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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: I ] Dr. Monika Wulf-Mathies
I. Mit den Europäischen Strukturfonds den Strukturwandel gestalten
Die Idee zu dieser Tagung geht unmittelbar auf den Berliner Gipfel im März 1999 zurück. In der Nacht der langen Messer" wurde mit der Agenda 2000 über die künftige Finanzierung der EU entschieden. Auch wenn Deutschland in der Strukturpolitik seinen Marktanteil" noch einmal erheblich von 14 auf über 15 % steigern konnte und 2000 bis 2006 aus den Strukturfonds rund 30 Mrd. EURO erhalten wird, so gehören doch wenig prophetische Gaben dazu, vorauszusagen, dass dies vermutlich die letzte große Finanzspritze zur Regionalentwicklung aus Europa sein wird - wenn man einmal von einigen ostdeutschen Regionen absieht. Wir müssen uns auf Veränderungen einstellen. Um so wichtiger, die jetzt gewonnenen sieben Jahre Planungssicherheit - in einer Zeit der Haushaltskonsolidierung ein kostbares Geschenk - als Chance und Verpflichtung zu begreifen, europäische Mittel nicht als haushalts-politischen Durchlauferhitzer oder Lückenbüßer für bisher nicht finanzierbare Schubladenprojekte zu verwenden, sondern als Impuls für nachhaltige Regionalentwicklung, für Innovation und Beschäftigung zu nutzen. Diese Botschaft allen Beteiligten zu übermitteln und mit ihnen in einen Diskurs darüber einzutreten, wie man Verteilungsroutine, Ressortegoismus und Kirchturmpolitik überwinden und einen Ideenwettbewerb für innovative Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen gestalten kann, ist das Ziel dieser Tagung. Ich danke der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass sie diesen Ball aufgenommen hat und Experten und Akteure vor Ort eingeladen hat. Ich danke Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, um sich an diesem Ideenwettbewerb zu beteiligen. Ich danke dem Bundesfinanzminister, dass er zu uns sprechen wird, vor allem aber bedanke ich mich bei Hannelore Hausmann stellvertretend für alle in der FES, die dazu beigetragen haben, dass diese Tagung so gut vorbereitet stattfinden kann. Gestatten Sie mir als ehemalige EU-Kommissarin für Regionalpolitik einen zusätzlichen Wunsch: Ich würde mich freuen, wenn es auf diese Weise auch in Deutschland gelänge, anhand vieler guter Beispiele den Beitrag der EU zur [Seite der Druckausg.: II ] Solidarität mit den strukturschwachen Regionen und zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Gemeinschaft sichtbar zu machen. Denn gerade die Strukturpolitik ist europäische Politik zum Anfassen. Es müsste auch Euroskeptiker vom praktischen Nutzen der EU überzeugen, wenn wir ihm zeigen können, dass die Gemeinschaft die Wettbewerbsfähigkeit seiner Region stärkt und mithilft, dort dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Genau das hat sich die EU-Kommission mit der Reform der Strukturpolitik zum Ziel gesetzt. Die Leitlinien zur Programmierung der Strukturfonds bilden einen IdeenRahmen, der den Regionen helfen soll, ihr regionales Entwicklungskonzept in eigener Verantwortung zu erarbeiten. Denn mit der Stärkung des Subsidiaritätsprinzips wollte die Europäische Kommission nicht nur den Mitgliedstaaten mehr Spielräume und Entscheidungsmöglichkeiten einräumen, sondern auch den lokalen und regionalen Akteuren eine umfassende Beteiligung an der Umsetzung der Strukturpolitik ermöglichen. Durch eine verbindliche Absicherung der Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene, aber auch mit Wirtschafts- und Sozialpartnern und anderen relevanten gesellschaftlichen Gruppen von der Planung über die Umsetzung bis zur Evaluierung soll die Kompetenz vor Ort besser genutzt und die Effizienz der Strukturförderung erhöht werden. Nur wenn Strukturveränderungen von den Bürgern mitgetragen werden, sind sie am Ende auch erfolgreich. Beteiligung ist deshalb ein wesentliches Element der Reform und ein Themenschwerpunkt der heutigen Tagung. Um auch die Gestaltungsfreiheit auf lokaler Ebene zu fördern, sehen die neuen Verordnungen insbesondere für lokale Beschäftigungsprojekte die Möglichkeit des Globalzuschusses vor, der lokalen Beschäftigungsbündnissen die Möglichkeit einräumt, im Rahmen der jeweiligen Länderprogramme Projekte in eigener Verantwortung durchzuführen. Meine Damen und Herren, alle sind sich darüber einig, dass Strukturfonds-Interventionen in dieser Förderperiode vor allem der Beschäftigung dienen müssen. Dazu bedarf es einer Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und einer Qualifizierungsoffensive am Arbeitsmarkt. [Seite der Druckausg.: III ] A. Wettbewerbsfähigkeit Die Leitlinien der Europäischen Kommission unterscheiden bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zwischen Maßnahmen, die die Voraussetzungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit in den Regionen schaffen und Aktivitäten zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Meine Damen und Herren, die zweite Säule für die neue Programmgeneration ist: B. Der Ausbau der Human-Ressourcen auf breiter Front Im Rahmen der neuen Ziel 3 Förderung werden dazu auf europäischer Ebene spezifische Programm- und Finanzierungsinstrumente bereitgestellt, um die Maßnahmen der nationalen Beschäftigungsprogramme aktiv zu flankieren. Die wichtigsten Stichworte hierfür sind:
[Seite der Druckausg.: VI ]
Meine Damen und Herren, damit komme ich zum dritten Reformschwerpunkt: dem integrierten Entwicklungskonzept für städtische und ländliche Räume. Dadurch soll eine ineffiziente und an sektoralen Bedürfnissen orientierte Aufsplitterung der Fördermaßnahmen verhindert werden. Es erfüllt mich mit Sorge, dass sich entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen zunehmend Tendenzen zu sektoralen Einzelprogrammen abzeichnen. Dies gilt gerade auch für die Förderung des ländlichen Raumes. Zu einem Zeitpunkt, in dem sich ein Konsens über ein europäisches Konzept zur nachhaltigen Raumentwicklung abzeichnet, wäre es ein Rückschritt, wenn es nicht gelänge, sich auf integrierte Entwicklungsstrategien zu verständigen. Wer den ländlichen Räumen wirklich helfen will, darf sie nicht ökonomisch isolieren, sondern muss ein Interesse daran haben, dass städtische und ländliche Entwicklung nicht gegeneinander, sondern miteinander vorangetrieben werden. Nur so lässt sich ein Infrastruktur- und Dienstleistungsangebot in den Städten sichern, das den Bedürfnissen der Bevölkerung auf dem Lande Rechnung trägt. Nur so kann die wirtschaftliche Dynamik der Städte genutzt werden, um wirtschaftliche Alternativen im ländlichen Raum aufzubauen und
Nur so kann eine sinnvolle Stadt-Umlandbeziehung entstehen und eine nachhaltige Flächennutzung gesichert werden, die Gewerbe, Wohnen und Erholungsräume, Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung miteinander in Einklang bringt. Eine integrierte Regionalentwicklung erfordert mehr Kooperation und eine sinnvolle Arbeitsteilung, auch über Grenzen hinweg. [Seite der Druckausg.: VII ] Standortsicherung bedeutet mehr und mehr, gemeinsame wirtschaftliche und kulturelle Synergien zu mobilisieren und eine langfristig sinnvolle und ausgewogene räumliche Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten anzustreben. Gerade in Grenzräumen sind deshalb zunehmend Kooperation und regionale Spezialisierung statt übertriebener Konkurrenz gefragt. Die Fähigkeit, regionale Partnerschaften aufzubauen und grenzüber-schreitende Wirtschaftskooperation zu organisieren, wird im Zuge der Globalisierung immer wichtiger. Die zunehmende Durchlässigkeit nationaler Grenzen für Kapital, Güter und Dienstleistungen gibt den Regionen die Möglichkeit, durch attraktive lokale Rahmenbedingungen Investitionen anzuziehen. Kulturelle Vielfalt, eine im allgemeinen gut ausgebaute Bildungsinfrastruktur und regionale Kompetenz sind ein europäischer Standortvorteil, den zu erhalten und auszubauen sich lohnt. Der Ausbau des Programms INTERREG und die Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, auch an den Außengrenzen der EU, gewinnen gerade auch für Deutschland eine neue Qualität als Beitrittsvorbereitung für die Osterweiterung. Auf dem Weg zur Erweiterung wird es neben großen Chancen auch nicht zu unterschätzende Anpassungslasten geben. Sie können am besten durch eine aktive Vorbereitungsstrategie vermindert werden. Nicht Abschottung, sondern frühzeitige Kooperation auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet kann abrupte Verschiebungen und Arbeitsverluste verhindern. Partnerschaftliche Hilfen beim Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen und beim Aufbau regionaler Strukturen in den ehemals zentralstaatlich gelenkten Beitrittsländern können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, um Ängste und gegenseitiges Misstrauen abzubauen und die Kooperationsfähigkeit an der deutschen Ostgrenze zu erhöhen. [Seite der Druckausg.: VIII ] Meine Damen und Herren, die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Programmplanung enthalten eine Fülle von Beispielen aus der Praxis und sind als Anregungen für die Arbeit vor Ort gedacht. Entscheidend ist, was Sie daraus machen. Patentrezepte für eine erfolgreiche Umsetzung der Fördermittel gibt es nicht, aber die neue Förderperiode hält Anreize bereit für diejenigen, die am effektivsten arbeiten. Wir wollen einen Wettbewerb, um das beste Konzept und die effizienteste Durchführung in Gang setzen. Deshalb werden 4 Prozent der Mittel erst nach der kritischen Überprüfung der Halbzeitergebnisse denjenigen zugewiesen, die die besten Ergebnisse vorweisen können. Dieser Ansatz stellt eine wirkliche Managementinnovation im Bereich der öffentlichen Verwaltung dar, weil damit erstmals positive Anreize für ein effizientes Programmmanagement gesetzt werden. Ich weiß, dass dieser Vorschlag umstritten ist. Wenn wir es aber mit dem Ziel ernst meinen, die Effektivität der Strukturfonds zu verbessern, dann kann man sich eigentlich Vorschlägen nicht verschließen, die einen Anreiz zur wirtschaftlichen Mittelverwendung bieten. Wenn man immer davon redet, dass sich Leistung lohnen soll, dann doch wohl erst recht gutes Management und eine effiziente Verwendung von Steuergeldern. Denn schließlich handelt es sich für ganz Europa um mehr als 500 Mrd. DM, für die nicht nur die Europäische Kommission, sondern in gleicher Weise nationale und regionale Verwaltungen dem europäischen Steuerzahler gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Gerade bei einem Ausbau regionaler Handlungsspielräume werden deswegen Erfolgs- und Finanzkontrolle noch wichtiger. Nur so kann vermieden werden, dass wir Blanko-Schecks mit europäischen Steuergeldern ausstellen, von denen immerhin knapp 30 Pfennig einer jeden Mark aus Deutschland kommen. Gerade aus deutscher Sicht muss es daher verwundern, wenn gefordert wird, das Geld nur auszuteilen, aber dann bitte für die nächsten sieben Jahre die Augen zu schließen. Auch das Subsidiaritätsprinzip rechtfertigt keine kontrollfreien Zonen für europäische Steuergelder. [Seite der Druckausg.: IX ] Und nachdem das Schreckgespenst" einer europaweiten Effizienzreserve gebannt ist und das Geld auf jeden Fall im Lande bleibt, hoffe ich darauf, dass Sie sich auf einen Qualitätswettbewerb einlassen und die Evaluierung Ihrer Programme als Chance nutzen, die Treffsicherheit Ihrer Strukturmaßnahmen zu überprüfen und zu verbessern. Das setzt bei der Programmaufstellung klare Zielvorgaben, auch quantitative, voraus, damit man am Ende auch prüfen und bewerten kann, was erreicht wurde: nicht in erster Linie zur Freude der Europäischen Kommission, sondern im Interesse der betroffenen Menschen.
Ich hoffe, die heutige Tagung bietet Ihnen für die Praxis spannende Anregungen und einen produktiven Ideenwettbewerb. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001 |