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[Seite der Druckausg.: 39 = Zwischentitelblatt]


Frauen / Geschichte


80 Jahre Frauenwahlrecht

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Frauen in der Nachkriegsgeschichte

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Frauengeschichte

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80 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland

Am 19. Januar 1919 durften Frauen zum ersten Mal wählen und gewählt werden.

Diesem Ereignis war ein langer Kampf vorausgegangen. Und dieser Kampf war nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil Frauen - bedingt durch ihre unterschiedliche Herkunft - durchaus nicht immer die gleichen Interessen einbrachten.

Viele der bürgerlichen Frauen akzeptierten den Ausschluß aus der Politik als Notwendigkeit, die sich aus der natürlichen Bestimmung der Frau und aus ihrem Platz im Haus des (eigenen) Mannes ergab. Bestenfalls sollten sie gemeinnützig, zum Wohle der Gemeinschaft tätig werden. Louise Otto, die Begründerin der bürgerlichen Frauenbewegung, war mit ihrer Haltung die Ausnahme. Sie hatte keine Berührungsängste gegenüber der politischen Betätigung von Frauen. Sie forderte im Gegenteil bereits 1843 „die Theilnahme der weiblichen Welt am Staatsleben" und wandte sich dagegen, daß die Früchte der Revolution allein die Männer ernten sollten.

Hedwig Dohm rief 30 Jahre später den Frauen zu: „Fordert das Stimmrecht, denn über das Stimmrecht geht der Weg zur Selbständigkeit und Ebenbürtigkeit, zur Freiheit und zum Glück der Frau." Damit forderte sie die Frauen auf, ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Die bürgerliche Frauenstimmrechtsorganisation entstand dennoch erst 1902. Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg, zwei ungewöhnliche Frauen des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, gründeten den Verein für Frauenstimmrecht, der für die volle politische Gleichberechtigung aller Frauen eintrat. Viele bürgerliche Frauen hielten diese Forderung bis in die Zeit des ersten Weltkrieges hinein für verfrüht, weil der öffentliche Widerstand gegenüber Frauen in der Politik zu groß erschien. Andere hielten an der „natürlichen" Bestimmung der Frau „im Dienste des Familien- und Volkswohles" fest.

Für die proletarische Frauenbewegung stand das Frauenwahlrecht von Anbeginn an auf dem Programm. Wen wundert es aber, daß auch die Arbeiterinnen aus den Reihen der Männer nur wenige Fürsprecher hatten? Schließlich wollten auch viele Arbeiter eine Hausfrau nach bürgerlichem Vorbild. Andere sahen im Frauenwahlrecht die Gefahr, daß das rechte und konservative Wählerpotential vergrößert werden könnte.

August Bebel unterstützte die Anliegen der Frauen mit Wort, seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus", und Tat. Auf dem Gothaer Pateitag der Sozialdemokratischen Partei 1875 stellte er den Antrag, der Forderung nach dem gleichen Wahlrecht für alle Staatsbürger die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen hinzuzufügen. Durchsetzen konnte er sich damit (noch) nicht. Erst 16 Jahre später auf dem Parteitag in Erfurt waren die Genossen davon zu überzeugen, daß „allgemein und gleich" auch Frauen einschließen muß. Clara Zetkin warb bei den Delegierten für die Position der proletarischen Frauenbewegung, nach der es ureigenstes Anliegen der Sozialdemokratie sein müsse, für die politische Gleichberechtigung der Frauen einzutreten. Wie Bebel verstand sie die Unterdrückung der Frauen vor allem als Klassenproblem. Ihr Emanzipationskampf war Teil des Kampfes der unterdrückten Klassen gegen die Herrschenden. Die Formulierung des Parteiprogramms im Bezug auf das allgemeine Wahlrecht hieß nun: „ohne Unterschied des Geschlechts".

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1895 stellte die SPD dann im Deutschen Reichstag den Antrag auf Einführung des Frauenstimmrechts. Auch wenn der Antrag abgelehnt wurde, war die SPD doch die einzige Partei im Kaiserreich, die bereit war, sich für die Emanzipation der Frauen im Parlament einzusetzen. Die Frauenfrage wurde nun zum Teil der Klassenfrage. Die Debatte um den Haupt- und Nebenwiderspruch bildete später die Grenzlinie zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung. Dennoch gibt es in den darauffolgenden Jahren immer wieder gemeinsame Aktionen.

Unter dem Kampfruf „Heraus mit dem Frauenwahlrecht" gingen am ersten Internationalen Frauentag, am 19.3.1911, mehr als eine Million Frauen auf die Straße und forderten für alle Frauen soziale und politische Gleichberechtigung. Während des ersten Weltkriegs kämpfen sie - wenn auch überschattet von den Kriegsereignissen und beschäftigt mit kommunaler Fürsorge - weiter für das Frauenwahlrecht. Selbst wenn, die Polizei wie im November 1917, einen geplanten großartigen gemeinsamen Aufmarsch verbot. Das nahende Kriegsende, die politischen Unruhen und die Revolutionswirren gaben der Frauenstimmrechtsbewegung neuen Aufschwung. Große Frauenversammlungen wurden nun in allen größeren Städten durch Vertreterinnen der Sozialdemokratie und der bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung gemeinsam einberufen.

Die Frauen fanden offene Ohren bei den Arbeiter- und Soldatenräten, die sich im November 1918 überall formierten. Für die Räte gehörte die Forderung nach Frauenstimmrecht zu den Parolen der Revolution. In der Erklärung des Rates der Volksbeauftragten vom 12. November 1918 hieß es eindeutig: „Alle Wahlen ... sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht ... für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen." Damit war eine Forderung der Frauenbewegung erfüllt, für die sie, wenn auch von unterschiedlichen Standpunkten aus, jahrelang gekämpft hatte.

Am 19. 1. 1919 durften alle über 20jährigen Menschen zur Wahlurne gehen und konnten sich auch alle wählen lassen. In der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung waren 8,7 % der Parlamentsmitglieder Frauen. Viele der weiblichen SPD-Abgeordneten kamen aus der ArbeiterInnenschicht und kannten die Probleme der Frauen aus den ärmeren Schichten. Sie sorgten dafür, daß soziale Probleme öffentlich diskutiert wurden. 15 Jahre lang konnten Frauen in Deutschland wählen und durften gewählt werden. Dann war wieder Schluß. Der Nationalsozialismus machte alles bisher Erreichte zunichte. Frauen sollten sich wieder ihrer „natürlichen Funktion" besinnen. Das hieß am Anfang: „Dem Führer Kinder schenken". Wenig später hieß es dann: Dienstverpflichtung in den Rüstungsfabriken. Aber „zu emanzipieren" brauchte sich „die deutsche Frau" nach Meinung der Nazis nicht. Linke Frauenorganisationen wurden verboten, und man schloß Frauen nicht nur aus den verschiedensten Gremien aus, sondern nahm ihnen auch das passive Wahlrecht.

Erst nach 1945 konnten Frauen wieder an die demokratische Entwicklung der Weimarer Zeit anknüpfen. Das aktive und passive Wahlrecht war nun kein Streitpunkt mehr. Jetzt galt es, zäh darum zu ringen, die Forderung nach Gleichberechtigung in der neu zu formulierenden Verfassung zu verankern. Das gelang 1949 de jure. De facto ging die „Frauenfrage" in den 50 Jahren Bundesrepublik nur langsam voran. Auch wenn heute wieder versucht wird, Heim-

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und Herd-Ideologien salonfähig zu machen, sind Frauen nicht mehr zurückzupfeifen. Sie fordern nun die Umverteilung aller Arbeit, bezahlter und unbezahlter, auf beide Geschlechter.

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Frauen in der Nachkriegsgeschichte

Unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkrieges waren die frauenpolitischen Aktivitäten in allen Besatzungszonen nicht zu übersehen. Nicht nur die Trümmerfrauen machten sich in den Städten ans Werk: Frauen gingen auch an die politische Aufräumarbeit.

In einem Forschungsprojekt der Friedrich-Ebert-Stiftung sollen 27 Portraits von sozialdemokratischen Frauen im Parlamentarischen Rat und in den beiden ersten Bundestagen erstellt werden. Es werden also nicht nur berühmt gewordene Persönlichkeiten einbezogen, über die man ohnehin vieles nachlesen kann. Die Forschung über die Arbeit der Frauen der beiden Perioden ist sinnvoll, weil es so möglich wird, Kontinuitäten und Brüche verschiedener frauenpolitisch brisanter Politikbereiche zu verfolgen. Besonders interessant sind hier die Einbringung des Gleichberechtigungsparagraphen in das Grundgesetz, die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und die Überarbeitung des Ehe- und Familienrechts.

Der Band wird eine Beschreibung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation, denen vor allem Frauen in der BRD ausgesetzt waren, enthalten. Er wird mit einem Gesamtresümee und einem Ausblick auf zukünftige Frauenpolitiken enden.

Die Hauptfragestellungen beziehen sich darauf, wie sich Frauen in die Parlamente einbringen konnten, wie sie für „Fraueneinfluß" in Politik, Verwaltung und Wirtschaft sorgen konnten, welche Rolle frauenpolitische Aspekte spielten und welche Barrieren sich den Frauen entgegenstellten, wo und von wem sie Unterstützung und Solidarität fanden. Es werden Positionen zu Frauenerwerbsarbeit, Frauenarbeitsschutz, „Doppelbelastung", ehrenamtliche Arbeit, Ehe- und Familienrecht, Koedukation, Versorgungsproblemen, Flüchtlingsproblemen, öffentliche Kinderbetreuung, zur Wiederaufrüstung, atomaren Aufrüstung, zur überparteilichen Frauenarbeit, zur Frauenarbeit der SPD etc. herausgearbeitet. Und schließlich geht es auch darum, wie sie sich im „privaten" Leben durchsetzen mußten, was sie erreicht haben und was nicht und wo es heute noch gilt, an ihren Erfahrungen anzusetzen. Es werden also Geschichten von Frauen geschrieben, die ein Stück Zeitgeschichte focussieren. Auf verschiedenen Gebieten haben sie hervorragendes geleistet, für das „gute Leben" gekämpft und den Mut nicht verloren, auch wenn sie es nicht immer leicht hatten.

Das Projekt arbeitet mit einem Methodenmix, das heißt, es werden zunächst biographische, themenzentrierte, leitfadengestützte Interviews mit dem Schwerpunkt auf Leben und Arbeit nach 1945 mit noch lebenden ehemaligen Abgeordneten und anderen ZeitzeugInnen geführt. Zusätzlich wird Material aus verschiedenen Archiven sowie biographische und Sekundärliteratur ausgewertet.

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Frauengeschichte

Zum ersten Mal haben bei diesem Seminar „Zeitzeuginnen" persönliche politische Erfahrungen aus dieser Phase bundesrepublikanischer Geschichte beigesteuert. So entstanden spannende und sehr persönliche Diskussionen, in denen diese Zeit kritischer Distanz betrachtet wurde. Was ist aus den Forderungen und Zielen von damals geworden?

Ein anderes Seminar dieser Reihe stellte den 150. Jahrestag der bürgerlichen Revolution von 1848/49 in den Mittelpunkt. Es war als Gegengewicht zu den offiziellen „Revolutionsfeiern" konzipiert, die den Eindruck erweckten, Frauen hätten mit dieser ersten deutschen Demokratiebewegung gar nichts zu tun gehabt. In Vorträgen und Gesprächen wurde ebenso über den Aufbruch der Frauen in den Vormärz informiert wie über Gemeinsamkeiten und Widerspräche zwischen bürgerlicher Opposition und der jungen Frauenbewegung. Außerdem wurden die wichtigsten Akteurinnen vorgestellt, ihre Ideen und Forderungen, ihre Publikationen und historischen Wurzeln.

Viele Teilnehmerinnen haben alle Seminare der „Geschichtsreihe" besucht und mit Begeisterung begleitet. Mit der Werbung von Mund zu Mund im privaten Umfeld ist es gelungen, Frauengruppen anzusprechen, die bei anderen Bildungsträgern unterrepräsentiert sind, z.B. jüngere Frauen um die 30.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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