1994). Dieser beschloß im März 1995, daß die Arbeitsgruppe das Thema Sozialklauseln (der Begriff wurde stets vermieden) bzw. Handelssanktionen zur Durchsetzung internationaler Sozialstandards nicht weiter bearbeiten solle (Leary 1996: 223; ILO 1995). ILO-Generaldirektor Michel Hansenne ergriff vor der WTO-Ministerkonferenz Ende 1996 die Initiative mit Vorschlägen für einen neuen internationalen Vertrag über die elementaren Arbeiterrechte einerseits und zum anderen mit Vorschlägen zur Ausdehnung der besonderen Durchsetzungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Konvention Nr. 87 (Vereinigungsfreiheit) auf die anderen Kernrechte. Im Juni 1998 verabschiedeten die Mitglieder der ILO entsprechend eine Erklärung, die alle Mitgliedsstaaten dazu aufruft, sich aktiv zur Einhaltung der Kernarbeiterrechte einzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob sie die diesbezüglichen ILO-Konventionen ratifiziert haben. Allerdings enthält dieser Beschluß keine Sanktionsmechanismen (Elliott 1998: 171).

Der Think Tank der Industrieländer, das Sekretariat der OECD, veröffentlichte 1996 eine zwei Jahre zuvor in Auftrag gegebene Studie zum Zusammenhang von Handel und Arbeiterrechten (OECD 1996b; für eine ausführliche Kritik s. Scherrer 1998: 65-76). Im Ergebnis bestritt die Studie einen empirischen Zusammenhang zwischen Handel und Arbeiterrechten und verwies das Thema an die ILO. Verstöße gegen Arbeiterrechte erhöhten die Konkurrenzfähigkeit nicht, und ihre Einhaltung beeinträchtige sie nicht. Die beiden OECD-Ausschüsse, die gemeinsam die Studie erstellt hatten, stellten aber später fest, daß die Steigerung der Konkurrenzfähigkeit bzw. Effizienzkriterien nicht primär Grundlage für eine Beurteilung von Kernarbeiterrechten sein könnten. Allerdings gebe es ohnehin nur wenige Länder, die systematisch Arbeiterrechte unterdrückten (zum Umfang der Verstöße s.o.).

Das größte Forum der Entwicklungsländer, die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung, hat sich früh gegen Sozialklauseln ausgesprochen. Das Abschlußdokument der IX. Konferenz (UNCTAD IX), die vom 27.4.-11.5.1996 in Midrand bei Johannesburg/Südafrika stattfand, vermied das Thema (Falk 1996: 4).

Die Ministerkonferenz der WTO erklärte sich 1996 in Singapur für die Rechte derer, die die

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Waren für den internationalen Handel herstellen, nicht zuständig. Sie lehnte selbst die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Handel und Arbeiterrechte" ab. Statt dessen verwiesen die Minister in ihrer Abschlußerklärung vom 13.12.1996 auf die Verantwortung der ILO. Sie betonten allerdings:

    "We renew our commitment to the observance of internationally recognised core labour standards. The International Labour Organisation (ILO) is the competent body to set and deal with these standards and we affirm our support for its work in promoting them. We believe that economic growth and development fostered by increased trade and further trade liberalisation contribute to the promotion of these standards. We reject the use of labour standards for protectionist purposes and agree that the comparative advantage of countries, particularly low-wage developing countries, must in no way be put into question. In this regard, we note that the WTO and ILO Secretariats will continue their existing collaboration."

1998 folgte in Genf eine weitere Ministerkonferenz der WTO. Diese gab wiederum eine Erklärung heraus, deren eine Passage Stephen Pursey von der ICFTU als kleinen Schritt vorwärts bezeichnete, nämlich daß das Arbeitsprogramm zur Vorbereitung der nächsten Millenium-Runde "recommendations arising from consideration of other matters proposed and agreed to by Members concerning their multilateral trade relations" umfassen sollte (Pursey 1998).

Europäische Union

Das Europäische Parlament (EP) forderte in seiner Entschließung A3/007/94,

    „daß eine Sozialklausel, die die Bekämpfung von Kinderarbeit und Zwangsarbeit und die Förderung der Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung sowie der Tarifverhandlungsfreiheit zum Ziel hat und sich auf die ... ILO-Konvention[en] stützt, in das multilaterale und unilaterale System (GSP) des internationalen Handels Eingang findet.
    ... [D]ie Einführung einer Sozialklausel in den internationalen Handel [darf] nicht als Mittel für eine Verstärkung des Protektionismus gegenüber den Entwicklungsländern dienen ..., sondern [sollte] im Gegenteil zur Bekämpfung der Unterentwicklung und der Verstöße gegen die Menschenrechte beitragen ..." (zit.n. Piepel 1995a: 90)

Diese Forderung bekräftigte das Europäische Parlament vor der WTO-Ministerkonferenz 1996 und zuletzt in einer EP-Resolution zur sozialen Etikettierung (15. Mai 1997). Doch obgleich der Wirtschafts- und Sozialausschuß der Europäischen Union (1997: 71) sowie die Europäische Kommission (1996: 2) die Behandlung des Themas Arbeitsnormen innerhalb der WTO ebenso befürworteten, konnte die Forderung nach einer Sozialklausel letztlich nicht innerhalb der EU durchgesetzt werden. Das EP kann der für die Handelspolitik der EU zuständigen Kommission kein verbindliches Verhandlungsmandat erteilen und der dazu befugte Ministerrat, der mehrheitlich einer Sozialklausel aufgeschlossen gegenüberstand, beugte sich der ablehnenden Haltung Deutschlands und Englands (Kreissl-Dörfler 1997: 31-38; Wardenbach 1997).

Das Allgemeine Präferenzsystem der EU, ein Programm von Vorzugszöllen für Entwicklungsländer, wurde aber noch 1994 um eine Sozialklausel ergänzt. Sie wurde zunächst auf Formen von Sklaverei und Zwangsarbeit beschränkt und erstmals im März 1997 angewendet – aufgrund eines Antrags des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften und des Europäischen Gewerkschaftsbundes wurden Myanmar (Burma) die Zollpräferenzen entzogen (Eurasia Bulletin 3/1997; ICFTU/ETUC 1995). Diese Klausel wurde 1997 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998 ergänzt. „Sonderanreize in Form von zusätzlichen Präferenzspannen" in Höhe von 20-25 Prozent sind auf Antrag für solche Länder vorgesehen, die nachweisen, daß sie den Normen der ILO-Übereinkommen Nr. 87 und Nr. 98 über Koalitionsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen und dem Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Beschäftigung von Kindern innerstaatlich Geltung verschaffen (Verordnung Nr. 3281/94 des Rates vom 19.12.94, Artikel 7; vgl. auch Schneider 1997: 76-77).

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Bewertung nach Effizienz, Mobilisierungschancen und Realisierungschancen

Die theoretischen Ausführungen und die empirische Untersuchung weisen Sozialklauseln als ein sinn-, wenngleich nur begrenzt wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung internationaler Arbeiterrechte aus. Die bisherige Handhabung der US-Sozialklauseln liefert keine Beweise, die den Protektionismus-Vorwurf erhärten könnten. Wenn schon die unilateralen Sozialklauseln der USA keinem Protektionismus Vorschub leisteten, dann ist die Gefahr im Falle einer Sozialklausel innerhalb eines multilateralen Forums noch geringer einzuschätzen. Das von der internationalen Gewerkschaftsbewegung vorgeschlagene Verfahren (Beschränkung auf allgemein anerkannte Kernarbeiterrechte, die vorgesehene enge Zusammenarbeit zwischen der WTO und der ILO und der Vorrang technischer Hilfe vor Anwendung von Handelssanktionen; siehe oben) bietet für die Durchsetzung protektionistischer Interessen keine Spielräume.

Mobilisierungschancen

Mit Ausnahme der ehemaligen Gewerkschaft Textil und Bekleidung hat in Deutschland weder eine Gewerkschaft noch eine Nichtregierungsorganisation für die Aufnahme einer Sozialklausel innerhalb der WTO ihre Mitglieder oder die Öffentlichkeit mobilisiert. Eine der Gründe hierfür dürfte das Unbehagen sein, dem Protektionismusvorwurf ausgesetzt zu werden, zumal die Furcht vor protektionistischem Mißbrauch auch viele TheoretikerInnen der Entwicklungspolitik Sozialklauseln mit Skepsis betrachten läßt (Kulessa 1995; Wiemann 1996). Es bedarf deshalb zunächst der stärkeren Überzeugungsarbeit innerhalb der entwicklungspolitisch interessierten Kreise, um das Vorurteil aus dem Weg zu räumen, Sozialklauseln seien ein Nord-Süd-Problem.

Realisierungschancen

Überzeugungsarbeit wird jedoch allein nicht ausreichen, um Sozialklauseln innerhalb der WTO zu verankern. Zwar setzt sich die US-Regierung unter Präsident Clinton für multilaterale Sozialklauseln ein, doch das Verhalten ihrer Verhandlungsführerin auf der ersten WTO-Ministertagung 1996 in Singapur ließ den Verdacht aufkommen, sie hätte Sozialklauseln vor allem deshalb gefordert, damit sie ihr eigentliches Anliegen, die Liberalisierung des weltweiten Markts für Informationstechnologien, verwirklichen konnte. Das wiederholte Scheitern der Clinton-Regierung, ein neues Mandat des Kongresses für multilaterale Verhandlungen im Rahmen des sogenannten fast track-Verfahren zu erlangen, birgt jedoch die Aussicht, daß sich die USA künftig ernsthaft für Sozialklauseln einsetzen werden. Für die von der Clinton-Regierung und der Geschäftswelt gewollten neuen multilateralen Handelsrunde, der sogenannten Millenium-Runde, wird es nämlich voraussichtlich ohne eine soziale Konditionalisierung kein Mandat des Kongresses geben. Die harten Auseinandersetzungen um den künftigen Vorsitzenden der WTO lassen vermuten, daß die Clinton-Regierung sicherstellen will, daß die Forderung nach einer Sozialklausel auch innerhalb der WTO Gehör finden wird.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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