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TEILDOKUMENT:
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FRIEDER MEYER-KRAHMER
1. Einleitung In den letzten Jahren sind zahlreiche Studien zur Einschätzung sogenannter kritischer Technologiebereiche" in führenden Industrieländern, insbesondere USA und Japan, entstanden. Ziel dieser Bemühungen war, Forschungsktivitäten und -ressourcen auf diejenigen Technologiebereiche zu konzentrieren, denen ein entscheidender Einfluß auf die künftige Problemlösungsfähigkeit der Volkswirtschaften zugesprochen wird. Zuerst möchte ich in meinen Ausführungen auf diese neueren Versuche der Technikvorausschau eingehen. Ich werde kurz die Ansätze in den USA und Japan schildern, danach etwas ausführlicher Ansätze und Ergebnisse in der Bundesrepublik Deutschland zur sogenannten Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts. Danach möchte ich auf die jüngsten deutschen Versuche zu einer längerfristigen Vorausschau wichtiger wissenschaftlich-technischer Trends und erwartbarer Innovationen eingehen (sog. Delphi-Befragung). Dieser Ansatz verknüpft in erheblich größerem Umfang eine technische Sichtweise mit den Anwendungen neuer Zukunftstechniken und beleuchtet damit das Feld zwischen technisch Machbarem und Bedarf. Abschließend möchte ich auf die Frage eingehen, wie der Brückenschlag zwischen diesen wissenschaftlich-technischen Trends und privatem und gesellschaftlichem Bedarf erreicht und die Frage beantwortet werden kann, zu welchen Problemlösungen die Zukunftstechnologien eigentlich beitragen. Dies tue ich nicht, um dem Motto dieser Tagung zu genügen, sondern aufgrund der Erkenntnis der Innovationsforschung, daß die Anwendung von Zukunftstechniken - Innovationen - besonders dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sehr frühzeitig eine enge Verbindung zur Nachfrage hergestellt und die sozialen, rechtlichen, politischen und ökologischen Voraussetzungen [Seite der Druckausg.: 30 ] und Konsequenzen offengelegt sind. Angesichts wachsender Kosten und Komplexität von Innovationen ist diese frühzeitige Klärung von zunehmender Bedeutung. Theorien wie die Chaostheorie, die Synergetik und die evolutionäre Innovationsforschung weisen darauf hin, daß neue Techniken zunächst noch flexibel gestaltbar sind, während im Laufe ihrer Entwicklung diese Offenheit verlorengeht und sie in technological trajectories" (bestimmte Techniklinien) münden. In der Frühphase des Technikeinsatzes ist also der Handlungsspielraum von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat am größten. 2. Technikvorausschau in den USA und Japan In den letzten Jahren ist vor allem in den Vereinigten Staaten und in Japan eine Reihe von Studien zur Einschätzung der sogenannten kritischen Technologiebereiche für die mittelfristige Zukunft erstellt worden. Eine Übersicht über die ausländischen Studien ist Bestandteil einer deutschen Untersuchung zur Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts", die vom ISI in Zusammenarbeit mit Projektträgern des Bundesministeriums für Forschung und Technologie erarbeitet wurde (Grupp 1993). Diese Studien arbeiten im wesentlichen die Zusammenhänge zwischen Technologie und den klassischen" ökonomischen Themen Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit heraus. Nur vereinzelt wird auf den Problemlösungsbeitrag der Zukunftstechnik für wichtige gesellschaftliche Bereiche eingegangen. In den Untersuchungen aus Japan ist allerdings dieser Aspekt weiter fortgeschritten als in den vergleichbaren Versuchen in den Vereinigten Staaten. Weitere Untersuchungen zur kritischen Technologie sind zu erwarten. In den Vereinigten Staaten dürften sich aufgrund der neuen Präsidentschaft eher verstärkte Aktivitäten in der Forschungsplanung einstellen; so hat die dortige Regierung als Folge der bisherigen Arbeiten zur kritischen Technologie ein Critical Technologies Institute" gegründet, das als dauerhafte Einrichtung bei der RAND Corporation angelagert ist. In Japan führt das National Institute of Science and Technology Policy (NISTEP) eine längerfristige Technikvorausschau durch (vgl. im folgenden BMFT 1993). So ist es insbesondere an der fünften japanischen Delphi-Untersuchung beteiligt (die erste fand 1971 statt). Den japanischen Adressaten in Politik und Wirtschaft kommt es nicht so sehr auf eine exakte Prognose zukünftig eintretender Ereignisse an. Vielmehr spielt die Delphi-Untersuchung eine wichtige Rolle als Hinweisgeber auf sich schleichend vollziehende Trends in Wissenschaft und Technik, die die Aufmerksamkeit des Managements in Forschung und Entwicklung verdienen. Die wichtigsten Stärken des japanischen Delphi-Ansatzes sind demgemäß die folgenden:
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3. Technikvorausschau in der Bundesrepublik Deutschland Das Bundesministerium für Forschung und Technologie hat am Beginn dieser Legislaturperiode eigene Studien in Auftrag gegeben, um im Bereich der Technologie-Früherkennung verstärkt aktiv zu werden. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: Welche Chancen bieten sich unserer Industriegesellschaft zur und nach der Jahrtausendwende? Welche neuen Möglichkeiten werden Physik, Chemie und Biologie je für sich allein und in ihrem Zusammenwirken eröffnen? Welchen Erkenntnisgewinn und welche wirtschaftlichen Vorteile können wir in Deutschland aus dem ständig zunehmenden Wissen über molekulare Vorgänge in der belebten und unbelebten Natur ziehen? Wo liegen neue Aufgaben für Forschungseinrichtungen des Staates und der privaten Wirtschaft? Im April 1993 wurde der Öffentlichkeit die Studie Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts" vorgestellt; sie konzentriert sich auf die wichtigen Aspekte in den nächsten zehn Jahren. Für die lange Perspektive von 30 Jahren hat sich international, vor allem in Japan, das sogenannte Delphi-Verfahren bewährt, das in einer weiteren Untersuchung nun auch erstmals in großem Maßstab in Deutschland angewandt wurde. Nach japanischem Vorbild - und Japan hat auf dem Gebiet der Technikvorausschau die meiste Erfahrung gesammelt, wie manche europäischen Wettbewerber schmerzhaft erfahren mußten - geht die deutsche Delphi-Umfrage detailliert durch 16 wichtige Gebiete in Forschung und Technik und versucht den gesammelten Sachverstand deutscher Experten konsensorientiert zu einer Prognose zusammenzuführen. Mit dieser Untersuchung wurde das Fraunhofer-lnstitut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) beauftragt, das die Aufgabe in enger Zusammenarbeit mit einem japanischen Institut in einer wegweisenden Untersuchung" gelöst hat. Diese zitierte Bewertung stammt vom Bundesforschungsminister und Sie können sich sicherlich vorstellen, daß es einen Institutsleiter freut, wenn die Leistungen seiner Mitarbeiter eine solche Wertschätzung finden. Auf beide Untersuchungen möchte ich nun im einzelnen eingehen. Die Technologie am Beginn des 21, Jahrhunderts ist einem spezifischen Prozeß der Technikgenese unterworfen. Auch wenn unterschiedliche Phasen der Entwicklung von Wissenschaft, Technik und ihrer Einführung in den Markt unterschieden werden können, so ist doch die Realität des Innovationsprozesses durch eine hohe Vernetzung der verschiedenen Phasen mit vielfältigen Rückkopplungen gekennzeichnet. Dennoch lassen sich ge- [Seite der Druckausg.: 32 ]
wisse Verlaufsmuster feststellen. Exemplarisch sei dies in Abbildung 1 am Beispiel der Laser dargestellt (Grupp, Schmoch 1993). Oft erkennt man ein erstes Aufleben der technischen Realisierung kurz nach den ersten Durchbrüchen. Marktumsätze werden aber praktisch nicht erzielt. Häufig geht auch die Erfindungstätigkeit dann wieder zurück und frühstartende Firmen erleben bedrohliche Einbrüche. Ausgelöst durch neue Nachfrage einerseits und neue Lösungen aus der Wissenschaft andererseits lebt die Erfindungstätigkeit dann später wieder auf, begleitet von einer stark anwachsenden Einführung auf dem Weltmarkt. Einem stärker wissenschaftsgetriebenen Zyklus folgt ein zweiter nachfragegetriebener Zyklus. In Analogie dazu wurde für die Analyse der Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts ein verfeinertes Raster (Abbildung 2) entwickelt und die untersuchten Techniken nach dem Jahr 1992 bzw. der erwarteten Positionierung im Jahr 2000 geordnet. Eine Übersicht über das Ergebnis findet sich in Abbildung 3. Viele der untersuchten Themen haben einen großen Entwicklungssprung vor sich. Die Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts ist nach herkömmlichen Gesichtspunkten nicht mehr aufteilbar", konstatieren die Autoren der deutschen Studie, so verschieden die einzelnen Entwicklungslinien auch sein mögen, sie wirken alle letztlich zusammen." Was die Unternehmen eines Wirtschaftszweiges künftig beherrschen müssen, ist angesichts der wachsenden Verflechtung fraglich geworden; Dies können sehr wohl Technologien sein, die nicht in den Kernbereich ihrer Kompetenz fallen." [Fn.1: Dieser und die folgenden drei Absätze sind dem Beitrag von Grupp (1994) entnommen.] [Seite der Druckausg.: 33 ]
Praktisch heißt das: Ein Unternehmen der ehemals klassischen" Elektrotechnik muß seinen Nachwuchs inzwischen auch aus Festkörperphysik, Informatik und angewandter Mathematik, aus Bioelektronik oder Biotechnologie rekrutieren, um sich entscheidende Entwicklungssprünge aneignen und am Markt bestehen zu können. Eine neue Disziplin wie die Mikrosystemtechnik führt von vornherein Physik und Biologie mit Elektrotechnik, Feinstwerktechnik und Mikromechanik zusammen. In den Materialwissenschaften, die sich mittlerweile als eigenständiger, interdisziplinärer Forschungszweig etabliert haben, kooperieren Ingenieurwissenschaften mit Physik, Chemie und angewandter Mathematik, die wiederum die Computersimulation und die Modellierung einbringt. Die Zusammenhänge der Zukunftstechnik am Beginn des 21. Jahrhunderts sind in der Studie qualitativ erläutert worden. Darüber hinaus wurde mit einem mathematischen Algorithmus, der multidimensionalen Skalierung, versucht, aus den Einschätzungen der Fachleute zur relativen Verwandtschaft der einzelnen technologischen Aufgaben eine neue, [Seite der Druckausg.: 34 ]
aus der Studie gewonnene Gruppierung abzuleiten. Bei der Fahndung nach Verbindungen zwischen bislang als getrennt wahrgenommenen wissenschaftlichen oder technischen Gebieten, nach Überlappungen und Querbefruchtungen identifizierte die Projektgruppe schließlich knapp 90 Themen, die für die Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts bedeutsam sein werden. Sie lassen sich der Übersichtlichkeit halber unter acht Oberbegriffe fassen, die jedoch in erheblichem Umfang überlappend sind (siehe Abbildung 4): eine mehr oder weniger willkürliche Einteilung, weil zahlreiche Themen sich einer eindeutigen fachspezifischen Zuordnung entziehen und mehreren Oberbegriffen zugeordnet werden können. So sind etwa die Hochleistungswerkstoffe für Photonik wie Mikroelektronik relevant, andererseits schafft die Nanotechnik durch kontinuierliche Verkleinerung der Kristalle eine völlig neue Klasse von Werkstoffen, die sich speziell an vorgegebene Anwendungsprofile anpassen lassen. Die hauptsächlichen Anwendungen der Nanotechnik werden jedoch in der Nanoelektronik gesehen, so daß auch dieses Feld sich zwischen Materialwissenschaften und Mikroelektronik herausbildet. Wenn chemische Prozesse und Reaktionen zum Studium neuer Werkstoffeigenschaften per Computer modelliert werden, ist die Verbindung zum Oberthema Software und Simulation" offenkundig. Besonders interessant ist, daß die einzeltechnologischen Einschätzungen der an der Studie beteiligten Fachleute und das dann angewendete mathematische Verfahren dazu führen, daß das Oberthema Software und Simulation" nicht mit der Mikroelektronik oder der informationstechnischen Hardware identifiziert wird, sondern im Zwischenbereich zwischen Mikroelektronik und Lebenswissenschaften angesiedelt wird. Die vielfältigen Bemü- [Seite der Druckausg.: 35 ]
hungen, Lebensvorgänge insbesondere im Nervensystem und im Gehirn (Neuro...") bei der Softwaregestaltung auszunutzen, führt auch hier wiederum zu einem transdisziplinären Gebiet zwischen mikroelektronischer Hardware und belebten Vorgängen. Bei zunehmender Anwendungsnähe bleiben wichtige Bereiche in den nächsten Jahren unverändert stark von der Grundlagenforschung dominiert (Bioinformatik, Aufbau- und Verbindungstechnik in der Mikrosystemtechnik, Fertigungsverfahren für Hochleistungswerkstoffe, Oberflächenwerkstoffe und andere). Damit wird nicht nur der (klassische) Transfer von der Grundlagenforschung zur industriellen Forschung bedeutsamer, sondern auch der entgegengerichtete Transfer von komplexen industriellen Problemstellungen in die Grundlagenforschung erhält eine neue Bedeutung (Grupp, Schmoch 1992). Daneben werden die Multi- und Interdisziplinarität der Technikentwicklung und der Innovationsaufwand weiterhin zunehmen. Das deutsche Szenario zur Zukunftstechnologie sollte nicht nur Wettbewerbsaspekte, sondern ausdrücklich auch gesellschaftliche und ökologische Brennpunkte berücksichtigen, Um das entsprechende Potential neuer Techniken auszuloten, wird in der Studie ein differenziertes Bewertungsverfahren angewendet. Es zieht neben technisch-naturwissenschaftlichen Maßstäben auch ökonomische, ökologische, soziale, rechtliche und ethische Kriterien heran. Hierauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Hinter den genannten Technologiebereichen stehen 86 Techniklinien (Abbildung 5), die hinsichtlich ihres Anwendungspotentials, der sie positiv wie negativ bestimmenden Rahmenbedingungen und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bewertet wurden (ein Beispiel gibt Abbildung 6). Bei allen Schwierigkeiten, allgemeine Aussagen hierüber zu machen, läßt sich folgendes feststellen: Die Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts wird in höherem Maße als bisher folgende Kennzeichen aufweisen: [Seite der Druckausg.: 36 ]
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Neben der Identifizierung wichtiger Techniklinien wurden im Rahmen einer breit angelegten Delphi-Befragung (in Zusammenarbeit mit japanischen Stellen, die dies seit Anfang der siebziger Jahre durchführen) auf 16 Gebieten rund 1.000 Innovationen und der Zeitraum ihrer voraussichtlichen technischen Realisierbarkeit ermittelt. Der Voraussagegrad der japanischen Befragung ist mit rund 60 % relativ gut (Beispiele siehe Abbildung 7), nicht eingetretene Vorhersagen (Abbildung 8) sind in hohem Maße durch den Einfluß nichttechnischer Randbedingungen gekennzeichnet. Abbildung 7: Beispiele eingetroffener Vorhersagen
Abbildung 9 gibt Beispiele der gestellten Fragen, Abbildungen 10 und 11 stellen Ergebnisse für die Zukunft der Technik im privaten Haushalt und im Gesundheitswesen dar. Gleichzeitig werden auch Faktoren genannt, die neben der technischen Realisierbarkeit für die Verwirklichung dieser Innovationen entscheidend sein dürften. Die Chronologie der Ergebnisse zeigt deutliche Unterschiede. Innovationen im Bereich der Feinstrukturen im Nanobereich treten voraussichtlich als Schub im Zeitraum 2002-2006 auf (Abbildung 12), während Innovationen im Bereich erneuerbarer Energiequellen und der rationellen Energienutzung im Zeitraum 1998-2010 kontinuierlicher auftreten (Abbildung 13). [Seite der Druckausg.: 39 ] Abbildung 8: Einige nicht eingetretene Vorhersagen
Abbildung 9: Unterschiede in der Zeitschätzung
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Besonders die in den Abbildungen 10 und 11 dargestellten Ergebnisse illustrieren und belegen die Notwendigkeit, sehr frühzeitig neben der technischen Realisierbarkeit die wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen, politischen und ökologischen Voraussetzungen und Auswirkungen von Zukunftstechniken zu berücksichtigen. Abbildung 14 zeigt, wie eine integrierte Technikvorausschau - technische Entwicklungslinien und Nachfrageentwicklung - auf Unternehmensebene praktiziert werden kann. Analog hierzu kann der Staat durch ihm in den letzten Jahren sowieso zugewachsene neue Rollen wie Moderation und Dialog zur Identifikation von weitsichtigen Innovationsstrategien Ähnliches vorantreiben. Das [Seite der Druckausg.: 43 ] Abbildung 13: Chronologie der Delphi-Fragen zu den erneuerbaren Energiequellen und zur rationellen Energienutzung
Bundesministerium für Forschung und Technologie hat in den letzten Jahren wichtige Initiativen ergriffen, auch der kürzlich gegründete Technologierat kann in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen. [Seite der Druckausg.: 44 ] 4. Weitsichtige Innovationsstrategien: Zukunftstechniken mit gesellschaftlicher Perspektive verbinden Weder das Setzen auf bisherige Stärken - die Leitlinie der achtziger Jahre - noch die zum Beispiel von Konrad Seitz für die neunziger Jahre favorisierte alleinige Priorität von Hochtechnologie sind wegen ihrer Angebotslastigkeit ausreichende Antworten auf die künftigen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Notwendig ist eine ganzheitliche und weitsichtige Innovationsstrategie, die auch folgende Elemente enthalten sollte (Abbildung 15):
Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, ist eine nüchterne und weitsichtige Positionierung auf alten und neuen Märkten wichtiger als die gegenwärtige Hektik von immer neuen Technologie- oder anderen Offensiven". Diese sollten ersetzt werden durch systemares und intelligentes Verbinden von bisherigen deutschen Stärken im technologischen Wettbewerb, Zukunftstechniken, neuen Märkten und veränderten industriellen Leitbildern. Die gegenwärtige deutsche Entlassungsgesellschaft" braucht dringend Langfrist-Perspektiven; sonst lassen sich Motivation, Kreativität und Leistungswillen als entscheidende Motoren für Innovationen nicht mobilisieren. [Seite der Druckausg.: 45 ]
Die bisherige Entwicklung der Industriestaaten kann hinsichtlich des Verbrauchs von Ressourcen, der Gefährdung des Klimas und des Beschäftigungsabbaus langfristig nicht fortgesetzt werden. Die staatliche (Technologie-)Politik muß das dringend erforderliche Einschwenken auf einen verträglicheren Pfad der Wirtschaftsentwicklung vorbereiten, der auf Wissensnutzung statt Ressourcenverbrauch, Internalisierung externer Kosten und einer ausgeklügelten Kreislaufwirtschaft beruht. Hierzu müssen visionäre Anwendungen [Seite der Druckausg.: 46 ]
neuer Techniken mit neuen Forschungsaufgaben verbunden werden, ohne die bestehenden Verantwortlichkeiten der Akteure zu verwischen. Solche Ziele können z. B. sein: Die schornsteinlose Fabrik, das intelligente Gebäude, das integrierte Nah- oder Fernverkehrssystem, der arbeitsverträgliche Technikeinsatz, der gesunde alte Mensch. Wesentlich ist, daß diese Ziele nicht von der Technik, sondern vom Problem und Bedarf her definiert werden. Die staatliche Technologiepolitik - besser: Innovationspolitik - kann durch eine intelligente Mischung von klassischer Forschungsförderung, Stimulierung der Nachfrage, günstigen Rahmenbedingungen und langfristig stabilen Signalen für Wissenschaft und Wirtschaft einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Dies setzt strategischen Dialog voraus, für den die Technikvorausschau wichtige Grundlagen liefern kann. [Seite der Druckausg.: 47 ] Literatur Bundesministerium für Forschung und Technologie (Hrsg.) (1993): Deutscher Delphi-Bericht zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik, Bonn (Studie des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung [ISI] im Auftrag des BMFT) Grupp, H. (1994): Vorausschauende Technikbewertung konkret: Herausforderung überkommener Denkmuster, in: W. Fricke (Hrsg.) Jahrbuch Arbeit und Technik 1994, Bonn: Dietz, S. 308-317 Grupp, H. (Hrsg.) (1993): Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts, Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) 3; Heidelberg: Physica Grupp, H., U. Schmoch (1992): Wissenschaftsbindung der Technik. Panorama der internationalen Entwicklung und sektorales Tableau für Deutschland; Heidelberg: Physica Lay, G. (1993): Perspektivwechsel in der Planung von Forschungs- und Entwicklungszielen, FhG-ISI, Karlsruhe Legier, H., H. Grupp u. a. (1992): Innovationspotential und Hochtechnologie - Technologische Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb: Heidelberg: Physica Meyer-Krahmer, F. (1993): Innovationsökonomie und Technologiepolitik. Forschungsansätze und politische Konsequenzen; Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) 1; Heidelberg: Physica © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2001 |