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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 254 ]


MANFRED SCHMIDT
IMPULSE ZUR MODERNISIERUNG VON WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT


  1. Die Menschen in unserer Gesellschaft möchten ihren Lebensstandard erhöhen. Dennoch befinden wir uns in Deutschland (und größtenteils auch in Europa) in einer wirtschaftlichen Wachstumskrise.
    Die Menschen in unserer Gesellschaft wollen arbeiten. Dennoch befinden wir uns in einer Beschäftigungskrise.
    Unsere Ingenieure produzieren technische Ideen im Überfluß. Dennoch befinden wir uns in Deutschland in einer Innovationskrise.
    • Versagen die Unternehmer?
    • Versagen die Politiker?
    • Stimmt das Verhältnis von Politik und Wirtschaft nicht mehr?
    • Was stimmt nicht?

  2. Wenn es die Aufgabe der Politik ist, für Mehrbeschäftigung und die Erfüllung höherer Ansprüche an den Lebensstandard und die Lebensqualität (und ich beziehe Ansprüche an eine bessere Umwelt ausdrücklich mit ein) zu sorgen, dann hat sie mit der technischen Weiterentwicklung und Innovation ein ideales Instrument, um diese Ziele zu erreichen. Seit der industriellen Revolution vor 200 Jahren war es immer der technische Fortschritt, der in den Industrieländern für Wachstum und damit zu höheren Pro-Kopf-Einkommen, zu mehr Wohlstand und für steigende Verteilungsspielräume gesorgt hat. Technischer Fortschritt war und ist nicht nur für die Unternehmen und Menschen, die in diesen Gebieten tätig sind, sondern für die gesamte Volkswirtschaft lohnend.
    Die Mikroelektronik, vor nicht allzu langer Zeit noch als Jobkiller gebrandmarkt, hat für Wachstum, Beschäftigung und neuen Lebensstandard gesorgt. Es hat sich gezeigt, daß arbeitssparende Substitution - ausgelöst durch Mikroelektronik - mehrfach überkompensiert worden ist durch die arbeitsschaffende Innovationswirkung all der neuen Produkte, die es ohne Mikroelektronik niemals gegeben hätte.

  3. Wenn wir uns trotzdem gegenwärtig in einer Wachstums-, Beschäftigungs- und Innovationskrise befinden, dann hat das insbesondere mit dem Rückgang unserer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Volkswirtschaften zu tun. Durch den Wegfall von Grenzen im europäischen Binnenmarkt und eine immer stärkere Liberalisierung des Welthandels werden Wirtschaftsstandorte und ihre Standortfaktoren ungeschützt miteinander verglichen, und nun stellt sich heraus, daß in immer mehr Feldern unser Produktivitätsvorsprung kleiner wird oder verschwindet und auf der anderen Seite Standortnachteile in unserem Lande wachsen. Wesentliche Ursachen hierfür sind, daß die Politik der Bewahrung alter Strukturen (Landwirtschaft, Kohle, Stahl, Werften etc.) Vorrang vor Impulsen zur Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gibt, daß die

    [Seite der Druckausg.: 253 ]

    Politik wirtschaftlichen Wagemut durch immer mehr Gesetze, Verordnungen und Richtlinien behindert und daß vor allem die hohe, nach wie vor steigende Staatsquote die im Wettbewerb stehenden Arbeitsplätze immer stärker belastet. Unternehmen brechen unter dieser Last zusammen, andere Arbeitsplätze verlassen - um diesem Schicksal zu entgehen - das Land, viele Innovationen werden nicht mehr in diesem Land, sondern außerhalb umgesetzt und wünschenswerte Arbeit wird nicht mehr erledigt, weil sie zu diesen hohen Preisen unbezahlbar geworden ist. Die Folge ist eine steigende Arbeitslosigkeit in diesem Land.

  4. Wir haben nicht zu wenig, sondern eher zu viel Politik und ganz offenbar in zu vielen Feldern die falsche Politik. Wir haben eine Wirtschafts- und Technologiepolitik, in der das Nebeneinander und Partikularinteressen dominieren.
    Nicht alles, was in bestimmten Sektoren und für eine bestimmte Klientel ausgegeben wird, kommt auch der Gesellschaft zugute. Nicht alles, was als sozial gekennzeichnet wird, ist auch sozial. Und deshalb kann die Rechnung nicht aufgehen, ganz besonders nicht für die schwachen Glieder der Gesellschaft.

  5. Ebenso wie die Tarifpartner in diesem Jahr bewiesen haben, daß sie in der Lage sind, neue Lösungen zu finden, muß die Politik bereit zur Innovation sein. Sie muß vor allem bereit sein, die wirtschafts- und sozialpolitischen Fehlentwicklungen zu korrigieren, die zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt geführt haben. Sie muß den Standort Deutschland wieder in Ordnung bringen. Sie muß Technik, Wirtschaft und Gesellschaft wieder mehr Spielraum zur Entfaltung geben.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001

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