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Teildokument zu: Ethnisierung der Politik in Bosnien-Herzegowina

Die Ethnisierung der politischen Institutionen im Bürgerkrieg (1992-1995)


In der Kriegsphase (1992-1995) wurde das Land durch die Kriegsoperationen und die parallel laufenden politischen Aktionen und Maßnahmen zunächst in zwei, später in drei Teile geteilt. Die Auflösung der zentralen politischen Institutionen begann mit der Proklamierung des sezessionistischen serbischen "Staates" im gesamten Gebiet unter der Kontrolle serbischer Militärkräfte. Schon im Jahre 1991 verließen die serbischen Abgeordneten das zentrale Parlament, die Regierung, das Präsidium der Republik, bildeten eigene "Staatsinstitutionen" und proklamierten eine eigene Verfassung. Auf der Grundlage der "verfassungsrechtlich" verankerten Volksabstimmung proklamierte die serbische Versammlung in Pale bei Sarajewo Anfang 1992 die "Serbische Republik Bosnien-Herzegowina" - später nur "Serbische Republik" (Republika Srpska). Durch solche Referenden lehnten die Serben später auch alle Friedenspläne der internationalen Gemeinschaft ab.

Nach dem Ausbruch moslemisch-kroatischer militärischer Konflikte am Anfang des Jahres 1993 verließen auch die kroatischen Vertreter alle zentralen Staatsinstitutionen in Sarajewo. Im Gebiet unter der Kontrolle kroatischer Militärkräfte (HVO) wurde die "Kroatische Republik Herceg-Bosna" proklamiert und institutionalisiert. Ihre Hauptstadt wurde das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Herzegowinas Mostar.

Im Parlament in Sarajewo verblieben so fast ausschließlich die moslemischen Abgeordneten. In einigen Staatsinstitutionen wurden später die politischen Vertreter der Serben und der Kroaten kooptiert (z.B. im Präsidium der Republik). Diese Institutionen funktionierten aber tatsächlich als moslemische politische Organe und wurden durch die Partei der Demokratischen Aktion (SDA) gänzlich dominiert.

Nach dem Ende der moslemisch-kroatischen Militärkonflikte und auf Grundlage der Washingtoner Vereinbarung vom März 1994 wurde die moslemisch-kroatische Föderation proklamiert, welche nach den Plänen der sog. Kontaktgruppe von fünf Ländern 51% des Staatsgebiets umfassen sollte. Die moslemischen und kroatischen Abgeordneten, die in den republikweiten Wahlen von 1990 in beiden Parlamentskammern gewählt wurden, bildeten die Versammlung der neu entstandenen Föderation. Sie hat die Regierung, den Präsidenten und den Vizepräsidenten gewählt. Die Versammlung proklamierte auch die Verfassung der Föderation. So entstand die grundlegende institutionelle Struktur des neuen Bundesstaates. Aber die Föderation wurde bisher noch nicht wirklich ins Leben gerufen.

In der Kriegsphase entstanden so in den Grenzen von Bosnien-Herzegowina zahlreiche - legitime und illegitime -institutionelle Arrangements: vier Versammlungen, vier Regierungen mit Ministerien, vier Präsidenten und viele andere Institutionen, d.h. faktisch drei bzw. vier "Staaten", welche durch drei ethnische Militär- und Polizeikräfte unterstützt wurden. In einem solchen institutionellen Chaos ging das Land in die Nachkriegsphase nach dem Pariser Friedensvertrag im Dezember l995 hinein.

Diese Ausgabe der Politikinformation Osteuropa stützt sich auf ein Papier von Mirjana Kasapovic, Zagreb

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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