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Prostitution und Frauenhandel:
Macht der Männer und Ohnmacht der Frauen


Prostitution gab es immer und wird es immer geben. Zu allen Zeiten und in allen Armutsländern dieser Welt ist es für die Frauen die letzte und oft die einzige Möglichkeit, sich - und häufig auch ihre Kinder oder ihre Eltern - vor dem Hunger zu bewahren. Prostitution, gleichgültig ob freiwillig, durch Not erzwungen oder verbunden mit gewinnträchtigem Frauenhandel, hat mit Machtverteilung zu tun. Die Armut ist weiblich, Frauen sind häufiger arbeitslos als Männer, erfahren Gewalt in der Ehe und sind verantwortlich für das Überleben ihrer Familien. Das gilt für die Länder der sogenannten Dritten Welt ebenso wie für die ehemaligen Ostblockstaaten, in denen vor allem Frauen Opfer des dramatischen Umbruchs geworden sind.

Zahlen des Bundeskriminalamtes zufolge waren von Menschenhandel und Zwangsprostitution bis 1980 vor allem südamerikanische Frauen betroffen, Anfang der achtziger Jahre Filipinas, ab Mitte der achtziger Jahre zunehmend afrikanische Frauen, bis 1989 Brasilianerinnen und junge Frauen aus Thailand.

Mit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs" 1989 sind die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit einer völlig neuen Dimension des Frauenhandels konfrontiert. Die Opfer in den westlichen Industrieländern sind zu 80 bis 90 % Frauen aus Mittel- und Osteuropa: aus Polen, aus Tschechien, aus Rumänien, aus dem Baltikum, aus Albanien, der Ukraine und Rußland. Der Frauenhandel ist damit ein gigantisches Geschäft geworden. Experten bei der Europäischen Kommission schätzen, daß mindestens eine halbe Million Frauen zur Prostitution in westlichen Schmuddel-Bars, in Bordellen, in Stundenzimmern oder sogenannten Love-Mobils gezwungen werden.

Zwang herrscht auch dann vor, wenn die Frauen vorher wußten, worauf sie sich einlassen. Denn keiner Prostituierten ist bewußt, in welche Abhängigkeiten sie sich verstrickt, wenn sie ohne ausreichende Sprachkenntnisse, ihrer Papiere beraubt, ohne legalen Aufenthaltsstatus und

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mit Schulden bei den Zuhältern ein heimliches Leben in einer westlichen Großstadt oder an wechselnden ländlichen Standorten führen muß. Gewalt, Demütigungen, Erpressungen, Drohungen sind an der Tagesordnung. Wer zurückkehrt in die Heimatländer, abgeschoben wird oder fliehen kann, spricht nicht über die Erfahrungen. Scham hindert daran und die Angst davor, die Familie könnte erfahren, daß die Tochter, Frau oder Mutter nicht als Kellnerin oder Putzfrau ihr Geld verdient hat, sondern in einem Bordell. Das große Schweigen - und die derzeitige Gesetzeslage innerhalb der Europäischen Union - sind der beste Täterschutz.

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Zahlen zum Thema Frauenhandel und Zwangsprostitution

Natürlich sind alle Zahlen zum Thema Prostitution, der legalen wie auch der illegalen, mit Vorsicht zu behandeln, denn in kaum einem anderen Bereich der Kriminalität tappen Polizei und andere Behörden so sehr im Dunkeln. Während des 25. Nationalen Hurenkongresses hieß es, in Deutschland arbeiteten etwa 400.000 Prostituierte. Täglich, so diese Zahlen, nehmen eine Million Männer in Deutschland die Dienste der Frauen in Anspruch.

Der Markt ist einträglich - allerdings meist nicht für die Frauen. Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes gelangen jährlich etwa 30.000 Frauen, etwa 60 Prozent von ihnen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, durch Frauenhandel nach Deutschland, werden also illegal über die Grenzen gebracht und hier zur Prostitution gezwungen. 88 Prozent der Frauen stammen inzwischen aus osteuropäischen Ländern. Im „Spiegel" sprach ein Lüneburger Kriminalbeamter von einem „attraktiven ungesättigten Nachfragemarkt hier, der auf einen riesigen Angebotsmarkt aus den ehemaligen Ostblockländern stößt." 1996 registrierte das Bundeskriminalamt 1.753 Frauen, die Opfer solcher Menschenhändlerringe geworden waren, 1997 „nur" 1.201.

Doch solche Zahlen haben nur geringe Bedeutung. Von den 1997 registrierten Opfern erklärten fast 80 Prozent, man habe sie über den wahren Grund der Einreise getäuscht. Die wichtigsten Herkunftsländer der Opfer sind Polen, die Tschechische Republik, die Ukraine, Rußland, Litauen. Die Herkunft der Frauen verlagert sich laut den Ermittlungen des

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Bundeskriminalamtes immer weiter nach Osten. In Litauen und Weißrußland seien legale Firmen gegründet worden, die auf Bestellung Frauen schnell nach Deutschland bringen. Im Jahre 1997 wurden 1.106 Personen als tatverdächtig registriert, rund 44 Prozent von ihnen deutscher Nationalität. 10 Prozent der Tatverdächtigen waren Türken. Der Rest verteilt sich auf verschiedene ost- und südosteuropäische Staaten von Litauen bis Albanien. In dem kriminellen Geschäft mit Frauen finden sich dabei auch immer mehr weibliche Täter beziehungsweise Tatverdächtige. Da 130 der 200 hier registrierten weiblichen Verdächtigen keine Deutschen waren, wird vom Bundeskriminalamt der Verdacht geäußert, es handle sich dabei um Frauen, die selbst ehemalige Prostituierte waren und nun in den Herkunftsländern junge Frauen anwerben.

Nur selten sind im Gewerbe allerdings Minderjährige zu finden: Weniger als fünf Prozent der Opfer waren im Jahre 1997 17 Jahre oder jünger. Das mag daran liegen, daß es schwieriger ist, für Minderjährige Ausweise und Visa zu finden, aber auch daran, daß die Zuhälter das Risiko scheuen, denn bei Minderjährigen müssen sie mit höheren Strafen rechnen. Nach den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes sind die teilweise international agierenden Frauenhändlerringe immer häufiger gleichzeitig auch in Rauschgiftschmuggel und Autodiebstahl verstrickt.

Weitere Zahlen aus dem Lagebericht des Bundeskriminalamtes erhärten die Klage deutscher und osteuropäischer Frauenorganisationen, daß die Polizei am Schicksal der Opfer, also der Zwangsprostituierten, zu wenig interessiert sei: In Deutschland erhielten 1997 nur 53 Frauen eine Duldung und nur 20 Frauen wurde Zeugenschutz gewährt. Ohne die Aussage der Frauen aber gibt es keine Verurteilung der Täter. Der mangelnde Opferschutz ist also der beste Täterschaft. Den Zuhältern hilft außerdem, daß die meisten der Opfer kein Deutsch können, daß sie in Deutschland niemanden kennen, daß sie in ihrer Heimat aus zerrütteten Verhältnissen kamen, also keine Familie haben, in die sie zurückkehren können.

Die Angaben darüber, wieviel Frauen sich „freiwillig" erklärt haben, als Prostituierte zu arbeiten, gehen sehr auseinander und liegen je nach Schätzung zwischen 20 und 50 Prozent. Eine Beamtin des Bundeskriminalamtes berichtet, daß Frauen, wenn sie die Prostitution verweigern, mit Vergewaltigungen rechnen müssen, teilweise auch mit Folter. Es

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sind Fälle bekannt geworden, in denen Zuhälter ihre Opfer mit Psychopharmaka, Drogen und Drogenentzug gefügig machten.

Nicht nur das Schweigen der Frauen erschwert die Verfolgung der Täter. Die Menschenhändlerringe kooperieren untereinander reibungslos - so der niederländische Jos Hermans - bei den Verfolgungsbehörden hingegen gestalte sich die Arbeit „schleppend und kompliziert.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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