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TEILDOKUMENT:
Die gewerkschaftlichen Organisationen Die Regierung hat bis zum Jahr 1998 sieben Gewerkschaftsverbände als repräsentative Organisationen der Arbeitnehmer im Nationalrat für tripartite Zusammenarbeit (NRTZ) anerkannt. Die wichtigsten Gewerkschaftsverbände sind:
Neben der Mitgestaltung von sozialen Institutionen wie die Rentenversicherung, die Arbeitslosenunterstützung oder das Bildungswesen, zählt die aktive Teilnahme am Aufbau einer Sozialpartnerschaft im Arbeitsmarkt und die konstruktive Mitarbeit bei der sozialen und der wirtschaftlichen Gesetzgebung Bulgariens zu den wichtigsten Tätigkeiten der Gewerkschaftsverbände. In vielen praktischen Erfahrungen haben sich die zwei größten Gewerkschaften im Transformationsprozeß als verläßliche Partner erwiesen. Anfang 1997 beteiligten sich KNSB, Podkrepa, ADS und Promjana am Generalstreik und an den täglichen Demonstrationen gegen die sozialistische Regierung. Obwohl die neue konservative Regierung mit der aktiven Hilfe der Gewerkschaften an die Macht kam, versucht sie gegenwärtig deren Einfluß zu reduzieren und sie zu marginalisieren. In der ersten Hälfte des Jahres 1998 wurde auf Anordnung des Ministerrates die Repräsentativität der Arbeitnehmerorganisationen überprüft: Alle Gewerkschaftsverbände sollten ihre Mitgliederzahl statistisch erfassen. Sie haben bestätigt, daß KNSB und Podkrepa nach wie vor die größten Dachverbände der gewerkschaftlichen Föderationen in Bulgarien sind.
Aufgrund dieser Daten und des Arbeitsgesetzes erklärte die bulgarische Regierung am 14. Januar 1999, daß nur KNSB und Podkrepa als repräsentative Organisationen der Arbeitnehmer im Nationalrat für tripartite Zusammenarbeit anerkannt werden. Trotz des drastischen Rückganges der Mitgliedszahlen sind die beiden Gewerkschaftsverbände nach wie vor in der bulgarischen Gesellschaft die einzigen sozialen Organisationen, die über einen weitgehend demokratischen Aufbau von der Ortsebene über die Bezirke bis auf die nationale Ebene verfügen. Gemäß der letzten statistischen Erhebung setzt sich der KNSB aus 27 Föderationen und 26 Einzelverbänden zusammen. Anläßlich des Kongresses der KNSB im November 1997 wurde als Zielsetzung festgelegt, daß es in Zukunft in einem Betrieb nur noch eine Mitgliedsorganisation geben soll. Es wurde noch ein wesentlicher Punkt geändert: Nun können Organisationsgliederungen außerhalb von Betrieben gegründet werden. Das Ziel ist, daß KNSB-Mitglieder in ansonsten unorganisierten Betrieben auch vor Ort gewerkschaftliche Politik betreiben können. Der Mitgliedsbeitrag beträgt zur Zeit 1% des Nettolohnes. Die Dachorganisation erhält 15% der Mitgliedsbeiträge der Branchengewerkschaften. KNSB arbeitet weiterhin an der Umstrukturierung der Organisation, und will sich dabei an der Struktur des DGB orientieren. Der Podkrepa gehören 24 Föderationen und 5 Einzelverbände in insgesamt 31 Regionen des Landes an. Die Mitgliedsbeiträge betragen mindestens 0,7% des Nettolohnes. Die Dachorganisation erhält 20% der insgesamt eingenommenen Mitgliedsbeiträge.
Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
Die Verzögerung der Reformen und die Finanzkrise von 1996 wirkten sich sehr negativ auf die soziale Situation aus. Die soziale Differenzierung schreitet sehr schnell voran. Nach Angaben der KNSB betrugen die Lebenshaltungskosten im Oktober 1998 durchschnittlich 230 DM pro Person. Das durchschnittliche Einkommen beträgt nur 190 DM, die durchschnittliche Rente 60 DM. Statistisch gesehen lebt 64% der bulgarischen Bevölkerung in Armut, weil ihr Einkommen unter der Armutsgrenze von 90 DM liegt. Die gegenseitige familiäre Hilfe und die Unterstützung durch informelle Einkommen erlauben es der Bevölkerung unter diesen Bedingungen zu überleben. Besonders schwer ist die Lage der Rentner, der Roma und der alleinstehenden Mütter. Nach einer Umfrage des staatlichen Nationalen Zentrums für Erforschung der öffentlichen Meinung verzichten bereits 10% der Menschen ganz und weitere 15% teilweise auf die Fernheizung, da sie sie nicht bezahlen können. Entwicklung der Arbeitslosigkeit
Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist je nach Region sehr unterschiedlich.
Die beiden Gewerkschaften (KNSB und Podkrepa) verabschiedeten im Oktober 1997 gemeinsam ein Memorandum zur Zusammenarbeit mit der Regierung; in dem Memorandum werden der Rahmen und die Positionen für die nationalen Verhandlungen über den Währungsrat definiert. In 1998 nahm der KNSB eine Bewertung der Vereinbarungen mit der Regierung vor. Sie beinhaltet die folgenden Einschätzungen der neu verabschiedeten Gesetze und Gesetzentwürfe:
Angesichts der anhaltend schwierigen sozialen Situation der Bevölkerung zog der Gewerkschaftsbund Podkrepa im November 1998 seine Zustimmung zum Memorandum und der darin vereinbarten Zusammenarbeit mit der Regierung zurück. Ende Dezember 1998 fand eine Sitzung der beiden Gewerkschaftsverbände mit der Regierung statt, auf der die Gewerkschaftler von der Regierung ein verbindliches Programm mit den folgenden thematischen Schwerpunkten verlangten:
Privatisierung Bis heute sind ca. 35% der materiellen Aktiva des Staatssektors und beinahe alle kleinen städtischen Objekte (Geschäfte usw.) privatisiert worden. Etwa 80% des durch LPGs kultivierten Landes sind an die Besitzer zurückgegeben worden. Das bulgarische Parlament hat Anfang Dezember 1998 ein Privatisierungsprogramm für 1999 mit geplanten Einnahmen von umgerechnet 996,7 Mio. DEM verabschiedet. Danach soll der staatliche Sektor bis zum Ende 1999 bis zu 66% privatisiert sein. Wie der staatliche Rundfunk berichtete, sollen ca. 1000 Staatsbetriebe verkauft werden. Das Interesse an den bulgarischen Aktiva ist nicht besonders groß", so der Direktor der Privatisierungsagentur, Sachari Scheljaskow. Wesentlicher Grund für die Zurückhaltung ausländischer Investoren beim Kauf bulgarischer Betriebe ist die schleppende Bürokratie, die mangelnde Infrastruktur, das ineffiziente Bankwesen und die Krise in Kosovo. In den ersten zehn Monaten 1998 nahm Bulgarien 775 Mio. DEM aus Privatisierung ein. Die größten ausländischen Investoren sind Belgien, Deutschland, die USA und Südkorea. Die erste Welle der sogenannten Massenprivatisierung (Privatisierung durch Massenvouchers) wurde im Jahr 1996 abgeschlossen. Daran nahmen 3 Mio. bulgarische Bürger teil. Über 2 Mio. Bürger deponierten ihre Massenvouchers in Privatisationsfonds. Der Rest beteiligte sich selbständig. Die beiden Gewerkschaften sprechen sich für eine rasche Massenprivatisierung aus. Für die erste Welle der Massenprivatisierung hatte der KNSB den Privatisierungsfonds Trud (Arbeit) und Kapital" gegründet. Dessen Teilnahme wurde als erfolgreich bewertet, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Aktionäre des Fonds am Ende jedes Jahres Dividenden ausbezahlt erhalten. Überraschend für die Gewerkschaften entstanden in vielen durch Fonds privatisierten Betrieben Spannungen mit den bestehenden Gewerkschaftsstrukturen. Als neue Besitzer wollten diese Fonds die bereits vorhandenen Kollektivtarifverträge nicht beachten. Trotzdem führen die Gewerkschaften ihre Bildungsarbeit für die zweite Welle der Massenprivatisierung fort, die am 25.1.1999 gestartet worden ist. Die Bewertung der Arbeiter-Management-Privatisierung ist nicht eindeutig, obwohl sie am Anfang von den Gewerkschaften mit Begeisterung begrüßt wurde. Mehr als die Hälfte der Arbeiter-Manager-Firmen, die Staatsbetriebe erworben hatten, stehen vor dem Konkurs. In den meisten Fällen können die Käufer ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Banken nicht einhalten, so daß die Kreditinstitute bald mit der Veräußerung ihrer Aktiva beginnen müssen. In dieser Situation kann man für das nächste Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit voraussagen, daß es zu einer Umverteilung des gewerblichen Eigentums und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit kommen wird. Da es ein öffentliches Geheimnis ist, daß hinter einigen Arbeiter-Manager-Gesellschaften solide Investoren stecken, die auf diese Weise ihre Kosten reduzieren wollen, hat die Regierung die attraktiveren Firmen in einer gesonderten Liste zusammengefaßt.
Tripartismus - Tarifautonomie -Vertragsbeziehungen
Es gibt in Bulgarien seit 1990 tripartite Verhandlungen. Das agierende Gremium, der Nationale Rat für Tripartite Zusammenarbeit wurde 1993 nach einer Änderung im Arbeitsgesetz gebildet. Bis 1998 nahmen die eingangs erwähnten Gewerkschaftsorganisationen, vier Arbeitgeberorganisationen, sowie die Regierung teil. Die Regierung wird durch dessen Vizepräsidenten und durch zwei weitere Mitglieder vertreten. Die Leitung hat der Vizepräsident. Die Gewerkschaften werden von drei bevollmächtigten Vertretern jeder repräsentativen Organisation vertreten. Dasselbe gilt für die Arbeitgeberverbände. Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern gibt es in nahezu allen Branchen und Regionen und einige auch auf der Ortsebene. Auf der Ebene der Betriebe (Dienststelle, Organisation) besteht eine gewisse Autonomie gegenüber dem Staat. Eine Besonderheit ist, daß nur Gewerkschaftsorganisationen Parteien beim kollektiven Tarifvertrag sein können; es spielt keine Rolle, ob sie repräsentativ sind oder nicht. Wenn zwei Gewerkschaftsorganisationen in einem Betrieb zu keinem Abkommen für ein gemeinsames Projekt kommen, so bestimmt die Versammlung aller Arbeitnehmer, welches Projekt als Vorschlag dem Arbeitgeber vorgelegt werden soll. Praktisch sind solche Prozeduren jedoch Ausnahmen. In der Regel existieren die Kollektivtarifverträge seit der Periode 1991-1992 und werden jährlich mit Ergänzungen umgesetzt. Die Kollektivverhandlungen geschehen im Rahmen des Arbeitsgesetzes. Neue Verhandlungen für neue Kollektivverträge sind selten. Der Staat hat dabei einen starken Einfluß und mischt sich durch sog. Normative Akte in die Tarifverhandlungen ein. In diesen Anordnungen wird die Verwaltung der staatlichen Handelsvereine und der Staatsinstitutionen reguliert. Es wird zum Beispiel der Mechanismus zur Bildung des Arbeitslohnes reglementiert, und damit Grenzen bei der Vereinbarung der Löhne zwischen dem Arbeitgeber und den Gewerkschaften gesetzt. Der Staat erläßt außerdem spezielle Verordnungen, die im Vertrag der Verwaltung der staatlichen Handelsvereine eingeschlossen sind. Darin verpflichtet sich der Arbeitgeber über das Maß der Verordnungen der staatlichen Organe nicht hinauszugehen. Die Autonomie der Kollektivverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern im staatlichen Sektor ist daher sehr begrenzt - sie können sich praktisch nur in dem von den staatlichen Organen bestimmten Rahmen bewegen. Im privaten Sektor werden diese Vereinbarungen kaum beachtet. Ein großes Problem ist die Tatsache, daß die Arbeitgeber des privaten Sektors auf nationaler Ebene Verhandlungen über Vereinbarungen ablehnen. Noch schlimmer ist es, daß die Vereinbarungen kaum auf ihre Umsetzung überprüft werden. Die Vertragsbrüche seitens der Arbeitgeber sowie seitens der Gewerkschaften werden gerichtlich entschieden; womit die Vertragsautonomie ebenfalls stark eingeschränkt ist.
Die Integration in die internationale Gewerkschaftsorganisation
Der KNSB und der Podkrepa sind Mitglied der wichtigsten internationalen Gewerkschaftsorganisationen, dem EGB und dem IBFG. Die meisten Föderationen in beiden Dachverbänden sind Mitglied in den entsprechenden internationalen Berufssekretariaten, wie folgende Tabelle erkennen läßt: Die folgenden Föderationen der KNSB sind Mitglied verschiedener internationalen Gewerkschaftsorganisationen:
Die folgenden Branchenstrukturen der KT Podkrepa sind Mitglied der entsprechenden internationalen Branchenorganisationen:
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