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5. Ausblick: Wie kann der drohende Verkehrsinfarkt
verhindert werden?


Mit der verhältnismäßig jungen Rolle Deutschlands als in alle Richtungen offenes Transitland, aber auch durch immer neue technische Optionen mit der Tendenz zu weiterer Beschleunigung wächst der ohnehin schon massive Druck zur Lösung operativ dringender Fragen im Verkehrsgeschehen. Genau um diesen gefährlich hohen Druck in den Griff zu bekommen, sind strategische Rahmenvorgaben in Richtung Zukunftssicherung unerläßlich, denn die Mobilitätskrise ist Folge des strukturellen Wandels, der insbesondere die Großregionen mit etlichen Millionen Menschen erfaßt hat.

Solche Entwicklungen lassen sich nicht kurzfristig auffangen. In der Regel sind Jahrzehnte vonnöten, zumal es nicht lediglich um eine Anpassung an neue wirtschaftliche oder technische Gegebenheiten geht. Die gesamte Bevölkerung muß sich neu orientieren, und um die tiefgreifenden Neuerungen sinnvoll verarbeiten zu können, müssen sich viele gesellschaftliche Konventionen ändern. Darin liegen Risiko und Chance zugleich. Angesichts der berechtigten Furcht vor Arbeitsplatzverlust im Zuge eines zunehmend von menschlicher Arbeit abgekoppelten Wirtschaftswachstums, aber auch vor Einschränkungen der individuellen Mobilität werden die Entwicklungsperspektiven von der breiten Mehrheit der Betroffenen weniger als Chance empfunden.

In diesem Zusammenhang spielt auch die verwirrende Heterogenität der derzeitigen Leitbilder der verkehrlichen Entwicklung eine Rolle, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß die Diskussion unter wenig operationalen Begriffen wie z.B. Nachhaltigkeit erfolgt, ohne Prioritäten zu setzen und die zahlreichen Zielaspekte auf ganz unterschiedlichen Ebenen soweit wie möglich zu verbinden. Darum sind auch im Verkehrssektor einerseits die Verfahrensregeln und die Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern zu optimieren sowie andererseits die Abstimmung mit anderen Politikbereichen zu verbessern.

Im Grundsatz gilt für die Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität angesichts des derzeitigen rapiden Strukturwandels das gleiche wie in anderen Bereichen auch: Vor allem die neue Dimension des globalen Wettbewerbs und der Informations- und Kommunikationstechnologien muß besser als bisher berücksichtigt werden. Insbesondere erscheint es notwendig, die überregionale Verkehrs- und Wirtschaftspolitik stärker als bisher mit regionalen und mit individuellen städtischen Entwicklungskonzepten zu harmonisieren. Die Anzahl der Menschen, die in der globalisierten Welt durch Telekommunikation und Verkehrsmittel erreicht werden können, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten enorm

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erhöht. Dabei übertrifft dieses Wachstum bei weitem die technisch ermöglichte Zeitersparnis in jedem einzelnen Kontakt. Die Globalisierung ist also auch in verkehrlicher Hinsicht ein zweischneidiges Schwert - zumal sie noch weiter voranschreitet und in Zukunft durchaus noch größere Auswirkungen auftreten können.

Hier helfen bewährte Antworten lediglich im Sinne der (Rück-)besinnung auf Grundwerte wie Solidarität, Freiheit oder Gerechtigkeit. Bei allen konkreten Ansätzen zur Gestaltung einer nicht nur technisch veränderten Ausgangslage spielen neue Akteure, neue Akteursbeziehungen und neue „Ideen„ im Sinne einer nutzenorientierten Einbindung technischer Innovation eine entscheidende Rolle. Insgesamt muß das Denken in vernetzten Zusammenhängen gefördert werden.

Dabei setzt die Neustrukturierung des Verkehrs nicht nur die Entfaltung ökonomischer Aktivitäten voraus, sondern bedarf umfangreicher Investitionen in das Humankapital und letztlich eine Änderung der Mentalitäten. Wer hofft, daß sich alles von selbst regelt, muß auch bereit sein, die Nachteile eines freien Marktgeschehens zu akzeptieren – was einer auf Komfort und Sicherheit bedachten Gesellschaft wie der unseren schwerlich gefallen dürfte.

Will man problematische Entwicklungsverläufe vermeiden oder in eine konsensfähige Richtung umleiten, ist es sicherlich vordringlich, endlich verbindliche Ziele für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung der nächsten Jahre festzulegen. Dabei - und darin sind sich die meisten Beteiligten durchaus einig - dürfen neben ökonomischen und sozialen Faktoren auch ökologische Aspekte nicht länger außen vor bleiben.

Mit der Festlegung von Zielen ist es aber wie mit der Technik: Stellt man sie isoliert in den Raum, achtet man nicht auf die Bedürfnisse und die Mitwirkung aller Betroffenen, so sind mangelndes Interesse, Widerstände oder auch Mißbrauch vorprogrammiert. Wird dem notwendigen Dialog und seiner Strukturierung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet, laufen auch die besten Zielsetzungen Gefahr, nicht verstanden zu werden oder durch andere typische Hemmnisse - wie z.B. Besitzstandsdenken - abgeblockt zu werden. Ohne Moderation, Transparenz und die notwendige Zeit zur Kommunikation und Reife sind schon viele gute Vorschläge gescheitert.

Insoweit ist jede Haltung unverständlich, die es für überflüssig ansieht, die Öffentlichkeit rechtzeitig zu beteiligen - zumindest bei Entscheidungen, die für die ganze Gesellschaft und ihr Zusammenleben von grundsätzlicher Bedeutung

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sind. Dazu gehören zweifellos Investitionsplanungen in Milliardenhöhe im Verkehr, die immer auch unter Beachtung von Umweltzielen vorzunehmen sind. Hier können - z.B. unter Einbeziehung des Internet - heute mit Leichtigkeit Foren geschaffen werden, die eine Beteiligung der (Fach-)öffentlichkeit sichern, ohne die notwendige Unabhängigkeit und Entscheidungsgewalt von Administration und Parlament zu gefährden. Ohne breite Beteiligung und ohne den darauf beruhenden Paradigmenwechsel wird es auch im Bereich von Mobilität und Verkehr nur schwer zu der notwendigen Umorientierung kommen. Dann werden in dem Bemühen, ein als ineffizient erkanntes Geschehen effizienter zu gestalten, zwar Kapazitäten freigesetzt. Über deren Einsatz wird dann aber meist anhand der alten Denkmuster entschieden.

Das heißt konkret: Frei werdende Kapazitäten durch effizientere Verkehrsführung, durch effizientere Fahrzeuge etc. werden in Zeiten eines Nachfrageüberhangs auch genutzt. So droht die Verflüssigung des Verkehrs durch Telematik zu noch mehr Verkehr zu führen. So bedingt die Verbesserung von Komfort und Sicherheit, daß sich beispielsweise das Fahrzeuggewicht bei Pkw seit den siebziger Jahren massiv erhöht hat, d.h. entsprechend mehr Rohstoffe und Energie bei der Herstellung und Nutzung der Fahrzeuge verbraucht werden. Und so wird auch der effiziente und im Betrieb preiswerte Drei-Liter-Pkw zur Folge haben, daß noch mehr Haushalte einen Zweit- oder Drittwagen anschaffen. Ein statistisch überhaupt nicht erfaßtes Feld ist zudem die Verwendung von immer mehr energieaufwendig hergestellter Elektronik in Fahrzeugen. Auch hier deuten Indizien auf weitere erhebliche Ressourcenbelastungen hin [Fn.22: Vgl. z.B. Grote A. (1997): Im Schatten des Komforts - Boom in der Fahrzeugelektronik belastet die Umwelt. Pro- und Contra-Interview mit F. INDRA und J. MALLEY. c't, 1997 Heft 4.] . Angesichts der grundsätzlichen ökologischen Nachteile des Verkehrsträgers Lkw schlägt sich schließlich auch die aus betriebswirtschaftlicher Sicht positive Effizienzsteigerung durch möglichst hohe Fahrzeugauslastung nicht in systemweiten Umweltentlastungen nieder. Mehr Produkte werden weiter transportiert, und durch zunehmende Straßenbelastung entstehen in Verbindung mit höheren Geschwindigkeiten und Rund-um-die-Uhr-Verkehren erhebliche externe Kosten. Auch mit entsprechenden Logistik-Konzepten - so sinnvoll sie betriebswirtschaftlich sein mögen - werden deshalb in einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung keine Einsparungen erzielt.

Dennoch setzen solche Ansätze, die ein offenes Bekenntnis und vor allem das nötige Engagement zur Nutzung der Bahn beinhalten, auch aus ökologischer Sicht positive Signale - denn in Zeiten, in denen kaum ein Unternehmen auf Transportvermeidung z.B. durch Regionalisierung oder durch die größere

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Langlebigkeit von Produkten setzt, ist die Wahl des geringeren ökologischen Übels unter den Verkehrsangeboten von besonderer Bedeutung.

Aber warum spielt systemweite Ökoeffizienz keine Rolle? Die Gründe, wenn auch selten offen diskutiert, liegen auf der Hand: Das vielzitierte Beispiel des Alltagsprodukts Joghurtbecher mit seinen über 9.000 Kilometern Transportweg, mit seinem Aluminium-Deckel aus brasilianischem Bauxit, seinem Plastikbecher aus arabischem Erdöl etc. trägt eben nicht nur zu Umweltbelastung und überlasteten Straßen bei, sondern auch zu Arbeitsplätzen und industrieller Wertschöpfung. Systemweite Ökoeffizienz erfordert, daß weniger Produkte weniger transportiert werden. Außerdem müßte intensiv über eine Neuverteilung der freigewordenen Kapazitäten bei Arbeit und Kapital nachgedacht werden - mit anschließender Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Gerade dies scheint sich in Zeiten realer Verunsicherung durch hohe Komplexität und raschen technologischen Wandel fast von selbst zu verbieten. Um in einem verkehrlichen Bild zu bleiben: Jeder, der unter großem Druck steht voranzukommen, tut sich schwer, einen zwar zeitweilig stotternden und stinkenden, jedoch laufenden Motor abzuschalten und auszusteigen, um sich einer systematischen Neukonstruktion mit ungewissem Ausgang zu widmen.

Für die von den unterschiedlichsten Seiten beklagte Enge auf unseren Straßen ist letztlich allerdings weniger der Güterverkehr als vielmehr der motorisierte Individualverkehr ursächlich. Hier ist es in der Tat schwierig, den Bewegungsdrang des Einzelnen auf demokratischen Wegen in verträglichere Bahnen zu lenken. Wichtige Akteure haben daran kein Interesse: So wird der wachsende Bestand an Pkw von der Automobilindustrie natürlich nicht beklagt, obwohl sich in dieser Branche auch mit umfassenden Mobilitätsdienstleistungen - und dabei sogar durch Verkehrsvermeidung und damit erzielte Zeitgewinne und Kosteneinsparungen - Geld verdienen ließe. Eine höhere Beweglichkeit im Berufsleben und in der Freizeit scheint aber nur mit schnelleren und komfortableren Autos möglich zu sein. Eine aus dieser verengten Perspektive durchaus konsequente Werbekampagne von Audi für einen Sportwagen („Ziehen Sie aufs Land, da haben Sie es weiter in die Stadt") konterkariert nicht nur die für eine nachhaltige Entwicklung unerläßlichen Bemühungen um eine Verringerung des Flächenfraßes [Fn.23: Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wäre bei einem Fortschreiten des derzeitigen Flächenverbrauchs von über 100 Hektar täglich die Bundesrepublik in weniger als 80 Jahren vollständig zugebaut. Vgl. den Bericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" der 13. Legislaturperiode.] , sondern gerät auch angesichts der überlasteten Verkehrswege, die allenfalls den Stau als Erlebnis ermöglichen, zur Farce. Dennoch rechnet sich die Strategie durch eine gewissermaßen perverse Um-

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kehrung des Geschehens: Gerade weil der ungebrochen vorhandene Spaß am Fahren im Berufsverkehr nicht mehr ausgelebt werden kann, steigt der Bedarf nach erlebnisorientierten Zweit- bzw. Drittfahrzeugen, den sich ein wachsender Personenkreis auch erfüllt - sei es, um die Autos in der Freizeit zu nutzen, oder sei es nur, um sie als Option oder Statussymbol in der Garage zu haben.

Solche Leitbilder sind aus Sicht einer nachhaltigen Entwicklung deshalb besonders problematisch, weil sie sich zunehmend global ausbreiten. Die Entwicklung des Fahrzeugbestandes folgt denn auch mit einer gewissen Verzögerung der explosiven Entwicklung der Weltbevölkerung. Diese Tatsache allerdings wird von der Industrie weniger als ökologische Bedrohung, sondern vielmehr als ökonomische Herausforderung begriffen, und Ökologie ist dabei in den Köpfen der Automanager keineswegs eine unverzichtbare Voraussetzung für Langfristökonomie. Auf dem Cover des Volkswagen-Magazins vom August 1999 zum Engagement von VW in China wird diese Problematik auf den Punkt gebracht. Dort wird die herausfordernde Frage gestellt: Wie motorisiert man 1,3 Milliarden Menschen? Die Antwort - auch intern - lautet keineswegs: „Der Verbrennungsmotor darf nur noch als Auslaufmodell gesehen werden" oder gar „Unsere heutigen Produkte sind ungeeignet für dieses Ziel".

Der unstrittigen Tatsache, daß das Weltklima keine Motorisierung verkraften kann, bei der auch nur jeder zehnte Chinese oder Inder in absehbarer Zeit ein Auto heutiger Bauart fährt (es ist bereits den heutigen Zuständen nicht gewachsen), begegnet die Industrie gebetsmühlenartig entweder mit dem lapidaren Hinweis auf internationalen Wettbewerb, oder es wird auf die Drei-Liter-Technik und die in der Entwicklung befindlichen alternativen Antriebe hingewiesen. Wieviele Fahrzeuge mit 3 Litern Verbrauch werden aber fahren? Wann liegen endlich verwertbare Daten zu ökologischen und sozialen Folgen einer breiten Einführung von - verkehrs-, antriebs-, mobilitätsbezogenen - Alternativen vor? Und wäre man dann bereit, den Märkten in China, Rußland etc. diese neueste Technologie zur Verfügung zu stellen, oder hofft man auf den Verkauf etwas älterer Automodelle, Produktionsanlagen und -verfahren? Den Akteuren in der Wirtschaft jedenfalls kommt es offenbar vorrangig auf eins an: „the biggest bang for the buck" oder - wohlformuliert - „den größtmöglichen Erfolg auf den Weltmärkten und für die eingesetzten Ressourcen zu erreichen." [Fn.24: aus dem Leitbild der Nachhaltigkeit in den Unter nehmensrichtlinien, dem sog. Grundverständnis von VW.]

Kennzeichnend für eine solche Einstellung ist auch die Diskussion um die Reichweite der Vorräte an fossilen Energierohstoffen: Diese ist in der Tat für

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die nächsten fünfzig Jahre gesichert und stellt eigentlich überhaupt kein Problem mehr dar, denn zu Öl und Gas gesellen sich die um Zehnerpotenzen größeren Vorräte an Methan(-hydraten) in Kontinentalschelfen und Permafrostböden Sibiriens und der Arktis, die mit wenigen technischen Modifikationen ebenfalls zur Energiegewinnung und zur Erfüllung unserer Mobilitätsbedürfnisse genutzt werden können.

Wird aber weiter auf die Verbrennung fossiler Energierohstoffe gesetzt, bleibt das Problem der CO2-Emissionen bestehen. Dieses Problem ist mit End-of-Pipe-Technik nicht lösbar, und großtechnische Visionen, nach denen mittels gewaltiger Pumpensysteme Kohlendioxid in genügende Meerestiefen entsorgt und ggf. in einer Art Kreislauf das an den Kontinentalrändern vorkommende Methanhydrat als Erdölersatz gefördert wird, sind vorläufig mit ähnlicher Skepsis zu betrachten wie etwa die Energiegewinnung durch Kernfusion, die seit mehreren Jahrzehnten Unmengen an Forschungsgeldern benötigt und trotz gewaltiger Fortschritte immer noch beliebig weit von einer kommerziellen Anwendung entfernt ist - von den möglichen Risiken ganz zu schweigen.

Man kann natürlich auf die Stunde der Ingenieure hoffen, wie es der Vertreter des Wissenschaftszentrums Berlin in seinem Statement so treffend formuliert hat. Sinnvoller wäre es aber, die Folgen des Umganges mit Technik besser zu berücksichtigen und statt simpler Technikzentrierung Funktionalität in globaler Perspektive in den Vordergrund der Mobilitätsdiskussion zu stellen - unter Einbeziehung der ökologischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit. Ob sich allerdings - wie der WZB-Mitartbeiter befürchtet - nur die Alternative „Niedergang des ÖPNV" oder aber ein geändertes Demokratie- bzw. Gesellschaftsverständnis als Grundlage für eine aktive Umgestaltung bietet, mag bezweifelt werden: So wie der Drang der Menschen zur Individualisierung und gesellschaftlichen Fragmentierung Veränderungen des Verkehrsangebots mit sich bringt, so hat umgekehrt das Verkehrsangebot eine wichtige Funktion in der Bewahrung der mit diesen Trends in Frage gestellten Grundwerte wie Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit. Hier ist vor allem die Wirtschaftspolitik gefordert, die angesichts des Trends zur Liberalisierung und Privatisierung nicht immer leichte Balance mit der notwendigen Stützung öffentlicher Angebote zu wahren, die als Bestandteil der Daseinsvorsorge, aber auch angesichts der fehlenden Kostenwahrheit im Verkehr weitgehend nicht rentabel bereitgestellt werden können.

Soweit zu den Visionen. Aber Handeln tut auch jetzt schon not, denn die Akteure des Mobilitätsgeschehens - Verkehrsteilnehmer ebenso wie traditionelle Verkehrsbetriebe, neue Verkehrsdienstleister und Verkehrsmittel- sowie Tele-

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matikproduzenten - müssen täglich Entscheidungen treffen, deren Wirkung auf das dauerhafte Wohlergehen von Mensch und Natur nur unvollkommen abgeschätzt werden kann. Als Leitlinie bleibt in erster Instanz wenig anderes übrig, als sich bei möglichst vielen Gelegenheiten die Frage zu stellen: Wie können Verkehrsmittel so eingesetzt werden, daß sich die Lebensumstände nachhaltig verbessern? Bei sind vor allem folgende Anforderungen zu erfüllen:

  1. Öffentlicher Wettbewerb und Transparenz sind notwendige Voraussetzungen für eine Evaluierung innovativer Mobilitätskonzepte. Beides sollte gestärkt werden. Entsprechende Mobilitätsprojekte müssen u.a. daran gemessen werden, inwieweit sie Impulse geben, durch die selbsttragende Entwicklungen generiert werden.

  2. Auf regionaler Ebene müssen Maßnahmen ergriffen werden, die einerseits die besonderen Potentiale der Region zur Geltung bringen und andererseits die Vernetzung und Kommunikation der lokalen Akteure und Institutionen stärken.

  3. Die Grenzen sektoraler Politikansätze müssen überschritten werden. Die Optimierung einzelner Sektoren - z.B. durch spezifische Förderprogramme - erscheint wenig erfolgversprechend. Von besonderer Bedeutung ist stattdessen, integrative Elemente in der staatlichen und europäischen Förderpolitik zu etablieren. Die von der Bundesregierung vorgenommene Zusammenlegung der zuvor eigenständigen Ministerien für Verkehr und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau kann hier positiv wirken. Letztlich bleibt aber entscheidend, daß entsprechend abgestimmte programmatische Entscheidungen getroffen werden.

  4. Es müssen endlich verbindliche Grundlagen für eine Abschätzung der Umweltverträglichkeit verschiedener Verkehrsalternativen in den Planungsverfahren verankert werden. Darüber hinaus müssen bessere Indikatoren zur Veranschaulichung von Querschnittsbeziehungen - z.B. zwischen verschiedenen Politikbereichen - entwickelt werden. Dazu gehört auch eine Verbesserung der Folgenabschätzung von verkehrspolitischen Entscheidungen auf andere Politiksektoren und umgekehrt.

  5. Mittelfristig muß eine Berücksichtigung der externen Kosten im Verkehr erreicht werden. Hierher gehören die Kosten von Umweltbeeinträchtigungen ebenso wie spezifische Anteile des Gesundheitssystems. Dafür sind als erste Schritte Maßnahmen wie die von der Bundesregierung angestrebte Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr für Lkw auch angesichts der internationalen Konkurrenz hilfreich. Hinzu kommen muß aber die Einbindung solcher Maßnahmen in ein Gesamtkonzept.

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Die Zeit drängt. Nachhaltige Mobilität darf nicht länger nur ein Schlagwort bleiben. Woran es nach wie vor besonders mangelt, ist eine auch von der Bundesregierung beabsichtigte bessere Arbeitsteilung und Vernetzung der Verkehrsträger sowie von Fachdisziplinen und Entscheidungsstrukturen. Es gilt, durch geeignete Rahmenbedingungen, durch ein modernes Verkehrsmanagement und durch zukunftsfähige Verkehrstechniken sicherzustellen, daß mit weniger Verkehr mehr Mobilität gewährleistet wird. Dabei sind ökonomische, ökologische und soziale Kriterien gleichrangig zu berücksichtigen. Eine solche Forderung kommt keineswegs der Quadratur des Kreises gleich. Vielmehr ist sie real umsetzbar. Das belegen auch die im Rahmen der Fachkonferenz diskutierten Leitlinien und Fallbeispiele. Hierfür muß die Politik durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen die Weichen stellen. Dazu gehört auch eine gezielte Förderung der nachhaltigen Mobilität. Die vorhandenen Potentiale sind groß. Alle Akteure sind aufgerufen, sie zum Wohl von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft auszuschöpfen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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