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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 127 ] 5.1 Energiekonzepte der Zukunft ERNST ULRICH VON WEIZSÄCKER
[Seite der Druckausg.: 128 ] HORST LENNERTZ
1. Politik
2. Energiewirtschaft
3. Technik
[Seite der Druckausg.: 130 ] ADOLF HÜTTL
1. Globale Sicht der Energieprobleme erfordertich Am Ende des 20. Jahrhunderts steht die Menschheit vor folgender Energie- und Umweltsituation:
Diese gegensätzlichen Anforderungen eines steigenden Energiebedarfs bei gleichzeitig nötiger Absenkung der damit verbundenen Emissionen stellen die Menschheit vor eine große Herausforderung.
[Seite der Druckausg.: 131 ] Hieraus ergibt sich für das energiepolitische und energiewirtschaftliche Handeln in Deutschland als zweite These die Forderung:
Es ist schon verwunderlich, daß man hierauf immer wieder hinweisen muß. Aber ein Blick auf die deutsche Energiediskussion zeigt, wie notwendig dies ist. Ein Beispiel bieten hierfür neben vielen anderen die Energiekonsensgespräche, die im Jahre 1993 gelaufen sind und im November 1993 (hoffentlich nur unter- und nicht) abgebrochen wurden. Obwohl die Weltenergiesituation von einem durch Bevölkerungswachstum und Nord-Süd-Ausgleich geprägten Anstieg des Primärenergie- und des Strombedarfs gekennzeichnet ist - und dies eigentlich allen politisch Verantwortlichen bekannt sein sollte - waren die Konsensgespräche von einer rein deutschen Nabelschau geprägt. Das deutsche Problem der Kohlefinanzierung - so wichtig es auch ist - und die deutsche Diskussion über den Ausstieg aus der Kernenergie waren die Schwerpunktthemen. Daß z. B. der Wirtschaftsaufschwung in Japan und China und in den sogenannten Tigerstaaten Südostasiens zu einer steigenden Nachfrage nach Kraftwerken aller Art - auch nach Kernkraftwerken - führt, hat in den Gesprächen keine Rolle gespielt. Dort verdoppelt sich der Energieverbrauch zur Zeit alle zwölf Jahre! Der Stromverbrauch steigt ebenfalls rapide an, dessen derzeitige Steigerungsraten in China und in den anderen Süsostasien-staaten liegen in der gleichen Größenordnung wie in Deutschland nach dem Krieg. Auch wenn es ein großer Teil der deutschen Öffentlichkeit nicht wahrhaben will: In Südostasien ist ein Markt von großer Dynamik entstanden. 2. Notwendigkeit der Exportorientierung Es sollte sich allgemein herumgesprochen haben, daß Deutschland auf den Export angewiesen ist. Unser Lebensstandard hängt davon ab, was wir auf dem Weltmarkt verkaufen. In Deutschland werden zwei Drittel aller Arbeitsplätze durch den Export gesichert. Siemens erzielt 54 % seines Umsatzes im Ausland, im Bereich Energieerzeugung KWU sind es 65 %. Man sollte daher meinen, daß in der derzeitigen Wirtschaftslage mit der hohen Arbeitslosigkeit das oberste Ziel aller politisch verantwortlichen Kräfte in Deutschland wäre, die Exportfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Leider ist davon nicht allzuviel zu spüren.
Entscheidend für die Exportfähigkeit ist es, daß im eigenen Land High-Tech-Produkte nicht nur entwickelt, hergestellt und angewendet, sondern auch nicht von vornherein in Frage gestellt, unnötig verzögert oder unqualifiziert bekämpft werden. Wir werden High- [Seite der Druckausg.: 132 ] Tech-Produkte ohne Anwendung im eigenen Land nicht verkaufen können. Zumindest sind anfaßbare Demonstrationsvorhaben nötig. Beispiele für die Behinderung neuer Techniken gibt es viele. Die Story der Microchips, die jahrelang in Deutschland als Jobkiller verteufelt wurden und bei denen die Öffentlichkeit heute beklagt, wir hätten den Anschluß verpaßt, ist schon fast in Vergessenheit geraten. Große Verluste wird die deutsche Volkswirtschaft durch die zögerliche und behindernde Haltung gegenüber der Gentechnologie hinnehmen müssen. Jetzt wird nachgebessert - aber in der Zwischenzeit haben die anderen Länder den Weltmarkt längst besetzt. Der berühmte Ausspruch Gorbatschows: Wer zu spät kommt,. . ." gilt wohl kaum irgendwo so rigoros wie gerade beim Wettbewerb um Marktanteile. Weitere Beispiele für Verzögerung oder Verhinderung sind bei den Hochgeschwindigkeitszügen und natürlich in der Energiepolitik und insbesondere in der Kernenergiepolitik der letzten Jahre zu sehen. 3. Antwort der Herstellerindustrie: Alle Techniken anbieten Die Herstellerindustrie begegnet diesen künftigen Marktanforderungen, indem sie die ganze Palette der möglichen Stromerzeugungstechniken entwickelt und anbietet: Von regenerativen Stromerzeugungstechniken aus Wasserkraft, Sonne und Wind sowie aus Biomasse und Müll, über alle Arten der fossilgefeuerten Kraftwerke bis hin zu Kernkraftwerken. Dabei werden höchste Wirkungsgrade und die Erfüllung der höchsten Umweltschutzbedingungen angestrebt. Umweltschutz ist in vielen Ländern bereits zu einer festen Größe auch der Energiepolitik geworden. Wir dürfen uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Sicherung der Umwelt und der wachsende Energieverbrauch auch weiterhin ein starkes Spannungsfeld bilden. Dies gilt vor allen Dingen in den Ländern, in denen ein hoher wirtschaftlicher Nachholbedarf besteht und bei denen Umweltprobleme, insbesondere die globalen Probleme wie z.B. die Klimafrage hinter der Deckung der elementaren täglichen Bedürfnisse gegenwärtig noch zurückstehen. Daraus erwachsen hohe Anforderungen zum einen an die Technik, die von der Herstellerindustrie in diese Staaten geliefert wird, zum anderen aber auch an die staatliche und überstaatliche Energiepolitik. Die Herstellerindustrie muß bei ihren Bemühungen um Exporte immer die individuellen Gegebenheiten der einzelnen Länder berücksichtigen. Jedes Land muß seinen Energiemix in Gestalt eines Kompromisses finden, der die wünschenswerte Entwicklung der materiellen Lebensverhältnisse mit den Zielen des Umweltschutzes und den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten in Einklang bringt. Daraus ergeben sich für die verschiedenen Regionen der Welt verschiedene energiewirtschaftliche Perspektive:
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serung der Lebensverhältnisse durch Einsatz der notwendigen Energie bei Bevorzugung eigener Primärenergievorkommen. Überproportionales Wachstum des elektrischen Energieanteils, zugleich noch große Zurückhaltung im Umweltschutz nach dem Verständnis der Industrieländer. Die Energiesituation in Mittel- und Osteuropa und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stellt eine besondere Herausforderung für die deutsche Herstellerindustrie dar. Es besteht dort ein riesiger Nachholbedarf, insbesondere müssen die teilweise erheblichen Sicherheitsrisiken der Kernkraftwerke sowjetischen Typs beseitigt werden.
4. Fossilgefeuerte Kraftwerke bleiben das Rückgrat der weltweiten Stromerzeugung Trotz des CO2-Problems und aller weltweiten Bemühungen um eine Reduktion des CO2-Ausstoßes muß realistischerweise davon ausgegangen werden, daß auch in Zukunft der größte Teil des Energiebedarfs durch fossile Energieträger gedeckt werden wird. Heute sind dies bezogen auf den Primärenergieverbrauch weltweit etwa 88 %. Bei der Erzeugung von elektrischem Strom beträgt der Anteil fossiler Energieträger weltweit rund 63 %. In Deutschland werden rund 69 % des Stroms aus fossilen Energieträgern, weitgehend aus Stein- und Braunkohle, hergestellt. Insbesondere die Entwicklungsländer, die aus infrastrukturellen und wirtschaftlichen Gründen auf den billigsten fossilen Energieträger, die Kohle, zurückgreifen müssen, werden auch künftig auf die Stromerzeugung aus fossilgefeuerten Kraftwerken angewiesen sein. Es kommt daher darauf an, eine möglichst hohe Brennstoffausnutzung und damit möglichst niederige CO2-Emissionen zu erreichen. Für die Beschränkung der Emissionen anderer schädlicher Gase wie SO2 und NOx gibt es heute hochwirksame Techniken, die zumindest in den Industrieländern zur Standardausrüstung der Kraftwerke gehören. Die Verbesserung der Brennstoffausnutzung hat in den letzten Jahren zu großen Erfolgen geführt. Hierzu einige Beispiele: Der Wirkungsgrad von Steinkohlekraftwerken konnte in den letzten Jahren auf über 40 % gesteigert werden. Modernste Kraftwerke erreichen 45-46 %. Wurden Anfang des Jahrhunderts für die Erzeugung von einer kWh Strom noch etwa 1200 g Kohle benötigt, so waren es 1950 nur noch 600 g. Ein modernes Kraftwerk liegt heute unter 300 g Kohle pro erzeugte kWh. [Seite der Druckausg.: 134 ] Große Wirkungsgradsteigerungen konnten vor allem bei gasgefeuerten Kraftwerken erreicht werden. Bei den GuD-Kraftwerken, bei denen eine Dampfturbine so mit einer Gasturbine in einem Abhitzekessel Dampf für die Dampfturbine erzeugt wird, lassen sich schon heute Wirkungsgrade bis zu 55 % erreichen. Es ist durch neue Gasturbinen-Entwicklungen absehbar, daß gegen Ende dieses Jahrzehnts eine weitere Steigerung auf bis zu 60 % möglich ist. Die GuD-Kraftwerke arbeiten bisher nur mit Erdgas oder Erdöl. Um diese Technik auch der Kohle zu erschließen, sind Kraftwerkskonzepte auf GuD-Basis mit vorgeschalteter Kohlevergasung in Entwicklung. Dieses Verfahren ist technisch zwar aufwendiger, es eröffnet aber für die Kohle als einem Energieträger mit den global größten und weitreichendsten Vorräten ein besonders emissionsarmes Verfahren zur Stromerzeugung. Da für den Vergasungsprozeß der Kohle Energie gebraucht wird, liegen die erreichbaren Gesamtwirkungsgrade dieser Anordnung niedriger als bei reiner Gas- oder Erdölfeuerung, aus heutiger Sicht sind Wirkungsgrade bis 48 % erreichbar. Für die Stromerzeugung aus Erdgas oder Kohlegas befindet sich langfristig auch die Technik der Brennstoffzelle in Entwicklung, deren physikalisches Grundprinzip schon seit dem vorigen Jahrhundert bekannt ist. Sie stellt eine Umkehrung der Elektrolyse des Wassers dar. Bei ihr werden Wasserstoff und Sauerstoff über einen Elektrolyten" zur Wasserbildung zusammengeführt und dabei Strom gewonnen. Sie lassen sich in kleinen Einheiten von einigen Kilowatt bis zu mehreren Megawatt aufbauen und sind ideal für dezentrale Anwendungen geeignet. Außerdem kann bei Hochtemperaturbrennstoffzellen die anfallende Wärme besonders gut für Heizzwecke genutzt werden, was den ohnehin schon hohen Wirkungsgrad bzw. Brennstoffnutzungsgrad weiterhin steigert. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß sich alle Techniken, bei denen elektrische Energie mit Hilfe eines Wärmeprozesses erzeugt wird, zur Auskopplung von Fernwärme eignen. Hierdurch kann die Brennstoffausnutzung beträchtlich erhöht werden. Die Auskopplung von Fernwärme ist kein technisches Problem der Kraftwerkhersteller; ihr Einsatz wird von den örtlichen Gegebenheiten, wie der Siedlungsdichte, den Verbrauchsstrukturen und den Investitionskosten für Heißwasser-Leitungsnetze bestimmt. Für die sogenannte dezentrale Nahwärmeversorgung sind auch Blockheizkraftwerke besonders interessant. Sie werden heute von der Herstellerindustrie bis zu Leistungen von einigen Megawatt angeboten.
5. Kernkraftwerke weiterhin gefragt Die Kernenergie und die Wasserkraft sind CO2-freie Stromerzeugungstechniken, die schon heute im großtechnischen Maßstab eingesetzt werden können. Die Wasserkraft trägt mit 19 % und die Kernenergie mit 18 % zur weltweiten Stromerzeugung bei. Frank [Seite der Druckausg.: 135 ] reich und Schweden decken ihren Strombedarf fast vollständig aus Wasserkraft und Kernenergie und erreichen damit eine nahezu CO2-freie Stromerzeugung. Im Jahr 1993 wurden in Deutschland 33 % des Stromes CO2-frei erzeugt: Kernenergie 29 %, Wasserkraft 4 %. Bayern nimmt eine Sonderstellung ein mit 77 % CO2-freier Stromerzeugung, 61 % aus Kernkraftwerken und 16 % aus Wasserkraft. Auf die Diskussion über die Kernenergienutzung in unserem Land braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Die Stichworte Sicherheit, Entsorgung, weitere Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke oder Ausstieg sind jedem bekannt. Auch hier ist ein Blick über die Grenzen notwendig: Die Stagnation der Kernenergie bei uns trübt den Blick für die Entwicklung, die sich insbesondere im asiatischen Raum, dem dynamischsten Wirtschaftsraum, vollzieht. Dort wird die Kernenergie unvermindert ausgebaut. Von den weltweit zehn Reaktoren, die 1993 in Betrieb gingen, sind allein sechs in den asiatischen Ländern gelegen. In Korea, Japan und in China sind zwölf Reaktoren in Bau und etwa 30 weitere in Planung. Die europäische Herstellerindustrie bereitet sich durch die Entwicklung des EPR, des europäischen Druckwasserreaktors, auf die Anforderungen des Weltmarktes vor. Dieser Reaktor, der in Zusammenarbeit der Firma Siemens mit der französischen Firma Framatome gemeinsam mit den Energieversorgungsunternehmen beider Länder entwickelt wird, stellt einen weiteren Schritt zu einer höheren Sicherheit dar. Entwicklungsziel ist es, die Folgen selbst schwerster Unfälle praktisch auf den Bereich der Anlage zu begrenzen. Die Terminplanung sieht vor, daß mit dem Bau eines ersten solchen Reaktors 1998/99 begonnen werden könnte. Wegen der für den Betrieb und Bau von Kernkraftwerken erforderlichen Infrastruktur kommt ihr Einsatz vor allem in den Industrieländern und in gut entwickelten Schwellenländern in Frage. Bei der Kernenergie in Deutschland führen wir eine Diskussion, die ein zentrales Technologiefeld der Zukunft für deutsche Unternehmen in Frage stellt und uns im Export diskreditiert. Das kann nicht im Interesse des Standorts Deutschland liegen.
6. Regenerative Energie: Schwerpunkt Entwicklungsländer Obwohl die regenerativen Energieträger (einschließlich Wasserkraft) bis 2020 nach Erwartung des Weltenergierates nicht mehr als 23 % (davon 20 % Wasserkraft, Wind, Sonne, Geothermie) zur weltweiten Stromerzeugung beitragen werden, messen die deutschen Hersteller den regenerativen Energien bei den Energiekonzepten der Zukunft eine wichtige Rolle bei. Dies betrifft vor allem die schon seit langem wirtschaftlich einsetzbare Energiequelle der Wasserkraft. Sie trägt mit 19 % zur weltweiten Stromerzeugung bei. In vielen Ländern in Asien, Afrika und Südamerika gibt es noch große ungenutzte Wasserkraftpotentiale, bei deren Nutzung die Eingriffe in die natürliche Umwelt möglichst gering zu halten sind. Was- [Seite der Druckausg.: 136 ] serkraftwerke aller Typen und aller Größenordnung gehören seit langem zum Lieferspektrum der deutschen Herstellerindustrie. Für die Sonnenenergie gibt es bei Einsatz der Photovoltaik, also der direkten Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom, schon heute interessante und auch wirtschaftliche Anwendungen. Lohnend ist sie vor allem in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer, wo es kein Stromnetz gibt. Photovoltaik stellt zur Beleuchtung, Kühlung und zum Antrieb von Wasserpumpen eine wirtschaftliche und wartungsarme Alternative zum Dieselgenerator dar und trägt gerade mit solchen Anwendungen dort zur Verbesserung des Lebensstandards der Landbevölkerung bei. Siemens-Solar, die gemeinsame Tochterfirma von Siemens und dem Bayernwerk, ist der weltweit größte Hersteller von Photovoltaiksystemen und Komponenten. Siemens-Solar hatte 1993 einen Anteil von etwa 20 % am gesamten Weltmarktvolumen von etwa 60 Megawatt, die Siemens-Solar Gruppe ist maßgeblich an Projekten in der dritten Welt beteiligt, in der Sahelzone hat sie zum Beispiel Photovoltaikanlagen zum Antrieb von Wasserpumpen errichtet. Die Sonnenenergie kann auch auf dem Umweg über die Erzeugung von Dampf oder heißen Gasen zur Stromerzeugung genutzt werden. Diese sogenannten solarthermischen Kraftwerke sind jedoch selbst in sonnenreichen Ländern weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt. Deshalb werden Kraftwerkskonzepte entwickelt, bei denen die Nutzung von Solarenergie mit der Nutzung fossiler Brennstoffe gekoppelt ist, indem man z.B. die gewonnene Solarwärme in einen Dampfturbinen- oder GuD-Prozeß einkoppelt". Eine weitere regenerative Energie mit wachsender Bedeutung ist die Windenergie, aus der mit Hilfe von Windturbinen Strom erzeugt werden kann. Solche Windanlagen haben in Regionen mit günstigen Windverhältnissen (Küsten, Bergketten) die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit bereits erreicht. Die Stromerzeugung aus Müll gewinnt auch bei uns zunehmend an Bedeutung. Durch die im Jahr 1993 erlassene Technische Anleitung (TA) Siedlungsabfall und den Mangel an Deponieraum bzw. die Umweltproblematik von Deponien tritt diese Technik zunehmend in den Vordergrund.
7. Strom als Modernisierungsenergie Die bisherigen Ausführungen bezogen sich fast ausschließlich auf die Stromerzeugungstechniken. Im vorgegebenen Titel ist allerdings allgemein von den Energiekonzepten die Rede, die mehr umfassen als nur die Versorgung mit elektrischem Strom. Von besonderer Bedeutung sind hierbei der Sektor Verkehr, für den es in dieser Veröffentlichung ein eigenes Themenfeld gibt, und der Bereich der Heizwärme. Beide Sektoren spielen für die Energiekonzepte der Zukunft eine große Rolle. Der Energiebedarf der Hausheizung wird vor allem durch die Bauweise der Häuser ent [Seite der Druckausg.: 137 ] scheidend mitbestimmt. Für die Wärmeversorgung stehen eine Reihe moderner Techniken zur Verfügung, deren Effizienz in den letzten Jahren erheblich gesteigert werden konnte. Dennoch besteht, verglichen mit der Effizienz bei der Erzeugung und der Anwendung von elektrischem Strom, bei diesen Energietechniken häufig ein erheblicher Nachholbedarf. Bei vielen Anwendungsfällen ist die Energieeffizienz bei Einsatz von Stromtechniken am höchsten, da bei der Anwendung von Stromtechniken nur geringe Verluste auftreten. Diese machen, wenn man die gesamte Energienutzungskette von der Energiedienstleistung bis hin zum notwendigen Primärenergieeinsatz betrachtet, die Verluste, die bei der Stromerzeugung entstehen, mehr als wett. Deshalb führt in vielen Fällen der Einsatz von elektrischer Energie sogar zu einer Einsparung von Primärenergien. Seit den siebziger Jahren ist das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland stärker als der Primärenergieverbrauch gewachsen. Die Energieintensität, also der Energieaufwand pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes sinkt, obwohl gleichzeitig der Anteil an elektrischer Energie steigt. Dieser Zusammenhang bedeutet im Grunde eben nichts anderes, als daß man durch vermehrten Einsatz von Stromtechniken Primärenergie sparen kann. Die Herstellerindustrie sieht daher in der Zukunft einen vermehrten Einsatz von Stromtechniken auf sich zukommen nach der Regel: Immer weniger Strom pro Anwendung, aber immer mehr Anwendungen mit Strom.
8. Technische Kompetenz in Deutschland erhalten Zum Abschluß sei noch einmal auf die Bedeutung einer ausreichenden Energieversorgung für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt hingewiesen. Insbesondere eine gesicherte Versorgung mit Strom ist für eine stabile und umweltfreundliche Wirtschaftsentwicklung eine wichtige Voraussetzung. Die Hersteller von Stromerzeugungs- und Stromanwendungstechniken sehen sich deshalb einem rapide wachsenden Weltmarkt gegenüber. Damit sich Deutschland in dem Konkurrenzkampf auf diesem Weltmarkt behaupten kann, ist auch in unserem Land eine langfristig angelegte Energiepolitik erforderlich. Notwendig sind verläßliche Rahmenbedingungen, die die für langfristige Projekte erforderliche Investitionssicherheit gewährleisten. Erforderlich ist eine Gesamtperspektive, in der alle zur Stromerzeugung zur Verfügung stehenden Energiequellen ihren Platz finden und die zugleich alle Techniken und Möglichkeiten zur Energieeinsparung einschließt. Die deutsche Herstellerindustrie braucht einen belastbaren Heimatmarkt als Referenz, wenn die technische Kompetenz und die Arbeitsplätze in Deutschland durch das Exportgeschäft gehalten werden sollen.
[Seite der Druckausg.: 138 ] technik. Der Erhalt der Arbeitsplätze in diesen Sektoren erfordert die Akzeptanz von neuen Techniken. Wir können die technologische Kompetenz nur dann in Deutschland halten, wenn wir diese Technologien immer wieder auch bei uns [Seite der Druckausg.: 139 ] HERMANN SCHEER
1. Energiepolitik in der Sackgasse In der Energiepolitik schlägt immer deutlicher die Stunde der Wahrheit. In Rio de Janeiro wurde im Juni 1992 die Klimakonvention verabschiedet, bis zum Jahr 2000 die CO2-Emis-sionen auf den Stand von 1990 zurückzuführen. Doch die wahrscheinliche Realität des Jahres 2000 wird weit hinter den Rio-Empfehlungen zurückliegen. Westeuropa, Japan und die USA verbrauchen mit etwas mehr als 10 % der Weltbevölkerung drei Viertel der kommerziellen Weltenergie. Jeder kann sich ausrechnen, daß der globale Energieverbrauch heute 2,5mal höher wäre, wenn China in den letzten 50 Jahren dasselbe Wirtschafts- und Konsumverhalten gehabt hätte. Dann hätten wir heute 75 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen statt 30, die Ölquellen wären schon zu Ende, und die Sturmfluten einer Klimakatastrophe hätten uns bereits erfaßt. Aber genau eine Kopie unseres Modells wird jetzt dennoch in China praktiziert, der schnellste und umfangreichste Wachstumsprozeß in der Geschichte des Industriezeitalters, 15 % mehr jährlicher Energieverbrauch - und begrüßt und unterstützt von denselben Regierungen, die in Rio die Klimakonvention verabschiedeten, in der ökologisch blinden Hoffnung auf einen großen Markt. Die jüngste Prognose der Internationalen Energie-Agentur sagt, daß bis zum Jahr 2010 der weltweite Energieverbrauch um 50 % steigen wird. Daß die IEA auch von einer ebenso hohen Emissionssteigerung ausgeht, hängt allein damit zusammen, daß die Alternative der erneuerbaren Energien nicht ergriffen wird. Jeden Tag wird deutlicher: ohne eine sofortige und prinzipielle Umorientierung auf erneuerbare Energien führt die neue wirtschaftliche Dynamik weiterer Wachstumsgesellschaften zu einer noch dynamischeren Exekution der Lebensgrundlagen der Zivilisation. Wir können China und anderen nicht verbieten, uns zu kopieren, und können sie deshalb auch nicht moralisch verurteilen. Aber wir müssen neue Wege gehen. Die dominierenden Energiestrategen sind von einer mentalen Blockade gegenüber erneuerbaren Energien geprägt. Sie sind widersprüchlich, kurzsichtig und lebensgefährlich. [Seite der Druckausg.: 140 ] Milliarden über Milliarden geben Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien für neue Rüstungstechnologien aus, offensichtlich nur noch, weil sie für eine hochqualifizierte Technikindustrie keine zivilen Aufgaben finden. Wo sind die Initiativen für technologische Projekte, die den Frieden mit der Natur sichern können? Würden nur einmal für Solarenergie so viel Mittel bereitgestellt, wie die 7 Mrd. Dollar für den deutschen Schnellen Brüter und den Hochtemperaturreaktor, die nie eine Kilowattstunde Strom produzierten, oder die 4 Mrd. Dollar für den französischen Super-Phenix, der weniger als 200 Tage arbeitete, dann gäbe es einen nicht mehr aufzuhaltenden Durchbruch für eine umweltfreundliche kostengünstige Energieversorgung durch die Sonnenkraft. Dasselbe gilt für die Kohlesubventionen, die in der Europäischen Union bei 20 Milliarden DM liegen. Die Hälfte dessen würde als Anschubfinanzierung ausreichen, um einen Durchbruch für erneuerbare Energien zu erzielen - hin zu einem neuen Jahrhundert der Umwelt und zu einer Erneuerung unserer Industrie. Aber wo sind die praktischen market-push"-Regierungsinitiativen in Europa, die dieses realisieren? Wo ist die Lernkurve der industriellen Manager, um aus ihren Sackgassen herauszukommen? Wir haben die Chance zur Wahl der richtigen Entscheidungen, aber bisher sind nicht die richtigen Entscheidungsträger gewählt worden. Die jetzigen halten mit dem Argument an der fossil/nuklearen Energie fest, weil unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb billige Energiepreise brauche. Doch nützt Europa die billigste Energie nichts, wenn die neuen Produkte in anderen Kontinenten produziert werden. Es ist unmöglich, billigen Strom nach Australien, Lateinamerika, Afrika oder Asien zu liefern. Aber es ist möglich, Technik für erneuerbare Energien überall hin zu liefern. Wer dies nicht sieht, praktiziert Pygmäen-Ökonomie. Europas ökonomische Zukunft hängt an der Produktion von ökologischen Technologien, für die keine importierten Rohstoffe mehr nötig sind. Die europäische Idee der sozialen Demokratie geht für Europa und die Welt verloren, wenn Europa seine Stellung gerade in den Bereichen verliert, die den größten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nutzen für die Zukunft haben. Die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Effizienzrevolution der Energiewirtschaft ist mittlerweile grundsätzlich akzeptiert - wenngleich es unverändert enorme Diskrepanzen zwischen diesbezüglichen allgemeinen Absichtserklärungen und praktischen Umsetzungen gibt. Dagegen ist die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Wechsels von herkömmlichen Energiequellen zu Solarenergiequellen immer noch umstritten, vor allem aber wird die Möglichkeit prinzipiell angezweifelt. Solare Energiequellen - das sind alle erneuerbaren, also unerschöpflichen Energien, die aktuell direkt oder indirekt von der Sonnenkraft kommen, die auf unsere Erde einwirkt: Die Sonnenstrahlung, die Windkraft, die Laufwasserkraft, die Biomasse (Pflanzen als natürliche Solarzellen), die Meereswellen. Diese Energien sind nicht nur im Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen, sie haben diese erst entstehen lassen. Doch mit scheinbar wissenschaftlichen Argumenten - den Gesetzen der Physik" -wird der potentielle Beitrag der solaren Energien von zahllosen Energieexperten" als mar-ginal bezeichnet. Diejenigen, die so sprechen, nehmen dabei offenbar nicht wahr, daß sie damit unweigerlich das Menschheits-, Flora- und Fauna-Sterben ankündigen - angesichts der grundlegenden Bedeutung der Energie für alle natürlichen und gesellschaftlichen Lebensvorgänge, angesichts der Begrenztheit der atomaren und fossilen Primärenergien und angesichts der Überforderung von Mensch und Natur durch deren Verbrennung, so daß wir uns nicht mehr leisten können, diese begrenzten Vorräte noch alle zu verbrau [Seite der Druckausg.: 141 ] chen. Aber trotz dieses Tals des Todes, vor dem wir stehen und in das wir von unserem jetzigen Energiesystem getrieben werden, werden die solaren Energien von den herrschenden Meinungen" allenfalls als Ergänzung, aber nicht als Alternative hingestellt. 2. Sonnenenergie: Ergänzung oder Alternative? So selbstverständlich notwendig Energieeinsparung und Effizienzsteigerungen bei allen Umwandlungsprozessen von Primärenergien in eine Nutzenergie sind: Es kann nicht länger übersehen werden, daß selbst ein radikaler Vollzug solcher Strategien allein keine Lösung ist. Gelingt es den Industrieländern, ihre Orgien im Energiekonsum zu stoppen und vielleicht ihren Energiebedarf um 50 % zu reduzieren, dann werden künftig bei ihnen in zwei Jahren soviel Emissionen anfallen wie jetzt in einem Jahr. Andererseits wächst der Energieverbrauch in anderen Teilen der Welt rapide, in China mit fast einem Viertel der Weltbevölkerung gegenwärtig um jährlich 10 %. Auch wenn es dort künftig, etwa durch den Import der hochgerühmten westlichen Personenkraftwagen, energiesparendere Autos geben wird, die nur 50 % des Treibstoffs der früheren Fahrzeuge verbrauchen: Da sich die Zahl der Automobile in China nunmehr innerhalb eines Jahrzehnts vertausendfacht, wird dann allein im Pkw-Verkehr 500mal mehr Energie verbraucht werden! Unabhängig von der Energieeffizienz läßt sich also schon jetzt prognostizieren, daß die Vereinbarung der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro (die globalen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Stand des Jahres 1990 zu stabilisieren) allein durch die chinesische Wirtschaftsentwicklung zur blanken Makulatur werden, solange diese Entwicklung auf der Grundlage des herkömmlichen Energiesystems stattfindet. Was in den industriellen Wachstumsgesellschaften eingespart werden kann und muß, wird andernorts, wo industrielle Wachstumsprozesse gerade erst richtig beginnen, mehr verbraucht. Mit anderen Worten: Das jetzige Energiesystem schlägt uns die Türen zur Zukunft zu. Nur durch den Umstieg auf Sonnenenergie können wir einen Schlüssel in unsere Hände bekommen, diese Türen wieder zu öffnen. Energieeffizienzsteigerungen sind, um im Bild zu bleiben, eine Brücke zu dieser Tür: Wir können uns damit - und das ist nicht wenig in einer politischen Phase, die ein Wettlauf mit der Zeit geworden ist - ein wenig Zeit kaufen. Je erfolgreicher wir im Einsparen von herkömmlicher Energie sind, desto schneller ist die Ablösung durch solare Energien zu bewerkstelligen. Doch statt angesichts dieser Zusammenhänge um so entschiedener auf solare Energien zu setzen, stehen in der Europäischen Gemeinschaft und in Deutschland noch immer ganz andere Perspektiven im Vordergrund der tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen: Die krampfhafte Suche nach einem Atomreaktor, der inhärent" sicher sei (also nicht durchbrennen kann); das sture Setzen auf das vermeintliche Wundermittel der Atomfusion, deren Entwicklung bisher im Windschatten auch der kritischen Öffentlichkeit über Atomenergie stand und bei der es - angeblich gefahrlos - darum geht, ein Feuer mitten auf der Erdoberfläche zu entfachen und unter Kontrolle zu halten, das heißer ist als das in der im Sicherheitsabstand von 150 Millionen Kilometer entfernten Sonne. Daneben wird mit 10 Milliarden DM jährlich der Absatz heimischer Steinkohle subventioniert - die 50fache Summe des Forschungsetats des Bundes für solare Energien. Daneben sollen 7500 Megawatt neuer Braunkohlekraftwerkskapazitäten in Ostdeutschland geschaf- [Seite der Druckausg.: 142 ] fen werden - abgesichert durch einen Stromvertrag mit der Bundesregierung und gefördert mit Investitionsbeihilfen, die den solaren Energien verwehrt werden. Daneben werden laufend neue Kontakte für billige Öl- und Gaslieferungen aus Osteuropa geschlossen, um gleichzeitig konventionelle Kraftwerkstechnologien liefern zu können, und wurde eigens dafür eine Europäische Energiecharta" verabschiedet, in der die solaren Energien nicht vorkommen. Während die Notwendigkeit einer Energiebesteuerung immer offenkundiger wird, um die sozialen Folgekosten des Verbrauchs herkömmlicher Energien wenigstens ansatzweise in Rechnung zu stellen, wird laufend politische Vorsorge für dauerhaft gesicherte billige Energiezufuhr getroffen. Das eklatanteste Beispiel war die Mitfinanzierung des Golfkriegs aus dem deutschen Haushalt mit innerhalb weniger Wochen bereitgestellten 18 Milliarden DM, mehr als dem Vierfachen dessen, was in Deutschland bisher für Solarforschung und Entwicklung insgesamt ausgegeben wurde. Wir können also unschwer erkennen, daß zwar kein Weg - einschließlich dem des Energiesparens - an der Sonnenenergie vorbeiführt, weil es dazu gar keine andere verantwortbare Alternative gibt, wir müssen aber gleichzeitig feststellen, daß sehr wenig getan wird, diese Alternative aufzuschließen, dafür aber um so mehr daran gearbeitet wird, sie uns weiterhin zu verschließen. Auch die zahlreichen Pläne, zuerst einmal auf Energiesparen und Effizienzsteigerungen zu setzen, weil damit am kosteneffektivsten eine Minderung der Energie-Emissionen erreicht werden könne, und anschließend den solaren Energiepfad" einzuschlagen, sind zu statisch gedacht. Es gibt keinen Grund, nicht sofort beide Ansätze einer ökologischen Energiereform in Angriff zu nehmen. Wo auf neue Kapazitäten zur Energieumwandlung aufgrund von Einsparung und Effizienzsteigerung verzichtet werden kann, muß darauf verzichtet werden. Wo dennoch neue Kapazitäten erforderlich sind, muß und kann bereits jetzt auf Sonnenenergie gesetzt werden. Jede Neuinvestition in eine Energiewandlungskapazität für herkömmliche Energien ist eine Hypothek für mehrere Jahrzehnte, also ein weiteres Hindernis gegenüber dem Wechsel zu solaren Energiequellen. Bleibt es bei der jetzigen Energiepolitik und den jetzigen energiewirtschaftlichen Prioritäten, dann können die solaren Energien in der Tat nur eine beiläufige Ergänzung zu den konventionellen Energiequellen sein und keinesfalls eine Alternative dazu. Die Folge wäre allerdings, daß dann die Gesellschaft keine Alternative mehr hat. Demgegenüber ist wissenschaftlich gesichert, daß unsere technologischen Möglichkeiten bereits heute ausreichen, die Sonnenenergie zu unserer Alternative zu machen. Die penetranten Weigerungen, dies zur Kenntnis zu nehmen, bespiegeln den makabren Zustand von Politik und Wirtschaft, in dem die Kategorien der Energiewirtschaft über die der Gesellschaft, die Interessen der Gegenwartsgeneration über die der nächsten Generationen und die Fakten von gestern über die Erkenntnisse von heute gestellt werden. Die Erkenntnisse von heute sind: Die vollständige Ablösung der umweltzerstörerischen Energie durch Energien von der Sonne ist möglich, und wir können sofort damit beginnen. [Fn.1: Hermann Scheer: Sonnenstrategie. Politik ohne Alternative. München 1993] [Seite der Druckausg.: 143 ] 3. Der Stand der Sonnenenergietechnik und die Kosten Trotz sträflicher Vernachlässigung der Sonnenenergieforschung und noch sträflicherer Weigerung, die breite Markteinführung der Sonnenenergietechniken einzuleiten, stehen zahlreiche erprobte Sonnentechnologien abrufbereit zur Verfügung. Mit diesen kann ein natürliches Energiepotential angezapft werden, das der Erde überreichlich vom Zentralgestirn Sonne angeboten wird: 20OOOmal mehr als die gesamte Menschheit im Jahr an atomaren und fossilen Energien verbraucht. Alle immer wieder erneut aufgewärmten Argumente gegen die praktische Umsetzung dieser Chancen sind wissenschaftlich längst widerlegt - so etwa das Argument zu großen Flächenverbrauchs oder das eines zu hohen Energiebedarfs bei der Herstellung dieser Techniken, so daß diese mehr Nutzenergie verbrauchen als gewinnen würden. Auch das Argument der zu hohen Kosten ist falsch und ignoriert den Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und sozialwirtschaftlichen Kosten. Und selbst wenn es nur um den engsten Blickwinkel einer Kostenbetrachtung - den betriebswirtschaftlichen - geht, sind die abschlägigen Bescheide gegenüber der Solarenergie nur bedingt und vor allem nur vorläufig richtig. Es werden dabei herkömmliche Energietechniken, die jahrzehntelang üppig subventioniert wurden und aus Serienproduktionen angeboten werden, mit solaren Energietechniken verglichen, die bisher vom Markt gezielt ferngehalten wurden und den Schritt zur Serienfertigung noch nicht gehen konnten. Dazu einige Beispiele: Strom aus Windkraft wird heute in Deutschland für - je nach Standort - zwischen 12 und 25 Pfennig pro Kilowattstunde erzeugt. Dies ist erreicht worden, obwohl diese Technologie erst am Anfang ihrer Entwicklung steht und es noch keine Massenproduktion gibt, so wie bei anderen Solartechnologien auch. Vergleicht man die betriebswirtschaftlichen Daten der Windenergie mit denen der Stromproduktion aus Steinkohle oder Atomkraft, so sind die Windstromkosten nur noch geringfügig höher. Aber dieser Vergleich allein verzerrt die wirtschaftliche Wirklichkeit, denn die Windkraftanlagen haben nicht die gleichen günstigen Kreditbedingungen und Abschreibungsmöglichkeiten, wie sie Investoren für konventionelle Kraftwerke zur Verfügung haben. Dieser Tatbestand gilt für alle erneuerbaren Energien. Noch günstiger sieht die Rechnung aus, wenn wir beginnen, volkswirtschaftlich zu denken und die Kosten für subventionierte oder für importierte Brennstoffe angemessen kalkulieren. Eine solche Rechnung hat präzise bisher noch kein wirtschaftswissenschaftliches Institut vorgenommen. Aber dennoch sind einige diesbezügliche Annahmen evident:
[Seite der Druckausg.: 144 ] wird. Nahezu alle Kosten, die bei Windkraft (wie auch bei den meisten anderen Möglichkeiten einer solaren Energieversorgung) anfallen, sind Kosten für die Herstellung und Bereitstellung der technischen Umwandlungskapazität, also für produktive technische Arbeitsplätze. Aus diesem Grund ist die Nutzung der erneuerbaren Energien auch arbeitsintensiver, bedarf also mehr Arbeitskräfte - gewissermaßen als indirektes Substitut für Primärenergie aus der Erde. Selbst wenn es also noch einen betriebswirtschaftlichen Kostenvorteil herkömmlich erzeugten Stromes gibt, so hebt sich im Fall der Windkraft dieser Vorteil wirtschaftlich schon jetzt deutlich auf. Daraus ergibt sich das eindeutige volkswirtschaftliche Erfordernis, die breite Markteinführung gezielt - etwa durch zinsbegünstigte Sonderkreditangebote mit langen Laufzeiten, erhöhte garantierte Einspeisevergütungen oder andere Anreize - aus ökologischen und ökonomischen Gründen voranzutreiben. Dies begründet sich umso mehr aus den sozialwirtschaftlichen Kostenvorteilen durch vermiedene Gesundheits- und Umweltschäden im Verhältnis zu herkömmlichen Energien, wie sie mittlerweile auch in wissenschaftlich quantifizierter Form vorliegen. [Fn.2: Olav Hohmeyer: Social Costs of Energy Consumption. Berlin 1988] Eine Windkraftanlage produziert heute in einem halben Jahr soviel Energie wie für ihre Herstellung eingesetzt wurde, sie hat also eine Energierückzahlungszeit", die günstiger als bei Kohle und Atomkraftwerken ist. Windkraftanlagen haben den geringsten Flächenbedarf aller Energieträger. Eine Studie des deutschen Windenergie-Institutes hat ergeben, daß 50 % des gesamten Strombedarfs Norddeutschlands aus Windkraft bereitgestellt werden können. Auch in Schwachwindgebieten im Binnenland gibt es viele günstige Standorte. Eine Umfrage des Fremdenverkehrsverbandes in Schleswig-Holstein hat ergeben, daß die Menschen überwiegend Windkraftanlagen als Landschaftsbereicherung und nicht etwa als Landschaftsverschandelung betrachten, wie es allzu gerne von einigen behauptet wird. Die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in Strom (Photovoltaik) ist die jüngste Solartechnologie und gegenwärtig noch die teuerste, aber sie ist die faszinierendste: Eine Stromproduktion, die überall möglich ist, ohne bewegliche Teile (und damit praktisch ohne Reparaturbedarf), völlig geräusch- und emissionslos. Marktübliche Zellen haben heute bereits einen Wirkungsgrad von 14 % - soviel Prozent der direkten Sonnenstrahlung wird in Strom umgewandelt. Die hartnäckig gestreute Behauptung, für ihre Herstellung müßte zuviel Energie eingesetzt werden, ist längst widerlegt: Die Energierückzahlungszeit" liegt heute bei zwei Jahren. 10 % der britischen Gebäudeflächen reichen aus, so eine wissenschaftliche Berechnung, um die gesamte Stromversorgung Großbritanniens aus Solarzellen gewinnen zu können - was dann ja wohl auch in Deutschland möglich ist. Da es zahllose horizontale wie vertikale Gebäudeflächen gibt, bedarf es keines einzigen Quadratmeters Grünfläche, um photovoltaischen Strom zu gewinnen. Die Kosten werden heute mit zwei DM pro Kilowattstunde veranschlagt, Diese Summe erscheint zunächst zu hoch. Aber es handelt sich dabei um Solarzellen, die bisher noch nicht in automatisierter Großserienproduktion hergestellt wurden, weil noch kein Groß [Seite der Druckausg.: 145 ] Produzent und keine Regierung eine entsprechende Initiative ergriffen hat! Dabei weiß jeder, daß die Solarzellen bei Initiierung einer Massenproduktion in absehbarer Zeit auf 20 Pfennig pro Kilowattstunde kommen könnten. Ein einziges Mal soviel Geld bereitgestellt wie für den Schnellen Brüter, der sieben Mrd. DM kostete und nie in Betrieb ging, und wir wären dann wohl schon so weit! Was spricht dagegen, daß eine deutsche Regierung einige Jahre lang eine Abnahmegarantie für Solarzellen in einer Größenordnung übernimmt, die eine Massenproduktion voraussetzt? Wenn diese beispielsetzend auf den zahllosen öffentlichen Gebäuden - Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Kasernen, Rathäuser, Parlamentsgebäude, Finanzämter - eingesetzt würden, dann würde keine einzige Solarzellenhalde entstehen, aber es gäbe eine Revolutionierung unserer Energieversorgung. Die dadurch erzielten Kostensenkungen würden in kürzester Zeit einen immer breiter werdenden privaten Markt eröffnen, der die Abnahmegarantie überflüssig macht. Auch hier zeigt sich die Enge - und die Stumpfsinnigkeit - der gewohnten wirtschaftlichen Rechnungen. Nicht einmal betriebswirtschaftlich sind die diskutierten Kosten haltbar. Nehmen wir das Beispiel einer Solarfassade, die in Neubauten anstelle der herkömmlichen südorientierten Hausfassade konstruiert wird. Hierbei zeigt sich, daß solche Solarfassaden - sogar schon vor der Massenproduktion! - nicht mehr teurer sind als etwa die vielen Glasfassaden, wie sie für zahllose Bürobauten üblich sind. Aber im Unterschied zu diesen produziert die Solarfassade Strom! Der Preisvergleich zwischen den herkömmlichen Stromerzeugungskosten im Kraftwerk und solaren Stromerzeugungskosten ist dann irrelevant geworden; das Kraftwerk ist aus dem Spiel, aus einer energiewirtschaftlichen Frage wird eine Frage neuer Gebäudeökonomie! Es gibt Beispiele in Deutschland, wie Häuser errichtet wurden, die bei voller Ausnutzung aller Möglichkeiten - von der transparenten Wärmedämmung bis zur optimalen passiven Nutzung der Sonnenwärme durch entsprechende Gebäudestellung und Fensterflächen, von der solarthermischen Wärme bis zur solarthermischen Kühlung - praktisch auf den Einsatz von Fremdenergie verzichten können. Ergänzt um integrierte Solardächer und Solarfassaden zur Stromerzeugung ist das reine Solarhaus keine Utopie mehr. Und in absehbarer Zeit werden kleine Stirlingmotoren auf dem Markt sein, die aus der im Haus mit Hilfe der Solarenergie produzierten Wärme den Strom für das gesamte Haus produzieren. Noch interessanter werden diese Beispiele, wenn sie zeigen, daß sie nicht mehr kosten als herkömmlich neugebaute Häuser mit ihren Energieanlagen. Das Solarhaus ist nicht mehr in erster Linie eine Frage der Kosten, sondern der sonnenbewußten Planungs- und Gestaltungsintelligenz. Es ist eine Chance, zu mehr individueller Autonomie bei vermehrter Verantwortung für Mit- und Umwelt zu kommen, und eine Chance zu größerer sozialer Sicherheit, denn ein Solarhaus erspart laufende Kosten und ist gesundheitsfördernd. Daß dies bisher nahezu vollständig ignoriert wurde, zeigt vor allem, mit welcher Gedankenfaulheit wir an uns selbst denken. Die geistige Trägheit gegenüber diesen Chancen wird sogar noch durch Zuschüsse gefördert, die für den Fall der Installierung einiger Solartechniken in Häusern ausgelobt werden. Dies mag angehen als Anreiz für bestehende Häuser und Altbauten, in denen der Einbau von Solartechniken schwieriger ist und die Stellung des Hauses zur Sonne ungünstig. Aber für Neubauten ist dies mittlerweile über- [Seite der Druckausg.: 146 ] flüssig, die Alternative dazu sind zielgerichtete neue Baugesetze, die nicht mehr hinnehmen, daß Mögliches einfach nicht gemacht wird. Die ignorante Weigerung des Gros der Architekten und des Bauhandwerks, von Stadtplanern und Bauingenieuren, sich mit dem tatsächlichen Fortschritt im solaren Bauen vertraut zu machen, wird politisch nicht nur geduldet, sondern gilt sogar als selbstverständlich. Sie tragen damit für die Lebenszeit eines Einfamilienhauses die unmittelbare Verantwortung dafür, daß die Umwelt mit mehr als einer Million Kilo CO2 und anderen Emissionen belastet wird. Die Biomasse ist das bisher am meisten unterschätzte Potential. Theoretisch wäre es allein mit ständig erneuerbarer Biomasse möglich, die gesamte Energieversorgung der Menschheit damit zu gewährleisten. Der jährliche Zuwachs an Pflanzen ist zehnmal höher als der Weltenergiebedarf. Das Potential reicht von der Nutzung natürlicher Vegetationsabfälle aus den Wäldern bis zu den organischen Abfällen von Menschen und Tieren, von der Nutzung landwirtschaftlicher pflanzlicher Abfälle bis zum gezielten Anbau von Energiepflanzen. Ob Festbrennstoffe, Öl, Gas oder Elektrizität - alles kann naturneutral aus Biomasse gewonnen werden, jedes Jahr erneut nachwachsend, in Verbindung mit einer Mobilisierung heimischer Energiereserven und einer wirtschaftlichen und ökologischen Sanierung der subventionsdurchtränkten und im ökonomischen Wettbewerb vielfach naturschädigend gewordenen Landwirtschaft. Weil das Wissen um Naturkreisläufe in Politik und Wirtschaft unterentwickelt ist und weil viele aufgrund negativer Beispiele einer intensivierten landwirtschaftlichen Produktionsweise auf die Vorstellung einer energetischen Nutzung von Biomasse von vornherein ablehnend reagieren, gibt es in dieser Frage den größten Nachholbedarf an Wissen über mögliche Alternativen. Meist sind sogar die erheblichen Unterschiede zwischen Pflanzen und Pflanzen unbekannt. Denn es gibt Pflanzen, die einen hohen Wasserbedarf, einen hohen Bedarf an Düngemittel, Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden haben und dennoch einen geringen Ertrag bringen - und deshalb nicht in Betracht gezogen werden dürfen. Aber es gibt auch zahlreiche Pflanzen mit einem eher geringen Wasserbedarf, keinem Bedarf an chemischen Düngemitteln und Schutzmitteln und hohem Ertrag, die deshalb in Betracht gezogen werden sollten. Nahezu alles, was landwirtschaftlich kultiviert wird, kann schädlich oder nützlich geschehen. Aus den negativen Erfahrungen intensivierter landwirtschaftlicher Nahrungsmittelproduktion können wir nicht die Schlußfolgerung ziehen, keine Nahrungsmittel mehr anzubauen; aber wir müssen die Konsequenz ziehen, zu einer extensiven Produktionsweise zurückzukehren. Aufgrund der Möglichkeiten energetischer Biomassen-Nutzung, die Erdöl, Erdgas und Kohle ersetzen kann, müssen wir zum Ergebnis kommen, sie auch zu ergreifen und gleichzeitig aus den negativen Erfahrungen in der Nahrungsmittelproduktion zu lernen. Dies beginnt mit der richtigen Wahl des Biomasse-Energieträgers. Nichts spricht dagegen, die Güllemengen und andere organische Abfälle energetisch zu nutzen, damit z. B. das Methan klimaunschädlich wird und um ein natürliches Düngemittel als Reststoff zu produzieren; oder das Restholz in den Wäldern energetisch zu verwerten, weil es ansonsten in den Wäldern verfault, dabei das Waldwachstum beeinträchtigt und CO2 und Methan emmittiert; oder die nicht mehr recyclierbaren Papiermengen zu verbrennen und [Seite der Druckausg.: 147 ] damit Strom zu produzieren; oder auf Zehntausenden von Quadratkilometern stillgelegter landwirtschaftlicher Produktionsflächen Kurzumtriebswälder anzupflanzen, sie jährlich zu beschneiden und die Ernte energetisch zu verwerten; oder Grünmasse anzupflanzen (je mehr Unkraut", desto ergiebiger), womit in variablen Fruchtfolgen und bei mehreren Ernten im Jahr zehn Tonnen pro Hektar energetisch verwertbare Biomasse gewonnen wird, um daraus Gas zu gewinnen. Nichts spricht dagegen, den gesamten landwirtschaftlichen Pflanzenabfall der Nahrungsmittelproduktion, der in manchen Fällen bis zum Zehnfachen des Nahrungsmittelertrags geht, energetisch (oder als anderweitigen Rohstoff) zu verwerten, wie es in Dänemark und Österreich systematisch mit Stroh gemacht wird; oder Ölbäume zur Energieverwertung anzupflanzen, wobei die Früchte wie Äpfel oder Birnen geerntet werden. Und nichts spricht dagegen, nach sorgsamer Boden- und Pflanzenwahl einen extensiven Energiepflanzenanbau zu versuchen. Was davon gemacht wird, ergibt sich aus den spezifischen natürlichen Gegebenheiten. Es mag noch teilweise teurer sein als Erdöl oder Erdgas, aber demgegenüber stehen neben den Umweltvorteilen unermeßliche ökonomische Vorteile: Die Reduzierung von Energie-Importen und von landwirtschaftlichen Subventionen, weil eine neue landwirtschaftliche Perspektive hin zum Energiewirt" eröffnet wird, die Belebung ländlicher Siedlungsräume, der Abbau des Stadt-Land-Gefälles. 4. Der solare Energiemix Die Perspektive ist der solare Energiemix: Erneuerbare Energien, die sich wechselseitig ergänzen und auf diesem Wege das vermeintliche Handicap ausgleichen, daß die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer weht. Die Biomasse garantiert dabei ein Kontinuum, denn ihre energetischen Derivate sind genauso leicht speicherbar wie Kohle, Gas oder Öl. Sie kann eingesetzt werden, wenn das natürliche Sonnen- oder Windenergie-Angebot zeitweise nicht ausreicht, und mit ihr kann der zusätzliche Bedarf an Brennstoffen für Heizung und Prozeßwärme sowie an Treibstoffen gedeckt werden. In Großstädten wird sich das Elektromobil durchsetzen, dessen Strombedarf aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Dabei sind bei den Beispielen noch lange nicht alle Möglichkeiten genannt: Das Potential der Wellenenergien an den Küsten oder das der solarthermischen Kraftwerke, die aus den dafür notwendigen südlichen Regionen Europas Strom nach Zentraleuropa liefern. Nicht beschrieben sind hier Möglichkeiten der Solartechnik, die in Zukunft noch entwickelt werden und in Konturen bereits erkennbar sind, die den Wirkungsgrad verbessern und den Materialbedarf reduzieren; oder die Möglichkeit, mit Hilfe erneuerbaren Energien im Elektrolyseverfahren Wasserstoff zu gewinnen, das die erneuerbaren Energien speichert und als Treibstoff und Brennstoff wieder eingesetzt werden kann, wobei nur Wasser emittiert wird. [Fn.3: Thomas B. Johansson u. a,: Renewable Energy. Sources for Fuels and Electricity. New York 1993] Nicht zu vergessen die unermeßliche Chance für die Dritte Welt, für die ein solares Energiesystem ökonomisch lebensnotwendig ist: Als die einzige Möglichkeit, um die kostspieligen Energie-Importe zu vermeiden, die bei einer Mehrheit der Entwicklungsländer [Seite der Druckausg.: 148 ] mehr kosten als sie an Devisen für Exporte erwirtschaften können; und um zu einer raschen wirtschaftlichen Entwicklung zu kommen, weil mit Hilfe der dezentral verfügbaren Solarenergie der extrem kostspielige Aufbau einer Infrastruktur für die Energieversorgung nicht mehr notwendig ist, wofür sie weder das Geld noch die dafür notwendige Aufbauzeit mehr haben. Aber der solare Energiemix bedeutet, daß eine Bedingung zu seiner Realisierung erfüllt sein muß: Statt weniger Großanbieter von Primärenergie und weniger Großkraftwerke zur Stromerzeugung wird es Millionen von Kleinanbietern geben, die neben der Erbringung ihres eigenen Energiebedarfs den darüber hinaus notwendigen Energiebedarf der Gesellschaft zu befriedigen helfen. Erneuerbare Energien lassen sich - bis auf wenige Ausnahmen wie z. B. solarthermische Kraftwerke - nur dezentral gewinnen, weil die Natur sie dezentral anbietet. Jeder Versuch der Zentralisierung macht Sonnenenergie teurer und nicht billiger. Mit anderen Worten: Sonnenenergie führt zwangsläufig zu einer neuen Energiewirtschaft, mit neuen Strukturen und neuen wirtschaftlichen Trägern. Dies ist der Knackpunkt, an dem sich die Geister scheiden, weshalb sich die jetzige Energiewirtschaft mit Händen und Füßen dagegen sträubt. Wer an der Struktur der Energiewirtschaft festhalten will, wird die Chancen der Sonnenenergie versäumen. Die Gesellschaft hat die Wahl, mit diesen Strukturen der Energiewirtschaft unterzugehen oder den strukturellen Wandel zur Sonnenenergiewirtschaft zu riskieren", Aber das wirkliche Risiko ist das Festklammern am Bestand. Wenn wir den Strukturwandel nicht wagen, werden wir alle verlieren. 5. Die politischen Wirkungen der Sonnenenergie Die politischen Wirkungen der Sonnenenergie drängen sich geradezu auf:
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mehr als andere die Chance zu einer Erneuerung unserer Industrielandschaft - hin zur Produktion von Gütern, deren Einsatz die Natur nicht beschädigt, sondern sanieren hilft. So wie das Eisenbahnbauprogramm in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erst die Gesellschaft modernisierte, so wie das Tennessee-Valley-Programm des amerikanischen Präsidenten Roosevelt in erheblichem Maße dazu beitrug, die USA aus der Weltwirtschaftskrise zu führen, - so wird eine Solarenergie-Initiative neue Massenarbeitsplätze schaffen, in der Bauindustrie, im Motoren-, Generatoren- und Turbinenbau, in der Solarzellenfertigung, in der Glasindustrie und in der Elektrotechnik.
Auch wenn es gar keine Umweltkrise durch den Einsatz zerstörerischer Energien geben würde: Wir müßten die Sonnenenergie als Schlüssel zur Zukunft wählen. Weil es das Energieumweltproblem gibt, müssen wir diese Alternative unverzüglich versuchen. Und wir können es versuchen - als den wichtigsten Schlüssel zur Zukunft nicht nur in der Energie- und Umweltpolitik. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001 |