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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 7] 1. Mobilität in Deutschland Einführung und Übersicht Rein zahlenmäßig, aber auch in Hinsicht auf die Wertschöpfung, die damit verbundenen Arbeitsplätze und die öffentliche Wahrnehmung bildet das Auto vor allen anderen Verkehrsmitteln den Mittelpunkt der Mobilität in unserer Gesellschaft und wird damit zum zentralen Ansatzpunkt für jede Bemühung, nachhaltige Entwicklung Wirklichkeit werden zu lassen [Fn.1: Ggf. natürlich auch durch die Nulloption, d.h. Verlagerung auf andere Verkehrsträger oder genereller Ersatz von Verkehr durch andere Aktivitäten, etwa Nachrichten(-verkehr).] . Um hier Fortschritte zu erzielen, genügt es allerdings nicht, sich auf das Auto zu beschränken bzw. sich auf das Thema Verkehrsverlagerung zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern einzuengen. Stattdessen ist eine strategische Neuorientierung unerläßlich, bei der unter möglichst gleichrangiger Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer, sozialer und institutioneller Aspekte alltagsfähige Rahmenbedingungen entwickelt werden. Hierzu ist, über das Bekenntnis zu den aus den Nachhaltigkeitsdebatten hinreichend bekannten Grundforderungen [Fn.2: Vgl. etwa den Bericht der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt", Hrsg. Deutscher Bundestag, Bonn (Zur Sache, 4/98), in dem grund legende Regeln für die ökologische, die ökonomische und die soziale Dimension formuliert werden. ] hinaus, in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme und Ursachenanalyse zwingende Voraussetzung. Wie sieht also das Aktivitätsfeld Mobilität überhaupt aus, welche Eckdaten bestimmen es, und welche Entwicklungen werden in der unmittelbaren Zukunft zu erwarten sein? Mobilität, im gängigen Sinn betrachtet als technisch unterstützte Beweglichkeit von Personen und Gütern zwischen verschiedenen Aufenthaltsorten [Fn.3: Also nicht die geistige oder soziale Beweglichkeit von Menschen oder die Beweglichkeit von Informationen oder Wissen. Beide Faktoren spielen allerdings indirekt eine entscheidende Rolle für die Konzeption und die Ausprägung der Mobilität im Verkehrsgeschehen.] , läßt sich in erster Näherung anhand folgender Faktoren erfassen: Die dominierenden Verkehrsmittel, i.e. Kraftfahrzeug, Bahn, Schiff, Flugzeug, die zu ihrer Nutzung notwendige Infrastruktur und das Nutzungsverhalten bzw. die daraus für Mensch und Umwelt erwachsenden Vor- und Nachteile. Einen ersten Überblick hierüber geben im folgenden einige statistische Eckdaten, die auch die Grundlage für die verschiedenen Beiträge zur Veranstaltung bildeten. Im Anschluß werden ergänzend einige allgemeine Trends und Anforderungen dargestellt. [Seite der Druckausgabe: 8] Tab. 1: Statistische Eckdaten im Verkehr (Deutschland 1970 - 1999)
Quelle: eigene Zusammenfassung, nach Daten des Statistischen Bundesamtes, des UBA, S. 81ff, der OECD-Transportministerkonferenz und EUROSTAT. [Seite der Druckausgabe: 9] Infrastruktur Das überörtliche Straßennetz in ganz Deutschland eines der dichtesten der Welt - ist seit 1985 nur um weniger als 5%, die Zahl der in Deutschland vorhandenen Kraftfahrzeuge hingegen um etwa 50% auf heute über 51 Mio. angewachsen. Davon sind annähernd 43 Mio. Pkw (plus ca. 60% seit 1985) und rund 2,5 Mio. Lkw (mehr als verdoppelt seit 1985). Hinsichtlich der Verkehrsbelastung durch die steigende Zahl an Fahrzeugen gilt es zusätzlich zu berücksichtigen, daß es auch im internationalen Verkehr auf deutschen Straßen deutliche Steigerungen gegeben hat, die sowohl auf die Wiedervereinigung bzw. den Wegfall der Ost-West-Barriere als auch auf die insgesamt dramatische Zunahme des Güterverkehrs infolge der Europäisierung bzw. Globalisierung der Wirtschaft zurückzuführen sind. Die Länge der (befahrenen) Bahnstrecken hat sich seit den siebziger Jahren durch Streckenstillegungen deutlich verringert, in den letzten Jahren ist sie allerdings insgesamt nur geringfügig gesunken (nicht berücksichtigt werden hierbei die vielen Kilometer nicht oder kaum benutzter Gleise, z.B. bei Rangieranlagen). In etwa gleich geblieben ist seit der Wiedervereinigung die Länge der Binnenschiffahrtswege. Personenverkehr Auf bundesdeutschen Straßen werden im Zuge der erheblich gestiegenen Fahrleistungen der Einzelfahrzeuge heute insgesamt Fahrleistungen in der Größenordnung von jährlich über 700 Mrd. Pkm im motorisierten Individualverkehr (MIV) erreicht. Dem stehen Fahrleistungen in öffentlichen Verkehrsmitteln von insgesamt ca. 140 Mrd. Pkm gegenüber, davon rund 70 Mrd. Pkm im Straßenverkehr, rund 45 Mrd. Pkm im Eisenbahnverkehr und über 25 Mrd. Pkm im Flugverkehr. Im Luftverkehr hat sich seit 1970 die Zahl der von deutschen Flughäfen aus beförderten Personen von ca. 21 Mio. auf über 104 Mio. (1998) in etwa verfünffacht. Auch auf gesamteuropäischer Ebene lassen sich ähnlich massive Steigerungen vermelden: So hat allein zwischen 1993 und 1997 der Intra-EU-Verkehr von 110 auf 154 Mio. Reisende um fast 40%, der Extra-EU-Verkehr von 123 auf 171 Mio. ebenfalls um fast 39% zugenommen. [Fn.4: Zahlen nach EUROSTAT] Nach Auskunft des Vertreters der EU finden im gesamten Personenverkehr auch auf längere Distanzen fast 60% des Verkehrs aus privaten Gründen statt. [Seite der Druckausgabe: 10] Generell entfällt der Hauptanteil des Verkehrsaufkommens in Europa auf den Personenverkehr (rund 70%). Von besonderem Interesse ist daher die Entwicklung der Kostenbelastung privater Haushalte durch den MIV. Ergebnissen der TAB-Studie Optionen zur Entlastung des Verkehrsnetzes ..." [Fn.5: Deutscher Bundestag (1998) Entwicklung und Analyse von Optionen zur Entlastung des Verkehrs netzes und zur Verlagerung von Straßenverkehr auf umweltfreundlichere Verkehrsträger. Verfasser: Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages. Bundestagsdrucksache 13/11447.] zufolge trifft die weithin verbreitete Einschätzung, daß die Kostenbelastung der privaten Haushalte ständig und teils in unzumutbarer Weise ansteige, so nicht zu. Der Anteil der Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt eines Pkw am ausgabefähigen Einkommen sei statt dessen im Zeitraum 1965 bis 1996 stetig zurückgegangen; so habe er 1996 für mindestens die Hälfte der deutschen Haushalte rund ein Viertel niedriger gelegen als 1965, trotz der Tendenz zur Anschaffung immer größerer und leistungsfähigerer Fahrzeuge. Diese Tendenz trage gemeinsam mit einem steigenden Anteil an Kurzstrecken, abnehmender Besetzungszahl pro Fahrzeug und steigendem Parkflächenbedarf erheblich zum Flächenverbrauch und zur Überlastung der Straßen bei. Gütertransport Es ist ein durchgängiges Wachstum des Güterverkehrs vor allem auf der Straße, in der Seeschiffahrt und im Luftverkehr zu beobachten. Binnenschifffahrt und Schiene hingegen partizipieren an diesem Wachstum nicht bzw. verlieren wie im Fall des nationalen Bahngütertransports seit Jahrzehnten kontinuierlich Marktanteile. So liegen die Transportleistungen der Binnenschiffahrt trotz der erheblich gestiegenen Mengen in der Seeschiffahrt heute nach wie vor in etwa auf dem Niveau der 70er Jahre. Externe Prognosen lassen für die Schiene eine weitere Reduzierung des Güterverkehrsaufkommens um wenigstens 25% in den nächsten Jahren erwarten. Der Löwenanteil dieser Transporte wird, wie die insgesamt zu erwartende Steigerung der transportierten Gütermengen, auf die Straße verlagert werden müssen. Gerade dieser Verkehrsträger ist aber schon heute häufig an seinen Kapazitätsgrenzen angekommen, so daß sich hier ein zentrales Dilemma abzeichnet. So sind etwa die Fahrleistungen im Nutzverkehr von 1990 bis 1995 von 72,3 auf 92,1 Mrd. km gestiegen, und das Umweltbundesamt prognostiziert bis 2005 einen weiteren Fahrleistungszuwachs auf über 104 Mrd. km. Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit der verschiedenen Verkehrsträger kann auf der Basis der jährlich vom DIW fortgeschriebenen spezifischen Energie- [Seite der Druckausgabe: 11] verbräuche festgehalten werden, daß bezogen auf den Primärenergieverbrauch pro 100 Tonnenkilometer die Bahn bei ca. 1,1 Liter Dieseläquivalent liegt, das Schiff bei ca. 1,6 Liter und der Lkw bei ca. 4,4 Liter. Auch im Luftverkehr stieg die beförderte Frachtmenge (von ca. 1,15 Mio. Tonnen 1990 auf ca. 2,0 Mio. Tonnen 1999). Damit setzte sich auch im vergangenen Jahrzehnt ein Trend fort, der seit den siebziger Jahren in etwa eine Verdopplung der Luftfrachtmengen pro Jahrzehnt mit sich bringt. Luftfrachtverkehr ist neben der generellen Umweltbelastung durch den hohen Verbrauch nicht erneuerbarer (Energie-)Rohstoffe vor allem durch spezifische Lärmbelastungen im Nachtflugverkehr negativ in die Schlagzeilen geraten, was aber seinem Wachstum offensichtlich bislang nicht geschadet hat. Zunehmende und erfolgreiche Bürgerproteste in der Umgebung von betroffenen Flughäfen, etwa in Brüssel, stellen aber dennoch Hemmnisse für eine weiterhin mit gleicher Intensität voranschreitende Ausbreitung dieser Transportform dar. Gesundheitliche Risikofaktoren Unmittelbare Risiken für Leben und Gesundheit existieren naturgemäß bei allen Verkehrsträgern. Dabei erscheinen die Zahlen an Toten und Verletzten bei den Verkehrsträgern Bahn, Schiff und Flugzeug im Vergleich zum Straßenverkehr mit rund 8.000 Unfalltoten und etwa einer halben Million teils schwerverletzten Verkehrsteilnehmern pro Jahr allerdings gering. Im Bereich mittelbarer Risiken, also beispielsweise Gesundheitsstörungen oder Tod im Zusammenhang mit Lärm, Abgasen oder anderen Noxen, sind statistisch sichere Zahlen nur schwer zu erhalten, da einzelne Wirkungen in der Regel kaum abgegrenzt bzw. kausal zugeordnet werden können. Dies betrifft etwa die Auswirkungen von Benzolgehalten in Benzin oder von Rußpartikeln aus Dieselabgasen. Besonders auffällig und auch erheblich ist aber die vom Vertreter des UBA dargestellte Korrelation zwischen Verkehrslärm und der Zahl der Infarkttoten in Deutschland, so daß Lärm zu den erstrangigen Risiken gezählt werden sollte. So muß anhand zuverlässiger Studien mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß bei den rund 16% der Bevölkerung, die im Wohn-umfeld Lärmwerten über 65 dB(A) ausgesetzt sind, das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen deutlich steigt. Rund 20% aller Infarkte lassen einen Zusammenhang mit entsprechenden Lärmbelastungen erkennen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001 |