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4. Konzepte zur nachhaltigen Mobilität - Erfahrungen aus der Praxis

Wie bei anderen Akteuren einschließlich breiter Schichten der Bevölkerung ist auch in vielen Unternehmen das Interesse an einer konkreten Umsetzung von nachhaltiger Mobilität nach wie vor gering. Selbst der Informationsbedarf über die Chancen, die in diesem Politikfeld zugunsten von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft simultan genutzt werden könnten, läßt zu wünschen übrig. Dies verdeutlicht auch die geringe Teilnehmerzahl aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor an der durchgeführten Fachkonferenz: Noch nicht einmal fünf der über 800 angesprochenen Unternehmen schickten einen Mitarbeiter zu der Veranstaltung. Hinzu kommt, daß offensichtlich auch auf der wirtschaftlichen Ebene die Trägheit der etablierten Systeme die letztlich überfällige Umsetzung von Konzepten einer nachhaltigen Mobilität behindert. Die folgenden Beispiele aus fünf ausgesuchten Unternehmen besitzen deshalb quasi Pioniercharakter. Solche Beispiele, die die Vereinbarung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen verdeutlichen, verdienen es, in den Medien mehr beachtet bzw. diskutiert zu werden. Die Politik bleibt aufgerufen, derartige Ansätze intensiver zu fördern.

4.1 Institut für Logistik und Verkehrsmanagement

Die Geschäftsführerin des Instituts für Logistik und Verkehrsmanagement ILV stellt das Münchner Modell zur Citylogistik vor, das sich im wesentlichen mit einer Optimierung des Warenverkehrs zwischen Herstellern und Großhandel einerseits und dem Einzelhandel in der Münchner Innenstadt befaßt. Hervorgegangen ist das Konzept aus einem vom bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie und von der freien Wirtschaft geförderten Forschungsprojekt. Im Rahmen verschiedener Lenkungsausschüsse wurden die Arbeitsergebnisse diskutiert und generelle Empfehlungen erarbeitet, die mittlerweile bundesweit Beachtung finden und auch die Grundlage für eine Vielzahl weiterer praxisorientierter Logistikkonzepte bilden.

Nach Darstellung der Referentin wurde das Modell entwickelt, um einen pragmatischen und wirtschaftlich erfolgreichen Weg zur Bewältigung der sich verschärfenden Situation im Bereich der Belieferung mit Waren zu finden. Generell ständen hier die Verladeindustrie, der Handel und das Transportgewerbe unter einem hohen Leistungsdruck: So werde die Attraktivität einer Stadt in erheblichem Umfang von den Einkaufsmöglichkeiten geprägt, die der Handel

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biete, von servicefreundlichen Dienstleistungsunternehmen über eine vielseitige Gastronomie bis hin zu einem breiten kulturellen Angebot. Voraussetzung dafür sei eine reibungslose Präsentation des Warenangebots ebenso wie ein effizientes Entsorgungsmanagement für Verpackungen und Retouren.

Teure Verkaufsflächen im Innenstadtbereich hätten dazu geführt, daß der Handel seine Lagerflächen in Verkaufsflächen umwandeln und somit letztlich in immer kleineren Mengen und häufiger beliefert werden müsse. Dies wiederum führe in letzter Konsequenz zu einer höheren Zahl an Anlieferfällen und auch zu einer geringeren Auslastung der Lkw. Daraus ergebe sich das Dilemma, daß der Wirtschaftsverkehr zunehmend zu einer Belastung für Mensch und Umwelt werde. Der Einzelne sei von Lärm und Abgasen, aber auch von Staus und Behinderungen im ohnehin ausufernden Verkehrsgeschehen zunehmend betroffen, so daß die Attraktivität der Stadt leide. Citylogistische Konzepte im Sinne einer Selbstorganisation der Wirtschaftspartner ständen dementsprechend seit mehreren Jahren in ganz Deutschland auf der Tagesordnung.

Im Münchner Modell spiele die prozeßorientierte Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette eine besondere Rolle, denn angesichts des strukturellen Wandels könne nur ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten erfolgreich sein (sog. supply chain management). Über das Transportgewerbe hinaus müßten also auch die verladende Industrie, der Handel und die Kommune an einem erfolgreichen Konzept mitarbeiten. Bezüglich der Reduzierung negativer ökologischer Effekte habe man sich an folgender Zieltrias orientiert:

  • Verkehrsvermeidung: Dieser Ansatz umfasse alle Maßnahmen zur besseren Kapazitätsauslastung der eingesetzten Fahrzeuge, zur Reduzierung von Fahrstrecken und von Lieferstopps.

  • Verkehrsverlagerung: Hier stehe die Einbindung oder die attraktivere Nutzung von alternativen Verkehrsträgern im Vordergrund, wobei die Schwierigkeiten, auf die Schiene oder Binnenwasserstraße umzusteigen, hinreichend bekannt seien.

  • Verträglichere Gestaltung des Verkehrs: Hier seien technische Lösungen gefragt, z.B. Antriebs-, Be- oder Entladetechnik, vor allem um einen lärm- und schadstoffarmen Wirtschaftsverkehr in den Innenstadtbereichen zu erzielen, aber auch organisatorische und planerische Lösungen z.B. seitens der Kommunen, um Wirtschaftsverkehr räumlich und zeitlich zu entzerren.

Grundsätzlich hätten alle praktischen Citylogistikerfahrungen gezeigt, daß verkehrliche und ökologische Ansätze nur dann von den Wirtschaftspartnern ak-

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zeptiert würden, wenn jeder einzelne auch eigene Ziele verfolgen könne und individuelle Vorteile erkenne - denn letztendlich entscheide die Erzielung von Kosteneinsparungen.

Angesichts dieser Randbedingungen müsse ein Lösungskonzept also zwangsläufig darin münden, eine Bündelung der Güterströme im Rahmen der Selbstorganisation der Wirtschaftspartner zu erreichen. Gemeint sei eine Bündelung zum Einzelhandel hin, d.h. nicht mehr zehn verschiedene Speditionen sollen ihre Sendungen zu einem Geschäft verbringen, sondern nur noch ein Unternehmen. Die Vorteile lägen auf der Hand: Bessere Kapazitätsauslastung und damit Kosteneinsparung durch Erhöhung des Transportgewichts pro Lieferung, durch Einsparung von Lieferstopps sowie durch Einsparung der Anlieferfälle.

Potentielle Nachteile seien in hohem Maße davon abhängig, welche Gruppe sich mit dem Konzept auseinandersetze. So setzten Bündelungen durch Speditionskooperationen, wie sie in vielen Städten bereits betrieben würden, eine hohe Kooperationsbereitschaft voraus, die nicht immer vorhanden sei. Vielfach scheiterten Kooperationen einfach an Berührungsängsten, z.B. mit dem Wettbewerber gemeinsam Waren auszusenden. Abgesehen von Konkurrenzdenken bildeten aber auch die Bereiche der Gewinnverteilung und des Auftrags-Clearings Stolpersteine. Grundsätzlich müsse man feststellen, daß die von Logistikdienstleistern zu erwirtschaftenden Einsparpotentiale bei weitem noch nicht ausgeschöpft seien, so daß in dieser Akteursgruppe noch viel Aufbau- und Umsetzungsarbeit zu leisten sei.

Initiator einer Bündelung könne auch der Handel sein. In der Vergangenheit hätten der Großhandel bzw. große Handelsketten frühzeitig das Potential einer Bündelung erkannt und umgesetzt. Der Motor der Bündelung seien hier aber nie verkehrliche bzw. ökologische Effekte gewesen, sondern immer die Chance zur eigenen Gestaltung der Warenverteilung und infolgedessen zur Realisierung von Kosteneinsparungen. Diskutiert werde derzeit auch die Selbstabholung, z.B. das Konzept der Metro und der Widerstand der Verladerseite, insbesondere in der Körperpflegeindustrie und in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Auch hier würden natürlich große Bündelungspotentiale gesehen.

Aber auch die verladende Industrie könne von sich aus aktiv in Richtung Bündelung der Warenströme agieren. Kooperierende Hersteller besäßen quasi automatisch ein sehr hohes Erfolgspotential. Aus diesem Grund wurde für das Münchner Modell bevorzugt diese Gruppe aktiviert. Eine Herstellerkooperation könne zudem vergleichsweise leicht vom Münchner Modell (mit seiner Be-

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schränkung auf Südbayern) auf weitere Regionen bzw. auf ganz Deutschland übertragen werden.

Zur Bildung von Herstellerkooperationen wurden seit 1995 mehrere sog. Münchner Kreise ins Leben gerufen, nämlich

  • die Papier–, Büro- und Schreibwarenindustrie,

  • die Körperpflege- und Waschmittelindustrie,

  • die Hausgerätehersteller

  • die Nahrungs- und Genußmittelindustrie und

  • die Arzneimittel- und die Pharmaindustrie.

Diese Branchen wurden im Rahmen einer halbjährigen Machbarkeitsstudie bestimmt.

Besondere Erfolge seien im Münchner Kreis der Körperpflege- und Waschmittelindustrie erzielt worden. Nach ersten theoretischen Simulationen, ob denn eine Bündelung überhaupt zu Kosteneinsparungen führen könne, haben sich diese Branchen nach einer Entwicklungsphase von rund zwei Jahren entschlossen, im Juli 1996 mit den ersten gebündelten Auslieferungen im Stadtgebiet München und in den angrenzenden Regionen zu beginnen. Nachdem dieses Projekt sehr rasch an Tonnage gewonnen habe und auch an neuen Teilnehmern, habe sich die gesamte Gruppe 1998 entschlossen, das Ganze national auszuweiten. Diese Weiterentwicklung des Modells über das Forschungsprojekt hinaus sei allein deshalb als besonderer Erfolg zu werten, weil solche Kooperationen gegen etabliertes Wettbewerbsdenken anzukämpfen hätten und dementsprechend viele Vorurteile zu bewältigen seien. Solange man sich aber um ein Kooperationsmanagement bemühe, das mit Clearing und Zusammenhalt die Partner wirklich neutral behandle und die Gruppe hier eine Anlaufstelle habe, wo sie sich konzeptionell gut behandelt fühle, ständen die Chancen gut für eine Umsetzung. Andere Projekte zeigen aber auch, daß in Fällen, in denen ein Gruppenmitglied sehr dominant ist, solche Kooperationen sehr leicht scheitern können.

Auch der Münchner Kreis der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sei sehr aktiv. Seit Februar 1999 liefere die gesamte Gruppe über die Danzas-Logistics aus. Da die Hersteller sehr zufrieden mit Qualität und Preisverhältnis des Dienstleisters seien, habe die Gruppe entschieden, dieses Konzept für die gebündelte Auslieferung in Südbayern auf ganz Deutschland zu übertragen.

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Einen weiteren wesentlichen Aspekt stelle die Nutzung neuer Möglichkeiten der Telematik dar. So gehe das Münchner Modell von einem Ansatz aus, den man als virtuelles Güterverkehrszentrum bezeichnen könne. Verschiedene Elemente wie Speditionsniederlassungen, Verladezentren, Häfen etc. könnten physisch und telematisch so vernetzt werden, daß sie quasi die gleichen Funktionen erfüllen wie ein arrondiertes, d.h. an einem Platz befindliches Güterverkehrszentrum. Die telematische Vernetzung werde in einem besonderen Projekt fortentwickelt, das den Datenaustausch über einen gemeinsamen Server in einer Form sicherstelle, daß der Einzelne - sei es die verladende Industrie, Handel oder Logistikdienstleister - nicht sein hausinternes System anpassen müsse, um mit gemeinsamen Datensätzen arbeiten zu können; diese Aufgabe werde von einem neutralen Dienstleister wahrgenommen.

Weitergehend wurde auch der Handel als zentraler Akteur in das Münchner Modell eingebunden. Mittels repräsentativer Umfragen seien Frage wie Bündelungsfähigkeit von Werkverkehren, Kooperationsbereitschaft im Erzeugungsverkehr oder Einrichtung von Lieferdiensten geklärt worden. Dabei habe sich ein sehr differenziertes Bild ergeben: So sei die Logistik im Großhandel und bei Kaufhauskonzernen in der Regel sehr weit entwickelt. Im Prinzip würden alle Lieferdienste angeboten, der Verbraucher nutze diese Angebote aber bislang kaum. Der kleine und mittlere Facheinzelhandel hingegen sehe meist gar nicht die Notwendigkeit, bei solchen citylogistischen Bemühungen aktiv mitzumachen.

Schließlich sei auch die Kommune intensiv in das Forschungsprojekt einbezogen worden. Das ILV habe gemeinsam mit den Referaten für Arbeit und Wirtschaft sowie für Stadtplanung und Bauordnung der Stadtverwaltung München mit unterstützenden Maßnahmen die erforderliche Selbstorganisation der Wirtschaftspartner sinnvoll ergänzt, z.B. durch den Einsatz eines lärm- und schadstoffarmen Fahrzeugs und durch Aufhebung der bisherigen Lieferzeitfenster in der Innenstadt von München.

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4.2 OBI - Baumarkt Logistik

Der Geschäftsführer der OBI - Baumarkt Logistik betont einführend, daß es angesichts der massiven Expansion des Marktführers im Bereich der Bau- und Heimwerkermärkte in Deutschland [Fn.18: In Deutschland gibt es ca. 340 OBI-Märkte mit Verkaufsflächen bis zu 32.000 m², , 70 weitere in Europa (v.a. Polen Tschechien, Ungarn, Schweiz, Italien). Im Frühjahr 2000 wurde der erste OBI-Markt in China eröffnet. Der Gesamtumsatz 1998 belief sich auf 6,5 Milliarden DM, in den kommenden zwei Jahren wird die 10-Milliarden-Grenze angestrebt. ] und vor allem angesichts der für den OBI-Verbund kennzeichnenden Franchise-Struktur von besonderer Bedeutung gewesen sei, sich des Themas Bündelung und Optimierung von Warenströmen anzunehmen, sowohl aus rein wirtschaftlichem wie auch aus ökologischem Interesse. Bis 1995 habe jeder OBI-Markt selber eigenständig bei seinen Lieferanten bestellt. Es habe keine Zentrale gegeben, die Aufträge bündelt. Das habe bei 340 weitgehend eigenständig agierenden Outlets zu unkoordinierter und ausufernder Belieferung, zu stundenlangen Wartezeiten und zur Belegung von Verbraucher-Parkplätzen durch den Lieferverkehr geführt (Abb. 3).

Abb. 3: Ist-Distributionslogistik

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Der OBI-Vorstand sei dann angesichts der Tatsache, daß die eigenen Kernkompetenzen im Einzelhandel lägen, zu der Entscheidung gekommen, mit der Firma Fiege einen internationalen Logistiker mit Joint-Venture-Erfahrungen mit Unternehmen wie Kaufhof, Karstadt, Weiland, Vorwerk einzubeziehen. Eine Kooperation mit anderen Baumarktgruppen sei ebenfalls angedacht worden, aber aufgrund von Berührungsängsten, wie sie auch die Vertreterin des ILV als Erfahrung aus dem Münchner Modell geschildert habe, letztlich fallengelassen worden.

Ein System in der Art des Münchner Modells sei mittlerweile bei OBI weltweit umgesetzt worden (Abb. 4), einschließlich der Bündelung der Warenströme zwischen den Lieferanten und den Märkten, der Verbesserung der Distribution und insbesondere der Abwicklung von Sonderaktionen, wie sie periodisch von fast allen Einzelhandelsketten durchgeführt würden. Ein Teil der so in Baumärkten beworbenen und angebotenen Ware sei extra gefertigte Aktionsware, die zu 40 bis 50% aus Fernost stamme. Der zeitgerechte Import und die Distribution von den Herstellern in Taiwan oder China bis zum einzelnen Baumarkt sei eine besondere Herausforderung. Die Baumarkt-Logistik operiere hierbei über ein arrondiertes Logistikzentrum in der Nähe von Wermelskirchen als zentraler Schaltstelle.

Abb. 4: Soll- Beschaffungslogistik

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Hinsichtlich der Verkehrsträger bediene man sich bei OBI zwar auch der Schiene (ca. 30% Stückgut innerhalb der BRD), aber zwangsläufig stellten aus zeitlichen wie räumlichen Erfordernissen Lastwagen den Schwerpunkt dar. Weil die Binnenschiffahrt insgesamt viel zu langsam sei, werde sie speziell im Aktionsgeschäft kaum genutzt. Durch Bündelung habe man insgesamt die Rampenkontakte um ein Vielfaches senken können, und auch die kostenrelevanten Wartezeiten der Spediteure konnten deutlich gesenkt werden. Weiter sei auch die Inhouse-Logistik von besonderer Bedeutung, d.h. die Verräumweite von der Warenannahme bis zum Standplatz der Aktionsware. Hier habe es sich angeboten, eine eigene Gesellschaft zu gründen, die schwerpunktmäßig die Aufgabe habe, die vom Spediteur avisiert Ware anzunehmen, den Lkw relativ schnell abzuladen, zu zählen, messen, zu wiegen und dann sofort in den Verkaufsraum zu distribuieren, und das außerhalb der Ladenöffnungszeiten. Diese Philosophie werde seit fünf Jahren sehr erfolgreich umgesetzt.

Bündelung beschränke sich allerdings nicht auf Quelle und Ziel. Die Lieferanten würden zunehmend als Partner in die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen. Seit einiger Zeit gibt es ein Modell, in dem den Lieferanten die gesamte Warenverantwortung des Sortimentes übertragen wird. Durch globale Vernetzung, POS-Kassen etc. kenne der Lieferant zu jeder Zeit den aktuellen Bestand in den Märkten, so daß er automatisch und kurzfristig seine Produktion darauf einstellen und selbst nachdisponieren könne. Für die OBI-Märkte bedeute dies eine sofortige Bestandsreduzierung (und damit Platzersparnis), und vor allem der Lieferant habe ein direkteres Interesse daran, daß seine Ware nicht nur in die Märkte hineinverkauft, sondern auch über die Kasse möglichst schnell wieder abverkauft werde. Beschleunigung und Angebotsoptimierung würden beispielsweise auch für den Küchenbereich angestrebt, in dem bislang in der Regel Wartezeiten von mehreren Wochen für die Endkunden bestanden und die Baumärkte kein umfassendes Angebot einschließlich Anlieferung und Installation gehabt hätten. Schließlich solle auch im Bereich der Pflanzenlogistik die bisherige Lieferzeit von zwei bis drei Tagen auf 24 Stunden verkürzt werden.

Insgesamt sei das Thema Ökologie ein Schwerpunkt bei OBI. 1998 habe man den ersten ökologisch ausgerichteten Markt eröffnet, und der Vorstandsvorsitzende sei auch Ökomanager des Jahres geworden. In der Diskussion [Fn.19: Der Moderator der Fachkonferenz darauf hin, daß die Kunden über die – zweifellos logistisch optimierten – Sonderangebote dazu verleitet würden, zusätzliche Dinge zu kaufen. An solchen aus ökologischer Sicht unerwünschten Effekten müsse wahrscheinlich bei allen Baumärkten noch gearbeitet werden.] über die betrieblichen Aktivitäten wird angeregt, die bisher vom Unternehmen nicht

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quantifizierten Einsparerfolge bei der logistischen Optimierung zumindest für die Zukunft nachvollziehbar zu machen.

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4.3 Siemens

Als Beitrag der Siemens-Forschung zum Thema der Fachtagung stellte der Unternehmensvertreter die seit einigen Jahren in Entwicklung befindlichen und nun an der Schwelle zur Markteinführung stehenden sog. Personal Travel Systems vor. Bei diesem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt handele es sich im wesentlichen um eine elektronische, ggf. auch multimediale Unterstützung des Personenverkehrs. Jede Form von Unterwegs sein, z.B. Geschäftsreisen, Urlaubsreisen, die Fahrt zum Arbeitsplatz, aber auch ein Kinobesuch, gehörten grundsätzlich zum Bereich der möglichen Anwendungen. Generell gehe es darum, mit Hilfe mittlerweile etablierter Technologien wie Internet oder Mobilkommunikation dem Kunden ein Angebot zur Verfügung zu stellen, das seinem Bedürfnis nach einer möglichst reibungslosen und auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Reiseplanung und einem ebensolchen Reiseverlauf entgegenkäme. So bräuchte man bei einem abendlichen Kinobesuch ggf. vorher einen sicheren Parkplatz ohne langwierige Suche und vielleicht auch noch einen Platz im Restaurant.

Ein anderes Beispiel könne die Buchung einer Reise sein. Heute müsse man sich dabei um viele Details selbst kümmern, z.B. um die Elemente einer mehrteiligen Reisekette, wenn ein Taxi, eine S-Bahn, ein Zug, ein Flugzeug, ein Hotel am Zielort und das ganze wieder zurück bis zum Ausgangsort gebraucht würden. Verschiedene Tickets von verschiedene Providern würden benötigt, Fahrtzeiten müßten abgestimmt werden, ganz abgesehen von persönlichen Präferenzen bezüglich Sitzplatz, Hotelkette, Fluggesellschaft etc. Solche Optimierungen erforderten viel Einsatz bzw. Zeit, teils unterblieben sie ganz. Mit Hilfe automatischer Systeme könnten hier erhebliche Verbesserungen erreicht werden.

Schwierig sei derzeit vor allem, daß die statischen Daten, die benötigt würden, von Fahrplänen bis zu Parkplatzbelegungsplänen, bislang nicht richtig standardisiert und leicht verarbeitbar zur Verfügung ständen. Noch problematischer seien die dynamischen Daten, u.a. über Staus und Verspätungen. Die Idee eines automatisierten Personal Travel Systems sei eben, alle diese Daten in Echtzeit einzuholen, entsprechend aufzubereiten und sie dann dem Reisenden vor, während und auch nach der Reise zur Verfügung zu stellen.

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Eigentlich wolle der Reisende in der Regel lediglich angeben, wann er losfahren wolle, wohin er wolle und wann es zurück gehen solle (sog. To-Door-Planung). Auf der Basis der bereits gespeicherten persönlichen Präferenzen sei es dann ein leichtes, sich ein Angebot einschließlich Alternativvorschlägen über den Personal Travel Assistant (PTA) erstellen zu lassen und zu buchen. Dynamische Aspekte - z.B. der Wunsch nach einer plötzlichen Umbuchung von unterwegs oder die Möglichkeit, einen früheren Flug nach Hause zu nehmen - würden ebenfalls erleichtert. Mit während der Reise eintretenden Veränderungen - wie Verspätungen oder neue Reiseziele - könne mit Hilfe des PTA effizienter, kostengünstiger und zeitgünstiger umgegangen werden. Nach der (Geschäfts-)Reise werde die Abrechnung erleichtert, und im Zuge einer Bündelung könnten im Firmeninteresse günstigere Konditionen bei Hotels, bei
Flugreisen erzielt werden (vgl. Abb. 5).

Um all das realisieren zu können, sei seitens der Anbieter die Bereitstellung der Daten aller Verkehrsträger sowie aller anderen Teilnehmer an einem solchen System Voraussetzung. Dabei gehe es nicht nur um Verkehrsverbünde, um Luftfahrt- oder Bahngesellschaften, sondern auch um Parkhäuser, um Hotels, um Restaurants, eigentlich um alle, die ein Angebot für jemanden machen, der auf Reisen sei oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz. Dieses Angebot werde im wesentlichen über das Internet zur Verfügung gestellt. Dann gelte es nur noch, die Schnittstelle zu höherwertigen Diensten, die entsprechend den Wünschen des Reisenden ausgestaltet sind, sicherzustellen.

Ein derartiges Konzept sei mit Hilfe softwarebasierter sog. Agentensysteme zu verwirklichen, die heute bereits in ausgereifter Form zur Verfügung ständen. Die Funktion könne man sich in etwa so vorstellen, daß autonome (Software-) Agenten zu einem bestimmten Reisewunsch die Angebote aller Verkehrsträger, Hotels, usw. durchprüften, Alternativen mit oder ohne Berücksichtigung persönlicher Präferenzen und Erfahrungen anzeigten. Falls erwünscht würden die Systeme völlig autonom entscheiden und all das buchen, was im Rahmen der Reise benötigt werde.

Das gleiche gelte im Prinzip für dynamische Verkehrsleitsysteme. So gebe es z.B. auch in Deutschland erste Ansätze für dynamische Navigationssysteme in Autos von Daimler Chrysler. In Japan arbeiten derartige Systeme schon seit einiger Zeit mit sehr großem Erfolg. Allerdings sei daran verkehrspolitisch nicht ganz unbedenklich (vgl. Kap. 2.1, Studie des TAB), daß die Umleitungsempfehlungen dann eventuell Verkehr auf Straßen lenkten, wo man ihn nicht haben möchte. Ein weiterer Nachteil derartiger Systeme der dynamischen Verkehrsleitung sei natürlich auch, daß sie umso besser funktionierten, je weniger Verkehrsteilnehmer sie zur Verfügung hätten. Wenn die Hälfte aller Autofahrer solche Ausweichempfehlungen nutze, gehe der Wirkungsgrad zurück.

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Abb. 5: Systemarchitektur für Mobilitätsinformationen

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Schließlich sind die Zugriffsmöglichkeiten auf die Systeme von entscheidender Bedeutung für ihren Erfolg. Der Zugriff müsse im Prinzip immer und überall auf alle möglichen Arten erfolgen können. Als mobiles Endgerät werde im wesentlichen wohl das Handy fungieren, das um all die genannten Funktionen angereichert sei. Dabei seien sicherlich die Mensch-Maschine-Schnittstellen von großer Bedeutung, denn niemand wolle sich mit kompliziert zu bedienenden Geräten auseinandersetzen. Intuitive und klar strukturierte Bedienoberflächen und ggf. sprechende Systeme seien interessante Optionen für die Zukunft. Eine derartige Vision kann in etwa wie folgt aussehen: Am Schreibtisch formuliert man seinen Reisewunsch, erhält gewisse Alternativen, wählt aus und wird dann über eine intermodale Reisekette z.B. von Frankfurt nach London geführt. Unterwegs erhält man ggf. Assistenz bei der Parkplatzsuche in der Park and Ride-Anlage, Informationen über die noch verfügbare Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, über den Abfahrbahnsteig, über einen evtl. Wechsel des Abflug-Gate usw.. Wolle man aus der geplanten Kette ausscheren, also z.B. 10 Minuten später fahren, dann müsse das relativ flexibel und automatisch gehen, auch wenn ein Deutscher in London mit dem Automat auf Deutsch spreche. Auch die heute noch nicht zufriedenstellend laufende Endvision einer Sprachübersetzung in Echtzeit sei durchaus vorstellbar. In einem anderen Teil des Display könne man Empfehlungen erhalten, wie man die Wartezeit sinnvoll verbringen könne, sei es in einer Kneipe oder mit dem Besuch einer Ausstellung. Das Ganze sei kombinierbar mit einem elektronischen Fahrgeldmanagement. Mit einer einzelnen Chipkarte könne alles bezahlt und die Reisekostenabrechnung erledigt werden.

Typische Fragestellungen zu derartigen Systemen, wie sie sich aus dem Blickwinkel einer nachhaltigen Entwicklung stellen, - z.B. die möglichen oder bereits real vorhandenen Auswirkungen auf Arbeitsplätze oder Risikoaspekte hinsichtlich Datenschutz bzw. der Sicherheit finanzieller Transaktionen - wurden nicht erörtert. Unberücksichtigt blieb auch jedwede ökologische Perspektive sowie generell die erforderliche Integration derartiger Innovationen in das soziale, ökologische und letztlich auch ökonomische Umfeld. Der Diskussionsleiter merkte an, daß es bei diesem Konzept entscheidend sein könne, welche Informationen überhaupt verfügbar gemacht würden, z.B. welche Hotels in der Datenbank enthalten seien und welche nicht. Für die Wirtschaftlichkeit könne es entscheidend sein, wieviel Kosten - wie heute schon üblich - im Internet über Werbung abgedeckt würden, wie diese Werbung gestaltet sei usw. Vielleicht komme es soweit, daß die Verbraucher für solche Systeme gar nichts bezahlen müßten.

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4.4 Gerling-Versicherungsgruppe

Die Achtung vor Mensch und Natur sei wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur bei Gerling. Aus diesem Grund wird nach Angaben des Umweltbeauftragten des Unternehmens der nachhaltigen Verkehrsentwicklung eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen gewidmet. Für die besonders preiswerte Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs erfolgte bereits 1994 die Einführung eines Job-Ticket. Um diese Maßnahme für die Mitarbeiter auch wirtschaftlich interessant zu machen, habe sich die Geschäftsleitung auf Anregung des Arbeitskreises „Pro Umwelt" und des Betriebsrates entschlossen, u.a. die Parkplatzgebühren von vorher 50,- DM auf 90,- DM monatlich zu erhöhen. Die dadurch eingesparte Subventionierung des Mitarbeiter-Parkraumes werde nun als Sponsoring vollständig den Kosten für das Job-Ticket zugerechnet. Um aber das Job-Ticket noch preiswerter für die Nutzer anbieten zu können, zahlt der Arbeitgeber einen tariflichen Zuschuß von mittlerweile 40,- DM monatlich. Dabei handle es sich um eine bislang einmalige Vereinbarung zwischen den Tarifparteien im Versicherungsgewerbe, die beispielgebend für alle anderen Tarifbereiche sein könne.

Um das Jobticket erfolgreich einführen zu können, sei eine möglichst hohe Beteiligung der Betroffenen erforderlich. Im speziellen Fall habe der kommunale Verkehrsbetrieb eine Mindestabnahme von 1.800 Tickets vorgegeben. Um das Potential bei den Mitarbeitern zu eruieren, wurde eine verbindliche Befragung gestartet, bei der sich 1.900 Mitarbeiter für die Nutzung eines Job-Tickets ausgesprochen hätten – eine Zahl, die über den Erwartungen gelegen habe. Auf der Basis dieser Befragung habe man sich dann sehr kurzfristig entschlossen, das Job-Ticket tatsächlich einzuführen. Aus heutiger Sicht stelle sich dies als einfach dar, in Wirklichkeit habe es aber vieler Anstrengungen bedurft, um dieses Ergebnis zu erreichen. Nach rund einem Jahr sei in einem Rundschreiben eine genaue Aufrechnung der Kosten bzw. Einsparungsmöglichkeiten bei der Benutzung des Job-Tickets aufgezeigt worden. Danach sei die Zahl der Benutzer auf rund 2.250 angewachsen und liege heute über 2.800. Als ökologischer Vorteil ergebe sich die beachtliche Einsparung von ca. 3.000 Tonnen CO2. Auf Nachfrage räumt der Referent in der Diskussion ein, daß etwa 1.200 Mitarbeiter schon vor der Einführung des Job-Tickets den ÖPNV genutzt hätten. Bezüglich der Frage, wie zu Hause gelassene Pkw zwischenzeitlich eingesetzt würden, gebe es noch keine Untersuchungen. Es sei aber davon auszugehen, daß die meisten dieser Pkw auf Park and Ride-Parkplätzen am Übergang zu ÖPNV-Stationen stehengelassen und tagsüber nicht genutzt würden.

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Auch das Fahrradfahren als ökologisch wie gesundheitlich positiver Form der Fortbewegung werde bei Gerling unterstützt. Dies reiche von der Anschaffung von Dienstfahrrädern (mittlerweile zehn Stück) bis zu verschiedenen Service-Angeboten, die die Nutzung des Fahrrades für den Weg zur Arbeit attraktiver mache. Dazu gehörten Unterstellmöglichkeiten für Privaträder in ausreichender Zahl, die in bewachten Garagen bzw. Kellerräumen lägen, so daß versicherte Fahrräder dem Versicherungsschutz gegen Diebstahl oder Beschädigung unterlägen. Weiter gebe es die Möglichkeit zu kleineren Reparaturen, bei denen auch die eigenen Haushandwerker behilflich seien. Für dieses Engagement sei man in dem von der Stadt Köln gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club veranstalteten Wettbewerb „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber" gemeinsam mit zwei weiteren Betrieben ausgezeichnet worden. Als weitere Auszeichnung habe man auch das „Goldene Ritzel" des Verbunds der selbstverwalteten Fahrradbetriebe erhalten. Man habe die entsprechenden Maßnahmen nicht aus dem Beweggrund eingeleitet, ausgezeichnet werden zu wollen. Hinter den Aktionen stehe vielmehr die Philosophie „Viele kleine Schritte ergeben einen großen Beitrag zum Umweltschutz".

Möglichkeiten zur Vermeidung von Dienstreisen werden vom Vertreter des Gerling-Konzerns nicht dargestellt. In der hauseigenen Reisestelle werde aber dahingehend Einfluß auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen genommen, Dienstreisen nach Möglichkeit mit dem öffentlichen Personenverkehr durchzuführen, in erster Linie mit der Bahn. Das Unternehmen habe zu diesem Zweck u.a. acht übertragbare Jahresnetzkarten der Deutschen Bahn erworben, die sehr intensiv genutzt würden. Desweiteren bestehe ein Vertrag mit der Bahn, Einzelfahrkarten im Großkundenabonnement mit einem Rabatt von 20% zu kaufen. Vielreisende würden darüber hinaus mit der Bahncard ausgestattet, die einen Rabatt von 50% ermögliche. Schließlich werde allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit geboten, in der ersten Klasse zu reisen, um ihnen Bahnfahren schmackhafter zu machen.

Der Moderator der Fachtagung ergänzte, daß man bei Gerling nicht nur die Mitarbeiter zu nachhaltiger Mobilität animiere, sondern ein anderes Reiseverhalten in den Führungsetagen sozusagen vorlebe. Dies könne sicher ein interessanter Ansatz auch für Politiker sein, mit ihrem Reise- bzw. Fahrverhalten selbst eine Vorbildfunktion zu übernehmen.

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4.5 BSH Bosch und Siemens Hausgeräte

Das Unternehmen BSH Bosch und Siemens Hausgeräte [Fn.20: Das Unternehmen produziert elektrische Hausgeräte, von Kühlschränken über Waschmaschinen bis zu Herden. Die Geräte werden weiter unter den Markennamen der ehemals eigenständigen Unternehmen Bosch, Siemens, Constructa und Neff vertrieben. Das Unternehmen ist mit einem Jahresumsatz von rund 11 Mrd. DM in Deutschland und Europa Marktführer und weltweit die Nummer vier.] orientiert sich zur nachhaltigen Verbesserung der Mobilität an vier generellen Zielsetzungen: Erstens stehe die Reduzierung von Transportvolumen bzw. die Verkehrsvermeidung im Vordergrund. Für den nicht zu vermeidenden Verkehr gelte zweitens die vorrangige Nutzung der Bahn, und erst wo dies nicht möglich sei, würden Lkw-Transporte eingesetzt, die man – dies als dritte Leitlinie – so umweltverträglich und optimal wie möglich abwickle. Da man keinen eigenen Werkverkehr betreibe, nutze man hier auch die Optimierungspotentiale von Spediteuren. Als vierte Zielsetzung versuche man, verkehrsträgerübergreifenden Verkehr - im wesentlichen die Kombination Straße-Schiene - überall dort zu verwirklichen, wo es sinnvoll und machbar sei.

Die Reduzierung von Transportvolumen sei in diesem Spektrum sicher die wichtigste Aufgabe, insbesondere wegen der Vermeidung von Emissionen und der Ressourcenschonung. Die Umsetzung geschehe auf ganz verschiedenen Wegen. So versuche man zum einen, die Zulieferer im Umkreis eigener Montagestandorte anzusiedeln. Bei Stahlwerken sei dies naturgemäß kaum realisierbar, in anderen Branchen sei es aber durchaus möglich. Weiter gelte grundsätzlich das Prinzip, neue Produktionsstätten dort einzurichten, wo sich auch die Abnehmer befänden. So sollte etwa Kühlschränke für den chinesischen Markt auch in China hergestellt oder Waschmaschinen, die in Spanien verkauft würden, auch in Spanien produziert werden. Da man über ein weltweites Netz von 37 Produktionsstätten verfüge, ergäben sich entsprechende Potentiale zur Reduzierung der Transportwege.

Weiter wird versucht, eingehende und ausgehende Transporte zu verknüpfen, d.h. dieselben Fahrzeuge bzw. Spediteure und Dienstleister wickeln beide Transportwege ab. Dadurch ließen sich Leerfahrten vemeiden. Das gelte auch bei der Auslieferung der Ware: Zu entsorgende Altgeräte könnten von Fahrzeugen mitgenommen werden, die Neugeräte auslieferten. Dem Handel werde angeboten, die Geräte direkt zum Endkunden zu bringen, so daß die Zwischenlagerung beim Händler und entsprechende Lkw-Fahrten entfielen. Dadurch würden nicht zuletzt die Innenstädte von Verkehr entlastet. Schließlich werde auch die Auslieferung von Geräten der verschiedenen BSH-Marken gebündelt. Das Unternehmen habe nichts dagegen, wenn die Spediteure auch

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die Hausgeräte fremder Marken mit auslieferten, denn die Geräte seien ja bereits verkauft und Konkurrenzbedenken könnten somit entfallen.

Bei der zweiten Zielsetzung geht es um die Forcierung der Eisenbahn. Die im Laufe der Veranstaltung von verschiedener Seite geäußerte Kritik an der Bahn wird als überzogen eingestuft. Zwar gebe es Mängel, z.B. darin, wie aktiv die Bahn auf potentielle oder tatsächliche Kunden zukomme. Da warte man meist vergebens. Werde aber der Kunde selbst aktiv, so finde er durchaus kompetente Ansprechpartner. BSH habe positive Erfahrungen hinsichtlich der Bereitschaft zur Kooperation und zur Annahme mitgebrachter Ideen für Problemlösungen gemacht. Beispielsweise wurden mit der Bahn einige Konzepte entwickelt, die es erlauben, zentrale Umschlagspunkte des Unternehmens auch über Nacht zu beliefern. Man hat so gemeinsam erreicht, daß die Güterwaggons, die am Abend in den Regionallagern der BSH beladen wurden, am nächsten Morgen an den Umladestellen auf Lkw eintreffen. Beim Transport werde zwar nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 30 km/h erzielt. Diese reiche aber für den 48-Stunden-Service des Unternehmens völlig aus.

Um die Bahn wirtschaftlich konkurrenzfähiger zu machen, wurden zusätzlich zwischen Produktionsstätten und Lägern in Nord- und Süddeutschland Dreiecksverkehre eingerichtet. Güterwaggons, die z.B. mit Ware vom Werk A im Lager B ankommen, werden dort wieder direkt mit Ware für die Fabrik C beladen usw.. Auf diese Weise können zeitkritische und zeitunabhängigere Transporte optimal kombiniert werden. Kostenaufwendiges Rangieren und Leerzeiten für die Waggons entfallen, womit die Bahn durchaus wettbewerbsfähig im Vergleich zu Lastwagen werde. Dies sind Beispiele für Projekte, die auch ohne neue Rahmenbedingungen oder neue Gesetze durchführbar sind. Sie haben ihre Praxisfähigkeit bewiesen und sind auch übertragbar. Voraussetzung war lediglich die eigene Entwicklung von Problemlösungen, für deren Umsetzung dann noch die Bahn gewonnen werden mußte.

Hinsichtlich unvermeidlicher Lkw-Transporte z.B. von den Umschlagspunkten zu den Einzelhändlern, Großhändlern oder Endkunden wird versucht, die Lkw-Transporte so weit möglich zu optimieren. So verlangt man von allen Spediteuren zwingend, daß nur Fahrzeuge eingesetzt werden, die die neuesten Euronormen erfüllen. Diese Auflage wird schon seit etwa fünf Jahren mit steigendem Erfolg gemacht. Inzwischen ist eine Quote von etwa 95% erreicht. Die Erfüllung dieser Normen wird im Rahmen eines Qualitätswettbewerbs honoriert, d.h. die Spediteure, die als erste und zunehmend umweltfreundliche Fahrzeuge einsetzten, erhalten einen Qualitätsbonus. Die daraus resultierende sehr schnelle Umstellung hat zudem den Vorteil einer höheren Versorgungssi-

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cherheit, denn im Falle von Ozonalarm dürfen solche Fahrzeuge ja weiterfahren. In diesem Zusammenhang wird bemängelt, daß die Euronorm 3 für Lkw noch nicht verabschiedet ist. Solange lediglich Entwürfe und noch keine gesetzlichen Vorschriften existieren, besteht Rechtsunsicherheit und Produzenten wie Spediteure verschieben Investitionen in den Fahrzeugpark.

Weiter wird versucht, möglichst große Fahrzeuge einzusetzen und damit die Belastung der Straßen zu verringern. In einen Jumbo-Lkw passen z.B. 198 Waschmaschinen, in einen Standard-Lkw nur 120; entsprechend fallen weniger Transporte an. Auch wird verlangt und kontrolliert, daß die beauftragten Spediteure ihr Personal im Hinblick auf treibstoffsparende Fahrweise schulten - ein oft unterschätztes Potential. Die geringeren Kraftstoffkosten der Spediteure können auch bei der verladenden Wirtschaft zu Kostensenkungen führen, und mittelbar profitiert auch die Umwelt durch weniger Emissionen. [Fn.21: Hier muß natürlich gegengerechnet werden, inwieweit die Weitergabe von Kostenvorteilen zu erhöhter Güternachfrage und damit letztlich zu insgesamt mehr Emissionen führt - ein klassisches Beispiel für einen sog. Rebound-Effekt.] Zu dieser Strategie gehört auch die Umrüstung von Fahrzeugen auf moderne Treibstofftechniken.

Schließlich bringt auch die Kombination verschiedener Verkehrsträger weitere Vorteile. Für Exporte von Deutschland nach England oder Irland gilt z.B. folgende Transportkette: Nach dem Schienen- bzw. Straßentransport von der Endmontage in Süddeutschland zum Rhein wird das Binnenschiff bis nach Rotterdam genutzt. Von dort geht es mit einem Küstenmotorschiff nach England bzw. Irland. Ab Hafen erfolgt dann die Zustellung per Lkw. Im Warenaustausch mit Spanien besteht beim Eisenbahntransport das Problem unterschiedlicher Spurbreiten, das ein zusätzliches Umladen erforderlich macht. Hier bleibt aus Kostengründen nur die Möglichkeit, für Transporte zwischen Deutschland und der spanisch-französischen Grenze in beiden Richtungen die Bahn zu nutzen und für die Transporte in Spanien den Lkw. Für Fernstrecken wird so generell die Bahn und in den Kurz- und Nachlaufstrecken der Lkw eingesetzt. Die Organisation dieser Transporte erfordert entsprechend ausgeklügelte Logistiksysteme und eröffnet Möglichkeiten einer guten Auslastung der Verkehrsträger.


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