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TEILDOKUMENT:
Holger Börner:
Meine Damen und Herren, liebe Freunde! Im Namen des Vorstands der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüße ich Sie zu unserem Diskussionsforum "Von der Bürgerbewegung zur Partei. Die Gründung der Sozialdemokratie in der DDR". Vor drei Jahren hätte niemand der etwa 40 Personen im Pfarrhaus von Schwante auch nur im Traum daran gedacht, heute in diesem - für die deutsche Demokratie so geschichtsträchtigen - Haus, dem Reichstag, zusammenzukommen. Dieses Haus ist auch Symbol für die bittersten Stunden der deutschen Geschichte. Damals gehörte unter konspirativen Bedingungen in Schwante großer politischer und persönlicher Mut dazu, durch ein Manifest die Sozialdemokratie in Ostdeutschland wieder zu begründen. Hintergründe, Begleitumstände und Auswirkungen auf den Zusammenbruch der damaligen DDR - davon ist heute schon vieles wieder fast vergessen oder verdrängt. Drei Jahre - das ist eben in einem durchschnittlichen Lebenslauf nur eine kurze Zeitspanne. Unter historischen Perspektiven ist es sogar nur ein Augenblick. Dennoch können drei Jahre Epochen voneinander trennen: Seit 1989 sind alleine in Europa zehn neue Staaten entstanden. Andere sind dafür von der Bühne der Geschichte abgetreten: Das sowjetische Weltreich gehörte dazu, aber auch die ehemalige DDR. Wir wollen mit dem heutigen Diskussionsforum an die Entschlossenheit derer erinnern, die in großer Bedrängnis sich zu ihren politischen Überzeugungen bekannten. Aber wir wollen auch zeigen, welch wichtiger Beitrag dieser Schritt zur Vereinigung war - und für die weitere Entwicklung in Ostdeutschland. Die Gründer von Schwante bestritten der damaligen SED den angemaßten Anspruch auf das historische Erbe der deutschen Sozialdemokratie. Die Kommunisten hatten es 1946, gestützt auf die Besatzungsmacht, durch Zwang, Geschichtsverfälschung und Täuschung der Menschen an sich gerissen. Als eigenständige Partei hatte die Gründung von Schwante nur ein dreiviertel Jahr Bestand: Die Sozialdemokratie in der damaligen DDR vereinigte sich im Sommer 1990 mit der westdeutschen Sozialdemokratie. Dennoch hat sie in dieser kurzen Zeitspanne Geschichte gemacht: - Ihre Vertreter sind aus der politischen Landschaft des vereinigten Deutschland nicht mehr wegzudenken. - Sie sind Anwälte der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger in dem so schwierigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Einigungsprozeß. - Und die Beiträge zu einer neuen Verfassung für das vereinigte Deutschland - sie werden von ihren Erfahrungen des Lebens unter einem Zwangsregime geprägt und in weiten Teilen ihre Handschrift tragen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung fühlt sich dem geschichtlichen Erbe der Sozialdemokratie verpflichtet. Wir bemühen uns deshalb auch, die Gründungsgeschichte von Schwante wachzuhalten: - Ein Interviewprojekt soll die Erinnerungen der Gründergeneration sichern, bevor sie verblassen. - Unser Archiv legt für die historische Forschung Sammlungen von Aufrufen, Programmentwürfen, Sitzungsprotokollen, Flugblättern und anderen Schriftstücken aus der Gründerzeit an, bevor sie verlorengehen. - Ein Forschungsprojekt soll die Gründung der SDP in die Entwicklung der kritischen Intelligenz und der Opposition in der DDR seit Beginn der 80er Jahre einbetten. Der Aufhellung der DDR-Vergangenheit, der Rolle der damaligen Opposition und der geschichtlichen Folgerungen für die Zukunft des vereinigten Deutschland dient auch das heutige Diskussionsforum. Ich wünsche der Veranstaltung einen guten Verlauf. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1998 |