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TEILDOKUMENT:


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RICCARDO PETRELLA
GESELLSCHAFT UND TECHNIK ALS GEGENSTAND EUROPÄISCHER ZUKUNFTSFORSCHUNG


Zusammenfassung

Meine Hauptaussage besteht darin, daß der Bedarf an systematischen, unparteiischen und breit angelegten Analysen und Debatten auf europäischer Ebene über Entscheidungen unserer Gesellschaften im Bereich der Entwicklung und Nutzung von Wissenschaft und Technik heute noch dringender und berechtigter als in der Vergangenheit ist. Nach einer kurzen theoretischen und methodischen Einführung beschreibe ich die umfassende Vorherrschaft - und die Folgen - der techno-ökonomischen Philosophie für die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik. Dann wird gezeigt, daß das IV. Rahmenprogramm wissenschaftlicher und technischer Aktivitäten der Europäischen Union und das Weißbuch zu „ Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" den Weg für ausgewogenere und möglicherweise tiefergehende Analysen und Diskussionen über Gesellschaft und Technik bereiten. Der letzte Teil ist der Beschreibung der Kernprobleme und Herausforderungen (Risiken und Chancen) gewidmet, die den Ergebnissen der Arbeit von FAST zufolge im Mittelpunkt der Forschungsprioritäten und -diskussionen in Europa stehen sollten.

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1. Eine theoretische und methodische Einführung

In den technisch fortgeschrittenen Gesellschaften gibt es drei Ansätze bei der Betrachtung der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik:

  • Der erste Ansatz nimmt die Technik als ein gegebenes, exogenes Phänomen hin, das -mit zunehmender Abhängigkeit von Wissenschaft/Wissen - auf die Gesellschaft einwirkt und das Produktionssystem, die Wirtschaft und die Lebensweise der Menschen verändert. In diesem Fall ist die Gesellschaft ein Objekt, das ständig vom Fortschritt der Technik geformt wird, wobei die Technik Umfang, Geschwindigkeit und Konsequenzen des Transformationsprozesses bestimmt. Die Menschen müssen sich an die von der neuen Technik gestellten Anforderungen anpassen.
  • Der zweite Ansatz versteht die Technik als eine Menge von Möglichkeiten (Chancen

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    und Risiken), die durch die Anwendung von bestehendem Wissen und Erfahrungen und Austausch mit anderen Völkern und Kulturen eröffnet wurde. Die sozialen, wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Implikationen und Konsequenzen hängen von der Art der Entwicklung und Nutzung von Technik ab.
    In diesem Fall ist die Gesellschaft das Subjekt, das sich bemüht, die technischen Handlungsmöglichkeiten zu vervielfachen und das sich selbst befähigt, die Implikationen und Konsequenzen bestehender und neuer Möglichkeiten zu bewerten. Die Technik wird von der Gesellschaft nicht nur beobachtet, sondern auch ausgerichtet und gelenkt.

  • Der dritte Ansatz besteht darin, die Technik als ein Mittel zum Zweck zu sehen, als eine Menge von Möglichkeiten, die zum Erreichen gesellschaftlicher Ziele geschaffen werden müssen. Vorrangig ist hier die Zielsetzung der Gesellschaft, nicht die Technik. Beispielsweise hat die Gesellschaft eine Gesundheitspolitik für einige Ziele wie die stärkere Selbständigkeit älterer Menschen ausgearbeitet: Die Gesellschaft nimmt die bestehende Technik und sucht nach neuer Technik in Hinblick auf die weitestgehende Erreichung dieses Ziels. In diesem Fall ist die Technik eindeutig ein Konstrukt der Gesellschaft, ein erforderliches Werkzeug.

Obwohl der erste Ansatz mit seiner deterministischen, linearen und technokratischen Natur jahrzehntelang ganz offenbar fehlgeschlagen ist, hat er in allen Sektoren in den Industriestaaten noch die größte Verbreitung, Der Erfolg des ersten Ansatzes erklärt sich vielleicht teilweise durch die herausragende Stellung, die die Vereinigten Staaten von Amerika im Lauf dieses Jahrhunderts erlangt haben. In Amerika gab es kulturell und sprachlich die Tendenz, keinen Unterschied zwischen Technik und Technologie zu machen. Den Unterschied gibt es in der lateinischen und deutschen Kultur und Sprache sowie in vielen anderen indoeuropäischen Sprachen. Der Begriff „tekno-logos" bedeutet die Lehre von der Technik. Durch Verwendung von „Technik" und „Technologie" als Synonyme haben unsere Industriegesellschaften implizit und unbewußt akzeptiert, daß die Lehre von der tekne die Hauptquelle der wirtschaftlichen Innovation und damit auch der sozialen Innovation darstellt. Beim ersten Ansatz überläßt man es eben der Lehre von der tekne, die Gesellschaftslehre zu formen, Beim zweiten Ansatz ist das weitgehend nicht der Fall. Der dritte Ansatz beruht ganz auf der Vorrangstellung der Gesellschaftslehre, welche die Lehre von der tekne formt und bestimmt.

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2. Der dominante Ansatz

Die wirtschaftliche Rezession seit den späten sechziger und frühen siebziger Jahren kann man zwar nicht als einzigen oder ausschlaggebenden Faktor ansehen, doch hat sie sicher dazu beigetragen, daß die Vorstellung Mitte der siebziger Jahre entstand und in den achtziger Jahren weit verbreitet wurde, die technische Innovation und Entwicklung sei die Lokomotive, die die Wirtschaft aus der Krise ziehen würde. In diesem Zusammenhang wurden Technik und damit verbundene Managementinnovation als Schlüssel zum Firmenerfolg betrachtet. Man könnte hunderte von Büchern, Artikeln, Regierungsprogrammen in OECD-Staaten, akademischen Kongressen und Berichten internationaler Organisationen

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anführen, in denen diskutiert und erklärt wurde, warum es nötig sei, Investitionen in Forschung und Entwicklung, technischer Entwicklung und Technologietransfer auf den Markt höchste Priorität einzuräumen.

Zwei Phänomene haben zur explosionsartigen Verbreitung dieser Vorstellung beigetragen. Erstens die epochalen wissenschaftlichen und technischen Durchbrüche, die teilweise die Begründung für die Fülle sogenannter technischer Revolutionen in den Bereichen Informatik, Computer, Roboter, Verkehr, neue Verbundwerkstoffe, Telekommunikation, neue Biotechnologie und neue Energieträger darstellen. Wenn die Menschen in den letzten dreißig Jahren fast täglich gesagt bekamen, ein neuer technischer Fortschritt ändere ihr Leben, dann ist es normal, daß die Menschen glauben, Technik sei die Lösung für ihre wirtschaftlichen Probleme. Zweitens die schnell zunehmende Globalisierung der Wirtschaft nach der Globalisierung der Kapitalmärkte und Finanzdienstleistungen infolge der Liberalisierung des Kapitalverkehrs durch die USA im Jahr 1974 und der weltweiten Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik.

Die beiden Phänomene zusammengenommen haben zu dem Glauben geführt, die Globalisierung der Wirtschaft (d. h. die Globalisierung von Kapitalverkehr, Märkten, Firmen, Strategien, Normen und Konsumverhalten) sei der neue Makrokontext, der in zunehmendem Maße den Wohlstand von Nationen, Firmen und Menschen definiere, organisiere und bestimme; die gegenwärtigen Formen der Globalisierung seien unvermeidbar: sie seien als gegebene makroökonomisch-politische Zwänge zu betrachten; Wettbewerbsfähigkeit in der zunehmend globalen Wirtschaft sei zur obersten Priorität für eine Firma, eine Stadt oder ein Land geworden, wenn es um die Sicherung des Überlebens geht; die Technik sei das mächtigste Instrument zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, und es müsse daher oberste Priorität in der zukünftigen Strategie für wissenschaftliche und technische Entwicklung eines Landes sein, an allen Fronten die technischen Möglichkeiten nationaler/ lokaler Firmen zu erweitern, um sie auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger zu machen.

Die Ideologie, die uns sagt, unsere Gesellschaften befänden sich im Kampf um das Überleben und die Führungsrolle im Wettbewerb in der globalen Wirtschaft, hat viele bedeutende Auswirkungen hinsichtlich der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik und der Probleme, die vorrangig analysiert und diskutiert werden müssen.

Die prägnantesten Punkte für die Zukunft:

  • Die Gesellschaft wird in erster Linie als ein offenes Terrain für den Kampf zwischen den wirtschaftlichen Akteuren gesehen, die ihre eigenen Vorteile maximieren wollen („Britain first", „USA first", „Japan first". . .).
  • Die Firma gilt zunehmend als globaler Akteur Nr. 1, als Schlüsselakteur in Wirtschaft und Gesellschaft. Vielen erscheint nichts riskant oder bedauernswert daran, daß Firmen die öffentlichen Institutionen als führende Akteure bei der Lenkung und Leitung der nationalen/lokalen und der globalen Wirtschaft ersetzen könnten und ersetzen. Für die Forschungsprioritäten zur zukünftigen Entwicklung ist daher vor allem das Verständnis wichtig, wie die Firma ihre Struktur, ihre Strategie und Kultur modifiziert, um Teil eines globalen Netzes von Wissen, Ressourcen, Informations- und Kommunikationstechnik zu werden, das Produktionseinheiten in allen Regionen der Welt verbindet.
  • Die Rolle öffentlicher Institutionen, insbesondere des Staates, reduziert sich darauf, ein möglichst günstiges Umfeld für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit „lokaler" multinationaler sozialer Marktwirtschaften auf den Weltmärkten zu schaffen. Zu diesem

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    Zweck wird vom Staat verlangt, Grundlagenforschung und hochgradig risikobehaftete F&E zu finanzieren; das Bildungssystem, insbesondere weiterführende Bildung und die Universitäten zu finanzieren; grundlegende Infrastrukturen für die Bereiche Gesundheit, Verkehr, Information und Kommunikation zu finanzieren und es dann dem Markt zu überlassen, die Wirtschaft und damit die soziale Entwicklung auf nationaler und globaler Ebene zu lenken. Daher der quasi universale Prozeß der Privatisierung der Wirtschaft, Deregulierung der Märkte und Liberalisierung der Volkswirtschaften. Bei diesem Trend geht es für die Forschung darum, die sozialen, wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Bedingungen und Mittel zu analysieren, die den Prozeß der Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung beschleunigen helfen und ihn zum Erfolg bringen.

  • Beschäftigung wird als eine abgeleitete Funktion der Funktion von Firmen angesehen, Wohlstand (d. h. Profit) zu schaffen. Obwohl sie als wirtschaftlicher Akteur Nr. 1 angesehen und anerkannt werden, werden Firmen nicht für die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Anstieg der Arbeitslosigkeit in die Verantwortung genommen. Der vorherrschenden Anschauung zufolge müssen Firmen gewinnbringend und daher wettbewerbsfähig sein. Wenn sie zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit den Bedarf an Arbeitskräften senken müssen, dann haben sie das Recht dazu. Beschäftigung und Arbeitslosigkeit sind - so hören wir - eine Angelegenheit der öffentlichen Institutionen, der Arbeitsmarktpolitik. Daher die Bestrebungen zur Beseitigung der sogenannten Starrheit des Arbeitsrechts, zur Förderung der Flexibilität und Mobilität von Arbeitskräften, zur Schaffung neuer Bestimmungen im Tarifrecht, zur Reduzierung der Sozialausgaben und Veränderungen des sozialstaatlichen Systems.
  • Die Kultur reduziert sich immer stärker auf das Marktgeschehen. Die „Kulturbranche" sieht man als einen der vielversprechendsten Märkte der Zukunft an. Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik hat die Musik, das Verlagswesen, Filme, Fernsehen und die Fotografie verändert. Alles wird zu einem Produkt, einer Dienstleistung, und wird in der Marktwirtschaft gehandelt und verkauft. Die zunehmende Integration von Telefon, Fernsehen und Computer infolge der digitalen „Revolution" gibt den Anstoß zur Entstehung einer neuen Generation von Medien, der Multimedien. Das hat heute und in der Zukunft starken Einfluß auf die Kultur. Die Marktmöglichkeiten der neuen Multimedienkultur (einschließlich der virtuellen Realität) zu untersuchen und juristische und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, mit deren Hilfe lokale Kulturindustrien in den nächsten 5,10 oder 15 Jahren zu den Gewinnern zählen werden, das sind dem vorherrschenden Ansatz zufolge die dringendsten und wichtigsten Prioritäten auf diesem Gebiet.
  • Schließlich werden auch Menschen auf zwei Funktionen reduziert: Interesse und Beachtung verdienen sie nur als Produzenten und als Konsumenten. Wenn jemand weder Produzent noch Konsument ist, dann existiert er überhaupt nicht. Das gleiche gilt für Länder und für ganze Regionen, beispielsweise für Afrika.

Die Ideologie der Wettbewerbsfähigkeit hat eine Reihe von Konsequenzen mit starkem Einfluß auf die Art und Weise, wie unsere Gesellschaften die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik verstehen. Dazu gehören insbesondere folgende:

  • Die Ideologie der Wettbewerbsfähigkeit hat die Gruppe der Schlüsselwörter verändert, die für die Elite der entwickelten Welt von Bedeutung sind. Die Schlüsselwörter sind Pro-

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    duktivität, Effizienz, Effektivität, Flexibilität, Verläßlichkeit, Vorhersagbarkeit, Steuerung, Kontrolle, Management: all diese Wörter gehören in den Bereich und die Logik von Technik, Planung und Wirtschaft.

  • Eine neue Form des Sozialdarwinismus auf der Grundlage von Wissenschaft und Technik durchzieht immer stärker die öffentliche Meinung: Den Menschen wird zu verstehen gegeben, sie seien Soldaten in einem offenen Technikkrieg; sie und ihre Länder kämpften um das Überleben, sie müßten immer besser ausgebildet sein, um einen Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten und damit Einkommen und soziales Ansehen zu erhalten. Ihnen wird gesagt, ihre Zukunft beruhe auf der Beherrschung und dem Einsatz von High-Tech-Produkten und -systemen (Computer, Roboter, Computerintegrierte Fertigung, Verbundwerkstoffe, Glasfasern, Satelliten, Digitalnetze, Mobiltelefone, neue Pflanzen, neue Biotechnologie, medizinisch unterstützte Fortpflanzung, Bioinformatik. . .) in Kombination mit gutem Management und neuen Organisationsmodellen, in denen die Menschen nicht mehr als Produktionsfaktoren gelten, sondern zur „menschlichen Ressource" befördert wurden.
  • In der Wettbewerbsideologie haben die Bereiche in F&E die Priorität, in denen Produkte für die Deckung des bereits gesättigten Bedarfs der kleinen Minderheit der entwickelten Länder erarbeitet werden. (Beispiel: 90% der F&E-Ausgaben der Pharmazie zielen auf die Behandlung von Krankheiten der alternden Bevölkerung der reichsten Städte und Regionen der Welt.) Die Ideologie legt das Schwergewicht auf Kostenverringerung und damit auf Prozeßinnovationen statt auf Produktinnovationen und verstärkt damit das schnelle Veralten bestehender Prozesse und Produkte und die Verkürzung des Produktlebenszyklus. Sie unterstreicht den Vorrang der Leistungsfähigkeit von Werkzeugen statt der Bedürfnisse von Menschen.

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3. Einige Zeichen der Hoffnung

Im Rahmen des oben beschriebenen vorherrschenden Ansatzes gibt es nur sehr beschränkte Möglichkeiten, Problembereiche zu behandeln, die vom dominanten Ansatz auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik nicht als hochrangig eingestuft werden, oder Fragen mit hoher Priorität einmal auf eine alternative Weise anzugehen.

  • Daher sind Probleme wie beispielsweise Armut und zunehmender Hunger auf der Welt bei gleichzeitigem Überangebot an Nahrungsmitteln, Kapital und Konsumgütern nicht auf der Tagesordnung der Zukunftsforschung auf nationaler und europäischer Ebene.
  • Daher richtet sich die erforderliche Aufmerksamkeit nicht auf die Einschätzung und Diskussion der sozialen, kulturellen und politischen Implikationen und Konsequenzen der meisten großen technischen Entwicklungen, wie z. B. die sogenannten Informations- und Kommunikationsautobahnen, die Entwicklung von Multimedien und das Entstehen der Welt der virtuellen Realität. Stattdessen konzentrieren sich die Prioritäten auf die technischen Aspekte dieser Entwicklungen, ihr Marktpotential und die Fähigkeit europäischer Firmen, sie in der Auseinandersetzung mit japanischen, amerikanischen oder südostasiatischen Firmen zu beherrschen.
  • Daher zieht man kurzfristige Themen und Hoffnungen einer langfristigen Analyse vor.

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    Die Entscheidungsträger konzentrieren sich auf eine Zeitspanne von fünf bis maximal zehn Jahren. Oftmals haben sie eine ebenso kurzfristige Orientierung wie die meisten aggressiven Marktschreier, Industriellen und Financiers.

Als Ergebnis dessen sehen wir seit Mitte der achtziger Jahre einen allmählichen Bedeutungsverlust der langfristigen zukunfts- und sozialorientierten Forschung über Gesellschaft und Technik und ein gleichzeitiges Wachstum der angeblich konkreteren und pragmatischeren Technikabschätzung und Zukunftsforschung mit den Schwerpunktthemen:

Wettbewerbsfähigkeit und Technik, strategische Technologien, strategische Industriebereiche, öffentliche Akzeptanz von Forschung und Industrie, Hochleistungsorganisationen und Gesellschaft, hochleistungsfähige Bildungssysteme, Entwicklung der Informationsgesellschaft, Verfahrensoptimierung für Management, technische Innovation und Technologietransfer, Schaffung neuer Dienstleistungsmärkte, Telearbeit, soziale, wirtschaftliche und juristische Bedingungen zur Nutzung der Entwicklung neuer Biotechnologie in den Bereichen mit dem größten Marktpotential und dort, wo die Staaten der Europäischen Union wettbewerbsstark sind (Chemie, Pharmazie, Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, Umwelttechnik), Abbau der Technikfeindlichkeit und sozialer Trägheit in bezug auf Biotechnologie, usw., usw.

Zwei neuere politische Dokumente der Kommission der Europäischen Union geben dennoch Grund zur Hoffnung. Es sind:

  • das Weißbuch zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Die Herausforderungen und Wege in das 21. Jahrhundert, dem der Europäische Rat im Dezember 1993 zustimmte;
  • das IV. Rahmenprogramm wissenschaftlicher und technischer Aktivitäten der Europäischen Union, dessen Grundzügen der Forschungsrat der Europäischen Union im März 1994 zustimmte.

Zwar sind beide Dokumente stark durch den dominanten Ansatz beeinflußt, - hier darf man nicht vergessen, daß jedes politische Dokument der Kommission, um wirksam zu sein, die verschiedenen Positionen, Interessen und Hoffnungen der Mitgliedsstaaten berücksichtigen und sie zu gemeinsamen Zielen und Handlungen zusammenführen muß - doch enthalten sie wichtige Neuerungen und Öffnungen, die eine gute Unterstützung für unparteiische europäische Zukunftsforschung über die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik bieten.

Im Weißbuch gilt beispielsweise ein ganzes Kapitel der dringenden Notwendigkeit eines neuen Entwicklungsmodells für die Gemeinschaft. Die Kommission unterstreicht, daß das gegenwärtige Entwicklungsmodell der Gemeinschaft nicht zur optimalen Kombination der beiden Hauptressourcen, nämlich Arbeitskraft und Natur, führt. Das Modell ist durch den unzureichenden Einsatz der Ressource Arbeitskraft und übermäßigen Einsatz natürlicher Ressourcen gekennzeichnet und führt zur Verschlechterung der Lebensqualität. Die Gemeinschaft muß analysieren, wie das Wirtschaftswachstum nachhaltig gefördert werden kann, so daß die Beschäftigungsdichte steigt und weniger Energie und natürliche Ressourcen verbraucht werden.

Als „einen Weg zu Erleichterung des Strukturwandels in Richtung des neuen Entwicklungsmodells für die Gemeinschaft" nennt das Weißbuch „eine deutliche Umorientierung

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und Förderung der Grundlagenforschung in Bereichen mit besonderer Bedeutung für das Modell der nachhaltigen Entwicklung (erneuerbare Energien, Recyclingwerkstoffe und neue Werkstoffe, Biotechnologie u.s.w.). Die Umorientierung betrifft auch die Wirtschaftswissenschaft und insbesondere den Bereich der sogenannten Umweltbilanzierung".

Wichtiger noch, die Kommission unterstreicht die dringende Notwendigkeit der „Schaffung größerer Kapazitäten der öffentlichen Personenverkehrssysteme, wodurch die Lebensqualität vieler Millionen von Menschen in städtischen Agglomerationen erheblich gesteigert werden kann". Ebenso nötig ist ein im Rahmen einer Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu erstellender Aktionsplan zur schnellen Einrichtung von „Informationsautobahnen" (Breitbandnetzen) und zur Entwicklung korrespondierender Dienstleistungen und Anwendungen in vier Bereichen mit Priorität: Telearbeit, Teleausbildung, Telemedizin und Verbindungen zwischen Verwaltungseinrichtungen.

Nach Ansicht der Kommission können „Informationsautobahnen" und die dadurch ermöglichten Anwendungen den neuen Bedürfnissen der europäischen Gesellschaft entsprechen, d. h.: Kommunikationsnetze innerhalb von Firmen; breiter Zugang zu Datenbanken für Wissenschaft und Forschung; schnellere, gezieltere und weniger unpersönliche Erbringung von Dienstleistungen durch öffentliche Institutionen; Entwicklung vorbeugender Medizin und medizinischer Versorgung zu Hause für ältere Menschen und, last but not least, ein neues Potential zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Insgesamt ein umfangreiches Programm, das, den politischen Willen zur Durchsetzung im Lauf der nächsten zwei bis drei Jahre vorausgesetzt, eine bedeutende Anstrengung der europäischen Zukunftsforschung über soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ethische Implikationen und Konsequenzen im Zusammenhang mit möglichen alternativen Durchführungsvarianten des Programms erfordern wird.

Das Vierte Rahmenprogramm wissenschaftlicher und technischer Aktivitäten der Europäischen Union ist eine Innovation im Vergleich zu den vorhergehenden Rahmenprogrammen, wenn man zwei wichtige Aspekte berücksichtigt.

Zum ersten Mal in der kurzen Geschichte der Wissenschafts- und Technologiepolitik der Europäischen Gemeinschaft haben die Entscheidungsträger der Gemeinschaftspolitik ein eigenes Programm für sozioökonomische Forschung geschaffen. Obwohl die für dieses Programm bereitgestellten Ressourcen sehr beschränkt sind (132 Millionen ecu für fünf Jahre, was 1,1 % der Gesamtausgaben entspricht), ist es eine Premiere von großem Symbolwert, daß die Mitgliedsstaaten zugestimmt haben, einen derartigen Forschungsbereich in die F&E-Politik einzufügen, die traditionell auf greifbare technische Wissenschaften und Bereiche begrenzt war.

Die neue sozioökonomische Forschung umfaßt drei verschiedene Bereiche:

  • die Einschätzung wissenschaftlicher und technischer Optionen (Technikabschätzung). Unter dieser allgemeinen Überschrift stehen folgende Aktivitäten: Technik„wachtturm", Technikbeobachtung, Voraussage und Einschätzung sozialer Implikationen und Konsequenzen, strategische Analysen. Die Technikbewertung wird mit Unterstützung des Europäischen Netzes für Technikabschätzung vorgenommen;
  • die Beziehungen zwischen Forschung und Bildung;
  • die Analyse der sozialen Integration/Ausgrenzung insbesondere in städtischen Gebieten.

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Die einzelnen Forschungsthemen im Bereich der Einschätzung der Optionen der Wissenschafts- und Technologiepolitik sind noch nicht definiert. Sie werden wahrscheinlich bis zum Jahresende definiert und beschlossen sein. Dennoch ist klar, daß die Untersuchung der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Technik wachsende Aufmerksamkeit erfahren wird.

Die zweite Innovation hängt mit dem Prinzip zusammen, daß jedes einzelne Forschungsprogramm innerhalb des IV. Rahmenprogramms die sozialen Auswirkungen der Technologie untersuchen muß, die im Kontext jedes einzelnen Forschungsprogramms untersucht, verändert und hervorgebracht wird. Wenn diese Bestimmung richtig umgesetzt wird, führt das wiederum in einem bedeutenden Ausmaß zu zukunftsorientierter Forschung über soziale Aspekte der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung.

Die durch das Weißbuch und das IV. Rahmenprogramm geschaffenen Öffnungen zeigen, daß die Kommission der Europäischen Union wichtige Schritte in Richtung einer Wissenschafts-, Technologie- und Innovationspolitik getan hat, die ausdrücklich erarbeitet und umgesetzt wird, um den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden.

Es ist schwer zu sagen, ob und inwiefern die von der Kommission geschaffenen neuen Öffnungen als ein Versuch gesehen werden können, der europäischen Technologieentwicklung eine Vision und der Politik eine neue deutliche soziale Verantwortung zu geben.

Ich persönlich habe den Eindruck, daß die stärkste treibende Kraft in beiden Fällen weitgehend der Imperativ ist, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft auf den Weltmärkten zu stärken.

Daher ist eine energische, stärker systematisierte und diversifizierte Anstrengung im Bereich der sozial orientierten Forschung über „Gesellschaft und Technik" erforderlich.

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4. Die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik -ein Gegenstand mit Priorität für die europäische Forschung

Die folgenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf den Ergebnissen der in den letzten fünf Jahren durchgeführten Arbeit von FAST.

Das Hauptthema für die Entwicklung unserer Gesellschaften in den nächsten 15 bis 20 Jahren ist der Bruch zwischen einer Gesellschaft, in der Arbeit weiterhin als die Eintrittskarte zum Einkommen als Grundlage des sozialen Status und Vertrauens und als Bedingung für Selbstverwirklichung und öffentliches Ansehen gilt, und einer Gesellschaft, deren Wirtschaft darauf abzielt, die Produktivität durch den Einsatz von Technik anstelle von menschlicher Arbeitskraft zu steigern, was zu einem massiven Anstieg der strukturellen Langzeitarbeitslosigkeit insbesondere bei jungen und über 50-jährigen Menschen führt.

Die Diskrepanz zwischen dem, was die Gesellschaft braucht (Arbeit für alle), und dem, was die technisch orientierte wirtschaftliche und soziale Entwicklung anzubieten hat (Arbeit nur für die Fähigsten in den wettbewerbsstärksten Wachstumsbranchen, Städten, Regionen und Ländern), muß beseitigt werden, wenn man im Lauf der nächsten 20 Jahre eine größere soziale und wirtschaftliche Implosion und Krise verhindern will.

Oberste Priorität hat daher eine größere Forschungsanstrengung über Arbeit, Wohlstand und Technik.

Kernpunkt dieser Unternehmung wird eine Neuuntersuchung von Natur, Bedingungen und Faktoren der Schaffung und Umverteilung von Wohlstand sein. Die Ursache der oben

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beschriebenen Diskrepanz ist eine laufende Wandlung im facettenreichen und komplexen Prozeß der Schaffung und Umverteilung von Wohlstand und der entsprechenden Rolle der menschlichen Arbeit und der Technik in diesem Prozeß.

Neo-tayloristische und neo-fordistische Lösungen haben ebenso wie hochgradig technikintensive Systeme wie flexible Spezialisierung und schlanke Produktion ihre Grenzen und ihre Unfähigkeit gezeigt, adäquate Lösungen für das Diskrepanzproblem zu bieten. Der Sozialstaat steht allerorten unter Beschuß und wird systematisch demontiert. Neue Gleichungen und Erfolgskreisläufe für Wohlstand und die Rolle des Menschen müssen erarbeitet, geprüft und umgesetzt werden.

Um durchgreifend und relevant zu sein, sollte der Einzugsbereich der vorgeschlagenen Forschung nicht auf Europa oder die Länder der hochentwickelten Regionen der Welt (d. h. die Triade aus Nordamerika, Japan und den kleinen Drachen Südostasiens und Westeuropa) beschränkt bleiben, sondern die gesamte globale Gesellschaft betreffen.

Der letztgenannte Aspekt führt uns zum Hinweis auf das zweite Hauptthema, d. h. zur Globalisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft. Die Globalisierung ist mit Hinblick auf die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik aus mindestens drei Gründen überaus bedeutsam:

Man betrachtet die Globalisierung der Wirtschaft als einen unvermeidbaren Prozeß aufgrund der Entwicklung der Technik, insbesondere der Verkehrs-, Informations- und Kommunikationstechnik. Das heißt, die Menschen sind der Meinung: Technik = Globalisierung;

Technik untergräbt die Bedeutung der lokalen/nationalen Gesellschaft, Wirtschaft und politischen Macht; Technik ist die Quelle der Innovation; der Schlüssel zur Globalisierung ist die Beherrschung der technischen Innovation.

Man meint, die Globalisierung der Wirtschaft sei zu einem makroökonomischen Zwang geworden, der Wettbewerbsfähigkeit als die einzig mögliche und rationale Verhaltensweise erfordert und daher die Art und Weise und die Bedingungen beeinflußt, unter denen kooperative Verfahren und Lösungen angewendet und erfolgreich eingesetzt werden können.

Die gegenwärtigen Formen der Globalisierung führen zur Verschärfung der Trennung der Welt in die integrierte Welt (die reichsten und hochentwickelten, auf Technik gestützten sozialen Gruppen, Städte, Regionen und Länder der Welt) und die ausgeschlossene Welt (der Rest).

In Einklang mit der Entscheidung der Führung der Vereinten Nationen, im März 1995 in Kopenhagen einen Weltgipfel für globale soziale Entwicklung abzuhalten, ist es wissenschaftlich und sozial höchstwertvoll, ein größeres Forschungsprogramm über Globalisierung, soziale Entwicklung und Wissenschaft und Technik zu fördern.

In 26 Jahren werden auf der Erde rund acht Milliarden Menschen leben. Die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse und Wünsche dieser acht Milliarden Menschen wird die größte Herausforderung darstellen, der sich die Menschheit je gegenübersah. Es geht um die Verantwortung der hochentwickelten Länder. Zurück zum Grundlegenden ist der vielversprechendste Ansatz und qualitative Sprung nach vorn für unsere zunehmend globalen Gesellschaften, wenn sie nicht ihr blindes (orientierungsloses) Wettrennen um technische Innovation als Mittel zur Hegemonie fortsetzen wollen. Themen, die sorgfältig untersucht werden sollten, um grundlegende und effektive Vorschläge für strukturelle Änderungen zu erarbeiten und zu definieren, sind u. a.:

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  • die Anwendung von Wissenschaft und Technik (insbesondere in Form ziviler Kommunikationsmedien zur Verbindung von Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt) zur Förderung des besseren gegenseitigen Verständnisses;
  • der verbesserte Einsatz bestehender Wissenschaft und Technik zur Befriedigung von vier Grundbedürfnissen (Obdach, Energieversorgung, Kommunikation, Bildung);
  • die Nutzbarmachung der Technik, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnik, zur Schaffung von neuen globalen institutionellen Mechanismen und Institutionen auf der Grundlage einer neuen Generation politischer, wirtschaftlicher und ziviler regionaler und globaler Netze, die beispielsweise neue Formen des Technologietransfers für Ausbildung und Forschung begünstigen würden und zur Schaffung neuer Typen von Wirtschafts- und Währungsinstituten, die alte Institutionen wie den IWF und die Weltbank ersetzen könnten.

Mutatis mutandis betrifft auch das dritte Hauptthema die globale Gesellschaft, aber aus der anderen grundlegenden Perspektive der Stadt. Alle Gesellschaften stehen vor zunehmenden Problemen mit dem Leben in den Städten. Die Herausforderungen und Probleme, denen sich die Städte gegenübersehen, sind komplex und schwer abzugrenzen. Vereinfacht gesagt, gibt es unter den kritischsten Herausforderungen drei Gruppen von Problemen:

  • Probleme im Zusammenhang mit menschlichem Zusammenleben (soziale Ausgrenzung, Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturen und Rassen), Repräsentation und Konsensbildung (demokratische Regierungsführung)
  • Probleme mit dem Erreichen des Sättigungsgrades in vielen Funktionen und Charakteristika der Städte (wie Verkehrssättigung, Luftverschmutzung)
  • Probleme aufgrund der Globalisierung des Wettbewerbs, die zu Entwicklungen führt, bei denen lokale Bedürfnisse und die Sozialdynamik außer acht bleiben.

Angesichts dieser Herausforderungen sind Aktionen dringend notwendig, um die Rolle der Stadt als bevorzugter sozialer Raum und als System für menschliche Entwicklung wieder zu begründen. In diesem Kontext ist es ebenfalls dringend erforderlich, die Mittel von Wissenschaft und Technik herauszuarbeiten, die in der Zukunft zur Lösung der überaus schwierig zu handhabenden Strukturprobleme der Städte beitragen sollen. Insbesondere müssen wir die Stadt neu überdenken und planen, um sie für den Menschen und die Gesellschaft wieder bewohnbar und regierbar zu machen, ohne daß die störenden Effekte der sozialen Ablehnung, der oligarchischen Machtkonzentration und der Sättigung auftreten.

Daher wird vorgeschlagen, ein europäisches Forschungsprogramm über den Wiederaufbau der Stadt zu fördern, wobei das Ziel ist, Vorstellungen von der wünschenswerten Stadt der näheren Zukunft zu entwickeln und zu prüfen, und um diejenigen Aktionen zu ergänzen und zu begleiten, die bereits laufen oder kürzlich durch die Kommission auf europäischer Ebene vorgeschlagen wurden (z. B. die URBAN-lnitiative).

Zu diesem Zweck sollte das vorgeschlagene Forschungsprogramm drei Hauptziele haben:

  • die Entwicklung neuer stadtplanerischer Konzepte auf der Grundlage des Prinzips der

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    geräumigen Stadt. Analysen und Handlungsvorschläge zu den grundlegenden Bausteinen, sozialen Prozessen und Parametern der Stadt sind von größter Bedeutung;

  • Bestimmung der wirtschaftlich, umweltpolitisch und sozial am besten geeigneten Wege für Städte, den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen (hier müssen Firmen, Universitäten, Bürgervereinigungen und Medien eine wichtige Rolle spielen);
  • Bemühungen zur schnellstmöglichen Schaffung der langfristig lebensfähigen Stadt.

Bei der Behandlung aller Themen spielt die Informations- und Kommunikationstechnik heute und in der Zukunft eine zentrale Rolle. Wie Gesellschaften sich die Visionen, Vorstellungen, Instrumente und Verfahren erschaffen, um die Entwicklung und Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnik zu lenken und auszurichten, ist meiner Meinung nach das vierte Hauptthema für die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik.

In den letzten zwanzig Jahren hörten die Menschen immer wieder, die „Informationsrevolution" werde zur Informationsgesellschaft führen, und die Hauptmerkmale der neuen Ära im Zeichen der Informations- und Kommunikationstechnik seien:

  • verbesserte Möglichkeiten der geistigen Entwicklung
  • stark zunehmende Interaktivität
  • mehr Mitbestimmung und Integration
  • mehr Geselligkeit
  • mehr Demokratie
  • stabilerer Frieden, höhere Lebensqualität
  • allgemeiner Zugang zum Lernen und zu offener Bildung
  • Wandel in der Natur der Arbeit.

Aufgrund solcher Voraussagen und Versprechungen ist es nicht verwunderlich, daß sich bis in die späten siebziger und die frühen achtziger Jahre hinein eine ganze Reihe national und international geförderter und finanzierter Studien auf die Faktoren und Bedingungen der verbesserten öffentlichen Akzeptanz neuer Technik konzentrierte.

Wir sind nun dem Ende des Jahrhunderts näher, aber die Erfüllung dieser wundervollen Versprechungen ist noch weit entfernt.

Wegen der jüngsten technischen Vorstöße durch Glasfasern und Digitalisierung nimmt wieder eine neue Welle wunderbarer Versprechungen und Voraussagen den meisten Raum in gedruckten und audiovisuellen Medien ein, besonders, wenn es um die so groß angekündigten Multimedien und „Revolutionen" in der virtuellen Realität geht. Das Potential solcher „Revolutionen" darf nicht unterschätzt werden. Daher wird vorgeschlagen, die bestehende Lücke zu schließen, und zwar mit der Schaffung eines großen europäischen Forschungsprogramms zur erneuten Untersuchung der Informationsgesellschaft. 25 Jahre nach dem japanischen Plan für die Informationsgesellschaft.

Die Untersuchung sollte ganzheitlich und zukunftsorientiert die Analyse aller sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Aspekte zum Ziel haben, um der europäischen Gesellschaft wieder zur Kontrolle über die zweite Informations- und Kommunikations„revolution" zu verhelfen.

Genauso wichtig wie die anderen vier Punkte ist schließlich, daß eine neue Initiative im

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Bereich der europäischen Zukunftsforschung über Gesellschaft und Technik auch eine Innovation hinsichtlich Organisation und Durchführung der Forschung bringen sollte.

Es wird immer deutlicher, daß Aktivitäten im Bereich der Zukunftsforschung und Einschätzung der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Technik nicht mehr länger nur eine Sache der Expertenwelt sein und nicht nur den politischen Entscheidungsträgern dienen dürfen. Sie müssen von mehr Mitbestimmung, aktiver Beteiligung und Mitarbeit der gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen eines Landes getragen sein. Ihre Arbeitsweise erfordert Diskussionen in offenen Netzen, die Schaffung öffentlicher Szenarien, Fernsehdiskussionen zwischen Experten und Laien, lokale öffentliche Anhörungen usw.

Die Zukunft der Forschung über Gesellschaft und Technik hängt in stärkerem Maße von der Innovation des Forschungsprozesses selbst ab als von der klugen Auswahl der Forschungsgegenstände.

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Die wichtigsten Forschungsberichte von FAST im Bereich Produktions-, Informations- und Kommunikationstechnik

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Gizycki, R. v. and l. Schubert: Microelectronics: A Challenge for Europe's Industrial Survival, R. Oldenbourg Verlag, München 1984.

Grewlich, K. W. and F. H. Pedersen: Power and Participation in an Information Society, Commission of the European Communities, Luxembourg 1984.

The FAST Report: EUROFUTURES - The Challenge of Innovation, Butterworths, U. K. 1984, Kapitel 2 und 3

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Holit, R., E. Stern: Distance Working - Origins - Diffusion - Prospects, Futuribles, Paris 1987.

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Die wichtigsten Forschungsberichte von FAST im Bereich der Globalisierung der Technik und der Wirtschaft

Whiston, Tom G.: Global Perspective 2010 - Tasks for S&T, A Synthesis Report, FAST, FOP 320, Commission of the European Communities, Brüssels 1992,129 pages. This report synthesizes the results presented in 20 specific research reports.

Businaro, Ugo L.: Globalisation: from Challenge Perception to S&T Policy, FAST, FOP 324, Brüssels 1992, 70 Page.

Thilo, Georgs (Ed.): He Transfer Auf Scientific and Technological Skills and Expertise and their Appropriation. The Relevanve of Associative Networks, FAST, FOP 307, Brüssels 1992, 254 pages.

Salomon, J-J.: L'impact des biotechnologies sur le Tiers-Monde, FAST, FOP 55, 1983, 300 pages.

Howells, J. et alii: The Globalisation of Production and Technology, Publication Office of the European Community, 1993.

Petrella, Riccardo: Four Analyse Auf Globalisation of Technology and Economy, FAST, D9, 1991, 100 pages.

Hagedoorn, J. and Schakenraad, J.: The Pole of Interfirm Cooperation Agreements in the Globalisation of Economy and Technology, FAST, FOP 280, 1991, 154 pages.

Warrant, Francoise: Deploiement Mondial de la R&D Industrielle: Facteur et Garant de la Globalisation de la Technologie et de l'Economie, FAST, FOP 276, 1991, 250 pages.

Muldur, Ugur: La Globalisation économique, scientifique et technologique, 3 volumes, FAST, 1993.

Luyckx, Marc: Les religions face à la science et à la technologie - Eglises et éthiques après Prométhée, FAST, NOV 15, 1991.

Institute for Economic Planning and Peace: Economic Development and Regional Integration in Asia, Current Status Analysis and Scenarios for Regional Cooperation, FAST, FOP 313, 1992, 227 pages.

Pouillot, D., Dartois, 0.: La Globalisation dans les Télécommunications, FOP 282, 1991, 92 pages.

Delapierre, M., Zimmermann, J.B,: La Globalisation de l'lndustrie des Ordinateurs, FOP 283,1991,153 pages.

Ruigrok,W.,vanTulder, R., Baven, G.: Cars and Complexes - Globalisation versus Global Localisation Strategies in the World Car Industry, FOP 286, 1991, 282 pages.

Cohendet, P,, Ledoux, M. J.: Les Enterprises Chimiques vers la Globalisation, FOP 287, 1991, 22 pages.

Doherty, 0., Mc Devitt, J.: Globalisation and the Small Less Members States: Synthesis Report, FOP 291,1991, 20 pages.

Bartnett, A.: Knowledge Transfer and Developing Countries, FOP 326, 1992. Thomas, S.: Global Perspective 2010 - The Case of Biotechnology, FOP 330, 1993, 99 pages.

Behrens, D., K. Buchholz, H. J. Rehun: Biotechnology in Europe, Dechema, Frankfurt 1983.

Eurofutures. The Challenge of Innovation, Butterworth, United Kingdom 1984.

Dvortrup, L. and alia: Social Experiments in Information Technology and the Challenge of Innovation, Reidel Publishing Company, Dordrecht 1987.

de Hoo, S,C,,Smits, R. R. and Petrella, R. (Eds.): Technology Assessment: An Opportunity for Europe, NOTA, TheHague 1987.

Science, Technology and Society - European Priorities, Results and Recommendation of FAST II Programme (1984-1987), 1988.

Communication in Europe of Tomorrow. Europe Beyond Technology, FAST, Brüssels 1988. Treill, B.: Prospects for the European Food System, Eisevier, UK 1988.

Bernsen, N. 0. (Ed): Research Directions in Cognitive Sciences, 4 Volumes, Erlbam Ass. Hove, United Kingdom 1984. Bruno, S., Cohendet, P. and alia; Modes of Usage and Diffusion of New Technology and New Knowledge, FAST, Brüssels 1990.

Holpert, V. and Hickie, D.: Archipelago Europe, FAST, Brüssels 1991. Assess Network: The Social and Economic Impact of New Technology, FAST, Brüssels, 2 volumes, 1991.

Lehner, F.: Anthropocentric Production Systems: The European Response to advanced manufactunng and globalisation, Publication Office of the European Community, Luxembourg 1992.

Drewitt, R., Knight, R., Schubrecht, U.: The Future of European Cities: The role of science and technology, FAST, Brüssels, 1992.

[Seite der Druckausg.: 61 ]

Hingel, A.: S&T and Social and Economic Cohesion in the Community, FAST, Brüssels, 1992.

Whiston, T.: Global Prospects 2010 - New Tasks for S&T Synthesis Report, FAST, Bruxelles, 1992.

Europerspective II - Visions and Actions, Publications de l'Universite de Namur, 1993.

Petrella, R.: A New Techno-WorId in the Making, A summary Synthesis of FAST studies 1989-93, Brüssels 1993,

Muldur, H. and Petrella, R.: The European Community and the Globalisation of Technology and Economy, Publication Office of the European Community, Luxembourg 1994,

Übersetzung: Werner Töpperwien


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001

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