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Dieter Schulte
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Grußwort


Der 50. Todestag von Hans Böckler ist für mich Anlass, an einen Mann zu erinnern, der mit Leib und Seele Gewerkschafter war. Für mich verbindet sich mit dem ersten DGB-Vorsitzenden nach dem Zweiten Weltkrieg die Verwirklichung zweier großer gewerkschaftlicher Ziele: die Schaffung der Einheitsgewerkschaft und die Mitbestimmung.

Hans Böckler musste als Gewerkschaftssekretär des ADGB und als Reichstagsabgeordneter miterleben, dass die in Richtungsgewerkschaften gespaltene deutsche Arbeiterbewegung die Zerschlagung der ersten deutschen Demokratie durch die Nationalsozialisten nicht verhindern konnte. Nach Jahren der Verfolgung durch die Gestapo und dem Ende der Nazi-Diktatur setzte er daher alle seine Kraft dafür ein, die Idee der Einheitsgewerkschaft zu verwirklichen. Als DGB-Vorsitzender der britischen Zone, später als Vorsitzender des Gewerkschaftsrates der britischen und amerikanischen Zone hat er dieses Ziel beharrlich und mit viel Überzeugungskraft verfolgt und wurde schließlich auf dem Gründungskongress 1949 zum 1. Vorsitzenden gewählt. Mit der Schaffung der Einheitsgewerkschaft wurde der Grundstein gelegt für eine erfolgreiche gewerkschaftliche Interessenvertretung in den letzten fünfzig Jahren. Und mehr noch, die Einheitsgewerkschaft hat entscheidend den Aufbau unseres demokratischen Sozialstaates und die Wahrung des sozialen Friedens in unserer Gesellschaft mitgestaltet.

Neben der Gründung der Einheitsgewerkschaft war für Hans Böckler die Umsetzung einer alten gewerkschaftlichen Forderung eine besondere Herzensangelegenheit – die wirtschaftliche Mitsprache von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es ist seinem Geschick in Verhandlungen mit dem Bundeskanzler Konrad Adenauer, den er schon aus seiner Zeit als Kölner Stadtverordneter kannte, und der Überzeugungskraft von Hans Böckler zu verdanken, dass die Mit-

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bestimmung in den damaligen Kernindustrien Bergbau und Stahl verwirklicht werden konnte. Das Inkrafttreten des Montanmitbestimmungsgesetzes im Jahre 1951 konnte Hans Böckler jedoch nicht mehr miterleben.

Die Mitbestimmung hat sich bis heute bewährt. Und es ist nicht übertrieben, sondern realistisch, wenn ich sage: Sie war und ist der Garant für den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist die Grundlage für eine gelebte Sozialpartnerschaft, die trotz aller Konflikte zu für alle Beteiligten vertretbaren Kompromissen führte. Durch sie war es möglich, den Strukturwandel gerade im Montanbereich sozialverträglich zu gestalten und Strukturbrüche ganzer Wirtschaftsregionen zu verhindern.

Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Mitbestimmung sollte in der gegenwärtigen Diskussion über die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vergessen werden. Mitbestimmung ist für Gewerkschaften ganz im Sinne Hans Böcklers vor allem aber auch gelebte Demokratie. Seine demokratischen Überzeugungen sind für uns daher Vermächtnis und Auftrag zugleich. Sie sind unser Motor, um Mitbestimmung in einer veränderten Arbeitswelt für alle Beschäftigten zu verwirklichen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2001

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