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[Seite der Druckausg.: 59 (Fortsetzung)]



4. Erwartungen der Deutschen Lufthansa


Die Erwartungen der Deutschen Lufthansa als größter deutscher und einer wichtigen internationalen Fluggesellschaft spielen bei der deutschen Flughafenpolitik eine zentrale Rolle. Dabei kommt es dem Luftverkehrsunternehmen darauf an, dass eine ausreichende und leistungsfähige Infrastruktur am Boden und in der Luft vorgehalten wird, und dass Politik und Gesetzgeber wettbewerbsgünstige Rahmenbedingungen für den Luftverkehr in Deutschland schaffen.

Dringend gewarnt wird davor, durch zu eng gesetzte Lärmgrenzwerte und eine Ausweitung der Nachtflugverbote die Situation der deutschen Flughäfen im europäischen Wettbewerb nachhaltig zu schwächen. Die Deutsche Lufthansa will nicht dafür bestraft werden, dass die Kommunen immer näher an die Flughäfen heranwachsen. Sie unternimmt durch die Anschaffung moderner Flugzeuge, aber auch durch die Ausmusterung und Nachrüstung vorhandener Flugzeuge erhebliche Anstrengungen, um den Fluglärm erträglich zu halten. Die Airline lehnt eine Spreizung der Flughafenentgelte entsprechend den Lärmemissionen auch nicht grundsätzlich ab. Allerdings dürfe die Devise, leise Flugzeuge zahlen weniger, laute Maschinen zahlen mehr, kein verdecktes Mittel sein, um insgesamt mehr Gebühren einzunehmen.

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Versuche, Verkehrsströme lenken zu wollen, haben nach Einschätzung der Deutsche Lufthansa kaum Erfolgsaussichten. Privatreisende und Unternehmen bestimmen ihre Reiseziele autonom und lassen sich diese nicht vorschreiben. In der Luftverkehrspolitik geht es deshalb um die Frage, ob man Rahmenbedingungen schafft, die den Verkehr anlockt oder vertreibt.

Ebenso wie der US-Flugzeughersteller Boeing (vgl. Abb. 1, S. 7) rechnet die Lufthansa weltweit mit einer weiteren Zunahme des Passagierverkehrs und zwar vor allem in den Regionen, wo die Industrialisierung zur Zeit noch am geringsten ist. Der Trend zu einer stetigen Ausweitung des Luftverkehrs in nach Ansicht der Lufthansa unumkehrbar. Globalisierung mit zunehmender Arbeitsteilung, Liberalisierung und E-Business sorgen dafür, dass immer mehr gereist und damit auch geflogen wird. Zusätzlich drängen die Entwicklungs- und Schwellenländer verstärkt auf den Markt. Auch von Kritikern des Wachstums im Luftverkehr werden Video-Konferenzen zwar als Alternative ins Gespräch gebracht. Diese sind aber kein realistischer Ersatz für notwendige persönliche Kontakte.

Für Privatkunden sind heute Flugreisen in alle Winkel der Erde selbstverständlich und erschwinglich geworden. Ein Flug Frankfurt - New York, der noch vor wenigen Jahrzehnten ein Luxusartikel war, gehört heute zum Massenkonsum.

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4.1 Globale Rahmenbedingungen

Unter den neuen globalen Rahmenbedingungen eines weitgehend liberalisierten Markts kennt der Luftverkehr keine nationalen Grenzen mehr. Neue Wettbewerber sorgen für noch mehr Konkurrenz zwischen den Luftverkehrsgesellschaften bzw. zwischen ihren Allianzen.

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Weil die Kunden - Touristen, Privatkunden und Geschäftsreisende - zwischen einer Vielzahl von Angeboten wählen können, müssen die Fluggesellschaften um jeden Kunden werben. Während für Urlaubs- und Privatreisende vor allem der Flugpreis eine Rolle spielt, ist bei Geschäftsreisenden der Faktor Zeit entscheidend. Letztere reisen in aller Regel mit der Airline, die sie am schnellsten an ihr Ziel bringt. Neben der Gesamtreisezeit sind hierbei die Zeitenlage, die Häufigkeit der Flugverbindungen und die Attraktivität des Umsteigeflughafens wichtig. Erst danach achtet der Geschäftsreisende auf den Preis. Mit Vielfliegerprogrammen wird vor allem versucht, die Kundenbindungen zu stärken, die heute nicht mehr automatisch gegeben sind. Hierbei planen die europäischen Mitglieder der Star Alliance ein gemeinsames Vielfliegerprogramm, das die bisherigen Meilenprogramme - „Miles and more„ bei der Lufthansa - ablösen soll.

Die ausschlaggebende Bedeutung des Zeitfaktors ist durch die Computer-Reservierungssysteme noch einmal gesteigert worden. Die Lufthansa verkauft 95 Prozent ihrer Flüge über diese Systeme. Wenn ein Kunde etwa von Schanghai nach Boise im US-amerikanischen Bundesstaat Idaho fliegen will, gibt das Reisebüro die gewünschten Flugdaten in den Computer ein. Auf dem Bildschirm erscheint dann die erste Seite mit den schnellsten Verbindungen und den kürzesten Reisezeiten. Maximal stehen fünf Verbindungen auf dieser Seite. Flüge, die auf Grund ihrer längeren Dauer erst auf der zweiten Bildschirmseite erscheinen, brauchen in der Regel gar nicht angeboten zu werden. Denn der Anteil der Buchungen von der ersten Seite des Displays liegt bei etwa 70 Prozent. Und in ca. 70 Prozent dieser Fälle wählt der Kunde die Verbindung, die in der ersten Zeile der ersten Bildschirmseite erscheint. Schnelligkeit wird damit zum entscheidenden Erfolgskriterium.

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4.2 Allianzen im Luftverkehr

Um die Bedienung der Kundenbedürfnisse zu optimieren, hat sich eine Vielzahl von Airlines in Allianzen zusammengeschlossen. Sinnvoll werden solche Allianzen insbesondere, wenn starke Partner aus Europa, aus Amerika und aus Asien kooperieren. Die Lufthansa ist Mitglied der Star Alliance. Die übrigen Partner dieser mit 564 Mrd. Personenkilometer größten Luftverkehrsallianz der Welt zeigt Abb. 6. Weitere große Allianzen sind die Oneworld mit 439 Mrd. Personenkilometern sowie das Sky Team mit 283 Mrd. Personenkilometern.

Abbildung 6: Allianzen im Luftverkehr



In diesem System kommt den Heimatflughäfen der internationalen Luftverkehrsgesellschaften eine herausragende Bedeutung zu. Das sind große Drehkreuze oder Hubs, die ebenso im Wettbewerb wie die Fluggesellschaften und ihre Allianzen stehen. Die europäischen Drehkreuze der Star Alliance sind neben Frankfurt noch München, Kopenhagen, London Heathrow und Wien.

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Abbildung 7: Wettbewerb europäischer Verkehrsdrehscheiben



Als wichtige europäische Fluggesellschaft betrachtet die Lufthansa die Entwicklung an ihrem Hauptstandort Frankfurt, aber auch auf den anderen internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland mit Sorge. Schon jetzt sei der Flughafen Frankfurt mit einer Kapazitätsauslastung von 104 Prozent überlastet, und Düsseldorf habe mit einer Auslastung von 100 Prozent seine Kapazitätsgrenze erreicht. Ohne den Ausbau der vorhandenen Infrastruktur werde Frankfurt im Jahr 2010 bei einer Kapazitätsauslastung von 150 Prozent liegen, mit 160 Prozent wäre Düsseldorf völlig überlastet, und auch die neue Verkehrsdrehscheibe München käme auf eine Vollauslastung (vgl. Abb. 3 und 4 auf S. 30).

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4.3 Verkehrsdrehscheibe Frankfurt

Wie wichtig die Verkehrsdrehscheibe Flughafen Frankfurt für die Lufthansa ist, zeigt das Beispiel von zwei Linienflügen im vergangenen November. Im Lufthansa-Airbus A 321 auf dem Flug LH 3809 von Venedig nach Frankfurt am 5. November saßen 120 Passagiere. 25 von ihnen hatten Frankfurt als Zielort, 95 Passagiere wollten in Frankfurt umsteigen. Zehn hatten andere Ziele in

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Deutschland (Berlin, Düsseldorf, Bremen, Hamburg und Stuttgart). 85 ankommende Reisende flogen weiter zu 26 verschiedenen Zielen im Ausland – von Accra über Bangkok, Boston und Lima bis Tallinn und Tripolis.

384 Passagiere saßen im Lufthansaflug LH 400 von Frankfurt nach New York am 30. November. 152 Personen hatten ihren Flug in Frankfurt begonnen. 232 Passagiere - das sind 60 Prozent - waren nach Frankfurt angeflogen. 109 dieser Umsteiger waren an 15 verschiedenen deutschen Flughäfen gestartet, die übrigen Fluggäste kamen von Delhi, Ljubljana, London, Bombay, Budapest und 16 anderen ausländischen Abflugorten.

Die Lufthansa und ihre Partner flogen im Sommer 2000 von Frankfurt aus 148 Destinationen in aller Welt an. Der Anteil der Umsteiger an der Gesamtpassagierzahl von rund 46 Millionen liegt bei 63 Prozent. Von München, das zum zweiten Drehkreuz in Deutschland heranwachsen soll, können 90 Zielorte direkt angeflogen werden; der Anteil der Umsteiger beträgt hier 34 Prozent. Dagegen sind von Düsseldorf aus nur noch 40 Ziele direkt zu erreichen (Umsteigeranteil von sieben Prozent.) Von Hamburg aus gibt es 34 Direktverbindungen, von Berlin nur 24. Die Quote der Umsteiger ist mit drei bzw. zwei Prozent entsprechend niedrig.

Die künftige Attraktivität des Frankfurter Flughafens wird nach Ansicht der Lufthansa ganz entscheidend von der Nachtflugregelung abhängen. Betroffen ist insbesondere der Luftfrachtverkehr. Für Passagiere spielen Nachtflüge eine geringere Rolle, wenn genügend Kapazität am Tag und in den Tagesrandzeiten vorhanden ist. Der Lufthansa kommt es hier vor allem darauf an, mit ihren Maschinen auch bei Störungen und Verspätungen im internationalen Verkehr auf ihre Heimatbasis zurückkehren zu können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2001

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