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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druck-Ausg.: 26]
EU-Programme gegen Frauenhandel Frauenhandel ist eine internationale Form des organisierten Verbrechens und kann deshalb nur grenzüberschreitend sinnvoll bekämpft werden. Diese Ansicht hat sich in den letzten Jahren auch bei allen europäischen Institutionen durchgesetzt. So beschlossen die Frauen- und Sozialminister schon im April 1997 auf einer Konferenz in Den Haag einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der allerdings den Schönheitsfehler hat, daß die einzelnen Nationalstaaten ihn akzeptieren können - oder auch nicht. Das zweite Problem ist, daß sich solche im europäischen Bereich beschlossenen Forderungen oft nicht bis zu den Behörden vor Ort herumsprechen, die sich also auch nicht (guter Wille einmal vorausgesetzt) auf das Wollen europäischer Institutionen berufen können. Ein Beispiel dafür ist die auch vom Europäischen Parlament immer wieder angemahnte Forderung, ausländischen Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden, eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. Die entscheidende Einschränkung lautet: Soweit dies mit den nationalen Gesetzen vereinbar ist. Ähnliches gilt für den Zeugenschutz durch die Polizei während und vor allem auch nach Prozessen gegen Händlerbanden oder einzelne Zuhälter. Ein weiterer Beschluß von Den Haag betrifft die Arbeit der Polizei. Daten und Informationen über Frauenhändlerringe sollen nun zentral bei der europäischen Polizeibehörde Europol gesammelt werden. EuropaparlamentarierInnen haben kritisch angemerkt, daß von diesen und anderen Vorschlägen, Forderungen und Beschlüssen praktisch nur die Frauen profitieren, deren Zeugenaussagen für das Gericht verwertbar sind. Frauen in Fällen, in denen die Behörden sich nicht in der Lage sehen, auf der Grundlage ihrer Aussagen Klage zu erheben erhielten nicht denselben Schutz bzw. Hilfe. Auch löbliche Ausnahmen von dieser Regel aus einzelnen Mitgliedsländern werden erwähnt. Beispielhaft etwa verhalte sich Österreich, wo vor [Seite der Druck-Ausg.: 27] allem die Opfer im Blickfeld sind: In Österreich ist in jüngerer Zeit eine ministerienübergreifende Arbeitsgruppe zum Frauenhandel eingesetzt worden, die sich aus Vertretern der Ministerien für Inneres, Justiz, Arbeit, Finanzen und Gesundheit zusammensetzt und auf dem Gebiet tätige Nichtregierungsorganisationen einbezieht. Diese Arbeitsgruppe hat Möglichkeiten untersucht, wie ein Netz von durch NRO geführten sicheren Zufluchtsstätten für Opfer des Frauenhandels eingerichtet sowie ein Unterstützungsfond für die Opfer - finanziert aus den von Schleppern bezahlten Geldbußen - geschaffen werden könnte."
Das EU-Programm STOP
Den Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten ist in der Regel die besondere Problematik der Frauen nicht bewußt, also ihre absolute Abhängigkeit von den Zuhältern, ihre Furcht vor der Polizei, ihre Angst vor Repressalien gegenüber Angehörigen in den Heimatländern, ihre Sprachlosigkeit in einem fremden Land und ihre Unkenntnis der Rechtslage. Darüber hinaus fehlt es bei diesen Verbrechen, die nur länderübergreifend aufgeklärt werden können, auch bei den nationalen Strafverfolgungsbehörden an Wissen über die Gesetzeslage und die Hilfsangebote der Nachbarländer. Deshalb hat die EU das Programm STOP eingerichtet. STOP ist ein Förder- und Austauschprogramm für Behörden der Mitgliedstaaten, die sich mit Menschenhandel und der sexuellen Ausbeutung von Kindern befassen. Es richtet sich gezielt an Staatsanwälte, Polizei, Richter, Einwanderungsbehörden und andere öffentliche Dienststellen. Das Programm untersucht, wie Verwaltungen, Polizei und Justiz Klagen von Frauen behandeln und wie weit sie auf ihre besonderen Schwierigkeiten eingehen. Erreicht werden soll ein sensibler Umgang mit den Frauenopfern. Für einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren soll STOP für die Fortbildung von Polizei, Justiz und Mitarbeiterinnen von NROs sorgen. Das Programm endet nach jetzigem Stand mit Beginn des Jahres 2001. Die Fortbildung umfaßt Kenntnisse über die Rechtsordnung anderer Mitgliedstaaten, über den Ablauf der Gerichtsverfahren dort, über deren [Seite der Druck-Ausg.: 28] Ausländergesetzgebung, die Grenzkontrollen, das Sozialrecht und das Steuerrecht. Europäische Konferenzen zu spezifischen Aspekten werden organisiert, Forschungsarbeiten gefördert und koordiniert. Datenbanken und Handbücher für den Polizeidienst sollen erstellt werden. 6,5 Millionen ECU - und das scheint wenig zu sein bei den ehrgeizigen Vorhaben - stehen dafür insgesamt zur Verfügung. Die Kritik von EuropapolitikerInnen entzündet sich vor allem daran, daß der Schwerpunkt der Arbeit bisher auf dem Thema sexuelle Ausbeutung von Kindern lag. Sie hätten deshalb gerne die beiden Bereiche klarer voneinander abgegrenzt, denn zumindest für die Vergangenheit galt, daß die Mehrzahl der Projekte sich auf die Verbrechen gegen Kinder konzentrierten, das Problem des Frauenhandels dabei vernachlässigt wurde. Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß das Programm vor allem unter polizeilichen Gesichtspunkten gesehen wird und zu wenig aus der Sicht der Opfer.
Das EU-Programm DAPHNE
Diesem Aspekt hat sich das EU-Programm DAPHNE verschrieben, das in seine Projekte vor allem Nichtregierungsorganisationen eingebunden hat. Ziel ist die Verhinderung von Gewalt und der Schutz der Opfer. Gefördert werden Projekte von Frauen. Nichtstaatliche und gemeinnützige Organisationen sollen zwischen dem Jahre 2000 und 2004 insbesondere Unterstützung für den Aufbau von Netzen und von Informationsaustausch erhalten. Es soll Informationskampagnen geben, um die Öffentlichkeit stärker zu sensibilisieren. Das Problem ist wiederum ähnlich wie bei STOP: es werden allzu viele Bereiche zusammengebunden. Die Projekte umfassen häusliche und familiäre Gewalt ebenso wie die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die sexuelle Gewalt gegen Frauen. Bedingungen für eine Förderung sind: Die Projekte dürfen sich nicht nur auf lokale oder regionale Probleme beziehen - der Nutzeffekt auf europäischer Ebene muß sichtbar sein. Die Programme müssen neue, innovative Ansätze zeigen, die auch auf andere Mitgliedsländer übertragbar sind. Die Politikerinnen im Europäischen Parlament haben bedauert, daß [Seite der Druck-Ausg.: 29] auch im Programm DAPHNE keine Mittel für die Rehabilitation und Unterstützung von Frauen vorgesehen sind, denen es gelungen ist, sich aus dem Milieu zu lösen oder die dieses gerne tun würden, wenn es Hilfe für sie gäbe. Doch es gibt andere mit EU-Mitteln geförderte Programme, die ausschließlich den weiblichen Opfern des Menschenhandels zur Verfügung stehen. Als Beispiele seien genannt: La Strada mit Büros in Warschau, Prag und Kiew und ZAPO in Berlin (vgl. S. 38 f.). © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999 |