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[Seite der Druckausg.: 57 = Zwischentitelblatt]


Frauen für Demokratie und Frieden


Frauenförderung in Deutschland - ein Modell für Rußland?

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Frauen für Demokratie und Frieden im Nahen Osten

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„Frauenförderung in Deutschland -
ein Modell für Rußland?"


1996 wurde die „Gesellschaftlich-politische Frauenbewegung Rußlands" gegründet, ein Jahr später, 1997, war sie bereits in 57 Regionen vertreten. Die Bewegung will Gleichberechtigung und die paritätische Einbeziehung der Frauen in das gesellschaftlich-politische Leben Rußlands erreichen. Besonders aktiv ist die russische Frauenbewegung in Krisenregionen. Junge weibliche Führungskräfte, die in die postkommunistische Gesellschaft hineinwachsen, und Frauen in der kommunalen Selbstverwaltung stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten der Frauenbewegung. Die Vorsitzende Jekaterina Lachowa hat den Kontakt zum Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) hergestellt . Auf diesem Weg wurde ein Training für weibliche Führungskräfte mit der Friedrich-Ebert-Stiftung vereinbart und in der Akademie Frankenwarte in Würzburg organisiert und durchgeführt.

Die russischen Teilnehmerinnen kamen aus Irkutsk in Sibirien und aus der Komi-Republik im hohen Norden, aus Tscheljabinsk südlich des Ural und aus Sagorsk, aus Kalan inTartastan und von der estnischen Grenze . Einige Frauen kamen direkt aus Moskau. Alle waren an Informationen über die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen deutscher Frauenförderpolitik interessiert. Die Institutionalisierung und Verrechtlichung frauenpolitischer Positionen in Deutschland ist einer der großen Erfolge der Frauenbewegung seit den 60er Jahren. Gleichzeitig sind sie die Konsequenz aus der Einsicht, daß die in Artikel 3 des Grundgesetzes garantierte Gleichstellung von Männern und Frauen ohne gesetzliche und politische „Nachhilfe" nicht funktioniert. In Absprache mit unseren russischen Partnerinnen wurde deshalb an wenigen ausgewählten Beispielen von Frauenförderpolitik geprüft, welche Chancen eine gesetzlich verankerte Gleichstellungspolitik für Frauen bietet. Welche Absicherungen bringt sie? An welche Grenzen stößt sie?

Auf besonderen Wunsch der russischen Partnerinnen wurden im Programm zwei Tage konkreter Projekterkundung eingeplant. In den Projekten konnten die Frauen eigene Erfahrungen sammeln mit Frauenförderung auf kommunaler Ebene und in der Wirtschaft, aber auch mit Selbsthilfeprojekten für Mädchen und Frauen, im Frauenhaus und in einer Frauenberatungsstelle, in Schulen und Jugendzentren sowie mit jungen Existenzgründerinnen.

Durch diese Projekte wurde das Spannungsfeld deutlich zwischen autonomen Aktivitäten und Selbstbehauptung der Frauen einerseits und Macht und Grenzen der Institutionen andererseits. Jeder einzelne Schritt wurde mit Blick auf russische Verhältnisse reflektiert und auf seine Umsetzbarkeit geprüft. In den Gesprächen unterstrich die Vorsitzende der „Frauen Rußlands", Jekaterina Lachowa, daß in Rußland Demokratie von oben deklariert wurde und bis heute wenig akzeptiert ist. Die „Frauen Rußlands" versuchen, das anachronistische Machtgefüge von oben nach unten mit eigenen netzartigen Strukturen auf allen politischen Ebenen zu unterlaufen. Für diese schwierige Aufgabe suchen sie auch außerhalb Rußlands Partner, die sie beraten und ihnen Rückhalt geben können. Ohne Frauen wird es in Rußland keine echte Demokratisierung geben. Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten und die Friedrich-Ebert-Stiftung haben deshalb die Verbindung zur russischen Frauenbewegung genutzt, um die

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Frauen in ihrem Bemühen um Demokratisierung, um Frauenrechte und ihre Beteiligung an politischen, sozialen und kulturellen Prozessen zu unterstützen.

Im nächsten Jahr ist ein weiteres Qualifizierungsprogramm für die regionalen Führungskräfte der Frauen Rußlands geplant mit ähnlichen Fragestellungen, aber einer stärkeren Konzentration auf die europäische Ebene. Auf Reisen nach Brüssel und Straßburg sollen in Gesprächen gemeinsame multilaterale Projekte vereinbart und das deutsch-russische Netz europäisch weitergesponnen werden.

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Frauen für Demokratie und Frieden im Nahen Osten

Zu einem fünftägigen Begegnungsseminar trafen sich im Dezember 1998 Frauen aus Israel, Palästina und Deutschland in der Würzburger Akademie Frankenwarte der Friedrich-Ebert-Stiftung. Gemeinsam war ihnen allen, daß sie durch ihre Aktivitäten und in ihren Institutionen den Friedensprozeß zwischen Israel und Palästina auch unter erschwerten politischen Bedingungen vorantreiben wollen. Das Treffen war in seiner Konstellation und Intensität das erste seiner Art und soll der Beginn einer Reihe von Gesprächen sein, die Kontinuität des Friedenswunsches aller Beteiligten dokumentieren.

Besonders wichtig war es, durch persönliche Annäherung erste Dialoge zu beginnen, die Chance zu ergreifen, vorhandene Vorurteile im persönlichen Austausch abzubauen und die unterschiedlichen Geschichtsauffassungen überhaupt wahrzunehmen. Zentrale Fragestellungen waren das jeweilige Demokratieverständnis, die Selbstdefinitionen des privaten und die Wahrnehmung des politischen Rollenverständnisses in einer demokratischen Gesellschaft und die Einschätzung der konkreten politischen Partizipationsmöglichkeiten. Alle drei Delegationen hatten Berichte zur jeweiligen Situation von Mädchen und Frauen vorbereitet.

Dr. Sumaya Farht-Naser und May Jl Bargouthi vom „Jerusalem Center for Women" in Ost-Jerusalem beschrieben die Entwicklung der Frauenbewegung in Palästina seit 1903 im Zusammenhang mit dem Friedensprozeß. Kulturelle und religiöse Schranken hielten die palästinensischen Frauen lange vom politischen Leben fern. Die Frauenorganisationen waren Zirkel zur Wohltätigkeitsarbeit und wurden von wohlhabenden, städtischen Frauen geleitet. Nach der ersten Frauenkonferenz 1929 wurde die „Palästinensische Frauenunion ins Leben gerufen. Sie wurde später Teil der PLO. Ziel der Frauen war lange Zeit, durch die Übernahme sozialer Aufgaben den Männern im nationalen Kampf beizustehen. Durch die 1954 eingeführte allgemeine Schulpflicht für Mädchen wuchs Ende der 60er Jahre eine Frauengeneration heran, die politisiert und sensibilisiert für soziale, menschliche und gesellschaftliche Probleme war. Die Frauen hofften, daß der nationalen Befreiung als natürliche Konsequenz die Frauenbefreiung folgen würde. Aber die erhoffte Änderung der traditionellen Frauenrolle trat nicht ein.

Größere Freiheiten gewannen die Frauen erst während der Intifada. Sie stießen in alle gesellschaftlichen Bereiche vor und sorgten für sozialen Wandel. Das Ende der Intifada brachte die Zunahme des islamischen Fundamentalismus und damit das Ende der neuen Freiheiten für die Frauen. Durch den Friedensprozeß erlangten die Frauen zwar

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das Wahlrecht und eine Vertretung in der Nationalversammlung, dennoch sieht die palästinensische Frauenbewegung keine Gleichheit im Alltagsleben und in der politischen Partizipation.

Viele israelische Frauengruppen engagieren sich für den Frieden auf einer gerechten Grundlage, doch den Gruppierungen fehlt ein gemeinsames Netzwerk.

Problem der Frauenbewegung in Israel ist die Vielfalt der Lebensumstände von Frauen vor dem Hintergrund ihrer Herkunft, Traditionen und Religionszugehörigkeit. Die Tatsache, Frau und Palästinenserin zu sein und in Israel zu leben, wird als dreifache Bürde empfunden. Lange Zeit wurden Themen des kulturellen Lebens und der Werteordnung öffentlich diskutiert, spezifische Frauenbelange jedoch tabuisiert und als nichtexistent bezeichnet. Seit den 70er Jahren konnten die Frauenorganisationen viele Frauen ermutigen, sich aktiv politisch zu engagieren.

Eine der in Israel lebenden Palästinenserinnen, die in dem Projekt KAIN gegen Frauen- und Mädchengewalt (v.a. für Opfer sexuellen Mißbrauchs oder Bedrohungen aus Gründen der Familienehre) arbeitet, sieht die Probleme der Frauen in den arabischen Familientraditionen begründet. Eine andere Seminarteilnehmerin aus Israel, die sich in der Organisation „Mothers and Women for Peace" engagiert, sprach von einem „Zirkel verletzter Familien", sowohl israelischer als auch palästinensischer. Die Familien zahlen den Preis für Gewalt und Krieg. Sie sind aber auch diejenigen, die den Glauben an die Erziehung zum Frieden und den Dialog aufrecht erhalten.

Die behutsamen Annäherungen der Frauen an die Gesellschaft und Geschichte der anderen erweiterte die Perspektiven auf die Vielschichtigkeit und Brisanz des Friedensprozesses im Nahen Osten. Mit diesem Zusammentreffen deutscher, israelischer und palästinensischer Frauen wurde ein wichtiger Grundstein der Vertrauensbildung gelegt. Die Teilnehmerinnen selbst belebten ihre Hoffnung an einen fruchtbaren Dialog und werden die in diesem Seminar gemachten Erfahrungen als Multiplikatorinnen in ihrer politischen Arbeit und in ihrem sozialen Umfeld weitergeben.

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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