FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



Abbau der Einkommensunterschiede,
ein gemeinsames Ziel der EU und der Beitrittsländer


Der Beitrittswunsch der Kandidatenländer in Mittel- und Osteuropa drückt in vielen Fällen den Wunsch nach Anpassung der eigenen Lebensverhältnisse an die – als besser empfundenen – Lebens- und Einkommenssituation in der EU aus. In der Tat liegen die Pro-Kopf-Einkommen deutlich unter dem EU-Durchschnitt (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Aufholbedarf der Beitrittskandidaten

Beitrittsland

BIP/Kopf (in KKP)
EU = 100

BIP/Kopf (in ECU)
EU = 100

Polen

39

18

Rumänien

27

8

Tschechien

60

24

Ungarn

49

21

Bulgarien

23

7

Slowakei

46

17

Litauen

31

13

Lettland

27

12

Slowenien

68

44

Estland

36

16

Quelle: EU-Kommission/Eurostat

Eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahrzehnte wird es somit sein, diesen Abstand in den Einkommen zu reduzieren. Gelingt dies nicht, so drohen unterschiedliche Probleme:

  • Ein großes Reservoir armer und verzweifelter Menschen in den Nachbarländern birgt politische (Instabilität, Extremismus) und wirtschaftliche Risiken (geringeres Wachstum, dauerhafte Niedriglohnkonkurrenz).

  • Die Migration aus den dauerhaft ärmeren Ländern in die reicheren Regionen der EU würde anwachsen. Organisiertes Verbrechen fände ein permanentes Rekrutierungsfeld.

  • In den enttäuschten neuen Mitgliedsstaaten könnte die Europaskepsis zunehmen. Gewännen entsprechende Kräfte Regierungseinfluss, so könnte dies die EU lähmen (siehe die Erfahrungen mit FPÖsterreich).

Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen ? Ein Blick zurück auf die Integration anderer armer Länder in Europa zeigt ein gemischtes Bild. Die alte EU-15 wies in ihrem Integrationsraum deutliche Einkommensunterschiede mit vier armen Mitgliedsländern auf: Irland (Beitritt 1972), Griechenland (Beitritt 1981), Spanien und Portugal (Beitritt 1986) hatten zum Zeitpunkt ihres EU-Beitritts Pro-Kopf-Einkommen, die zwischen 29% und 64% des EU-Durchschnitts betrugen (vgl. Tabelle 2). Zumindest die letzten drei Süderweiterungsländer zählen auch heute noch zu den ärmsten Mitgliedsstaaten. Selbst Irland wuchs trotz seines frühen Beitritts erst ab 1990 spürbar schneller als die EU (vgl. Tabelle 3). Griechenland hat nach dem Beitritt bis heute nicht das relative Niveau von 1982 (56,1% des EU-Durchschnitts) wieder erreicht. Während Spanien keine großen Fortschritte machte, hat Portugal nach dem EU-Beitritt langsam, aber stetig aufgeholt, auch wenn es immer noch knapp unter 50% des EU-Durchschnitts liegt.

Tabelle 2: Konvergenzprozesse in ECU und KKS* in Kohäsions-Ländern (EU=100)

BIP/Kopf
(EU=100)

Jahr

Spanien

Portugal

Irland

Griechenland

ECU

1960

36,3

30,8

62,8

41,8


1970

49,1

35,1

60,8

54,8


1980

58

29,4

60,8

49,9


1990

68,8

37,1

70

43,3


2000

67,2

49,4

111,7

52,1







KKS

1960

59,1

40,1

62,6

43,6


1970

72,9

50,4

61,2

62,9


1980

72,7

55,4

65,5

70


1990

76,5

61

73,3

58,3


2000

82,1

75,7

114,3

67,1

* KKS = Kaufkraftstärken

Quelle: Eurostat

Dieses Bild bessert sich erheblich, wenn man die Einkommen nicht in einer gemeinsamen Währung, sondern in Kaufkraftstärken vergleicht. Die Kaufkraft eines Euro ist in allen armen Ländern deutlich höher als in den reichen EU-Ländern bzw. im EU-Durchschnitt. Tabelle 2 zeigt, dass - gemessen in Kaufkraftparitäten - die Konvergenz innerhalb der EU weiter gediehen ist. Dieser Kaufkraftvergleich ist unter dem Gesichtspunkt der Angleichung der Lebensverhältnisse von besonderem Interesse. Auch, um den möglichen Migrationsdruck abzuschätzen, empfiehlt sich ein Vergleich der Kaufkraftparitäten, da potentielle Auswanderer den realen Kaufkraftgewinn mit den Kosten der Umsiedlung vergleichen. [Auch wissenschaftliche Abschätzungen des Migrationspotential stützen sich darauf. Vgl. Tito Boeri und Herbert Brücker „Eastern Enlargement and EU Labour Markets. Perceptions, challenges and opportunities„ in World Economics, Vol.2, Nr.1, 2001 S.49-68; oder Hans-Werner Sinn u.a. (ifo-Institut) „EU-Erweiterung und Arbeitskräftemigration: Wege zu einer schrittweisen Annäherung der Arbeitsmärkte" Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, München 2000, S. 6.] Lediglich Pendler profitieren von der höheren Kaufkraft. Allerdings führen starke Pendlerbewegungen zu Ausgleichsprozessen im grenznahen Raum mit höheren Preisen (und damit geringerer Kaufkraft) in den Grenzregionen der Beitrittsländer und zumindest sektoral niedrigeren Löhnen und Preisen in den entsprechenden Nachbargebieten der Altmitglieder.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

TOC Next Page