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TEILDOKUMENT:
Ulla Schmidt, MdB
Der Gesprächskreis Frauenpolitik hat sich, seitdem es ihn gibt, immer wieder den aktuellen Themen zugewandt. Ich freue mich, daß uns die Friedrich-Ebert-Stiftung wieder die Gelegenheit gibt, mit Frauen aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen - und heute mit besonders vielen Männern - zu diskutieren. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich und ganz besonders unseren Bundesarbeitsminister, Walter Riester. Ihr Erscheinen macht deutlich, daß wir mit dem Thema Geringfügige Teilzeitbeschäftigung und soziale Sicherungssysteme ein großes frauen- und arbeitsmartkpolitisches Interesse hervorgerufen haben. Wir haben uns in den letzten Monaten in Regierung und SPD-Bundestagsfraktion sehr intensiv damit beschäftigt, die 630,- DM-Beschäftigungsverhältnisse neu zu regeln. Vielleicht wird dies später noch diskutiert werden. Vielen hat nicht gefallen, wie dies geregelt wurde. Ich glaube aber, das Gesetz ist besser als sein Ruf. Kürzlich las ich in einer Tageszeitung, daß wir den Sturmlauf von Opposition und Arbeitgebern im Hinblick auf die Neuregelung der 630,- Mark-Jobs überstanden hätten. Wir werden in den nächsten Monaten nun die Entwicklung beobachten, darüber berichten und sicherlich auch Schlußfolgerungen ziehen. Nun kommt der logische zweite Schritt. Wir müssen uns nun um die Frage kümmern, was getan werden kann, um die Teilzeitbeschäftigung oberhalb der 630,- DM-Grenze attraktiver zu gestalten. Wir müssen Anreize dafür schaffen, daß Frauen aus den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auch in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überwechseln. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat lediglich 66.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezählt, deren Einkommen zwischen 630,- und ca. 1.500,- DM im Monat liegt. Mittlerweile wird diese Grenze mit dem Begriff Teilzeitmauer" treffend beschrieben. Auf den ersten Blick ist das damit verbundene Problem einleuchtend. Ein Einkommen über 631,-DM hat Folgen. In der Sozialversicherung und natürlich auch bei der Versteuerung, ganz besonders dann, wenn dies über die Lohnsteuerkarte V erfolgt. Wenn beispielsweise eine Frau Steuerklasse V hat und 1.200,- DM brutto verdient, dann hat sie meist auch nicht mehr als 630,- DM netto in der Tasche, wie sie dies auch bei einer geringfügigen Beschäftigung erreichen kann. Da hilft es wenig, die Beschäftigten damit zu trösten, daß sie voll sozialversichert sind, dafür aber erhebliche Abzüge von ihrem Einkommen hinnehmen müssen. Der zweite Blick fällt dann auf die Bezieher von Transfereinkommen, also Arbeitslosen- und Sozialhilfebezieher. Beide Versicherungssysteme tragen mit dazu bei, daß Arbeit sich für diese Einkommensgruppe immer weniger lohnt. Es ist daher unumgänglich, Erwerbsarbeit mit einem niedrigen Lohnniveau sozialstaatlich zu flankieren bzw. Ar- [Seite der Druckausg.: 10] beitseinkommen nur zum Teil auf die Arbeitslosen- und Sozialhilfe anzurechnen. Mir ist dabei wichtig, daß eine Schicht der working poor" ebenso vermieden wird, wie sinkende Reallöhne. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn Dauersubventionen zur Regel werden. Nun gibt es viele Protagonisten, die meinen, sie haben mit ihren Modellvorschlägen den Stein der Weisen" gefunden. Über die damit verbundenen Probleme wird uns Frau Dr. Ute Klammer, die ich an dieser Stelle herzlich begrüße, aufklären. Bei näherer Betrachtung haben die Modelle, die grob vereinfacht unter der Überschrift Kombilohn" diskutiert werden, vieles zu bieten, aber eben auch Vor- und Nachteile. Größere Probleme sehe ich z.B. bei dem Konzept der negativen Einkommenssteuer, da hier hohe Mitnahmeeffekte für die Beschäftigten zu erwarten sind. Geringe Probleme würden sich meiner Meinung nach bei einer degressiven Bezuschussung der Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten ergeben. Aber ich will der Diskussion nicht vorgreifen. Sie haben sicherlich meinen Worten entnommen, daß wir heute kein fertiges Konzept der rot-grünen Koalition diskutieren. Vieles ist noch zu prüfen im Hinblick auf die sozialen und gesellschaftlichen Wirkungen, und es muß noch gründlich gerechnet werden. Dies geschieht alles mit dem Ziel, daß
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999 |