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TEILDOKUMENT:



Dr. Raita Karnite
Direktorin, Institut für Wirtschaftswissenschaft
Lettische Akademie der Wissenschaften, Riga, Lettland


Implikationen für die baltischen Länder*
* [Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Bearbeitung Wolfgang Potratz, IAT]

[Seite der Druckausg.: 46 ]

Die jetzige Erweiterung der Europäischen Union zeigt, im Vergleich zu den früheren Erweiterungsschritten, einige neue Züge. Zum einen zeichnet sie sich dadurch aus, dass der Druck der Beitrittsländer, den Integrationsprozess zu beschleunigen oder doch klare Daten zu nennen, noch größer ist als früher, und, zum anderen, die abwartende Haltung und die Skepsis bei den EU-Mitgliedern noch deutlicher ist. Es sieht so aus, als sorge sich die Europäische Union, die erst vor wenigen Jahren die wegweisenden Beschlüsse zur Erweiterung gefasst hat, nun um die Konsequenzen ihrer Entscheidung. Tatsächlich sieht der Integrationsprozess, auf den ersten Blick jedenfalls, für die Mitgliedsländer nicht sehr attraktiv aus. Die schiere Größe dieses Projekts ist bedrückend, und es ist sehr schwer die politischen und ökonomischen Konsequenzen im Voraus abzuschätzen. Der Unterschied im ökonomischen Niveau der Länder, die nun „unter einem Dach" leben wollen, ist erheblich, und zwingt die jetzigen Mitgliedsländer, über zwischen den Beitrittskandidaten diskriminierende politische Strategien nachzudenken – etwas, was der Ideologie der EU widerspricht. Die Erweiterung zwingt die EU zu inneren Reformen und neuen politischen Strategien.

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Die Integration der baltischen Länder als einseitige
Kosten-Nutzen-Verteilung?


Es ist offensichtlich, dass die Verteilung der Kosten und Nutzen der Erweiterung zwischen den Mitgliedern und den neu Hinzukommenden sehr unterschiedlich ist. Der Nutzen für die Beitrittsländer werde darin gesehen, dass der EU-Markt für sie überhaupt der einzige wichtige Markt sei. Von ihm erwarteten sie Kapitalzuflüsse, gut bezahlte Jobs, Finanztransfers und Wohlfahrt. Im Gegensatz dazu bringe die Erweiterung für die EU-Mitglieder mehr Kosten als Vorteile, und die Erweiterung sei deshalb nur eine „Goodwill-Aktion". Experten argumentieren beispielsweise, dass der Handel der EU mit

[Seite der Druckausg.: 47 ]

den MOE-Ländern nicht so sehr bedeutend sei und nach der Integration kaum noch Expansionsmöglichkeiten verspreche. Die EU-Länder können die Vorteile billiger Arbeitskraft auch jetzt schon unter den bestehenden Vereinbarungen abschöpfen, und sie brauchen die Erweiterung dazu eigentlich nicht.

Warum hat die EU also den Erweiterungsprozess begonnen, war die Entscheidung falsch, oder welche Vorteile bringt die Erweiterung den EU-Ländern? Welcher Art sind die positiven Erwartungen, die einem solchen großen Vorhaben vorangehen? Es ist nicht die Aufgabe dieses Papiers, die EU-Motive für die Erweiterung zu erklären, aber dennoch haben einige davon Implikationen für die baltischen Länder. Diese bestehen im wesentlichen darin, dass die EU-Länder Zugang zu wachsenden Märkten und Investitionsmöglichkeiten in den Beitrittsländern gewinnen. Damit öffnen sie sich die Tore für weitere und noch größere Märkte im Osten und sichern sich damit eine dominierende Position in einer wirtschaftlich stark wachsenden Region und gewinnen schließlich so auch Kontrolle über etwaige Wettbewerber. Es gibt also auch Vorteile für die EU-Länder, und die Erweiterung wird nicht allein vom Goodwill getragen.

Was bedeutet die Integration der baltischen Länder für die EU, sind sie nur Kostgänger und deshalb eine zusätzliche Belastung für die EU-Budgets? Erstens sind die baltischen Staaten klein – die Gesamtbevölkerung der drei Länder beläuft sich auf 7,5 Mio., und wie hoch auch immer die EU-Hilfen sein mögen, es wird kein wesentlicher Posten im Budget sein. Zweitens haben die baltischen Staaten durchaus ihre Fähigkeit bewiesen, mit ihren Problemen auch ohne größere Hilfe von außen fertig zu werden. Alle baltischen Staaten haben seit Beginn der 90er Jahre erhebliche ökonomische Fortschritte gemacht, sie haben positive Wachstumsraten, sinkende Inflationsraten, und keine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit.

[Seite der Druckausg.: 48 ]

Tabelle 1: BSP-Wachstum zu konstanten Preisen; prozentuale Änderung
zum Vorjahr


1995

1996

1997

1998

EU insges.

2.3

1.8

2.7

2.8

Beitrittsländer, ges.

5.5

3.9

3.5

2.5

Bulgarien

2.9

-10.1

-6.9

3.4

Zypern

6.1

2.0

2.5

5.0

Tschechische Republik

6.4

3.8

0.3

-2.3

Estland

4.3

3.9

10.6

4.0

Ungarn

1.5

1.3

4.6

5.1

Lettland

-0.8

3.3

8.6

3.6

Litauen

3.3

4.7

7.3

5.1

Polen

7.0

6.0

6.8

4.8

Rumänien

7.1

3.9

-6.9

-7.3

Slowakei

6.9

6.6

6.5

4.4

Slovenien

4.1

3.5

4.6

3.9

Quelle: Macroeconomics of Latvia in figures, 1998. Statistical Bulletin.Central Statistical Bureau of Latvia. Riga, 1999, S. 108.

In allen drei baltischen Staaten haben sich die Wirtschaftsstrukturen erheblich gewandelt und sich in ihrer Zusammensetzung dem Bild einer modernen Ökonomie weiter angenähert (die Landwirtschaft ausgenommen). Die Wirtschaftspolitik von Lettland, Litauen und Estland entspricht der kleiner Staaten in einer globalisierten Weltwirtschaft. Ein guter Indikator der erreichten Stabilität war die Fähigkeit, die russische Krise zu überstehen. Alle baltischen Staaten hatten nach dem Einbruch Verbesserungen ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit aufzuweisen und konnten Mitte 1999, gerade ein halbes Jahr nach der Krise, schon wieder ein gewisses Wachstum erzielen. Das stabile BSP-Wachstum in Kombination mit relativ niedrigen Leistungs- und Kapitalbilanzdefiziten, die im wesentlichen aus ausländischen Direktinvestionen finanziert werden, zeigt die Nachhaltigkeit des Wachstums.

Dennoch bewegen sich die Indikatoren in den baltischen Ländern auf einem niedrigen Niveau - und die Entwicklungspfade sind keineswegs gleich. Estland macht bemerkenswerte Fortschritte, allerdings auf der Grundlage einer recht risikovollen Entwicklungsstrategie (umfassende Liberalisierung, hohe Versculdung). Litauen verfolgt einen etwas „weicheren" und mehr sozialverträglich orientierten Weg. Das Rückgrat der litauischen wirtschaftlichen Ent-

[Seite der Druckausg.: 49 ]

wicklung ist eine strikte makroökonomische Geldpolitik. Lettland hinkt leider hinter den beiden anderen Ländern etwas her.

1997 produzierte Lettland 0,18% des BSP der 15 EU-Länder (in Kaufkraftparitäten und laufenden Preisen). Das BSP pro Kopf belief sich auf gerade 27% des EU-Mittels, das waren 16% des Wertes für Luxemburg (des höchsten Niveaus in der EU) oder 39% von Griechenland (des niedrigsten in der EU). Die Situation ist in den anderen baltischen Ländern etwas besser (s. Tabellen 2 und 3). Aber immerhin steigen beide Indizes und weisen auf die zunehmende Verringerung des Abstands im Lebensstandard hin.

Tabelle 2: BSP pro Kopf in ECU (nach amtlichen Wechselkursen)


European Currency Unit (ECU)

EU = 100


1995

1996

1997

1998

1995

1996

1997

Beitrittsländer, ges.

2400

2600

2900

3200

14

14

15

Bulgarien

1200

900

1100

1300

8

5

6

Zypern

10500

10800

11400

12200

60

59

60

Tschechische Rep.

3800

4400

4500

4900

22

24

23

Estland

1800

2400

2800

3200

11

13

15

Ungarn

3300

3500

4000

4200

19

19

21

Lettland

1400

1600

2000

2300

8

9

10

Litauen

1200

1700

2300

2600

7

9

12

Polen

2500

2900

3100

3600

14

15

16

Rumänien

1100

1200

1400

1500

7

7

7

Slowakei

2500

2700

3200

3400

14

15

17

Slovenien

7200

7500

8100

8800

42

41

43

Quelle: Macroeconomics of Latvia in figures, 1998. Statistical Bulletin.Central Statistical Bureau of Latvia. Riga, 1999, S. 112.

[Seite der Druckausg.: 50 ]

Tabelle 3: BSP pro Kopf in ECU (nach Kaufkraft)


European Currency Unit (ECU)

EU = 100


1995

1996

1997

1998

1995

1996

1997

Beitrittsländer, ges.
(ohne Zypern)


6600


7200


7500


7700


38


40


40

Bulgarien

4900

4600

4400

4600

28

25

23

Tschechische Rep.

11100

12000

12300

12200

62

64

63

Estland

5600

6100

6900

7300

32

34

37

Ungarn

8100

8600

9200

9800

45

46

47

Lettland

4300

4700

5200

5500

25

26

27

Litauen

4800

5300

5800

6200

28

29

30

Polen

6100

6700

7300

7800

36

38

40

Rumänien

5600

6100

5800

5500

32

34

31

Slowakei

7300

8100

8800

9300

43

45

47

Slowenien

11300

12200

13000

13700

65

67

68

Quelle: Macroeconomics of Latvia in figures, 1998. Statistical Bulletin.Central Statistical Bureau of Latvia. Riga, 1999, S. 113.

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Wandel und Modernisierung durch Integration

Was sind die ökonomischen Implikationen der EU-Erweiterung, die in den baltischen Ländern zu erwarten sind? Oder in anderen Worten: hilft der Beitritt zur Europäischen Union den baltischen Staaten ihre Ziele zu erreichen? Die Antwort ist: Ja.

Das erste und zentrale Argument ist Sicherheit. Sicherheit ist immer eine Sache internationaler Politik, aber in kleinen Ländern wie den baltischen Staaten ist Sicherheit auch eine Frage der wirtschaftlichen Entwicklung. Das besondere Merkmal kleiner Länder ist die Offenheit ihrer Wirtschaft. Von daher ist politische Sicherheit durch den Respekt vor der Souveränität dieser kleinen Länder eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Stabilität und eine langfristig kalkulierbare Wirtschaftspolitik. Furcht vor Aggressionen von woher auch immer würde die Wirtschaftspolitik sprunghafter machen und deshalb langfristig ineffizient. Um die politische Sicherheit kalkulierbar zu machen, müssen kleine Länder Koalitionen suchen, die politisch stark genug sind, und diese Koalitionen müssen auch hinreichend institutionalisiert sein. Dies ist das beherrschende Interesse der baltischen Staaten an einem Beitritt zur Europäischen Union.

[Seite der Druckausg.: 51 ]

Das zweite Argument sind die Bedingungen für den Außenhandel. In kleinen Ländern ist Außenhandel ein entscheidendes Moment, um die nachteiligen Effekte kleiner Märkte und kleiner Unternehmen zu kompensieren, und die Bedeutung dieses Moments steigt in dem Maße, wie die Globalisierung zunimmt. Von daher zeigt schon ein Blick auf die Landkarte, dass es nur logisch ist, dass die EU-Länder wichtig(st)e Handelspartner für die baltischen Ökonomien sind (s. Tabelle 4).

Tabelle 4: Außenhandelsumsätze Lettland (1 LVL = 1.675 USD)

Jahr

Exporte
insges.

Importe
insges.

Exporte nach ...,
in % der Exporte insges.

Importe aus ...,
in % der Importe insges.


Tsd.LVL

Tsd.LVL

nach EU

nach CIS

aus EU

aus CIS

1992

572666

541520

28.0

45.0

22.1

37.6

1993

675611

639247

33.4

47.6

27.4

38.2

1994

553437

694588

39.2

42.7

40.6

30.5

1995

688413

959636

44.0

38.3

49.9

28.2

1996

795172

1278169

44.7

35.8

49.2

25.5

1997

971749

1582352

48.9

29.5

53.2

19.7

1998

1068852

1881285

56.6

19.0

55.3

16.0

Quelle:
Issues of Central statistical bureau of Latvia:
Monthly bulletin of Latvian statistics, #1(44)/1998, S. 114
Monthly bulletin of Latvian statistics, #12(55)/1998, S. 116
Statistical yearbook of Latvia, 1995, S. 269-270
Statistical yearbook of Latvia, 1996, S. 246
Statistical yearbook of Latvia, 1997, S. 259

1999 umfasste der Handel mit den EU-Ländern 56,6% der lettischen Exporte und 55,2% der Importe (1993 waren es 33,4% der Exporte und 27,4% der Importe). Der Anteil Russlands fiel von 29,6% der Exporte und 28,5% der Importe im Jahr 1993 auf 12% der Exporte und 11,7% der Importe im Jahr 1999. Die Frage ist, ob derart günstige Relationen auch ohne die Erweiterung hätten erzielt werden können. Wenn man die EU-Handelspolitik betrachtet, ist dies eher unwahrscheinlich.

In Hinblick auf die Handelsbeziehungen ergeben sich noch einige weitere Vorteile. Da ist zunächst die Schaffung eines vergleichbaren ökonomischen Umfeldes durch die Harmonisierung der Gesetzgebung. Auf den ersten Blick scheint die Harmonisierung die EU-Länder zu begünstigen, insofern als sie EU-Investoren verlässliche und vertrauenswürdige Bedingungen schafft. Mit gesetzlichen Grundlagen, die mit denen eines großen Handelsblocks harmonisiert sind, dürfen die baltischen Länder Direktinvestitionen aus der EU und

[Seite der Druckausg.: 52 ]

aus anderen Marktwirtschaften erwarten. Ein verbessertes rechtliches System verbessert außerdem auch die Bedingungen für den inländischen Handel.

Harmonisierung bedeutet außerdem auch die Harmonisierung von Standards, die es ermöglichen, dass Produkte aus Estland, Lettland und Litauen die Qualitäts- und Sicherheitsansprüche der westlichen Märkte erfüllen. Eine, noch zu erbringende, Voraussetzung dafür ist allerdings auch die Verbesserung der staatlichen Verwaltungskapazitäten. Je besser die staatlichen Verwaltungsleistungen sind, desto geringer werden die Transaktionskosten für inländische wie ausländische Unternehmen, und damit steigt auch die Attraktivität der Länder.

Die Integration in die EU nützt auch der regionalen Entwicklung. Der Begriff regionale Entwicklung differiert etwas zwischen den baltischen Staaten und der EU, aber dennoch sind die baltischen Länder auch in die EU-Regionalpolitik einbezogen. Dies erlaubt es, eher kleinflächige regionale Entwicklungsprobleme in größere Projekte einzubinden. Die Hilfen der EU für die Landwirtschaft schließlich sind für die baltischen Länder von erheblicher Bedeutung.

Der Zugang zu den EU Bildungs- und Forschungsprogrammen hilft den baltischen Ländern, ihre Schwäche im Bereich der F&E-Ressourcen auszugleichen, unter der alle kleinen Transformationsländer leiden.

Wiederum ließe sich hier fragen, ob diese Vorteile nicht auch ohne eine Integration in die EU zu erreichen wären. Die Antwort ist: ja, theoretisch könnten die Länder mit diesen Problemen auch ohne die Maßnahmen fertig werden, die ihnen das Integrationsprogramm auferlegt, und auch ohne die Hilfe der internationalen Finanzinstitutionen oder direkter Hilfe anderer Länder. Die Frage ist nur, unter welchen Bedingungen. Einige der im Rahmen der Integrationsbemühungen implementierten Maßnahmen sind unpopulär, und wären ohne diesen Druck sicher nicht oder nicht so schnell durchgeführt worden. In dieser Hinsicht wirkt die EU-Integration wie ein Katalysator, der positive Veränderungen beschleunigt. Auch wäre die Harmonisierung der Gesetzgebung und der Standards nie so umfassend, wären die Länder nicht nur politische und ökonomische, sondern eben auch institutionelle Verpflichtungen eingegangen.

Andererseits ist es natürlich eine Illusion zu glauben, dass marktwirtschaftliches Know-how und Institutionen, wie sie in den Marktwirtschaften bestehen, einfach so „gemacht" werden könnten. Die Kluft im sozialen Verhalten macht

[Seite der Druckausg.: 53 ]

das Funktionieren gleicher Regeln hier etwas schwieriger. Wenn die positiven ökonomischen Erträge auf sich warten lassen, kann das aus diesem Grund auch nicht nur mit schlechter Implementationspolitik begründet werden. Es ist deshalb wichtig darauf hinzuweisen, dass die baltischen Staaten gezeigt haben, dass sie ökonomisch mit den anderen Beitrittskandidaten konkurrieren können, und zum Teil sogar bessere Ergebnisse aufweisen als Länder, die zu Beginn der 90er Jahre von einem höheren wirtschaftlichen Niveau ausgehen konnten.

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Die Kosten des Beitritts

Es wäre aber nur die halbe Wahrheit, würde man nur die Vorteile der Erweiterung bzw. des Beitritts erwähnen. Die EU-Integration bringt auch harte Bedingungen, die die baltischen Länder erfüllen müssen, mit harten monetären und anderen Konsequenzen. Der bedeutendste Prozess in dieser Hinsicht ist die Liberalisierung des Handels. Tabelle 3 zeigt zum Beispiel, dass Lettlands Handelsdefizit mit den EU-Ländern in den letzten drei Jahren auf 1,8 Mrd. USD angewachsen ist und weiter wächst. 1998 betrug das Handelsdefizit mit den EU-Ländern 750 Mio. USD, ungefähr 11% des BSP.

Tabelle 5: Außenhandelsbilanz, Mio. LVL


Jahre

insges.


1993

1994

1995

1996

1997

1998


EU








Exporte

225.36

217.04

303.21

355.46

474.81

604.46


Importe

174.94

281.69

478.60

629.47

841.23

1039.50


Saldo

50.42

-64.64

-175.39

-274.01

-366.42

-435.04

-1265.0 8

Baltische

Länder







Exporte

41.93

45.05

59.58

88.24

113.56

127.85


Importe

86.48

65.66

101.75

153.44

195.48

243.35


Saldo

-44.55

-20.60

-42.18

-65.21

-81.92

-115.49

-369.95

Quelle: Monthly Bulletins of Latvian Statistics (s.o.).

Natürlich ist die geringe Wettbewerbsfähigkeit der lettischen Industrie der Hauptgrund für diese Defizite, aber Verbesserungen sind nicht über Nacht möglich. In solchen Fällen verfolgen manche Länder protektionistische Strategien, aber dies wurde den baltischen Ländern nicht empfohlen. Abbildung 1 zeigt die gegenwärtige Situation des Außenhandels der baltischen Länder.

[Seite der Druckausg.: 54 ]

Abbildung 1: Saldo der Exporte und Importe der baltischen Länder

Undisplayed Graphic

Ein zweiter Aspekt ist die überzogen teure EU-Wirtschaftspolitik, wie z.B. die gemeinsame Agrarpolitik, Sozial- und Regionalpolitik und auch die Außenhandelspolitik. Durch die Übernahme von Komplemetärfinanzierungen müssen diese Kosten von den Beitrittsländern mitgetragen werden. Für die baltischen Staaten ist es zweifelhaft, ob sie genügend Ressourcen haben dies zu tun, und ob eine solche Politik überhaupt benötigt wird. So wird z.B. möglicherweise die Situation eintreten, dass Estland mit seiner extrem offenen Wirtschaft Rückschritte in Kauf nehmen muss, und auch noch dafür zahlen muss.

Weitere Kosten werden sich aus der Notwendigkeit ergeben, die Grenzkontrollen gegenüber Drittländern zu verstärken, so gegenüber derzeitigen Handelspartnern (Ukraine, Russland und Weißrussland). Außerdem ist klar abzusehen, dass bei einer weiteren Liberalisierung der Handelsbeziehungen mit den hoch wettbewerbsfähigen EU-Ökonomien ganze Industrien in den baltischen Ländern verschwinden (und soziale Kosten hinterlassen) werden.

Teuer ist auch die Integrationsbürokratie durch häufige und teure Besuche in Brüssel, die Ausarbeitung und Übersetzung von Regel- und Gesetzeswerken, die von den Beitrittsländern selbst finanziert werden muss.

Die Frage darf gestellt werden, ob diese Kosten nicht verhindert oder vermindert werden können. Es ist gegenwärtig schwer zu sagen, was die Konsequenzen eines „weicheren" wirtschaftspolitischen Kurses wären. Das Beispiel Estland zeigt, wie sich die Liberalisierung durch hervorragende Ergebnisse

[Seite der Druckausg.: 55 ]

selbst legitimiert hat. Aber es gibt auch andere Beispiele, die zeigen, dass auch ein vernünftiges Maß an Protektionismus zu Wachstum führt. In jedem Falle gibt es also Möglichkeiten, die Kosten der EU-Politik und der Integration zu verringern.

Trotz aller Probleme haben beide Seiten gezeigt, dass der Integrationsprozess weiter vorangeht. Die Entscheidung des Europäischen Rates in Helsinki, mit allen Beitrittskandidaten Verhandlungen aufzunehmen, wird deshalb genügend Anreiz sein, den Integrationsprozess zu beschleunigen und andere unterstützende Prozesse in dieser Region in Gang zu setzen.


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