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Hans Mommsen :
Lehren aus der Geschichte der Weimar Republik bei der Demokratiegründung des Parlamentarischen Rates 1948/49


Bei den Verfassungsberatungen im Parlamentarischen Rat stand den Abgeordneten das Schicksal der Weimarer Republik vor Augen, deren Scheitern nicht zuletzt auf grundlegende Mängel der Reichsverfassung zurückgeführt wurde. Zugleich betrachteten sie die nationalsozialistische Machteroberung als schicksalhaftes Menetekel, und daher waren die Verfassungsväter und -mütter bemüht, das neue Staatswesen so diktaturfest wie immer möglich zu machen. Die Doppelerfahrung des Scheiterns von Weimar und der nationalsozialistischen Diktatur schien einer einfachen Rückkehr zur Weimarer Reichsverfassung den Weg zu verlegen, wenngleich die unter dem Einfluß der Besatzungsmacht verabschiedeten Länderverfassungen daran weitgehend anknüpften.

Zugleich wirkte die Vorstellung nach, daß das demokratisch-parlamentarische System, wie es von den Pariser Vorortsverträgen den mitteleuropäischen Staaten aufgeprägt wurde, nicht nur in Deutschland, sondern generell in Kontinentaleuropa gescheitert schien, insbesondere nach der Auflösung des parlamentarischen Systems in Frankreich. Nur in den Beneluxstaaten und den skandinavischen Ländern, die von englischen Verfassungsvorbildern beeinflußt waren, behauptete sich das parlamentarische Prinzip. [Fn 1: Vgl. Hans Mommsen: Die Krise der parlamentarischen Demokratie und die Durchsetzung autoritärer und faschistischer Regime in der Zwischenkriegszeit, in: K.E. Jeismann/R. Riemenschneider (Hrsg.): Geschichte Europas für den Unterricht der Europäer (=Schriftenreihe des Georg-Eckert-Instituts, Bd. 27), Braunschweig 1980, S. 144 ff.] Für diese Lage war bezeichnend, daß der deutsche Widerstand gegen Hitler durchweg nach Alternativen zum parlamentarischen System Ausschau hielt, das auch bei den deutschen Emigranten nur wenig rückhaltlose Verteidiger besaß. [Fn 2: Ders.: Gesellschaftsbild und Verfassungspläne des deutschen Widerstands, in: ders.: Nationalsozialismus und deutsche Gesellschaft. Ausgewählte Aufsätze, Hamburg 1991, S. 292 ff.]

Die tiefgehende antiparlamentarische Einstellung weiter Teile der Funktionseliten in Deutschland schlug sich nicht nur in der im Zuge der Weimarer Jahre verstärkten Tendenz nieder, durch die Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten und die Abkehr von Art. 54 WRV zu semipräsidentiellen Strukturen vorzudringen, die in der Ära der Präsidialkabinette partiell Wirklichkeit wurden. Vielmehr äußerte sie sich noch nach 1945 in der Kritik, daß der Aufstieg Hitlers die direkte oder doch indirekte Folge der angeblichen „Überdemokratisierung" der Weimarer Republik gewesen sei, zugleich ein Ausfluß dessen, was allenthalben unter dem unpräzisen Begriff der „Massendemokratie" gefaßt wurde. [Fn 3.: Vgl. Theodor Heuß: Aufzeichnungen 1945-1947, hrsg. von Eberhard Pikart, Stuttgart 1966, S. 114 sowie Hans Mommsen: Der lange Schatten der untergehenden Republik. Zur Kontinuität politischer Denkhaltungen von der späten Weimarer zur frühen Bundesrepublik, in: Nationalsozialismus und deutsche Gesellschaft, S. 382 f.]

Derartigen Vorstellungen lag die nahezu unausrottbar scheinende Annahme zugrunde, daß Adolf Hitlers Machteroberung letztlich durch demokratischen Wahlen zustande gekommen sei. Bis in unsere Tage hält sich die Meinung, die Republik sei durch den Radikalismus von links und rechts erwürgt worden und die Ernennung Hitlers die unausweichliche Folge eines formalistischen Demokratieverständnisses, das sich dem Prinzip der Mehrheitsherrschaft bedingungslos unterworfen habe. Die Rede von der im Vergleich zu Weimar „streitbaren Demokratie" Bonns übersieht indessen, daß es nach der Stabilisierung des Weimarer Systems von 1920 immer wieder Versuche gegeben hat, die Aushöhlung der republikanischen Ordnung durch erklärte Gegner zu begrenzen, so mittels des Republikschutzgesetzes von 1921. [Fn 4: Vgl. Gotthard Jasper: Justiz und Politik in der Weimarer Republik, in; VfZ 30 (1982), S. 202.] Es sollte sich indessen zeigen, daß die insbesondere von den Ländern vorangetragenen Bestrebungen, eine nationalsozialistische Unterminierung der öffentlichen Verwaltung abzuwehren, von der Reichsregierung konterkariert wurden.

Zwar haben die Verfassungsjuristen in ihrer übergroßen Mehrheit bis heute an der Auffassung festgehalten, daß Hitlers Machteroberung formal legal zustande gekommen sei, als ob die Tatsache, daß im März 1933 das Verhältnis von Regierungsbildung und Wahlen, wie schon Karl Dietrich Bracher mit Recht bemerkt hat, „auf den Kopf gestellt" worden war [Fn 5: Karl Dierich Bracher/Wolfgang Sauer/Gerhard Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34, Köln und Opladen 1960, S. 50.] und daß die vorausgehende Gleichschaltung der preußischen Regierung unter Otto Braun, die übrigens das gesetzestechnische Instrumentarium für die später so entscheidende Reichstagsbrandverordnung bereitstellte, schwerlich als von den Grundsätzen der Verfassung gedeckt erscheinen konnte. Aber wie immer das Urteil über diese Frage lautet, so ist doch unbestreitbar, daß Hitlers Ernennung auf das Drängen der konservativen Kamarilla in der Umgebung des Reichspräsidenten von Hindenburg nicht zuletzt deshalb erfolgte, um eine befürchtete Rückkehr zum parlamentarischen System um jeden Preis zu unterbinden. [Fn 6: Siehe Hans Mommsen: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar, 1918-1933, überarb. Aufl., Berlin 1997, S. 625 f.]

Jedenfalls setzte die Bildung des Kabinetts der nationalen Konzentration am 30. Januar 1933 die faktische Außerkraftsetzung der Grundlagen der Weimarer Reichsverfassung voraus, und das ermöglichte auch, daß sie formell bis zum Mai 1945, wenngleich in völlig ausgehöhlter Form, in Kraft blieb, schon weil Hitler vor dem als „revolutionär" betrachteten Akt, eine neue Verfassung des Großdeutschen Reiches zu erlassen, wie Wilhelm Frick 1935 vorschlug, zurückscheute. [Fn 7: Siehe den weiter unten abgedruckten Exkurs sowie Günter Neliba: Wilhelm Frick. Der Legalist des Unrechtsstaates. Eine politische Biographie, Paderborn 1992, S. 155f.] Insofern gingen die Verfassungsväter von 1948 von irrigen Vorstellungen aus, als sie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Etablierung der NS-Diktatur und den strukturellen Defizienzen des Weimarer politischen Systems und namentlich der Reichsverfassung annahmen.

Einigkeit bestand begreiflicherweise darin, den plebiszitär gewählten Reichspräsidenten, der als „Ersatzkaiser" fungierte, zu beseitigen und in dieser Hinsicht an den westlichen Typus des parlamentarischen Systems anzuknüpfen. Allerdings wird man die Ernennung Hitlers nicht einfach dem greisen Hindenburg anlasten, der diesen Schritt erst tat, als ihm Franz von Papen bewußt fälschlich vorspiegelte, das neue Kabinett werde durch den alsbaldigen Hinzutritt der Zentrumspartei zu einem parlamentarischen Mehrheitskabinett werden. Hindenburg, der die drohende Ministeranklage gegen das vorbismarckische preußische Kabinett vor Augen hatte, ließ sich dazu um so leichter überreden, als die sich häufenden Einwände gegen die Ausweitung des Notverordnungsrechtes nach Art. 48 WRV nicht ohne Auswirkung blieben und er an der Fortsetzung des präsidialen Regierungskurses in der bisherigen Form zu zweifeln begann. [Fn 8: Mommsen, Aufstieg und Untergang, S. 657 f.]

Andererseits ist die unzweifelhaft fatale Auswirkung des Art. 48, die nicht zuletzt darin lag, die Parteien der letzten Verantwortlichkeit für das Gemeinwesen zu entheben, nicht zuletzt auf Hindenburgs beharrliche Weigerung zurückzuführen, dem 1926 im Reichsministerium des Innern vorliegenden Entwurf einer Durchführungsverordnung sein Placet zu geben, abgesehen von dem schon unter Ebert eingerissenen Mißbrauch des Notstandsartikels zur Erledigung laufender Gesetzgebungsaufgaben. [Fn 9: Gerhard Schulz: Zwischen Demokratie und Diktatur. Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik, Bd. I, Berlin 1963, S. 470 ff.] Desgleichen war Hindenburgs für das Ende der Republik fatale Einstellung, in Reminiszenz an die kaiserliche Kommandogewalt das Recht der Ernennung des Reichskriegsministers an sich zu ziehen, keineswegs von der Verfassung gedeckt.

Gleichwohl war die Schlußfolgerung des Parlamentarischen Rates vollauf berechtigt, dem Bundespräsidenten die bisherigen Prärogativen zu entziehen, die seinem Vorgänger ermöglichten, in die laufende Politik einzugreifen und insbesondere wichtige Personalentscheidungen vorzunehmen. Die gleichzeitig im Grundgesetz vollzogene Stärkung der Stellung des Bundeskanzlers stellte eine natürliche Konsequenz daraus dar. Die Hervorhebung der Richtlinienkompetenz und die Verhinderung, einzelne Minister durch Mißtrauensvoten aus dem Kabinett „hinauszuschießen", zielten auf die Stärkung des Kanzlers. Der Weg zur Kanzlerdemokratie, der dadurch eröffnet wurde, war freilich damit nicht wirklich beabsichtigt.

Das galt insbesondere für das konstruktive Mißtrauensvotum, das insofern spätweimarer Verhältnissen abgelesen war, als der taktische Schritt des preußischen Dreimännerkollegiums, durch die Änderung der Geschäftsordnung die Regierungsbildung auch im dritten Wahlgang an eine absolute Mehrheit zu binden, dafür Pate gestanden hatte. [Fn 10: Vgl. Hagen Schulze: Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung. Eine Biographie, Frankfurt 1977, S. 726 ff,] In Preußen verhinderte dies eine Ministerpräsidentschaft Görings, die vielleicht die spätere Entwicklung auf Reichsebene unmöglich gemacht hätte. In jedem Fall war das geschäftsführende Kabinett ohne ausreichende Mehrheit handlungsunfähig und eine leichte Beute des Herrenreiters von Papen.

Die tatsächliche Bedeutung des konstruktiven Mißtrauensvotums als entscheidende Konsequenz aus der chronischen Koalitionskrise von Weimar ist freilich häufig überbewertet worden, so nützlich diese institutionelle Bremse für den Sturz amtierender Regierungen immer sein mag. Denn der darin liegende Zwang zur Mehrheitsbildung kann bestehende Interessenkonflikte nicht dauernd überwölben und fehlende Mehrheiten nicht ersetzen. Überdies hatte gerade Heinrich Brüning mit einschränkenden Gesetzen, die teilweise in der parlamentarischen Praxis der Bundesrepublik eine Fortsetzung fanden, in ähnlicher Richtung operiert und dadurch den Handlungsspielraum des Parlaments effektiv verringert.

Wie sehr die Furcht vor destruktiven Mehrheitsbildungen auch 1948 nachwirkte, geht aus den vielfältigen Bemühungen in und außerhalb des Parlamentarischen Rates wie schon in Herrenchiemsee hervor, den Bundesrat zur Legalitätsreserve auszubauen und dem Bundestag die volle Souveränität zu verweigern. So forderte Erich Köhler, der Führer der hessischen CDU, einen „Schutz vor dem Machtrausch der politischen Parteien" [Fn 11: Adolf Süsterhenn: Ein- oder Zweikammersystem?, in: Rheinischer Merkur vom 8. und 15. Oktober 1946.] , und für die CSU erklärte Adolf Süsterhenn, daß „Parlamentsdiktaturen einen nicht geringeren Gewissenszwang als Einmann-Diktaturen ausüben" könnten. Der von Adolf Menzel vertretene sozialdemokratische Verfassungsentwurf wurde von der Rechten als „eine im Prinzip schrankenlose Tyrannis" hingestellt, in der an die Stelle Hitlers lediglich die Mehrheit getreten sei. Daß die die Umwandlung des Bundesrates in eine echte zweite Kammer nur begrenzt erfolgte, der berühmte Ehard-Menzel-Kompromiß die von weiterblickenden Verfassungsschöpfern angestrebte Senatslösung verhinderte, ist auch jüngst, so von Wilhelm Hennis, öffentlich beklagt worden. Die in den Jahren vor 1948 in den Westzonen geführte lebhafte publizistische Debatte über verfassungspolitische Alternativen spiegelte die antiparlamentarischen Ressentiments und die Furcht vor einem Rückfall in Weimarer Verhältnisse. Selbst Konrad Adenauer verstieg sich mitunter zur Kritik am „Parlamentsabsolutismus" und bemerkte, daß es auch „eine Diktatur der parlamentarischen Mehrheit" geben könne. [Fn 12: Siehe Karl Heinz Niklauss: Demokratiegründung in Westdeutschland. Die Entstehung der Bundesrepublik von 1945-1949, München 1974, S. 71 und 78 f.]

Analog dazu wandte sich eine starke Strömung sowohl im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee als auch im Parlamentarischen Rat gegen den Einbau plebiszitärer Elemente in die künftige Verfassung. Dabei konnten sich unterschiedliche politische Lager zusammenfinden. Die SPD und die Anhänger eines reinen Parlamentarismus hatten die verhängnisvollen Wirkungen der Volkswahl des Reichspräsidenten und des Volksbegehrens gegen den Young-Plan vor Augen. Demgegenüber entsprang die Ablehnung plebiszitärer Formen im bürgerlichen Lager einer weit verbreiteten Skepsis gegen jede Variante der unmittelbaren Demokratie, die nicht durch gestufte Delegation und indirekte Wahlen gezähmt war.

Tatsächlich ist die Bedeutung des plebiszitären Elements in der Weimarer Entwicklung überschätzt worden, zumal in keinem Falle ein Volksbegehren zum Erfolg führte, darunter auch das eher prorepublikanische Plebiszit zur Fürstenenteignung, das nur durch das Versagen des Parlaments überhaupt zustande kommen konnte. Auch die Volkswahl des Reichspräsidenten kann nicht als durchweg abträglich betrachtet werden, vielmehr war gerade der Verzicht darauf, sie bei der Betrauung Friedrich Eberts mit dem Präsidentenamt anzuwenden, ein schwerwiegender politischer Fehler.

Die zweifellos wichtigste Konsequenz des Parlamentarischen Rates aus den Erfahrungen der Dauerkrise von Weimar stellte die Akzeptanz der politischen Parteien als unerläßlicher Instrumente der Willens- und Mehrheitsbildung dar. Allerdings geschah dies nicht ohne Widerstände, und Robert Lehr äußerte, daß „die künftige gesamtdeutsche Verfassung" das Übergewicht der politischen Parteien wieder beseitigen müsse, das auch von führenden Repräsentanten der CDU, darunter von Theodor Steltzer, erbittert bekämpft wurde. [Fn 13: Ebenda, S. 89; Wolfgang Benz (Hrsg.): Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen. Zur Geschichte des Grundgesetzes. Entwürfe und Diskussionen 1941-1949, München 1979, S. 194 f.]

Es gehört zum Kairos der Verfassungsgebung der Bundesrepublik, daß dieser offene Antiparteienaffekt durch eine "reine Parteimännerversammlung", so Wilhelm Hennis [Fn 14: Wilhelm Hennis: Die Rolle des Parlaments und der Parteiendemokratie, in: Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Stuttgart 1974, S. 212.] , eingedämmt, wenngleich nicht völlig beseitigt werden konnte. In der Tat kamen die politischen Parteien als Spätgeborene der westdeutschen Nachkriegspolitik endlich zum Zuge und erhielten gegenüber Regierungsvertretern und Sachverständigen, die im Verfassungskonvent und in den informellen Beratungsgremien zur Erarbeitung des Grundgesetzes mitgewirkt haben, das entscheidende Gewicht. Die verfassungsmäßige Anerkennung der Mitwirkung der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung stellte einen entscheidenden Fortschritt gegenüber der Weimarer Reichsverfassung dar, in der die Parteien nur als negative Faktoren auftauchten.

Flankierend dazu suchte man durch die Einführung der Fünfprozentklausel der im Blick auf Weimar befürchteten Parteienzersplitterung zu begegnen. In gewissem Umfang hat sich dies als zweckmäßig erwiesen, jedoch sollte nicht übersehen werden, daß die Existenz von Splitterparteien nicht das eigentliche Problem der in Weimar erschwerten Koalitionsbildung darstellte, zumal deren Anteil niemals über 15 Prozent hinausging und damit in einer mit der Bundesrepublik durchaus vergleichbaren Größenordnung lag. Überdies hätte ein solches Wahlrecht nach dem September 1930 vor allem die DDP, die DVP und überhaupt die eine Neuformierung des funktionsschwachen Parteiensystems anstrebenden Kräfte getroffen.

Entscheidend war vielmehr die ungezügelte Macht der Interessenverbände, die es, zusammen mit den rechts stehenden Funktionseliten, immer weniger möglich machten, den Graben zwischen der demokratischen Linken und der bürgerlichen Mitte zu überbrücken. Die Konsequenz, durch die heute geläufige öffentliche Finanzierung der politischen Parteien deren Unabhängigkeit gegenüber partikularen Interessen einzudämmen, war schon von Gustav Stresemann erwogen worden, angesichts der Weimarer Bedingungen jedoch utopisch. [Fn 15: Mommsen, Aufstieg und Untergang, S. 245.] Daß sich aus dieser Konsequenz gegenüber der Mediatisierung der Weimarer Parteien durch die Verbände heute eine hypertrophe Privilegierung herausgemendelt hat, ist eine jener typischen Überkompensationen der Weimarer Erfahrungen, die zur besorgniserregenden Aushebelung der Repräsentativverfassung zu führen drohen.

Analog zu einer derartigen hypertrophen Reaktion auf Strukturmängel des politischen Systems von Weimar ist der in den ursprünglichen Verfassungsberatungen nicht vorhergesehene Ausbau des Bundeskanzleramtes zu einer mit den Ressorts konkurrierenden Behörde, die mit rund fünfhundert Beamten, darunter mindestens 120 des höheren Dienstes, und seit den späten 60er Jahren mit Parlamentarischen Staatssekretären mit der Bezeichnung von Staatsministern tätig ist. Die damit erfolgte bürokratische Zementierung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und deren Ausdehnung auf die konkurrierende Wahrnehmung politischer Aufgaben auf Kosten der Zuständigkeit der Ressorts haben einen Vorläufer nur in der Aufwertung der Reichskanzlei zum maßgeblichen Steuerungsinstrument, die unter den Präsidialkabinetten einsetzte und seit 1934 rasche Fortschritte machte. Die Rangerhöhung des ursprünglich kollegialen Staatssekretärs der Reichskanzlei in den Ministerrang brachte das zum Ausdruck. [Fn 16: Dieter Rebentisch: Reichskanzlei zwischen Politik und Verwaltung, in: Dieter Rebentisch/Karl Teppe (Hrsg.): Verwaltung contra Menschenführung im Staat Hitlers, Göttingen 1986, S. 65-99 sowie Siegfried Schöne: Von der Reichskanzlei zum Bundeskanzleramt, Berlin 1968.] Die Parallelen in der Bundesrepublik liegen offen zutage, und sie haben mit der Bildung des Kabinetts Schröder nicht an Virulenz verloren.

Zwei Faktoren müssen jedoch, wenn die historischen Vorbedingungen der Verfassungsgebung des Parlamentarischen Rates in den Blick genommen werden, besondere Erwähnung finden. Der eine ist der Grundsatz der Grundrechtsdrittwirkung und die herausragende Stellung des Bundesverfassungsgerichts als neben Regierung und Parlament drittem Staatsorgan. Es hat, trotz der Einrichtung des Staatsgerichtshofes, keine Parallele in Weimar, obwohl dieses die Einwirkung der Obergerichte in den politischen Entscheidungsprozeß durchaus kannte, die sich nachteilig für die parlamentarische Willensbildung auswirkte. Zweifellos liegt mit der Ausübung der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht eine zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes noch nicht voll ausgebildete Abweichung vom westlichen Parlamentarismus-Typus vor, welche die Gefahr einer fortschreitenden Aushöhlung der Souveränität des Parlaments und dessen schleichender Delegitimierung einschließt.

Die andere Veränderung betrifft das sich erst in den ersten beiden Kabinetten Konrad Adenauers herausbildende gewandelte Demokratieverständnis, welches das englische Vorbild aufnimmt und von einem Ringen zwischen Regierungsparteien und Opposition ausgeht. Den Parteien fällt damit die Rolle der Mehrheitsbeschaffung für die Kanzlerbestellung zu, die an die Stelle der noch 1949 vorherrschenden Funktion einer anteiligen Repräsentation gesellschaftlicher Interessen getreten ist und damit die Bildung großer Volksparteien erst ermöglichte. Die ältere Einstellung spiegelte sich an dem bis in die 50er Jahre hinein auf Länderebene beibehaltenen System der Allparteienregierung, aus dem allerdings rasch die KPD hinausfiel. [Fn 17: Vgl. Gerhard Lehmbruch: Parteienwettbewerb im Bundesrat, Stuttgart 1976, S. 29 f. sowie Dolf Sternberger: Lebende Verfassung. Studien über Koalition und Opposition, Meisenheim 1956.] Adenauers Entschluß, ein Koalitionskabinett mit einer ursprünglich denkbar schwachen Mehrheit zu bilden, und Kurt Schumachers Entscheidung, in die Opposition zu gehen, haben diesen grundlegenden Wandel im Demokratie- und Parlamentarismusparadigma möglich gemacht und damit in einem entscheidenden Punkt die Abwendung vom Weimarer System.

Die Entwicklung, welche die Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten genommen hat, nähert sich der Lage der Weimarer Republik während der Bürgerblockkabinette, abgesehen von dem grundlegend verschiedenen Tatbestand, daß die jetzigen Mehrheitsregierungen stabil sind und auf einem breiten Konsens der Verteidigung der demokratischen Verfassungsordnung beruhen. Denn die um sich greifende „Parteienverdrossenheit", die nicht mit politischem Desinteresse gleichzusetzen ist, deutet an, daß sich der politische Betrieb tendenziell von den Interessen der Wählerschaft ablöst und die Verbindung zu der Bevölkerung zu verlieren droht, wenngleich der Regierungswechsel zur rot-grünen Koalition einen Ansatzpunkt geschaffen hat, dies zu verändern.

Zugleich ist unverkennbar, daß sich eine voranschreitende administrative Versäulung, die auch die Länder umfaßt, vollzieht, welche die parlamentarischen Kontrollrechte auszuhöhlen oder - wie im Fall der Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern - zu umgehen droht. Desgleichen greift die Finanzpolitik vielfach zu Remedien, die ursprünglich in der Ära Brüning unter dem Druck der Wirtschaftskrise und der übersteigerten Deflationspolitik entwickelt worden sind und die Budgethoheit der Parlamente tangieren. Es ist wenig angebracht, sich selbstgerecht mit der Formulierung F.R. von Allemans zu schmücken, daß Bonn nicht Weimar sei. [Fn 18: F.R. Alleman: Bonn ist nicht Weimar, Köln 1956.] In mancher Hinsicht steht das gegenwärtige politische System im Vergleich zur späten Weimarer Republik vor ähnlichen Herausforderungen, und es ist zu hoffen, daß sie nicht zu einem vergleichbaren Vertrauensverlust bei der Wählerschaft führen, wie dies vor allem nach 1930 geschehen ist. Insbesondere muß der Fehler Weimars vermieden werden, daß sich die Regierung in die Tarifpolitik einmischt und damit den geballten Druck der Interessenten von links und rechts auf sich zieht [Fn 19: Vgl. Rainer Lepsius: Die Prägung der politischen Kultur der Bundesrepublik durch institutionelle Ordnungen, in: ders.: Interessen, Ideen, Institutionen, Opladen 1990, S. 71 ff. ] , wie das in der Ära Brüning der Fall war, in der die Kohletarife am Kabinettstisch entschieden wurden. [Fn 20: Siehe Hans Mommsen: Das Dilemma Tarifpolitik. Die Politisierung der industriellen Arbeitsbeziehungen in der Weimarer Republik, in: Karsten Rudolph/Christl Wickert (Hrsg.): Geschichte als Möglichkeit. Über die Chancen von Demokratie. Festschrift für Helga Grebing, Essen 1995, S. 211-223.]

Was die Lehren aus der nationalsozialistischen Diktatur angeht, so steht in erster Linie die Erfahrung im Vordergrund, daß alles darauf ankommt, einer schleichenden Aushöhlung der öffentlichen Institutionen zu begegnen und die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sicherzustellen, dies allerdings mit der Maßgabe, dafür Sorge zu tragen, daß Richter und Staatsanwälte auf der Grundlage der demokratischen Verfassung stehen. Die Bereitwilligkeit, mit der sich die Funktions-
eliten in den Dienst des NS-Regimes auch dort gestellt haben, wo der rechtsdurchbrechende und inhumane Charakter der angestrebten Zielsetzungen klar erkennbar war, ist auch mit dem nachwirkenden Legalitätskult in Deutschland zu erklären. Dieser schlägt sich auch darin nieder, daß es eine Tradition des Widerstandsrechts unter dem Einfluß des lutherischen Landeskirchentums und der idealistischen Philosophie - im Unterschied zu Westeuropa - nicht gegeben und sich die vorbehaltlose Anerkennung des Widerstands gegen Hitler im Nachkriegsdeutschland erst zögernd durchgesetzt hat. [Fn 21: Vgl. ders.: Widerstandsrecht und totalitäre Diktatur, in: Franz-Josef Hutter/Carsten Tessmer (Hrsg.): Die Menschenrechte in Deutschland, München 1997, S. 135 ff.]

Versucht man abschließend, zu einem Fazit zu gelangen, inwieweit aus der Erfahrung der Weimarer Republik und des Dritten Reiches Lehren gezogen worden sind und wie sie in die Verfassungsform und -wirklichkeit Eingang gefunden haben, ergibt sich eine ambivalente Aussage. Die unmittelbaren Folgerungen, die aus der angeblichen oder tatsächlichen Funktionsschwäche der Weimarer Reichsverfassung im Parlamentarischen Rat gezogen worden sind, haben sich teilweise als positive Errungenschaft erwiesen, teilweise aber auch als mit unzutreffenden historischen Argumenten abgestützte Verfassungsaussagen, die eine mehr oder minder deutliche Verwandtschaft zu den Ideen des „deutschen Weges" und des Weimarer Anti-Parlamentarismus verraten. Die Kritik am Plebiszit gehört dazu ebenso wie die völlige Überschätzung der Auswirkungen des Verhältniswahlrechts von Weimar, obwohl die gefundenen Alternativen sich unbestreitbar bewährt haben. Andere verfassungspolitische Korrektive, die in das Grundgesetz im Hinblick auf Weimar Eingang fanden, sind schwerlich geeignet, dem Druck instabiler Mehrheiten standzuhalten, der für die erste deutsche Republik notorisch war.

Die wichtigste Lehre, welche die Verfassungsväter, mit der Festlegung der Unabänderlichkeit der Grundrechte, und das deutsche Volk im ganzen aus dem Scheitern der Weimarer Reichsverfassung, ihrer Aushöhlung und Ausbeutung durch Adolf Hitler und die NSDAP gezogen haben, liegt in der Anerkennung der Unentbehrlichkeit einer Verfassungsordnung, welche die Freiheitsrechte des Einzelnen gegenüber politischer Manipulation schützt, die Partizipation der Bürger sicherstellt und eine Verselbständigung der Staatsmacht verhindert. Gerade die Erfahrungen im Übergang vom parlamentarischen zum semi-präsidentiellen System in Weimar in den Jahren 1930 bis 1933, damit der schrittweisen Unterminierung des Repräsentationsprinzips und der Ausbildung autoritärer Strukturen, sind eine stets aktuelle Herausforderung an die Bundesrepublik Deutschland, das demokratische System mit innerem Leben zu erfüllen und gegenüber dem Bürger glaubwürdig zu halten.

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Exkurs: Art. 48
Verfassungspolitische Voraussetzungen für den Übergang vom parlamentarischen Regierungssystem zur Präsidialdiktatur in der Weimarer Republik


Der Weimarer Reichsverfassung ist allzu oft unterstellt worden, daß sie die Mittel zu ihrer verfassungspolitischen Aushebelung selbst bereitgestellt habe. Dies betraf in erster Linie die Stellung des Reichspräsidenten und dessen Vollmachten im Fall des Ausnahmezustands, in zweiter Linie die angebliche Wertneutralität der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und des ihr zugrundeliegenden Demokratieverständnisses, das eine Abwehr der Gegner der Demokratie nahezu unmöglich gemacht habe. Der letztere Topos bedürfte genauerer Betrachtung, die im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist. Maßnahmen des Demokratieschutzes sind jedoch nicht aus verfassungspolitischen Gründen halbherzig geblieben, sondern waren infolge der Schwäche der Verteidiger der Republik nicht hinreichend durchsetzbar.

Hingegen bildeten die dem Reichspräsidenten in Art. 48 WRV eingeräumten Vollmachten, bei erheblichen „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" unabhängig vom Reichstag tätig zu werden, eine bedenkliche Einbruchstelle für die sich gerade in der Stabilisierungsphase verstärkenden Bestrebungen, das parlamentarische Repräsentativsystem zugunsten einer semi-autoritären Regierungsform zu überwinden. Störungen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden von der Staatsrechtslehre keineswegs nur auf die innere Sicherheit, sondern auch auf wirtschaftliche und finanzielle Krisen bezogen, und Gerhard Anschütz faßte als herrschende Meinung in seinem Verfassungskommentar von 1933 darunter auch „Störungen des Staats-, insbesondere des parlamentarischen Apparates, die ein normales, die Staatsnotwendigkeiten sicherndes Funktionieren der Gesetzgebungs- und Regierungstätigkeit verhindern oder gefährden". [Fn 22: Gerhard Anschütz: Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, 14. Aufl., Berlin 1933.]

Indessen ist die Durchsetzung des präsidentiellen Systems seit dem Frühjahr 1930 schwerlich als kausale Folge der in Art. 48 angelegten verfassungspolitischen Defizite zu betrachten. Nicht die Weimarer Verfassungsordnung als solche, sondern deren schrittweise Verformung durch die antirepublikanischen politischen Kräfte ermöglichte die formal legale Umwandlung des parlamentarischen Regierungssystems in die autoritäre Diktatur, die 1932 weitgehend abgeschlossen war.

Die Maßnahmen nach Art. 48 waren in erster Linie für eine Konstellation konzipiert, in welcher der Reichstag nicht tagte oder nicht handlungsfähig war. Die Notstandsmaßnahmen des Reichspräsidenten bedurften zudem der Gegenzeichnung des Reichskanzlers. Andererseits unterlagen sie nicht dem richterlichen Prüfungsrecht, und der Reichstag konnte auf deren Ausführung keinen Einfluß nehmen. Für die Einräumung dieser präsidentiellen Kompetenzen war die Vorstellung maßgebend, eine der Institution der Monarchie gleichkommende Legalitätsreserve schaffen zu müssen, die das Einleben der Parteien in das neue System erleichtern konnte. Damit war jedoch keineswegs der Weg zur späteren Ausschaltung des Reichstags vorgezeichnet.

Problematischer war der Tatbestand, daß schon unter Reichspräsident Friedrich Ebert die Anwendung des Art. 48 in konkurrierender Gesetzgebung zum Reichstag gang und gäbe wurde, insbesondere in der Phase der Hyperinflation und Stabilisierung, die allerdings ebenfalls die Zuflucht zur Verabschiedung von Ermächtigungsgesetzen kannte. Insgesamt wurde Art. 48 bis Dezember 1924 fast einhundert Mal angewandt, und nur in einem Falle machte der Reichstag von seinem Recht der Aufhebung von Notverordnungen Gebrauch.

Der Rekurs zur Anwendung des präsidentiellen Verordnungsrechts erfolgte überwiegend aus parlamentarischer Bequemlichkeit und vollzog sich parallel zur ordentlichen Gesetzgebung und während der laufenden Legislaturperioden. Das war, wenngleich es sich vielfach um technische Regelungen handelte, mehr als ein Schönheitsfehler und lief auf eine Entwöhnung der parlamentarischen Gesetzgebungsroutine hinaus.

Sehr viel bedeutsamer und eindeutig auf eine Machtverlagerung zugunsten des Büros des Reichspräsidenten gerichtet waren jedoch die Vorgänge, die nach dem Amtsantritt Paul von Hindenburgs zu einer bewußten Erweiterung der Anwendungsbefugnisse von Art. 48 führten. Der im August 1926 dem Reichspräsidenten zugeleitete Referentenentwurf für das in der Verfassung angekündigte Ausführungsgesetz zu Art. 48 Abs. 5 WRV, der eine gewisse Begrenzung der Befugnisse des Präsidenten vornahm, wurde von Hindenburg expressis verbis zurückgewiesen. [Fn 23: Siehe Hans Mommsen: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar, 1918-1933, überarb. Aufl., Berlin 1997, S. 303; Akten der Reichskanzlei. Die Kabinette Marx III und IV, bearb. von G. G. Abramowski, Boppard 1987, Bd. 1.] Schon zuvor hatte die Reichswehrführung jeden Versuch einer Einschränkung der Kompetenzen, insbesondere die Beteiligung der zivilen Behörden im Ausnahmezustand, entschieden verworfen und sich einer Einschränkung ihrer Rechte in der Abwehr innenpolitischer Gegner widersetzt. [Fn 24: Vgl. Heinz Hürten (Hrsg.): Das Krisenjahr 1923. Militär- und Innenpolitik 1922-1924 (=Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 2. Reihe, Bd. 4), Düsseldorf 1980, S.73 ff. sowie Gerhard Schulz: Deutschland am Vorabend der Großen Krise, Berlin 1987, S. 354 f.]

In einem Schreiben an Reichskanzler Marx vom 22. November 1926 [Fn 25: Akten der Reichskanzlei. Die Kabinette Marx III und IV.] machte der Reichspräsident eine Weiterverfolgung des Gesetzentwurfs davon abhängig, daß der Reichstag durch eine umfassende Wahlreform ein neues Gesicht erhalten werde und „eine allgemeine Verfassungsreform, die von vielen Seiten verlangt wird, die Abgrenzung der Rechte des Reichspräsidenten gegenüber dem Reichstage einer grundsätzlichen Änderung unterzogen" haben werde. Darüber hinaus erblickte er im Entwurf ein verfassungsänderndes Gesetz und verlangte für den Fall, daß er sich entschließe, das Gesetz zu unterzeichnen, dessen Verabschiedung durch eine Zweidrittelmehrheit. Eine Weiterverfolgung der Materie war unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Im übrigen interpretierte Hindenburg die Bestimmungen des Art. 48 Abs. 3 Satz 2 dahingehend, daß der Reichstag zwar befugt sei, die Maßnahmen des Reichspräsidenten außer Kraft zu setzen, der Zeitpunkt für deren Aufhebung jedoch „dem pflichtgemäßen Ermessen des Reichspräsidenten" überlassen bleiben müsse. Das war in der Tat eine kaum verhüllte Absichtserklärung, durch die Ausweitung der Befugnisse nach Art. 48 die Reichsverfassung in wesentlichen Teilen zu verändern und die Bestimmung von Art. 54 über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Reichsregierung auszuhöhlen.

Diese Vorgänge, desgleichen die laufenden Diskussionen der Staatsrechtslehre und die relative Popularität der von der DNVP herausgestellten Parole „Mehr Macht dem Reichspräsidenten", beleuchten den Tatbestand, daß politische Faktoren für die Ausweitung von Art. 48 Abs. 3 maßgebend waren. Letztere war entscheidend dadurch vorangetrieben, daß die bürgerliche Rechte mit dem General Paul von Hindenburg 1925 einer Persönlichkeit zur Präsidentschaft verhalf, von der sie, übrigens zu Unrecht, glaubte, daß er als Statthalter bis zur angestrebten Restauration der Hohenzollernmonarchie fungieren könnte.

Tatsächlich hielt sich Hindenburg bis zum Bruch der Großen Koalition im Frühjahr 1930 starr an die Vorschriften der Verfassung, wenngleich er unter Hinweis auf die formelle militärische Kommandogewalt des Präsidenten durchsetzte, daß die Ernennung des Reichswehrministers in seine und nicht in die Zuständigkeit des Parlaments fiel. In seiner Umgebung wurde jedoch seit 1929 mit dem Gedanken gespielt, einen Verfassungswandel unter zeitweiliger Ausschaltung des Reichstags herbeizuführen, wenngleich sich Heinrich Brüning, mit dem General von Schleicher über eine solche Möglichkeit frühzeitig sprach, skeptisch über eine Durchsetzung der Finanzreform mittels des Art. 48 aussprach und diesen erst zu einem späteren Zeitpunkt „für die letzte, größte Reform", damit für die Rückkehr zur Monarchie, zu verwenden beabsichtigte. [Fn 26: Vgl. Heinrich Brüning: Memoiren 1918-1934, Stuttgart 1970, S. 194.]

Angesichts der eskalierenden Finanzkrise, die den Fortbestand des Kabinetts der Großen Koalition zunehmend in Frage stellte, konkretisierten sich sowohl im Umkreis des Reichspräsidenten wie innerhalb der Großindustrie und Großlandwirtschaft die Vorschläge, ein Minderheitskabinett unter Ausschluß der SPD, gestützt auf Art. 48, zu bilden. Der Gedanke einer Wirtschaftsdiktatur fand damals auch innerhalb des liberalen Lagers prominente Befürworter, und auch liberale Staatsrechtslehrer wie Gerhard Anschütz verschlossen sich dem Gedanken einer Stärkung der Reichsregierung gegenüber dem Parlament nicht. [Fn 27: Schulz, Deutschland am Vorabend, S. 267 f. ]

Obwohl Hindenburg schon Anfang Januar 1930 erwogen hatte, Brüning zum Kanzler in einem Kabinett seines Vertrauens zu ernennen, zeigte er sich zunächst bereit, dem Kabinett Hermann Müller den Art. 48 zur Verfügung zu stellen und den oppositionellen Reichstag aufzulösen, ging aber davon ab, als er mit dem massiven Einspruch Groeners und Schleichers konfrontiert wurde, so daß das Kabinett Ende März 1930 über der Frage der Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auseinanderfiel und ohne parlamentarische „Feldschlacht" zurücktrat. Den Hintergrund bildete die nach der Verabschiedung des Young-Plans mögliche Wendung nach rechts unter Ausschaltung der Sozialdemokratie. [Fn 28: Siehe Mommsen, Aufstieg und Untergang, S. 349 ff. ]

Es besteht Klarheit darüber, daß diese tiefgreifende Zäsur in der inneren Entwicklung der Weimarer Republik von der politischen Rechten in der Absicht herbeigeführt wurde, zu einer von der Prärogative des Reichspräsidenten getragenen Regierung unter Ausschluß der SPD zu gelangen. Dabei mischten sich unterschiedliche interessenpolitische Motive der Großlandwirtschaft, der Reichswehr und der Schwerindustrie, die den „Bund zur Erneuerung des Reiches" unterstützte, der zur Vorbereitung eines Verfassungsumbaus ins Leben gerufen worden war. Die langfristige Zielsetzung bestand darin, die Voraussetzungen für einen Übergang zur Restauration der Monarchie und zur Durchsetzung einer autoritären „Staatsführung" zu schaffen.

Aus taktischen Gründen widerstrebte der neue Kanzler Heinrich Brüning einer unmittelbaren Anwendung von Art. 48 und wollte ursprünglich seine Ernennung bis zum Herbst 1930 hinausschieben. In der Sache strebte er ebenfalls einen Verfassungsumbau im Sinne einer Stärkung des Reichspräsidenten und einer Beschränkung des Art. 54 WRV an, die von der bürgerlichen Rechten - so auch im Stahlhelm-Volksbegehren von 1929 - allgemein gefordert wurde. Unzweifelhaft suchte er sowohl den Art. 48 wie die Möglichkeit eines Ermächtigungsgesetzes für eine grundlegende Einschränkung des parlamentarischen Systems und die Durchsetzung dessen an, was er später „autoritäre Demokratie" nannte, wenngleich dahingestellt bleiben muß, wie ernsthaft seine Erwägungen einer monarchischen Restauration mit der Hilfe Hindenburgs gewesen sind. [Fn 29: Vgl. Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen: Zur Beurteilung des „Monar chismus" in der Weimarer Republik, in: Gotthard Jasper (Hrsg.): Tradition und Reform in der deutschen Politik. Gedenkschrift für Waldemar Besson, Berlin 1976, S. 138-186; vgl. Rudolf Morsey: Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zen trumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und „Nationaler Erhebung" 1932/33, Stuttgart und Zürich 1997, S. 109 und 176 ff. ]

Tatsächlich aber sah sich Brüning schon im Sommer 1930 dazu gezwungen, die Deckungsvorlagen zum Haushalt im Wege des Art. 48 durchzubringen, sie nach der verfassungsmäßig möglichen Ablehnung durch die Reichstagsmehrheit in wenig veränderter Form erneut in Form von Notverordnungen zu verabschieden und gleichzeitig den Reichstag aufzulösen. Mit der Kombination von Art. 48 und Art. 25 - dem Auflösungsrecht des Präsidenten - war der Rubikon zum Präsidialsystem überschritten. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens war äußerst umstritten, doch gab es schließlich keinen Weg zurück, da das katastrophale Ergebnis der nunmehr notwendig gewordenen Septemberwahlen, die die NSDAP auf 107 Mandate hinaufschnellen ließen, jede parlamentarische Mehrheitsbildung blockierte und die SPD zur Tolerierung des Kabinetts Brüning im Sinne des kleineren Übels nötigte.

Obwohl die konkurrierende Verordnungsgesetzgebung mittels Art. 48 WRV nach herrschender Auffassung auf bestimmte Materien beschränkt war und eine langfristige Festlegung des Gesetzgebers nicht vornehmen konnte, kam es in der Folge zu einer umfassenden Ausweitung des Anwendungsbereiches, so daß schließlich auch Kreditermächtigungen oder Eingriffe in das Beamtenrecht mittels Notverordnungen geregelt wurden. Das stieß in vielen Fällen auf Widerstand, doch erwies sich der überwiegende Teil der Rechtsprechung dazu bereit, Art. 48 als selbständige Vollmacht des Reichspräsidenten zu betrachten, die in Notstandsfällen umfassenden Charakter habe.

Die weitgehende Erledigung der laufenden Gesetzgebung bis auf die Ebene von Durchführungsverordnungen und das analoge Tätigwerden nachgeordneter Behörden, die sich unter Umgehung der zuständigen Vertretungskörperschaften auf die Notverordnungsgesetzgebung des Reiches beriefen, hatten mit dem ursprünglichen Sinn von Art. 48, der auf Ausnahme- und Notstandssituationen abzielte, nicht mehr viel zu tun. Sie zielten auf die dauerhafte Etablierung der Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, die - nicht ohne inneren Widerspruch - dessen Wahl durch das Volk als gegenüber dem Reichstag unabhängige Quelle der Souveränität bereitstellte.

In der Praxis lief dies auf eine fast vollständige Ausschaltung der parlamentarischen Willensbildung hinaus, was sich in einer immer geringeren Anzahl der Reichstagssitzungen ausdrückte. Waren es 1930 noch 94 Sitzungstage, so ging diese Zahl 1931 auf 41, 1932 auf 13 Sitzungen zurück. Auch die von Brüning ursprünglich komplementär eingeholte Zustimmung des Reichsrats entfiel seit dem Sommer 1931 weitgehend. Gleichzeitig wurde die Kompetenz des Reichstages durch eine Änderung der Geschäftsordnung vom 9. Februar 1931 eingeengt. Ihr zufolge durften Gesetzesvorlagen nur eingebracht werden, wenn gleichzeitig die entsprechenden Deckungsvorschläge unterbreitet wurden. Desgleichen kam zu einer Einschränkung in der Anwendung von Mißtrauensvoten. All dies lief auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechts des Reichstags hinaus und warf die Frage auf, wie weit das herkömmliche Budgetbewilligungsrecht noch Bestand hatte.

Tatsächlich begab sich Brüning in die völlige Abhängigkeit vom Wohlwollen des Präsidenten, der ihn im Juni 1932 durch die Verweigerung des Notverordnungsrechtes brüsk fallen ließ, obwohl der Kanzler wenige Tage zuvor noch einen Mißtrauensantrag im Reichstag zu Fall gebracht hatte. Dazu hatte auch der Tatbestand beigetragen, daß Hindenburg des Notverordnungsregimes überdrüssig war. „Die Zeit der Notverordnungen sei doch wohl vorbei, und das Volk wolle das nicht mehr", erklärte er zu Brüning anläßlich von dessen Demission am 30. Mai 1932. Die Androhung, den Präsidenten vor dem Staatsgerichtshof wegen der Überdehnung von Art. 48 WRV anzuklagen, die vor allem von der NSDAP ausging, verfehlte ihre Wirkung nicht. [Fn 30: Hermann Pünder: Politik in der Reichskanzlei. Aufzeichnungen aus dem Jahren 1929-1932, hrsg. von Thilo Vogelsang, Stuttgart 1961, S. 129 f. ]

Die Entlassung Brünings spiegelte die Erwartung des Reichspräsidenten, mit der Regierungsumbildung nach rechts, die er mit der Ernennung Franz von Papens vornahm, eine dauerhafte Umgestaltung der Verfassung herbeiführen zu können. Unter dem Reichskanzler von Papen wurde die Ausschaltung des oppositionellen Reichstags auf die Spitze getrieben, indem dieser schon unmittelbar nach der konstituierenden Sitzung aufgelöst wurde, um die Verabschiedung eines Mißtrauensvotums gegen den neuen Kanzler (das durch Hermann Göring als Reichstagspräsidenten illegal fortgeführt wurde) zu verhindern. Die Auflösung des Reichstags wurde bezeichnenderweise damit begründet, daß „die Gefahr besteht, daß der Reichstags die Aufhebung meiner Notverordnung vom 4. S[eptember] d[es] J[ahres] verlangt". [Fn 31: Schultheß Europäischer Geschichtskalender 1933, S. 55; vgl. Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Sauer/Gerhard Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung, Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34, Köln und Opladen 1960, S. 50; vgl. Hans Mommsen: Die nationalsozialistische Machtergreifung und die deutsche Gesellschaft, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung, Paderborn 1984, S. 38 f. ] Damit war die parlamentarische Kontrolle der Notverordnungsgesetzgebung definitiv ausgeschaltet.

Da die Ergebnisse der somit notwendig werdenden Novemberwahlen die Stellung von Papens trotz des Rückschlags für die NSDAP als hoffnungslos erscheinen ließen, erzwang Schleicher dessen Rücktritt unter Hinweis auf die politischen und militärischen Risiken der von diesem erwogenen Staatsstreichpläne. Indessen gelang es Schleicher ebensowenig, eine Stabilisierung des Präsidialkabinetts zu erreichen, obwohl die NSDAP sich in einer tiefen Krise befand und vor einer erneuten Reichstagsauflösung zurückscheute. Da ihm Hindenburg eine Hinausschiebung des Zusammentritts des Reichstags über die verfassungsmäßig vorgesehenen 60 Tage verweigerte, sah sich Schleicher, der durch die Intrigen des mit Hitler verhandelnden von Papen beim Reichspräsidenten ausflankiert war, schließlich zum Rücktritt gezwungen.

Das Notverordnungsrecht nach Art. 48 hatte sich in der Ära Papen und Schleicher endgültig von seiner ursprünglichen Funktion der Demokratiesicherung gelöst und um die Jahreswende 1932/33 endgültig als Stabilisierungsinstrument erschöpft, wenngleich es der Bildung des Kabinetts der nationalen Konzentration vom 30. Januar 1933 noch zugrunde lag und von Hitler in entscheidenden Notverordnungen vor den Reichstagswahlen vom 5. März, darunter der Reichstagsbrandverordnung, zur Lähmung und Ausschaltung der Linksopposition benützt wurde. In weiten Teilen der Öffentlichkeit erwartete man, daß es zu Neuwahlen und zu einer parlamentarischen Regierungsbildung kommen werde. Gerade die Furcht vor einem „Rückfall" in das parlamentarische System veranlaßte jedoch Hitlers präsumptive Bündnispartner, ihre früheren Vorbehalte gegen dessen Kanzlerschaft zurückzustellen, die Papen dem Reichspräsidenten als einzigen verfassungsgemäßen Ausweg aus der Staatskrise schmackhaft zu machen suchte.

Faktisch bewog die Scheu, noch länger auf der verfassungsrechtlich fragwürdigen Grundlage des Art. 48 die Gesamtverantwortung zu tragen, Hindenburg dazu, in die Ernennung Hitlers in einem Kabinett der nationalen Konzentration einzuwilligen. Dabei war der Umstand von entscheidender Bedeutung, daß es von Papen gelang, Hindenburg diesen Schritt damit zu rechtfertigen, daß über kurz oder lang das Zentrum in das neue Kabinett einbezogen und dieses damit in ein parlamentarisches Mehrheitskabinett erweitert werde. Diese sich anscheinend im Rahmen der Verfassung vollziehende Ablösung des Notverordnungsregimes veranlaßte den Präsidenten, seine persönlichen Vorbehalte gegen Adolf Hitler und dessen Führungsstil zurückzustellen und notgedrungen der Ermächtigung zuzustimmen. [Fn 32: Vgl. Mommsen, Aufstieg und Untergang, S. 657 f.] Somit ebnete die Anwendung von Art. 48 den Weg zur NS-Diktatur, die ohne vorgezogene Regierungsbildung, bei offenen Wahlen, schwerlich Wirklichkeit geworden wäre.

Den Hintergrund für das Bündnis der Konservativen mit Hitler bildete die vom Notverordnungsregime induzierte Vorstellung, daß die politischen Parteien trotz der immerwährenden Wahlkämpfe an Bedeutung einbüßen und den Weg für eine „wahrhaft unparteiische Staatsführung" freigeben würden. Die Illusion eines „Endes der Parteien", so Hans Zehrer in der einflußreichen Monatsschrift „Die Tat", wurde vor allem im Umkreis Franz von Papens geteilt und fand in dessen ideologischem Sprecher Walter Schotte und der neokonservativen Ringbewegung lebhafte Befürworter. [Fn 33: Hans Zehrer: Das Ende der Parteien, in: Die Tat 24, Bd. I, 1932, S. 68 ff.; Walther Schotte: Der neue Staat, Berlin 1932, S. 33 und 146.]

Den Hintergrund dieser Ideen gab die Tatsache ab, daß die Parteien infolge des immer selteneren Zusammentretens des Reichstages und der monatelangen Lahmlegung des Reichstags durch die „nationale Opposition" von NSDAP, DNVP und Stahlhelm im öffentlichen Bewußtsein zurücktraten und ihre Funktionen teils an die großen Interessenverbände, teils an Honoratiorenvereinigungen wie den „Deutschen Herrenclub" zu verlieren schienen. Die Erosion der bürgerlichen Mittel- und Rechtsparteien in den Wahlen von 1930 bis 1932, die sie in die Rolle von Splitterparteien zurückdrängte, verstärkte diesen Eindruck. [Fn 34: Siehe Hans Mommsen: Regierung ohne Parteien. Konservative Pläne zum Verfas sungsumbau am Ende der Weimarer Republik, in: Heinrich August Winkler (Hrsg.): Die deutsche Staatskrise 1930-1933 (=Schriften des Historischen Kollegs 26), München 1992, S. 13 f.]

Gleichzeitig prognostizierte die NSDAP den Untergang des Weimarer Parteiensystems. Auf konservativer Seite rief dies die Erwartung hervor, daß sich die NSDAP nach der Niederschlagung der „marxistischen" Parteien zu einem elitären Orden zurückbilden und dieser sich der nationalsozialistischen Führungsauslese zuwenden würde. Die Vision einer autoritär verfaßten Gesellschaft, in der Parteien in die Rolle von bloßen Weltanschauungslieferanten zurückfinden und das eigentliche Regieren den dafür qualifizierten Eliten überlassen würden, stand hinter den schwächlichen Plänen eines autoritären Verfassungsumbaus, wie sie vor allem von Wilhelm von Gayl propagiert wurden, ohne dabei in Papen einen zum Letzten entschlossenen Mitstreiter zu finden.

Das Präsidialsystem stellte eine notwendige Zwischenstufe zur faschistischen Diktatur dar, indem es die letzten Widerstandskräfte in der deutschen Gesellschaft gegen Hitler teils ausschaltete, wie die organisierte Arbeiterbewegung, teils lähmte, indem es sich der Illusion hingab, daß die NSDAP sich nach der Ausschaltung der Linksparteien als Massenpartei auflösen und in das autoritäre System einfügen würde. Dessen Entstehung war zum wenigsten den Mängeln der Weimarer Reichsverfassung zuzuschreiben und beruhte ebensowenig auf einem „stillschweigenden Verfassungswandel" [Fn 35: Vgl. Eberhard Kolb/Wolfram Pyta: Die Staatsnotstandsplanung unter den Regierungen Papen und Schleicher, in: ebd., S. 163 ff.] , sondern auf einer mutwilligen und fortgesetzten Verfassungsdurchbrechung, die von der Absicht getragen war, mit pseudolegalen Mitteln eine „Regierung ohne Parteien" zu schaffen, im Endeffekt aber Hitler zur Kanzlerschaft und Diktaturgewalt verhalf.

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Literatur:

Gerhard Schulz: Artikel 48 in politisch-historischer Sicht, in: Ernst Fraenkel (Hrsg.): Der Staatsnotstand, Berlin 1965, S. 39-71.

Hans Boldt: Der Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung - Sein historischer Hintergrund und seine politische Funktion, in: Michael Stürmer: Die Weimarer Repubik, Königstein 1980, S. 288-309.

Achim Kurz: Demokratische Diktatur? Auslegung und Handhabung des Artikels 48 der Weimarer Verfassung 1919-1925, Berlin 1992.

Hans Mommsen: Die Illusion einer Regierung ohne Parteien und der Aufstieg der NSDAP, in: Eberhard Kolb/Walter Mühlhausen (Hrsg.): Demokratie in der Krise. Parteien im Verfassungssystem der Weimarer Republik, München 1997, S. 113-139.


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