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[Seite der Druckausgabe: 7]


Einleitung

Das Thema „Lebenswerte Städte - städtebaupolitische Strategien für das 21. Jahrhundert" steht für die Sprecherin der Arbeitsgruppe Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen der SPD-Bundestagsfraktion im Spannungsfeld ökonomischer, ökologischer und sozialer Anforderungen. Die Bedeutung des Zusammenspiels dieser drei Bereiche sei zwar von der Politik erkannt worden, in der Bevölkerung allerdings noch mit vielen Fragezeichen behaftet. In der öffentlichen Diskussion habe jetzt das Thema Verkehr Priorität, während es vor einiger Zeit noch der Komplex Wohnen war. Die SPD-Politikern betonte die Notwendigkeit, beide Bereiche wieder aneinander zu binden. Es sei wichtig, Mobilität weniger umweltfeindlich zu gestalten, Flächen besser auszunutzen, den Verkehrsträger Schiene zu optimieren und Alternativen zum Individualverkehr zu fördern.

Die Sprecherin der Arbeitsgruppe stellte drei aktuelle Entwicklungen von Stadt in den Vordergrund ihrer Betrachtungen: Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Stadt als Wirtschaftsstandort, Aufrechterhaltung ihrer Funktion als „normale" Arbeits-, Versorgungs- und Wohnstadt sowie zunehmende Marginalisierung städtischer Teilräume. Überlagert würden diese Prozesse von den Spannungen zwischen Kernstadt und Umland, vor allem in bezug auf die räumliche „Verteilung" sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

Nachhaltige Stadtentwicklung bedeute vor diesem Hintergrund, Ökonomie, Ökologie und soziale Ziele in Einklang zu bringen sowie die räumliche Trennung von Wohnen, Leben und Arbeiten zu überwinden. Als Modell könne die europäische Stadt mit ihrer Kompaktheit, Funktionsmischung und ihrer Bedeutung der Stadtmitte auch als kulturelles und politisches Zentrum dienen.

Stadtentwicklung darf nach Auffassung der SPD-Politikern nicht als etwas Statisches, sondern muss als gesellschaftlicher Prozess verstanden werden, der sich räumlich im Stadtteil spiegelt. Mit den vorhandenen Instrumenten von Bund, Ländern und Kommunen müssten Stadtteile daher gestützt, entwickelt oder auch „reparieret" werden. „Nachhaltige" Stadtentwicklung könne nur als integrierter Ansatz gelingen, wozu unter anderem neue Formen der Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie geeignete Monitoring- und Controllingsysteme notwendig seien.

Die Wissenschaftlerin vom Deutschen Institut für Urbanistik Difu zitierte Ergebnisse der Difu-Umfrage „Probleme der Stadtentwicklung und Kommunalpolitik 1999" [Fn. 1: Bretschneider, Michael: Probleme der Stadtentwicklung und Kommunalpolitik 1999, Ber lin 2000 (Reihe Difu-Materialien Bd. 2/2000).] , nach denen in deutschen Städten und Gemeinden die wirtschaftli-

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chen Probleme generell einen deutlich höheren Stellenwert als andere Schwierigkeiten einnehmen. Bei genauerer Betrachtung müsse bei der Identifikation kommunaler Handlungsfelder zwischen Ost- und Westsicht differenziert werden: In den neuen Bundesländern sind die Problembereiche Arbeitslosigkeit, Innenstadtentwicklung und Suburbanisierung wesentlich früher thematisiert worden als in Westdeutschland, was auf einen besonderen Problemdruck in Ostdeutschland hinweist. Hier stellen die Bereiche Stadterneuerung, soziale und technische Infrastruktur noch immer eine große Herausforderung dar.

Die Vertreterin des Difu sieht als zentrale Anforderungen für eine nachhaltige Siedlungs- bzw. „lebenswerte" Stadtentwicklung vor allem drei Handlungsbereiche: An erster Stelle stehe das Thema Integration, das nicht nur soziale, sondern auch kulturelle Belange umfasst. Erforderlich seien die Herstellung einer neuen sozialen Balance im Stadtraum, aber auch die Integration von Siedlungsgebieten und von Einrichtungen. Der zweite Bereich werde von dem Themenfeld „ökologisch Zukunftsfähigkeit" gebildet, d.h. Ressourcen- und Flächenschonung, Verbesserung der Umweltqualität, CO²-Reduktion. Das dritte Handlungsfeld umfasst die Sicherung qualitativen und quantitativen Wirtschaftswachstums sowie von Beschäftigungsstabilität.

Die Wissenschaftlerin ging auf Prinzipien und Strategien heutiger Stadtentwicklung ein, die sich von den Vorgehensweisen der 60er und 70er Jahre unterscheiden. In der Fachdebatte besteht darüber Einigkeit, dass Leitkonzepte der Stadtentwicklung nach wie vor notwendig sind, allerdings nicht mehr in Form geschlossener Zielsysteme, sondern eher als Orientierungsrahmen. Diese können ergänzt und fortgeschrieben, bezüglich übergreifender Ziele sowie Schlüssel- und Leitprojekten jedoch auch politisch verbindlich gemacht werden. Wichtige Organisationsformen sind in diesem Zusammenhang regionale Kooperation und ressortübergreifende Koordinierung der Fachpolitiken, notwendiges Instrument ist das Monitoring von Entwicklungsprozessen. Im Zusammenhang mit der Nutzung, Stärkung und Entwicklung endogener Potenziale sei allerdings oftmals eine unzureichende Motivation in Politik und Verwaltung („Begeisterungsproblem") zu beobachten. Hier könnten vor allem die Länder mit ihren Richtlinien sowohl Prozesse erschweren als auch Chancen eröffnen.

Insbesondere sei es notwendig, die Entwicklung von Städten und Stadtteilen als öffentlichen Prozess mit einer stärkeren Dialogorientierung - beispielsweise über Foren und Quartiermanagement - zu organisieren. Es gehe darum, die Produktivität der Stadtöffentlichkeit in den Dienst der perspektivischen Entwicklung von Stadt und Stadtteilen zu stellen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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