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TEILDOKUMENT:
Peter Steinbach:
Zum einhundertsten Geburtstag des sozialdemokratischen Widerstandskämpfers Adolf Reichwein * Meine Freunde wollen mich in die Politik drängen. Aber ich will nicht; vielleicht richtiger: noch nicht." [ Überarbeitete Fassung eines Vortrags anläßlich der Wiederkehr von Adolf Reichweins 100. Geburtstag in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Vgl. dazu die Neuausgabe von „Adolf Reichwein: Ein Lebensbild aus Briefen und Dokumenten", ausgewählt von Rosemarie Reichwein..., München 1974, die voraussichtlich 1999 im Paderborner Schöningh-Verlag erscheinen wird und eine knappe Einleitung aus meiner Feder enthält: Gabriele C. Pallat, Rosemarie Reichwein, L. Kunz, Hg., Adolf Reichwein: Pä dagoge und Widerstandskämpfer: Ein Lebensbild in Briefen und Dokumenten (1914-1944). Adolf Reichwein an Ernst Robert Curtius, 28.11.1931. Briefangaben ohne weitere Hinweise beziehen sich in dieser wie in den folgenden Fußnoten auf den in der *-Anm. angeführten Band.] Dieses erstaunliche Bekenntnis findet sich in einem Brief, den Adolf Reichwein im November 1931 an einen guten Freund, den Romanisten Ernst Robert Curtius, schrieb. Reichwein hatte wenige Monate zuvor eine neue Aufgabe übernommen, die im Schnittpunkt von politischer Bildung und Menschenerziehung in der Weimarer Republik stand. Denn er hatte einen Lehrstuhl an einer der zwischen 1926 und 1930 neu gegründeten Pädagogischen Akademien übernommen, von denen insgesamt fünfzehn eingerichtet werden konnten. [ Vgl. Helmuth Kittel, Die Entwicklung der Pädagogischen Hochschule 1926-1932, Hannover 1957.] Sein neuer Aufgabenbereich war ein Endpunkt langjähriger politisch-pädagogischer Bestrebungen; zugleich markiert diese Arbeit einen entscheidenden Ausgangspunkt vieler anderer Impulse, die schließlich in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in die Beteiligung an der Vorbereitung des 20. Juli 1944 und in den Tod führen. Im folgenden sollen Lebenslinien nachgezeichnet und Denkhorizonte des sozialdemokratischen Widerstandskämpfers skizziert werden, die aus ganz unterschiedlichen Prägungen, Herausforderungen und Lebensleistungen resultieren. Seine Anfänge sind ebenso vielfältig, wie die zeitspezifischen Einflüsse widersprüchlich erscheinen. Die exemplarische Bedeutung einer Lebensgeschichte im Jahrhundert der Diktaturen wird nicht zuletzt in der Fähigkeit deutlich, Brüche zu überbrücken und Kontinuitäten zu begründen, die auf klare Maßstäbe verweisen. Wem dies gelingt, der kann manches überstehen und wagen. Reichwein steht für die Vielfältigkeit und die Möglichkeit politischer Existenz in drei politischen Systemen. Und zugleich weist er weit über die Grenzen seiner Zeit hinaus. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 1999 |