FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 244 ]


GERD LOBODDA
DER ZUSAMMENHANG VON MENSCH, ÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE


  1. Technologie ist das Ergebnis individueller menschlicher Erkenntnisse auf der Basis ökonomischer, ökologischer sowie gesellschaftlich-kultureller Prozesse.
    Technik hat dem Menschen zu dienen und muß aus diesem Grund demokratisch kontrollierbar und gesellschaftlich beherrschbar sein.
    Die Quelle jeglicher Innovationskraft ist der Mensch in seiner spezifischen gesellschaftlichen Eingebundenheit.

  2. Die gegenwärtige Krise in Wirtschaft und Politik ist in erster Linie auch eine Organisationskrise. Viele ökonomische und politische Probleme haben ihre Ursache in einem unzeitgemäßen Verständnis der Unternehmen von technologischer Entwicklung und Technikeinsatz.
    Noch immer sind die meisten Unternehmen/Organisationen nach dem Prinzip „Wissen ist Macht" organisiert. Da Innovationen aber immer in bestehende Strukturen und Machtverhältnisse eingreifen, werden sie in der Regel als Störfaktor der alten Ordnung verstanden. Die westlichen Unternehmenskulturen zeichnen sich zum großen Teil noch immer durch Dickfälligkeit und Ignoranz aus. In Fehlern Chancen sehen, aus Schaden klug werden, Konflikte demokratisch bewältigen, gehört noch längst nicht zu den betrieblichen Selbstverständlichkeiten. Der Mensch steht zumeist nur bei Sparmaßnahmen im Mittelpunkt.

  3. Bei der Anwendung von Technik zeigt sich auch im westlichen Managementdenken noch immer die Auffassung vom Unternehmen als einer Maschine, deren Funktion die „Top-down"-Verarbeitung von Informationen, will heißen von Vorgaben und Anweisungen ist.
    Nicht das tausendfache Wissen, die Kompetenz und Kreativität wird in den Betrieben und Verwaltungen organisiert, sondern altes Denken mit Hilfe der Technik perfektioniert. Statt Strukturen für Innovations- und Motivationsprozesse zu schaffen, wird die EDV mit der Fortführung des Taylorismus mißbraucht.
    Die technikzentrierten Vorgänge bei IBM, DEC, Nixdorf etc. sowie das Projekt ZIM sprechen für sich. In den Verwaltungen und selbst in Non-Profit-Organisationen werden mit Technik und EDV-Einsatz lernschwache und verkrustete Bürokratien künstlich gestützt. Tayloristische EDV-Konzepte werden in der Regel noch immer als strukturstabilisierende Herrschaftsinstrumente statt als emanzipierende Werkzeuge eingesetzt.

  4. Innovationen kann man aber bekanntlich nicht anordnen oder vorschreiben, sie entstehen in weitgehend selbstregulierten Entwicklungsprozessen der beteiligten Akteure. Dort, wo Mißtrauen, tayloristisches Ökonomieverständnis sowie autoritäres Statusdenken vorherrschen, werden keine Innovationsprozesse entstehen. Eine Umwälzung in

    [Seite der Druckausg.: 245 ]

    unseren Unternehmens- und Organisationskulturen ist aus diesem Grunde unverzichtbar.
    In einer innovativen Organisationskultur liegt daher auch der Schlüssel zur richtigen Bewertung von Lean Production.
    Die Imitation „fremder" Innovationsstrategien ohne Beachtung des spezifischen soziokulturellen Hintergrunds aber ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

  5. Die neuen Technologien innovativ und wettbewerbsfähig zu nutzen heißt, das tayioristi-sche Denken zu überwinden. Dafür sind neue Leitbilder und Visionen erforderlich. Mensch, Ökologie und Ökonomie müssen sich im Gleichgewicht befinden. Fixsterne für ein solches Handeln sollten sein:

    1. Attraktive Arbeit. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Seine Fähigkeiten werden als Stärke verstanden und begriffen und seine Beschränkungen akzeptiert.

    2. Technik als Werkzeug für den Menschen. Die Technikentwicklung und der Technikeinsatz müssen die menschlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten gezielt unterstützen.

    3. Gesellschaftlich sinnvolle und umweltverträgliche Produkte produzieren.

    4. Ökologisch, d. h, in möglichst geschlossenen Stoffkreisläufen produzieren,

    5. Qualifikation und Innovation statt Entlassung als Fundament für eine spezielle unternehmerische Verantwortlichkeit.

    6. Verteilungsgerechtigkeit und soziale Verantwortung als gesellschaftspolitisches Selbstverständnis und tarifpolitischer Zielkorridor.

  6. Leitsätze wie

    • Vertrauen statt Kontrolle,

    • Gleichberechtigung statt Hierarchien,

    • lebenslanges Lernen statt unmündiges Gehorchen,

    haben Denkumbrüche ungeheuren Ausmaßes in den Chefetagen mancher Konzerne bereits ausgelöst. Im Gegensatz dazu fehlt bei den Gewerkschaften bis dato ein kundenorientiertes Denken.
    Die industriellen Beziehungen zwischen den Tarifpartnern beschränken sich auf die klassischen Bereiche von

    • Leistung

    • Arbeitsorganisation

    • Beteiligung/Mitbestimmung

    • Qualifikation.

      [Seite der Druckausg.: 246 ]

      Sie müßten im Zusammenhang mit einer Veränderung der Organisationskultur mit dem Faktor „Kunde" in Übereinstimmung gebracht werden.

  7. Unternehmen, Organisationen, Verwaltungen sind wie andere gesellschaftliche Subsysteme auch permanentem Veränderungsdruck unterworfen. Die Erkenntnisse der Gesetzmäßigkeit von Veränderungen sind maßgebliche Voraussetzungen von Wettbewerbsfähigkeit. Demnach werden Unternehmen und Organisationen nur dann überleben, wenn ihre Lerngeschwindigkeit größer ist als die Änderungsgeschwindigkeit ihres Umfeldes.
    Nicht die technikfixierten Produktions- und Organisationskonzepte bringen daher die Lösungen, sondern die Befähigung des Menschen als Quelle einer jeglichen Innovationskraft. Erfolgsvoraussetzung allerdings ist seine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung.

  8. Da nichts so gewiß ist wie das Ungewisse, werden sich auch in Europa zunehmend mehr Unternehmen mit intelligenten Organisationsstrukturen entwickeln, die in der Lage sind, auf das Unvorhersehbare zu reagieren. Kurz: Es wird mehr lernende Unternehmen/Organisationen geben. Zumal man an typisch abendländischen kulturellen Werten, Traditionen und Tugenden anknüpfen kann. Individualität, Kreativität, Flexibilität, Persönlichkeit und Konfliktfähigkeit sind letztendlich Stärken, denen z. B. die rigide japanische Konsenskultur nichts entgegenzusetzen hat.
    Abgesehen von den neuen nationalistischen Verirrungen gibt es eigentlich keinen Grund, vom Untergang des Abendlandes zu sprechen,

Literatur

Lean Production: IG Metall, Abt. Automation 1993

Klotz, Ulrich: Lean Mangement, in: Office Management 9/93

Klotz, Ulrich: Vom Tayiorismus zur Objektorientierung, Baden-Baden 1993

Weitz, Friedrich: Aus Schaden dumm werden, in: Office Management 1986


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001

Previous Page TOC Next Page