FES | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|
TEILDOKUMENT:
DIE JAPANISCHE TECHNOLOGIEPROGNOSEEIN VERGLEICH MIT DER DEUTSCHEN UNTERSUCHUNG [Seite der Druckausg.: 70 ] FUJIO SAKAUCHI
1. Einleitung 1.1 Die japanische Untersuchung Das japanische Amt für Wissenschaft und Technologie (Science and Technology Agency STA) gibt seit 1971 alle fünf Jahre eine Technologieprognose in Auftrag, um langfristige Trends in Wissenschaft und Technik auszumachen. Mit der fünften Untersuchung im Jahre 1990 übernahm das japanische National Institute of Science and Technology Policy (NISTEP) die Zuständigkeit für die Durchführung der Untersuchung und die Bearbeitung der Ergebnisse. Die letzte Untersuchung erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Jahren; im November 1992 wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Ein wichtiges Problem bei der Erstellung einer derartigen Prognose, die mit der Delphi-Methode [Fn.1: Die Delphi-Methode: Bei dieser Methode wird die gleiche Befragung wiederholt durchgeführt und die Meinungen der Befragten zusammengefaßt. Bei der zweiten Befragung können die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung mit in die Befragung einfließen (feed back) und hierdurch die Meinungstrends der Befragten insgesamt gesehen werden; dabei ist eine erneute Bewertung der Themen möglich. Die vorliegende Untersuchung ist das Resultat einer zweifachen Befragung.] arbeitet, besteht in der Formulierung sinnvoller technischer Themen (topics). Für die vorliegende Untersuchung wurden zur Formulierung der technischen Themen ein Technologieprognosen-Komitee und 13 Arbeitsgruppen (working groups) eingerichtet. 1.2 Die deutsche Untersuchung In Deutschland betraute das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) das Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung der Fraunhofer-Gesellschaft zur [Seite der Druckausg.: 71 ] Förderung der angewandten Forschung (FhG/ISI) mit der Durchführung der Untersuchung. Die Ergebnisse wurden im August 1993 veröffentlicht. Die technischen Themen der 5. japanischen Untersuchung wurden inzwischen ins Deutsche übersetzt (mit Ausnahme von drei Punkten, die nicht in die deutsche Untersuchung paßten). Die Untersuchung stimmt bis auf einen Abschnitt mit den japanischen Fragepunkten überein. Außerdem haben FhG/ISI und NISTEP im Rahmen der Durchführung der Untersuchung in Deutschland bei Übersetzungen, Statistiken, Analysen etc. eng kooperiert, beispielsweise durch den Austausch von Wissenschaftlern. In die vorliegende Untersuchung wurden 1.146 Themen aus 16 Bereichen aufgenommen. Die Prognose umfaßt den Zeitraum von 1991 (Zeitpunkt der Untersuchung) bis zum Jahr 2020, also ca. dreißig Jahre. Die Antworten stammen in jedem Fall von Befragten, die für ein bestimmtes Thema eine gewisse Sachkenntnis besitzen. Angaben von Personen ohne bestimmten Spezialisierungsgrad sind nicht in die gültigen Antworten mit einbezogen. 2. Ergebnisse der Prognosen im Vergleich 2.1 Geschätzte Zeit der Realisierung Der Durchschnittswert für die prognostizierten Realisierungszeiten aller technischen Themen stimmte in Japan (Jahr 2006/4) und Deutschland (2006/1) überein. Betrachtet man die Verteilung der Anzahl der Themen für jedes prognostizierte Jahr, so ergibt sich eine Gesamtverteilung in Glockenform, die sowohl in Japan wie auch in Deutschland ihren höchsten Punkt in den Jahren 2003 bis 2004 hat (vgl. Abbildung 1). Zwischen beiden Ländern gibt es vergleichsweise wenige Themen, bei denen große Unterschiede in der prognostizierten Realisierungszeit bestehen. Die prognostizierte Realisierungszeit unterscheidet sich bei 278 Themen (insgesamt 24,3 %) um weniger als ein Jahr, bei 506 Themen (insgesamt 44,2 %) um weniger als zwei Jahre und bei 709 Themen (insgesamt 61,9 %) um weniger als drei Jahre. Die Differenzen liegen also bei etwa zwei Dritteln der gesamten Themen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren. 2.2 Internationale Zusammenarbeit Bei technischen Themen mit hohem Wichtigkeitsgrad sehen beide Länder die dringende Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit. Hierbei zeigt sich die Einsicht der japanischen und deutschen Experten, daß eine Realisierung der wichtigsten Themen für ein einzelnes Land nicht einfach und von daher eine internationale Zusammenarbeit notwendig ist. Im Vergleich beider Länder schätzt allerdings Deutschland die internationale Zusammenarbeit höher ein als Japan. Dies liegt vermutlich an den Einflüssen der unterschiedlichen geographischen Umgebungen: Deutschland grenzt an andere hochindustrialisierte Staaten, wohingegen Japan ein Inselstaat ist und sich außerdem inmitten der asiatischen Staaten befindet, von denen viele noch Entwicklungsländer sind. Bezüglich der Notwendigkeit einer gemeinsamen internationalen Entwicklung in bestimmten Bereichen erweist sich in beiden Ländern eine internationale Zusammenarbeit in [Seite der Druckausg.: 72 ] den vier Bereichen Biowissenschaften", Ökologie und Umwelttechnik", Gesundheitswesen/medizinische Versorgung" und Raumfahrt" als sehr wichtig (vgl. Abbildung2)
[Seite der Druckausg.: 73 ]
[Seite der Druckausg.: 74 ] 2.3 FuE-Niveau 2.3.1 Trends nach Bereichen auf der Grundlage der japanischen Daten Insgesamt halten die japanischen Experten ihr eigenes FuE-Niveau für niedriger als das Niveau anderer Länder. Insbesondere wird ein Rückstand in den drei Bereichen Raumfahrt", Biowissenschaften" und Gesundheitswesen / medizinische Versorgung" angenommen. Im Gegensatz dazu werden die Bereiche Verkehr", Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischereiwesen" und Kommunikationstechnik" hoch eingeschätzt. Im Bereich Informationstechnik/Elektronik" ist das japanische FuE-Niveau dem Ausland ebenbürtig; hier besteht eine Kluft zwischen der japanischen Bewertung und der allgemeinen Wahrnehmung, daß die japanische Industrie in dem betreffenden Bereich an der Weltspitze steht. Die Ursache hierfür liegt darin, daß beispielsweise die USA in den Gebieten Software und Bioelektronik, die diesem Bereich zugeordnet sind, eine Überlegenheit aufweisen (vgl. Abbildung 3). 2.3.2 Trends nach Bereichen auf der Grundlage der deutschen Daten Die deutschen Experten bewerteten insgesamt das amerikanische FuE-Niveau sehr hoch, das deutsche und japanische Niveau ungefähr gleichwertig. Das deutsche Niveau wurde z. B. in Bereichen wie Mineralvorkommen/Wasserresourcen", Städtebau, Architektur, Bauwesen" und Ökologie und Umwelttechnik" hoch eingeschätzt. Als niedrig bewertete Bereiche gelten Informationstechnik/Elektronik", Raumfahrt", Biowissenschaften" und Kommunikationstechnik". Hinsichtlich des japanischen technischen Niveaus wurde für den Bereich Produktion" der erste Rang vergeben; außerdem wurden die Bereiche Kommunikationstechnik", Informationstechnik/Elektronik" sowie Werkstoffe und Verfahrenstechnik" hoch bewertet. 3. Bewertung der Ergebnisse der ersten Prognose (1971)
[Seite der Druckausg.: 75 ]
[Seite der Druckausg.: 76 ]
[Seite der Druckausg.: 77 ] Tabelle 3: Beispiele für Themen, die als nicht realisiert" bewertet wurden
4. Beispiele für die Anwendung der Technologieprognosen in Unternehmen Die Ergebnisse der seit 1971 im Abstand von fünf Jahren regelmäßig durchgeführten Technologieprognosen stellen ein großes und vielschichtiges Informationspotential dar. Im folgenden soll an drei Beispielen gezeigt werden, wie Unternehmen diese Informationen für Forschung und Entwicklung nutzen. 4.1 Ein Hersteller von Haushaltsgeräten In diesem Unternehmen werden die Managementumgebung, Wirtschaft und Gesellschaft, Bekleidung, Ernährung und Wohnen sowie Technologieentwicklung einer Makro-Trendanalyse unterzogen. Die Trends in der Technologieentwicklung wurden weiterhin unter den folgenden sechs Gesichtspunkten einer Mikroanalyse unterzogen und mit den Daten der Technologieprognosen verglichen:
Darüber hinaus wird eine technologische Zeittafel erstellt, die die Themen aus dem Bereich Wohnen" in der zeitlichen Reihenfolge der prognostizierten Realisierung auflistet. [Seite der Druckausg.: 78 ] Durch den Vergleich der Ergebnisse der vorhergehenden mit denen der aktuellen Studie wird untersucht, welche Themen nach wie vor aktuell sind, welche sich verändert haben und welche aus der Prognose herausgefallen sind. Außerdem werden die Trends von Zukunftstechnologien aus den Veränderungen bei den prognostizierten Realisierungszeiträumen abgeleitet. 4.2 Ein Unternehmen aus dem Elektronikbereich In diesem Unternehmen werden die Ergebnisse der Technologieprognose hauptsächlich dazu verwendet, langfristige Szenarien für die Entwicklung von Produktionstechnologien zu erstellen. Dabei werden Themen der Technologieprognose aus den fünf Gebieten Neue Technologien und Prozesse", Automatisierung", Informatisierung", Harmonisierung von Mensch und Technik", Harmonisierung von Technik und Umwelt" herausgegriffen, nach Phasen gegliedert und in der zeitlichen Reihenfolge der prognostizierten Realisierung aufgelistet. Die prognostizierten Entwicklungszeiträume für einzelne Technologien werden dann mit den Makrotrends für diese Technologien in einer Tabelle zusammengefaßt und zur Strategiefindung im Bereich Forschung und Entwicklung eingesetzt. 4.3 Ein öffentliches Unternehmen (Gasversorgung) In diesem Unternehmen wurden die Ergebnisse der Technologieprognose mit allgemeinen Trends in Wirtschaft und Gesellschaft kombiniert, und man führte eine Untersuchung über die langfristige Technologieentwicklung in den nächsten 10-15 Jahren durch. Die Bearbeitung der Themen erfolgt in folgenden fünf Schritten:
[Seite der Druckausg.: 79 ] 5. Schlußbemerkung und Ausblick
[Seite der Druckausg.: 80 ] Materialien 1
Materialien 2 Eine technologische Prognose aus der Meiji-Zeit (1868-1912) Hôchi Tageszeitung vom 2. und 3. Januar 1901 Das 19. Jahrhundert ist gerade vorüber, und die Menschheit hat die Schwelle zum 20. Jahrhundert überschritten. Der Fortschritt in der Welt ist äußerst erstaunlich, im physikalischen Bereich tauchen Begriffe wie Zeitalter der Dampfkraft" oder Zeitalter der Elektrizität", im metaphysischen Bereich, humanistisches Zeitalter" oder Zeitalter der Frauen" auf. Wenn diese Entwicklung noch einen Schritt weitergeht, stellt sich die Frage, welche Phänomene das 20. Jahrhundert hervorbringen wird . . . Unter der Voraussetzung, daß ein Wandel in der Konstellation der Großmächte eintritt, lassen sich im Hinblick auf den andauernden materiellen Fortschritt folgende Punkte vorstellen . . .
[Seite der Druckausg.: 81 ]
Wenn man - wie oben getan - verschiedene Möglichkeiten aufzählt, so ist es schwierig, diese aus dem Stegreif erschöpfend zu behandeln. Deswegen beenden wir hier vorerst unsere Prognose, und überlassen alles weitere der Vorstellung unserer Leser. Jedenfalls wird das 20. Jahrhundert eine außergewöhnliche Zeit werden. Übersetzung aus dem Englischen: Werner Töpperwien © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001 |