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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druck-Ausg.: 38]
Hilfsorganisationen in Osteuropa: Das Beispiel LA STRADA in Warschau In einem kleinen Büro in Warschau, besetzt mit drei bezahlten Mitarbeiterinnen und zehn ehrenamtlichen Helferinnen, werden Frauen aufgefangen, denen es oft unter abenteuerlichen Umständen gelungen ist, aus dem westlichen Ausland zurück nach Polen zu fliehen. Das Büro ist mit einem Notruftelefon ausgestattet und dient so auch als Anlaufstelle für Frauen, die sich aus dem Ausland melden und sich in einer ausweglosen Situation fühlen. Es melden sich auch polnische Verwandte und Angehörige, die befürchten oder sicher wissen, daß die Tochter oder Freundin Versprechungen von Anwerbern aufgesessen ist oder ins westliche Ausland verschleppt wurde. Soweit es die finanziellen Kräfte und die Beziehungen erlauben, versucht La Strada auch, Rückkehrerinnen zu einer Starthilfe in Polen zu verhelfen. Das schließt Wohnungssuche wie Jobsuche ebenso ein wie Gespräche mit Familien und Freunden. Das Projekt wird von niederländischen, tschechischen und polnischen Organisationen getragen und erhält derzeit noch Mittel von der EU. Trotz Lob von vielen Seiten aber ist die Finanzierung keineswegs gesichert, obwohl die engagierten Projekte und mittelfristigen Pläne ohne finanzielle Sicherheit kaum angepackt oder weiter betrieben werden können. Eines der wichtigsten Programme von La Strada ist eine Anlaufstelle für Prostituierte und gehandelte Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion. Denn längst ist Polen nicht nur Herkunftsland von Frauen, die in westlichen Bordellen arbeiten, sondern auch Transitland für den Menschenschmuggel aus zahlreichen GUS-Staaten. Betroffen sind Frauen aus allen Berufsgruppen, die ihre Arbeitsplätze verloren haben und keinerlei Unterstützung erfahren. Oft sind es alleinerziehende Mütter, die mit dem Geld, das sie im Ausland zu verdienen hoffen, ihre Kinder ernähren oder medizinische Behandlungen bezahlen wollen. Die Emanzipation der Frauen beschränkt sich bisher in der Regel auf das Berufsleben. Obwohl die kommunistischen Parteien bekanntermaßen in [Seite der Druck-Ausg.: 39] allen Valuta-Hotels Prostituierte einsetzten, war in diesen Ländern Prostitution stets mit Strafen bedroht. Mit Verständnis in ihrer engeren Umwelt können die verzweifelten Frauen also kaum rechnen. Da in ihren Familien nicht bekannt werden soll, daß sie als Prostituierte arbeiten, werden sie erpressbar. Die Mitarbeiterinnen von La Strada berichten von Fällen, in denen Frauen vergewaltigt oder bei der Ausübung der Prostitution gefilmt wurden. Man drohte ihnen an, die Filme an die Familien zu schicken. Solchen Frauen zu helfen, ist extrem schwierig, da man ihnen das, was sie am dringendsten brauchen - legale Arbeit, Schutz vor den Zuhältern, eine Wohnung und Vertraulichkeit vor und während Gerichtsverfahren - nur in seltenen Fällen zusichern kann.
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999 |