|
|
Teildokument zu: Ethnisierung der Politik in Bosnien-Herzegowina
Bruchlinien in der moslemisch-kroatischen
Föderation
Die moslemisch-kroatische Föderation wurde immer als institutionelles
Schlüsselarrangement für die Zukunft von Bosnien-Herzegowina
insgesamt betrachtet. Sie ist aber noch immer sehr fragil, weil beide Seiten
verschiedene Föderations-Konzeptionen vertreten. Die Hauptunterschiede
kann man in folgenden Punkten erkennen:
- Die moslemische Seite sieht in der Föderation ein mächtiges
institutionelles Mittel für eine mögliche "Föderalisierung
der Konföderation", d.h. für eine de facto Eingliederung
der "Serbischen Republik" in die Föderation, wie sie durch
den Pariser Friedensvertrag zwischen der Serbische Republik und der moslemisch-kroatischen
Föderation festgeschrieben wurde.
- Die kroatische Seite sieht dagegen die künftige politische Entwicklung
als "Konföderalisierung der Föderation", d.h.
als weitere institutionelle Verselbstständigung kroatischer Föderationseinheiten
und letztendlich die Konstituierung Bosnien-Herzegowinas als konföderativen
Staat. Diese Stellungnahme der kroatischen Seite wurde besonders durch
die Tatsache verstärkt, daß im Pariser Friedensvertrag keine
Konföderation zwischen der Republik Kroatien und der moslemisch-kroatischen
Föderation vorgesehen wurde, wie es im Washingtoner Abkommen präzisiert
worden war. Eine mögliche Konföderation mit Kroatien selbst,
war die politische Vorbedingung, die die Kroaten in Bosnien-Herzegowina
als für ihre Zustimmung zur Föderation mit den Moslems stellten,
weil sie dies als Garantie für ihre Gleichberechtigung mit der moslemischen
ethnischen Mehrheit ansehen.
- Die moslemische Seite will die Föderation als Form eines dezentralisierten
Staates, mit ethnisch gemischten "Kantonen", organisieren. Die
kroatische Seite dagegen will die Föderation als echten Bundesstaat,
mit den klaren ethnischen (kroatischen und moslemischen) Einheiten. Diese
ethnische Autonomie müßte auch auf lokaler Ebene gesichert
sein. Als Paradigma dient Mostar, mit seinen kroatischen West- und moslemischen
Ostgemeinden.
- Die moslemische Seite will eine möglichst starke wirtschaftliche
und politische Zentralisierung und nur eine relativ breite Kulturautonomie
der Föderationseinheiten. Die kroatische Seite strebt nach einer
maximalen Dezentralisierung aller wirtschaftlichen, politischen
und kulturellen Funktionen und nach der Konstitutierung echter ethnischer
Staaten innerhalb Bosnien-Herzegowinas überhaupt.
Diese grob skizzierten verschiedenen politischen Konzeptionen bedrohen
den Prozesse der Institutionalisierung und des Funktionierens der Föderation.
Diese Ausgabe der Politikinformation
Osteuropa stützt sich auf ein Papier von Mirjana Kasapovic, Zagreb
...to the top...
© Friedrich Ebert Stiftung
| technical support | net edition
fes-library | März 1998
|