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Pädagogische Akademien - Zentren politischer Bildung

Diese Akademien waren Teil einer Reform der Lehrerbildung in Deutschland und sollten zur Behebung des in Deutschland beklagten Lehrermangels beitragen. Zugleich waren sie aber mehr. Sie sollten auch die politische Bildung in der Schule auf eine ganz neue Grundlage stellen und hatten die Aufgabe, eine politische Bildung zu fördern, welche Menschen prägte, die den Weg vom Untertanen der Kaiserzeit zum Bürger der deutschen Republik hinter sich gelassen hatten. Im Kreis der bestehenden Universitäten waren diese Akademien so in doppelter Weise umstritten, zum einen wegen der nicht selten administrativ gesteuerten Besetzungsverfahren [ Heinz Elmar Tenorth, Pädagogisches Denken, in: Dieter Langewiesche u.a., Hg., Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte Bd. V: 1918-1945 - Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur, München 1989, S. 117.] , zum Teil aber auch, weil sie sich als Alternative zu einer geisteswissenschaftlich orientierten, keineswegs praktisch oder „lebensnah" orientierten Pädagogik verstanden, die sich nach 1918 als eine weitgehend neue und vielleicht gerade deshalb nach antiken Wurzeln suchende Disziplin an den Universitäten etabliert hatte.

Schwerpunkt der Neugründungen dieser Akademien war Preußen, ein demokratisches „Bollwerk" der Weimarer Republik. [ Vgl. Horst Möller, Parlamentarismus in Preußen 1919-1932, Düsseldorf 1985.] Hier hatte sich die Weimarer Koalition von Sozialdemokraten, Linksliberalen und politischem Katholizismus über viele Jahre hinweg behaupten können. Dieses politische Bündnis republikanischer Kräfte bewährte sich unter dem Einfluß des langjährigen preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun in den politischen Wirren der Jahre zwischen der Novemberrevolution und der nationalsozialistischen Machtergreifung. Es hatte Bestand bis zum „Preußenschlag" des Reichskanzlers Franz von Papen, dessen Verfassungsbruch im Sommer 1932 allerdings keinen Widerstand aus der Arbeiterbewegung zu wecken vermochte.

Ende der zwanziger Jahre war auch in Halle/Saale - am Südrand der preußischen Provinz Sachsen-Anhalt - eine dieser neuen Akademien gegründet worden. Bei der Gründung stand gewiß nicht fest, daß hier einmal einer der bedeutendsten praktisch orientierten Reformpädagogen seiner Zeit für einige Jahre einen Rahmen für seine Wirksamkeit finden sollte: Adolf Reichwein. [ Klaus Fricke, Die Pädagogik Adolf Reichweins: Ihre systematische Grundlegung und praktische Verwirklichung als Sozialerziehung, Bern u.a. 1974.] Er verkörperte in überzeugender Weise die Einheit von Lernen und Lehren, welche nicht zuletzt die neuen Akademien zu einem Schwerpunkt der Formierung eines „schaffenden Schulvolks" [ Adolf Reichwein, Schaffendes Schulvolk, Stuttgart u. Berlin 1937, Neuausgabe Braunschweig u.a. 1951, zuletzt in einer kommentierten Neuausgabe hg. von Wolfgang Klafki u.a., Weinheim u. Basel 1993.] prägen sollte. Er verstand sich als politischer Pädagoge, der durch seine Arbeit der neuen demokratischen Republik einen kulturellen „Unterbau" schaffen wollte. Politische Pädagogik zielte nicht auf Politisierung von Staat und Gesellschaft, sondern auf den „mündigen Menschen" und verantwortungsvollen Staatsbürger. So ist es nicht überraschend, daß sich Reichwein als Mensch begriff, der politische Weichenstellungen reflektierte und Entscheidungen vorbereitete, der aber nicht in der Existenz eines parteiischen Menschen, eines „Partisanen" oder auch nur „Parteimenschen", wie die Begriffe seiner Zeit lauteten, aufging. Der Parteipolitik gegenüber war er distanziert, denn seiner Empfindung nach „zerstampfte" diese „alles". Sein wichtigstes Feld war zunächst die politische Erwachsenenbildung.

In der Regel studierten an den Pädagogischen Akademien dreihundert angehende Lehrer. Der akademische Lehrkörper überschritt selten die Zahl von fünfzehn. Seine Mitglieder standen alle unter einem unübersehbaren akademischen Anerkennungsdruck, denn Akademien waren keine Hochschulen - wie die Wirtschafts- oder die Technischen Hochschulen dieser Zeit - , und sie waren schon gar keine Universitäten. Allerdings zeichneten sie sich durch besonders engagierte Studenten aus, die oftmals der Wille antrieb, die Beziehungen der Menschen untereinander, aber auch zur Natur und zur Arbeitswelt auf eine neue Grundlage zu stellen. Sie wollten ihre Schüler im Unterricht motivieren und zugleich auf die Lebensbewältigung vorbereiten, indem sie das pädagogische Leben als Feld der Verwirklichung von entdeckenden Vorhaben und von Erlebnissen begriffen. Dies wirkte sich auf die Form und die Dynamik des akademischen Unterrichts aus. Man suchte nach neuen Formen pädagogischer Begegnung und nutzte etwa die neuen Medien, die Konfrontation mit dem Alltagsleben und Ausflüge als Herausforderung für ein neues schulisches Gemeinschaftserleben. [ Diese drei Bereiche schlagen sich in den Arbeiten von Adolf Reichwein deutlich nieder. ] Fast hat man den Eindruck, in diesen Akademien wäre eine Form des Miteinanders in der Auseinandersetzung um die Sache unterrichtlich vermittelter Bildung gepflegt worden, die alle Beteiligten zu einer besonderen Art der Gemeinschaft zusammenfügte.

Die Akademien erhielten in schwieriger Zeit letztlich jedoch keine Gelegenheit zu ihrer vollen Entfaltung. Wenige Jahre nach ihrer Gründung wurden bereits acht der Akademien wieder geschlossen, denn sie konnten sich gegen die Universitäten in den damaligen Zeiten der Haushaltskonsolidierung und des Sparens nicht durchsetzen. Eine neue Chance erhielt der Akademiegedanke erst wieder nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, etwa in Berlin, wo die neu begründete Pädagogische Hochschule in Berlin-Lankwitz manche Elemente der Lebens-, Unterrichts- und Schulreformbestrebungen der Pädagogischen Akademiebildung aufnahm.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 1999

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