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[Seite der Druckausgabe: 36 / Fortsetzung]


3. Chancen und Risiken einer ökologisch orientierten Besteuerung aus der Sicht von Unternehmen

3.1 Die Sicht deutscher Unternehmen:

3.1.1 Deutsche BP

Das Mitglied des Vorstandes der Deutschen BP äußert sich skeptisch, ob eine immer "drakonischere" Besteuerung von Energieeinsatz der gesellschaftlich und wirtschaftlich vernünftigste Weg sei, um das gemeinsame Ziel der Vermeidung einer eventuellen Klimakatastrophe zu erreichen. Andererseits bezweifelt er jedoch auch, daß dazu allein Aufklärung, Appelle und Selbstverpflichtungen ausreichen werden.

Die BP Amoco unterstütze die Klimaschutzprotokolle nicht nur, sondern trage konkret zur Erreichung der dort vereinbarten Ziele bei. So habe sich der Konzern verpflichtet, die CO2-Emissionen aus eigener Tätigkeit um 10% gegenüber 1990 abzusenken. Das sei doppelt so hoch wie das Ziel aller teilnehmenden Länder und bedeute bei normalem Unternehmenswachstum eine reale Reduktion um über 30%. [Fn.9: Vgl. hierzu die Anmerkungen in Kap. 4.]

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Kurzdarstellung

Die Deutsche BP ist Teil des Weltkonzerns BP Amoco, der Ende 1998 durch die Vereinigung der zwei Mineralölkonzerne British Petrol (BP) und American Oil Company (Amoco) entstanden ist. Seinen Jahresgewinn in Höhe von 4,5 Mrd. $ (1998) erzielt der Konzern aus dem Fördern, Verarbeiten und Verkaufen von Mineralöl und Mineralölprodukten sowie aus seinen Chemie- und Gasaktivitäten. Der Jahresumsatz entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Portugal (ca. 100 Mrd. $), die Ölförderung in etwa dem Jahresverbrauch von Frankreich (ca. 90 Mio. t). Der mit den eigenen Aktivitäten verbundene CO2-Ausstoß entspricht in etwa dem von Dänemark.

Die BP Amoco hat sich in ihren Unternehmensleitlinien grundsätzlich dem Prinzip eines umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftens verschrieben und arbeitet nach Aussage der Abt. Öffentlichkeitsarbeit an konkreten Projekten zur Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung. Auch das Klimaschutzprotokoll von Kyoto wird unterstützt, darüber hinausgehend ist es erklärtes Ziel des Unternehmens, die CO2-Emissionen aus eigener Tätigkeit gegenüber 1990 um 10% zu senken. Dies soll vorrangig über einen vorläufig konzerninternen Emissionshandel erreicht werden, der aber auch als Modell für unternehmens- und länderübergreifende Konzepte dienen kann.

Der Vertreter der Deutschen BP konzentriert seine Ausführungen im folgenden auf drei Aspekte: Zum ersten auf die Diskussion um Steuerpräferenzen für sogenannte saubere, im wesentlichen schwefelarme Kraftstoffe, zum zweiten auf eine grundsätzliche Kritik an der Stoßrichtung der ÖSR, zum dritten auf die Möglichkeiten und Grenzen freiwilliger Maßnahmen bzw. marktwirtschaftlich orientierter Instrumente, besonders des Handels mit Emissionszertifikaten.

Saubere Kraftstoffe

Bei den sogenannten sauberen Kraftstoffen gehe es darum, daß die Forderung nach besonders schwefelarmen Kraftstoffen im Raume steht, die über die in der neuesten EU-Kraftstoffrichtlinie festgelegten Werte hinausgeht. Dadurch soll u.a. ein besonders effektiver Einsatz der gängigen Katalysatoren ermöglicht werden. Deshalb werde überlegt, die Markteinführung dieser neuen Kraftstoffe aus ökologischen Gründen durch niedrigere Steuersätze zu unterstützen. Der Vertreter der BP wendet sich vehement gegen derartige Überlegungen. Er gibt zu bedenken, daß die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr absolut gesehen wieder auf dem Stand von 1960 seien, trotz eines massiv gestiegenen Verkehrsaufkommens. Eine weitere, deutliche Vermin

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derung der Schadstoffbelastung der Luft könne also nicht im Vordergrund von Überlegungen zur steuerlichen Bevorzugung derartiger Kraftstoffe stehen, zumal zum 1.1.2000 ohnehin die Kraftstoffe auch ohne solche Maßnahmen nochmals ganz erheblich umweltfreundlicher würden. Es gehe vielmehr um einen Zielkonflikt der Autoindustrie, die sich nicht in der Lage sehe, besonders effiziente und gleichzeitig schadstoffarme Motoren anders als mit schwefelempfindlichen Katalysatoren zu bauen. Zum einen wundere es ihn, daß sich die Automobilindustrie bei der Entwicklung neuer Katalysatoren bisher des Sachverstandes der Mineralölindustrie nicht bedient habe, die über mehr Katalysatorkompetenz als jeder andere Industriezweig verfüge. Zum anderen aber sei vor allem die Steuerpräferenz in ihrer derzeit diskutierten Ausgestaltung bedenklich: Würde man derartige Treibstoffe steuerlich bevorzugen, würden sicherlich alle Autofahrer diese allein aufgrund des Preisvorteils vom ersten Tag an tanken wollen. Das wiederum brächte die Investitionsplanungen der Mineralölindustrie in Gefahr, da eine derartige Nachfrage von den Inlandsraffinerien gar nicht bedient werden könne und auch eine entsprechende Logistik zur übergangsweisen Bereitstellung weiterer Kraftstoffsorten fehle. Im Lichte der Tatsache, daß in Deutschland lediglich rund 10% der CO2-Emissionen von Pkw stammten, halte er dies zudem für eine Operation am falschen Patienten. Trotzdem werde sich die Mineralölindustrie kooperativ zeigen und in Deutschland bereits vom Januar 2000 an Kraftstoff (Super Plus) mit einem Schwefelgehalt von 50 ppm (parts per million) anbieten. [Fn.10: Nach gültiger Gesetzeslage müßte dies erst ab 2005 getan werden.]

Grundsätzliche Problematik einer ÖSR

Generell lasse die Lenkungswirkung von nationalen Steuern angesichts globaler Probleme zu wünschen übrig. Im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von Kollegen glaube er aber nicht daran, daß die Zielvorgaben von Kyoto sich lediglich mit Selbstverpflichtungen erreichen ließen. Man kompromittiere ja z.B. auch nicht die Sicherheit einer Raffinerie, indem man sich hinsichtlich des Rauchens am Arbeitsplatz auf Selbstverpflichtungen der Mitarbeiter verließe. Statt dessen sei eben ein kategorisches Rauchverbot mit Sanktionsrecht unerläßlich und allgemein akzeptiert. Kollektive Selbstverpflichtungen von Industrien oder Branchen seien daher nicht mehr und nicht weniger als ein moralischer Appell. Verpflichtungen müßten konkreter gestaltet und auf einzelne Unternehmen bezogen werden. BP Amoco habe sich daher entschlossen, sich selbst einen normativen Rahmen zu setzen - vgl. das Klimaschutzziel der BP Amoco - und dieses Versprechen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu erfüllen.

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Der Handel mit Emissionszertifikaten

Ganz wesentlich gehöre dazu der Emissionshandel, mit dessen Hilfe u.a. versucht werden solle, einen Preis für das diffuse Etwas "Umwelt" zu finden und ihn über die Zeit zu senken. Folge man einer elementaren Erkenntnis der Volkswirtschaftslehre - nur knappe Güter können Preise haben - müsse man eben dafür sorgen, daß über internationale, nationale und/oder unternehmensspezifische Ordnungsrahmen das Gut Umwelt (hier: CO2) im Bewußtsein der Manager zum knappen Gut werde.

Gemeinsam mit dem amerikanischen Environmental Defense Fund (EDF) habe BP Amoco ein Pilotprojekt zum Emissionshandel entwickelt, in dem von November 1998 bis Juni 1999 rund 59.000 Tonnen CO2 zu Preisen zwischen 17 und 21 $ pro Tonne gehandelt wurden. Zunächst nähmen 12 Geschäftseinheiten am Projekt teil, denen jeweils für die nächsten 5 Jahre ein Grundstock an Emissionsrechten zugeteilt werde. Alle Bereiche sollten dabei bis 2003 ihre Emissionen um 3% reduzieren. Wolle etwa eine Fördereinheit ihre Produktionskapazität verdoppeln und benötige dafür zusätzliche Pumpen bzw. verbrauche zusätzlich Energie, müsse sich diese Geschäftseinheit im - vorläufig internen - Markt zusätzliche Emissionsrechte kaufen.

In der Praxis sei dies etwa bei einem Pipelinesystem möglich gewesen, das über eine effizienzsteigernde Innovation seinen CO2-Ausstoß um etwa die Hälfte habe reduzieren können. Auf diese Weise habe das neue Projekt der Fördereinheit geholfen, die Energiesparmaßnahme des vorhandenen Projekts Pipeline zu finanzieren. Ohne einen derartigen Finanzierungsanreiz hätte sich die effizienzsteigernde Maßnahme im Pipelinesystem unter Umständen nicht gerechnet und wäre unterblieben. Andererseits konnte die BP Amoco auf diese Weise ein zusätzliches Feld in Betrieb nehmen, ohne daß der "eigene" CO2-Ausstoß sich erhöht hätte. [Fn.11: Vgl. auch hier die Anmerkungen in Kap. 4.] Ein so angelegter Emissionshandel

  • liefere den praktischen Mechanismus und wirtschaftlichen Anreiz dafür, daß Emissionsreduzierungen zuerst dorthin gelenkt würden, wo Fortschritte am kostengünstigsten erreichbar seien;

  • lasse in den Geschäftseinheiten das Bewußtsein wachsen, daß Emissionsreduzierung hohe Priorität genießt und "ihr Geld wert ist";

  • lasse uns lernen, wie der Preismechanismus funktioniere und Erfahrungen sammeln, wie man Transaktionskosten niedrig halte;

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  • zeige generell auf, wo Probleme bestünden und wie sie überwunden werden könnten;

  • etabliere einen Preis für Emissionen. Auf diese Weise sei man bald in der Lage, sagen zu können, was eine Tonne CO2 wirtschaftlich wert sei.

Der letzte Punkt sei wohl der wichtigste für eine effiziente Umsetzung. BP Amoco werde das Handelssystem ab Januar 2000 weltweit auf alle 126 Geschäftseinheiten ausdehnen. Parallel dazu lade man die Unternehmen der eigenen Branche sowie andere Industrien und Regierungen aus aller Welt ein, von und mit BP Amoco zu lernen. Man gehe davon aus, mit diesem Projekt dem in Kyoto festgelegten Zeitplan für die Ausgestaltung eines internationalen Handels mit Emissionsrechten, der danach im Jahr 2008 beginnen soll, um nahezu ein Jahrzehnt voraus zu sein. Die BP Amoco sehe die Erprobung des geschilderten Systems unter öffentlicher Anteilnahme der politisch und fachlich interessierten Welt als wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des weltweit vorhandenen Instrumentariums zur wirtschaftlich effizienten CO2-Reduktion. Der Emissionshandel setze dabei eine verbindliche Begrenzung der Emissionen von Treibhausgasen, möglicherweise nicht nur für Länder, sondern auch für Industrien und Unternehmen voraus. Nur auf diese Weise könnten sich (national unterschiedliche) Preise für die Emissionsminderung herausbilden. Auf Nachfrage präzisiert das Mitglied des Vorstandes der Deutschen BP nochmals, daß er den Emissionshandel als Lenkungsinstrument allein schon deshalb im Vorteil gegenüber der derzeitigen ÖSR sehe, weil er kostenorientiert an der Grenze ansetze, d.h. dort wo Verbrauch verändert werde. Die ÖSR dagegen wirke lediglich auf den Gesamteinsatz von Energie; zudem sei es umweltpolitisch nicht nachvollziehbar, wieso gerade diejenigen Sektoren mit den bei weitem höchsten Emissionen und Optimierungspotentialen, i.e. Wärme und Strom, rabattiert würden. Demgegenüber gibt ein anwesender Vertreter der BASF zu bedenken, daß in der Regel die energieintensiven Produktionsbereiche ihre Hausaufgaben allein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit besser als andere gemacht hätten.

Ein Zuhörer gibt zu bedenken, daß die bis 2008 angestrebten Verbrauchsoptimierungen bei Pkw um 15 - 20% nur die neu zugelassenen Fahrzeuge beträfen, so daß allein deshalb mit einer weit geringeren Optimierung im Gesamtbestand zu rechnen sei. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob man denn mit einer Optimierung einzelner Fahrzeuge überhaupt die angestrebten Ziele erreichen könne. In der Regel seien die Potentiale, die durch eine systemweite Optimierung des gesamten Transports zu erreichen seien, wesentlich höher, da erst bei einem systematischen Ansatz wirksame Mittel wie Verlagerungen,

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Substituierungen etc. genutzt werden könnten. Der Vertreter der Deutschen BP versteht die Anregung lediglich dahingehend, daß die Teilaspekte Auto und Treibstoff nicht losgelöst voneinander optimiert werden könnten. Dabei sei allerdings wichtig, sie sinnvollerweise im Gleichschritt zu optimieren. Im übrigen sei er der Ansicht, daß sich die Absatzzahlen für den privaten Verkehr auch durch die derzeitige ÖSR wohl kaum ändern würden, d.h. es werde weder mehr Eisenbahn gefahren noch werde insgesamt weniger gefahren. Mit der ÖSR werde derzeit lediglich Geld vom privaten Verbraucher extrahiert, der in seinem Verkehrsverhalten a) relativ wenig beitrage und b) aller Erfahrung nach wenig änderungsbereit sei, der die Belastung aber deutlich spüre. Zudem sei auf eine soziale Flankierung verzichtet worden. [Fn.12: Auf die beabsichtigten positiven Wirkungen einer Senkung der Lohnneben kosten geht der Vertreter der Deutschen BP in seiner Kritik nicht ein.]

3.1.2 Adtranz

Der Umweltbevollmächtigte von Adtranz berichtet einführend über die zahlreichen, von der Einführung einer Ökosteuer unabhängigen Maßnahmen, die die deutsche Adtranz bzw. schon ihre Vorgängergesellschaft AEG Schienenfahrzeuge seit Beginn der 90er Jahre auf freiwilliger Basis erbracht habe. So sei der zweifellos größte Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen bereits 1992/93 durch die Stillegung eines früher mit Braunkohle betriebenen Kraftwerkes am Standort Hennigsdorf erbracht worden. Seit 1995 beteiligten sich alle deutschen Standorte am EU-Ökoaudit-Verfahren, und mittlerweile seien alle deutschen Adtranz-Werke nach EMAS [Fn.13: EMAS = Environmental Management and Audit Scheme gemäß EU-Richtlinie] und nach ISO 14001 validiert.

Dadurch sei neben vielen anderen Verbesserungen auch die Energieeinsparung zum Programm geworden, mit dem Erfolg, daß die deutschen Standorte binnen dreier Jahre (1996 bis 1998) ihren spezifischen Energieverbrauch um 20% reduziert hätten. Als Vorteile gegenüber der ÖSR seien bei diesem freiwilligen Vorgehen im Rahmen des EMAS-Systems die konkretere Zielsetzung auf Unternehmensebene, die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten im Unternehmen und die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu sehen. Aus diesem Grunde begrüße Adtranz es ausdrücklich, wenn in der zweiten Stufe der ÖSR in Deutschland Ausnahmeregelungen für solche Unternehmen eingeführt würden, die am EMAS-System teilnehmen.

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Kurzdarstellung

Der international tätige Schienenfahrzeughersteller Adtranz entstand am 1. Januar 1996 durch den Zusammenschluß der Bahnaktivitäten von ABB Asea Brown Boveri und Daimler Benz, jetzt DaimlerChrysler. Das Unternehmen wurde anschließend zu 100% von DaimlerChrysler übernommen und unterzieht sich derzeit einer grundlegenden Umstrukturierung. Weltweit beschäftigt Adtranz rund 24.000 Mitarbeiter, sein Jahresumsatz beträgt rund 6,6 Mrd. DM (1997). Insgesamt besitzt Adtranz in 15 europäischen und außereuropäischen Ländern Fertigungsstandorte und ist damit wie z.B. die BP Amoco in ganz unterschiedlicher Weise von ökologischen Steuern betroffen.

Die Adtranz DaimlerChrysler Rail Systems (Deutschland) baut neben ICE-Triebköpfen auch leichte Dieseltriebwagen (Regio-Shuttle), S- und U-Bahnen. Zukünftig soll die Erweiterung des Angebots in Richtung Entwicklung, Produktion und Lieferung kompletter Bahnsysteme, Kundenunterstützung und Signaltechnik einen besonderen Schwerpunkt bilden.

Die derzeitige Ausgestaltung der ÖSR hingegen konterkariert nach Ansicht des Umweltbevollmächtigten die Bemühungen zu einer kontinuierlichen Verringerung des spezifischen Energieverbrauchs im Schienenverkehr. So führe die ÖSR trotz der im letzten Moment doch noch erfolgten Einführung eines reduzierten Steuersatzes für Strom im Bahnbereich zu einer relativen Mehrbelastung des Schienenverkehrs im Vergleich zu Straße oder Fliegerei. Während z.B. eine Steigerung der Energiekosten für die Deutsche Bahn um rund 7% zu erwarten sei, seien für die Straße nur ca. 5-6% und für den Luftverkehr überhaupt keine zusätzlichen Belastungen zu erwarten. Eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen sei aber im Verkehrsbereich realistischerweise nur durch eine Verlagerung des Transportvolumens von der Straße auf die Schiene zu erwarten.

Als Beleg für diese Einschätzung werden vergleichende Untersuchungen des Energieverbrauchs verschiedener Transportformen im Güter- bzw. Personenverkehr zitiert (Tab. 5). Darüber hinaus wird ein Ausblick auf weitere, bereits heute technisch verwirklichte Potentiale zur Erhöhung der Energieeffizienz im Schienenverkehr gegeben (Tab. 6). Als weitere Kritikpunkte an der derzeitigen Ausgestaltung der ÖSR benennt der Vertreter von Adtranz das Fehlen einer klaren ökologischen Zielsetzung und viele Schwächen in Detailfragen. Beispielsweise herrsche nach seiner Kenntnis bei der Umsetzung der Steuerermäßigung in den meisten Betrieben Chaos.

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Tab. 5: Energieverbrauch und CO2-Emissionen von Verkehrsträgern

Verkehrsträger

Verbrauch (KWh/t km)

CO2-Emission (g/t km)

Güterverkehr



Schiff

0.12

30

Schiene

0.19

41

Straße

0.81

207

Flugzeug

4.43

1206

Personenverkehr



Schiene

0.20

37

Straße

0.52

141

Flugzeug

0.64

171

Quelle: nach Angaben des Referenten, ursprünglich aus Liebsche et al. (1995), Prognos AG (1995).

Tab. 6: Verbrauchswerte moderner Adtranz-Leichtbausysteme

Fahrzeug

Energieverbrauch (KWh/Pers. km)

Norwegen-Express

0.08 (bei einer mittl. Geschwindigkeit von 144 Km/h, Vmax = 210 Km/h

Regionalexpress (D)

0.07 (bei einer mittl. Geschwindigkeit von 103 Km/h, Vmax = 180 Km/h

Quelle: nach Angaben des Referenten, ursprünglich aus Liebsche et al. (1995), Prognos AG (1995).

So sei unklar, wer die sog. Erlaubnisscheine zum steuervergünstigten Bezug von Strom bzw. zur Rückerstattung der Steuer bei Öl und Gas beantragen müsse - die Unternehmenszentrale oder jeder Standort, jedes Werk bei seinem zuständigen Hauptzollamt oder alle Werke beim Hauptzollamt der Unternehmenszentrale). Gleiches gelte für die Vorgehensweise bei Mietverhältnissen etc.. Aus diesem Grund rege er an, bei der Bilanzierung der Be- und Entlastungen durch Ökosteuer versus ermäßigte Sozialabgaben den bürokratischen Aufwand auf allen Ebenen mit einzubeziehen.

Hinsichtlich der Belastung durch die ÖSR schätzt Adtranz Deutschland die Situation eher positiv ein: 1998 habe Adtranz insgesamt ca. 140 GWh steuerpflichtige Energie verbraucht, davon rund 90 GWh Erdgas, den Rest zu gleichen Teilen Strom und leichtes Heizöl. Damit waren Kosten von ca. 9 Mio. DM verbunden. Im Rahmen der ÖSR betrage nun die steuerliche Mehrbelastung auf Energieträger ca. 0,7 Mio. DM, die Entlastung bei den Sozialabgaben hingegen erbringe ca. 2,2 Mio. DM. Sogar ohne die Steuerermäßigung für Industrieunternehmen sähe die Situation für Adtranz noch gut aus, allerdings würden dann statt 1,5 Mio. DM nur noch 0,7 Mio. DM übrigbleiben.

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3.2 Erfahrungen skandinavischer Unternehmen

3.2.1 Novo Nordisk

Auf die Frage des Moderators Professor Beuermann, wie denn das vom Vertreter des dänischen Finanzministeriums und auch vom BMU-Vertreter als sehr positiv dargestellte dänische Modell von einem Vertreter der dänischen Wirtschaft beurteilt werde, erinnert der Umweltbevollmächtigte des dänischen Novo Nordisk Konzerns einleitend daran, daß die Besteuerung von Energieträgern in Dänemark und anderen Ländern bereits im Zuge der Energiekrise Anfang der 70er Jahre begonnen habe. Bereits damals wurden beispielsweise Steuern auf Strom, auf Kraftstoffe etc. in Dänemark eingeführt, die allerdings nicht Ökosteuer genannt wurden und auch nicht primär ökologische Lenkungsfunktionen erfüllen sollten.

Kurzdarstellung

Novo Nordisk ist ein dänischer Biotechnologie-Konzern mit den Kerngeschäftsfeldern Enzyme für die Nahrungsmittelproduktion und für technische Zwecke, Wachstumshormone und Insulinproduktion. Der Jahresumsatz betrug 1998 ca. 17.9 Mrd. DKK (umgerechnet ca. 4,7 Mrd. DM), mit weltweit rund 15.000 Angestellten wurde ein Gewinn von ca. 2.4 Mrd. DKK (umgerechnet rund 630 Mio. DM) erwirtschaftet. Seit 1975 existiert bei Novo Nordisk ein Umweltschutzprogramm, seit 1993 erscheint jährlich ein Umweltbericht, der ab 1997 auch das Feld Bioethik umfaßt (Environmental and Bioethics Report). Novo Nordisk gehört zu den Unterzeichnern der "Business Charter for Sustainable Development" der Internationalen Handelskammer ICC, viele Standorte sind nach ISO 14001 zertifiziert. Zwar wurde das ehrgeizige Ziel einer Erhöhung der Energieeffizienz um 4% pro Jahr verfehlt, immerhin jedoch sank der Gesamtenergieverbrauch im Jahr 1998 um 2,3% - ein Wert, der von kaum einem anderen Großunternehmen mit guten Bilanzen erreicht wurde. Selbst in der Liberalisierung des europäischen Strommarktes werden positive Aspekte für die Umwelt gesetzt: So war Novo Nordisk in der Lage, deutlich preiswerteren Strom aus Wasserkraft aus dem benachbarten Schweden zu beziehen. Damit konnte eine durchschnittliche Verringerung der Energiekosten um 6% erreicht werden.

Ab Anfang der 90er Jahre wurde die weiter fortschreitende Besteuerung dann Ökosteuer genannt, und auch in der Industrie setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, daß man es insgesamt mit einem Paradigmenwechsel zu tun habe und man der Integration ökologischer, sozialer und ökonomischer Faktoren verstärkt Aufmerksamkeit widmen müsse. Unter steuerlichen Gesichtspunkten müsse man davon ausgehen, daß die Ökosteuern in den kommenden

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Jahren ausgeweitet werden und weiterhin ansteigen. Problematisch am dänischen System sei, daß man häufig zusätzlichen rechtlichen und steuerlichen Sachverstand hinzuziehen müsse, um das komplizierte System zu verstehen - seiner Ansicht nach ein Tribut an die vielen unvermeidlichen Kompromisse, die man über die Jahre habe schließen müssen, um den vielfältigen Interessen und Widerständen gerecht werden zu können. Es gebe herstellungsbezogene, verarbeitungs- und verbrauchsbezogene Steuern.

Insgesamt belaste das System in seiner derzeitigen Ausgestaltung alle Beteiligten einschließlich der Regierung mit einem zu hohen Verwaltungsaufwand. Von Vorteil seien aber der relativ klare Zeitplan und auch die genügende Vorlaufzeit, wenn man bedenke, daß eigentlich die Steuern schon seit längerem existierten und dann im Laufe der Zeit teilweise zu Ökosteuern umbenannt wurden. Der Zeitpunkt dafür sei seines Erachtens von der Regierung gut gewählt worden.

Um über die erreichten Fortschritte Jahr für Jahr informiert zu sein, habe man bei Novo Nordisk einen eigenen Ökoeffizienzindex entwickelt (EPI = Eco-Productivity Index). Dabei spiele die Erhöhung der Energieeffizienz eine wesentliche Rolle. In den letzten fünf Jahren habe sich der Energieverbrauch von 3,73 Mio. GJ im Jahre 1994 über ein Hoch von 4,21 Mio. GJ 1996 und dann wieder stetig abfallend auf zuletzt 4,05 Mio. GJ 1998 entwickelt. Dabei müsse man berücksichtigen, daß der Nettoumsatz im gleichen Zeitraum erheblich von ca. 13,5 auf 17,9 Mrd. DKK gestiegen sei. Alles in allem habe die dänische Steuerreform von 1996 nur geringe wirtschaftliche Auswirkungen auf Novo Nordisk gehabt. Auch habe sich Novo Nordisk früh zu den Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung bekannt und sein Hauptaugenmerk auch ohne ÖSR auf die Verringerung seines weltweiten Ressourcenverbrauchs gelegt. Sie habe aber als Managementinstrument genutzt werden können, um das Augenmerk auf den Energieverbrauch zu lenken und um die ohnehin getroffenen Zielvorgaben für eine Minderung des Verbrauchs zu rechtfertigen.

In der anschließenden Diskussion wird der Vertreter von Novo Nordisk gefragt, wie konfliktträchtig die Einführung der ÖSR in Dänemark nach seiner Einschätzung war. Einigen Unternehmen, so merkt er an, erscheine es sicherlich ungerecht, daß sie für ihr ökologisches Engagement vor Einführung der ÖSR nicht belohnt würden, sondern de facto durch die Festlegung des Bezugsjahres 1996 in eine schlechtere Ausgangslage bezüglich der Rückerstattung für effizienzsteigernde Maßnahmen gekommen wären. Insgesamt sei aber das gesamte Verfahren nach seinem Eindruck in Dänemark durchaus konstruktiv und ohne größere Brüche oder Auseinandersetzungen abgelaufen. Manchmal

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wundere ihn, wieso in Deutschland so derart konträre Positionen bestünden, denn in der Öffentlichkeit und vor allem in der Fachöffentlichkeit sei doch ein hohes Umweltbewußtsein vorhanden. Man möge nicht vergessen, daß unabhängig von ihrer realen Höhe Steuern immer ein Anlaß seien, sich zu beklagen - dies sei in Dänemark und Schweden mit ihren hohen Steuern nicht anders als beispielsweise in Luxemburg oder Spanien. Im übrigen sei die ÖSR ja nirgendwo dazu gedacht, irgend jemanden leiden zu lassen, sondern sie sei Teil einer gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklung, die von der Sklaverei bis heute verfolgt werden könne. Die Absicht der ÖSR sei wie die jeder anderen Reform, daß jeder sich zunehmend einer Anpassung an neue gesellschaftliche Bedingungen verschreibe. Mit zunehmender Knappheit hätten alle bislang kostenlosen Güter am Markt einen Preis erhalten. So war vor einigen Jahrzehnten Land in vielen Fällen noch kostenlos, auch menschliche Arbeitskraft war oft kostenlos.

Die Besteuerung des Faktors Arbeit sei sicherlich ein Auslöser dafür gewesen, daß man innovativ wurde, z.B. daß man Automation einführte, daß Systeme informatisiert und computerisiert wurden. Die Belastung durch Sozialabgaben und Steuern sei aber vermutlich zu weit gegangen, so daß sie Arbeitslosigkeit hervorgerufen habe. Nun sei es die Absicht der ÖSR, Umweltschädigungen aus dem Markt zu drücken, indem sie einen Preis auferlege. So hätten z.B. Einkommensteuern die Produktivität in allen Industriebereichen gesteigert. Dies sei naturgemäß in einigen Sektoren mit Verlagerungen zwischen Wirtschaftssektoren einher gegangen, einzelne Industriezweige wie Werften oder die Textilindustrie seien sogar in hohem Maße ausgewandert. Trotzdem sei insgesamt der Wohlstand gewachsen. So würden auch Klimapolitiken Verlagerungen zwischen Wirtschaftssektoren zur Folge haben. Die ÖSR sei letztlich Bestandteil eines generellen Mechanismus, der Kreativität und Innovation überall nach sich ziehe. So hätten die Automobilhersteller die Einführung von Brennstoffzellen bereits in wenigen Jahren angekündigt, so daß der Wettbewerb für verschiedene Treibstoffsysteme in Gang komme. Shell scheine hier z.B. sehr aktiv mitzuwirken, während BP abwarte und dann in einigen Jahren möglicherweise auf eine andere, heute noch gar nicht diskutierte Technologie setzen müsse. Insgesamt zeichneten sich hier enorme Wandlungsprozesse ab, und der erste kleine Schritt zu einer ÖSR in Deutschland müsse nur kontinuierlich weiter verfolgt werden, dann werde auch diese ÖSR zu einem beschleunigten Wandlungsprozeß in Richtung verbesserter Arbeits- und Umweltbedingungen beitragen. Für die europäische Ebene mahnt der Vertreter von Novo Nordisk abschließend die dringende Notwendigkeit einer Harmonisierung an, ohne die fairer Wettbewerb auf Dauer unmöglich sei.

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3.2.2 Swedish Forest Industries Association

Umweltorientierte Steuern sind nach Aussagen des Vizepräsidenten der "Swedish Forest Industries Association" seit über einem Jahrzehnt in Schweden üblich. Ursprünglich zielten sie lediglich auf die Besteuerung von Energie und Transport, im Laufe der Jahre kamen aber einige weitere Anwendungen hinzu, u.a. Steuern bzw. Abgaben auf Altautos, Düngemittel, Pestizide, Batterien, Sand und Kies, Getränkeverpackungen, Reifen. Derzeit ist zudem davon auszugehen, daß zum 1. Januar 2000 eine Deponieabgabe erhoben wird, die seit über 10 Jahren in Schweden diskutiert wurde.

Kurzdarstellung

Am 1. Juli 1999, nur wenige Tage nach der Fachtagung der F.E.S., ging die Swedish Forest Industries Association gemeinsam mit der Employers' Federation of Swedish Forest Industries im neugegründeten Verband "Swedish Forest Industries Federation" auf. Ziel der Vereinigung beider Verbände ist nach eigener Aussage, der Stimme der Forst- und Papierindustrien in Schweden und Europa besser Gehör zu verschaffen. Der neue Verband umfaßt 80 Unternehmen der Zellstoff- und Papierindustrie (pulp and paper) und ca. 260 Sägemühlen.

Die schwedische Forstindustrie ist eine der größten ihrer Art weltweit. 1998 erzielte sie einen Jahresumsatz von rd. 93 Mrd. SEK (umgerechnet ca. 10,6 Mrd. DM), 2% mehr als im Vorjahr). In schwedischen Sägemühlen wurden 1998 rund 15 Mio. m3 Holz verarbeitet (überwiegend Nadelholz), von denen rund 11 Mio. m3 exportiert wurden. In Verbindung mit anderen Rohstoffen wurden 1998 rund 10 Mio. Tonnen Papier (plus 1,3% gegenüber Vorjahr) erzeugt; der schwedische Papierexport stieg um 2%.

Der Vertreter der schwedischen Forst- und Papierindustrie bewertet es grundsätzlich positiv, daß zumindest einige der ökologisch orientierten Steuern und Abgaben eine positive Lenkungswirkung in Richtung auf eine Verminderung der Umweltbelastungen gezeigt hätten. Für die Industrie sei es allerdings unerläßlich, daß eine unterschiedliche ökologische Besteuerung zwischen verschiedenen Ländern harmonisiert werde, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Auf Nachfrage präzisiert er, daß insbesondere die Unternehmen, die er vertrete, auf einem Markt agierten, der zu 80% exportorientiert sei. Solange dort die Besteuerung nicht harmonisiert sei, werde man sich weiter beklagen müssen. Vor allem könne die schwedische Zellstoff- und Papierindustrie Steuern mit der Zielsetzung einer weiteren Reduzierung von produktionsbezogenen Schadstoff-Emissionen nicht akzeptieren, da diese kontinuierlich seit 1969 in Übereinstimmung mit den geltenden Umweltgesetzen reguliert worden seien.

[Seite der Druckausgabe: 48]

Mit der Überarbeitung und Zusammenfassung der Umweltgesetzgebung, die zum 1. Januar 1999 in Schweden in Kraft getreten sei, habe man nun ein sehr effizientes Werkzeug, das nach wie vor auf der gleichrangigen Berücksichtigung der drei Säulen "Beste verfügbare Technik (Best Available Technology - BAT), Ökologie und Ökonomie" beruhe. Vor allem im vergangenen Jahrzehnt sei eine Tendenz zu beobachten gewesen, sich mehr an der besten verfügbaren Technik als an ökologischen Mindesterfordernissen zu orientieren. Von daher habe man in den meisten Fällen alles technisch Machbare unternommen, um Emissionen so weit irgend möglich zu reduzieren.

Im Rahmen dieser Maßnahmen seien natürlich Erfahrungen gesammelt und bewertet worden, wie die Möglichkeiten und Grenzen der betroffenen Unternehmen in Hinsicht auf das Tragen der Kosten für BAT aussähen. Ökologisch ausgerichtete Steuern stellten ein anderes System dar, um industrielle Aktivitäten in Richtung auf eine höhere Umweltverträglichkeit zu steuern. Beide Systeme - BAT und Ökosteuern - seien nicht ohne weiteres miteinander vereinbar. Wenn die Gesetzgebung weiterhin das derzeitige BAT-System mit Lizenzvergaben bevorzuge, um Emissionen zu reduzieren, bleibe wenig Raum, um solche Reduktionen durch Steuern bzw. Abgaben zu stimulieren. Ökologisch ausgerichtete Steuern tendierten daher in Schweden dazu, rein fiskalischen Zwecken zu dienen.

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3.3 Umweltinitiativen der Wirtschaft

3.3.1 Bundesdeutscher Arbeitskreis Umweltbewußtes Management - B.A.U.M. e.V.

Nach Einschätzung des Vertreters von B.A.U.M. steigt der gegenwärtige Ressourcenverbrauch global um über 5% jährlich und steht damit in eklatantem Gegensatz zu den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung, zu deren Umsetzung sich der überwiegende Teil der internationalen Staatengemeinschaft auf dem Erdgipfel in Rio 1992 verpflichtet hat. [Fn.14: Zur deutschen Auslegung der Erfordernisse vergleiche z.B. die Berichte der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" aus der 12. und 13. Legislaturperiode.] Insbesondere die geringe Effizienz des Umweltverbrauchs der westlichen Industriegesellschaften werde zunehmend als Ursache für die ökologische Krise erkannt. Dennoch sei genau diese Wirtschaftsweise bis in Details nach wie vor Vorbild für einen Großteil der restlichen 80% der Weltbevölkerung.

[Seite der Druckausgabe: 49]

Kurzdarstellung

Der Bundesdeutsche Arbeitskreis Umweltbewußtes Management (B.A.U.M. e.V.) wurde 1984 gegründet und vertritt heute rund 450 Unternehmen, die sich dem Ziel verschrieben haben, "Umweltschutz praktisch und ökologisch wirksam als auch ökonomisch sinnvoll zu realisieren". Zu den Mitgliedern gehören zahlreiche Großunternehmen, aber auch mittelständische Öko-Pioniere. Die Initiative wurde national wie international durch verschiedene Anerkennungen ausgezeichnet, z.B. durch den Umweltpreis 1995 der Deutschen Bundesstiftung Umwelt oder durch die Aufnahme in die "Global 500 Roll of Honour" der Vereinten Nationen in Anerkennung herausragender praktischer Leistungen für den Schutz und die Entwicklung der Umwelt.

B.A.U.M. vertritt in der Diskussion um die ökologische Steuerreform nicht gemeinsame Interessen seiner Mitgliedsunternehmen, da die Interessenlage von einer grundsätzlichen Befürwortung bis zu erheblichen Vorbehalten bei einzelnen Mitgliedern reicht. Die im Rahmen der Tagung geäußerten Positionen entsprechen dem Verständnis von Geschäftsführung und Management des gemeinnützigen Vereins, die der Öko-Steuer als marktwirtschaftlichem Instrument für den Schutz der Umwelt grundsätzlich positiv gegenüber stehen.

Als "Kernschere" bezeichnet der Vertreter von B.A.U.M. die Tatsache, daß sich in den westlichen Industrienationen einschließlich Deutschland die Arbeitsproduktivität seit den sechziger Jahren mehr als verdoppelt habe, die Energieproduktivität aber beispielsweise im gleichen Zeitraum nur um rund ein Drittel gestiegen sei. [Fn.15: Bezugsgröße: wirtschaftliche Leistung (BIP) pro Faktoreinsatz 1960 - 1995, nach Angaben des Stat. Bundesamtes 1998.] Damit einher gehe ein massiver Abbau des Erwerbsvolumens, das sich allein seit 1966 um über 20% verringert habe - bei gleichzeitigem wirtschaftlichem Wachstum von real rund 50%. Eine Fortschreibung dieses Trends würde nicht nur eine weitere Verschärfung der ökologischen Belastung mit sich bringen, sondern könne bis 2010 das Wegfallen von weiteren 4 Mio. Arbeitsplätzen bedeuten. Mit Blick auf den staatlichen Lösungsbeitrag erweise sich eine ÖSR als zentrales Element. Als Eckpunkte für eine derartige Reform gelten aus Sicht des B.A.U.M.-Managements folgende Ansätze:

  • Die Beseitigung ökologisch kontraproduktiver Subventionen und Ausnahmeregelungen im Steuerrecht;

  • der Ausbau der am 1. April 1999 eingeführten Energiebesteuerung mit maßvollen, aber über längere Zeit stetigen Steuersatzerhöhungen um real ca. 5% pro Jahr;

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  • eine weiterhin aufkommensneutrale oder sogar netto entlastende Gestaltung der Reform, d.h. keine Erhöhung der Abgabenquote.

  • die vorrangige Verwendung des Energiesteueraufkommens zur Entlastung des Faktors Arbeit, insbesondere durch Senkung der Lohnnebenkosten, aber auch anderer standortbelastender Steuern;

  • die Wahrung der internationalen Wettbewerbsneutralität durch differenzierte Steuerbelastungen und Ausnahmeregelungen für Herstellungsprozesse im internationalen Wettbewerb.

Die jetzt vorgenommenen ersten Reformschritte der Bundesregierung werden als "Durchbruch mit Schönheitsfehlern" charakterisiert. Als Durchbruch deshalb, weil erstmals in der deutschen Geschichte die Lenkungskraft des Abgabensystems durch eine gezielte Senkung der Lohnnebenkosten systematisch in den Dienst beschäftigungs- wie umweltpolitischer Verbesserungen gestellt werde. Der internationalen Wettbewerbsfähigkeit werde dabei durch ermäßigte Steuersätze und Rückerstattungsregelungen für das produzierende Gewerbe Rechnung getragen. Als Schönheitsfehler kritisiert der Vertreter von B.A.U.M. u.a. die mangelnde Vorhersehbarkeit bei der Anhebung der Steuersätze sowie die unterschiedliche Belastung einzelner Energieträger. Es fehle vor allem ein für Unternehmen und Haushalte planbarer Zeithorizont. Desweiteren erachtet er ein internationales Benchmarking-System für sinnvoll, denn ohne einen globalen Vergleich der Erfolge bzw. Mißerfolge einzelner Maßnahmen im Rahmen einer ÖSR sei es schwer, zu harmonisieren und Erfahrungen zu kommunizieren. Die Möglichkeiten, verschiedene ÖSR-Strategien und Maßnahmen zu vergleichen, seien bislang unzureichend.

3.3.2 E5 - European Business Council for a Sustainable Energy Future

Nach Ansicht des Vertreters von E5 besitzen die Effizienzerhöhung und eine Umstellung auf regenerative Energieträger zentrale Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Energienutzung in Europa und weltweit. Nur auf diese Weise könne es geschafft werden, im Bereich der ökologischen Tragfähigkeit des Systems Erde zu bleiben. Als weitere Vorteile hält der Vertreter von E5 bis zu zwei Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze in Europa für möglich und betont, daß die Verwendung regenerativer Energieträger und die Erhöhung der Energieeffizienz eine geringere Abhängigkeit von weltwirtschaftlichen Risiken für die Staaten bedeute, die sich aktiv an einem solchen Programm beteiligten.

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Kurzdarstellung

Der "European Business Council for a Sustainable Energy Future", kurz E5 genannt (von Environment, Energy, Economy, Employment, Efficiency), wurde 1996 in Brüssel gegründet. Er versteht sich als Netzwerk zur Verbesserung des Dialoges über Themen wie erneuerbare Energien und effiziente Energienutzung. Er repräsentiert etwa 100 Mitglieder, darunter viele Verbände, Konzerne und Nichtregierungsorganisationen, so daß insgesamt einige tausend Unternehmen und Gruppen dem Netzwerk angeschlossen sind. E5 engagiert sich in der politischen Meinungsfindung für eine durchschnittliche Erhöhung der Energieeffizienz um das Vierfache mit marktwirtschaftlichen Mitteln.

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen hielten derartige Entwicklungen für möglich. So gehe das Szenario des Wuppertal Instituts davon aus, daß sich bis zum Jahr 2050 der Anteil an regenerativen Energieträgern erheblich steigern lasse, und das der Gesamtenergiebedarf zu diesem Zeitpunkt in den Industrieländern deutlich geringer als der heutige Energiebedarf sei. Shell habe ein vergleichbares Szenario entwickelt, allerdings dauere es dort noch 50 Jahre länger, bis entsprechende Änderungen erreicht würden. Greenpeace hingegen halte eine positive Entwicklung wie in der Shell-Studie beschrieben bis 2030 für möglich. Um solche Entwicklungen breite Realität werden zu lassen, sei es von besonderer Bedeutung, einen marktbezogenen Ansatz anzustreben. Auf der Basis von Wettbewerb und Nachfrageorientierung solle ein solcher Ansatz nachhaltige Energienutzung u.a. durch den Handel mit Emissionszertifikaten, hohe Energiestandards für Gebäude, Fahrzeuge und Haushaltsgeräte sowie die ökologische Reform von Steuern und Subventionen fördern. Allerdings könne man nicht alles einfach dem freien Markt überlassen, denn es seien bei weitem nicht alle guten Lösungen angemessen auf dem Markt vertreten. Deshalb seien marktverbessernde Instrumente vonnöten, zu denen u.a. auch wahre Preise gehören. CO2-Emissionen müßten also beispielsweise etwas kosten. Solarenergie müsse anfangs gefördert werden, ebenso z.B. ein nachhaltiger Bodenverbrauch. Flächennutzung könne in diesem Zusammenhang verstärkt unter ökologischen Gesichtspunkten besteuert werden.

Das deutsche Modell beurteilt der Vertreter von E5 als nicht wirklich ökologisch, solange es sich wie in der derzeitigen 1. Stufe nicht um eine echte CO2-Steuer handele. Zudem vermisse er eine deutlichere Innovationsförderung. Auch dem vielfach geforderten Handel mit Emissionsquoten bzw. -zertifikaten stehe man bei E5 kritisch gegenüber. Er sei mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet, ein Beispiel dafür sei das US-amerikanische sog. "grandfathering sy

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stem". Hier sehe es so aus, das diejenigen, die heute die höchsten Emissionen hätten, zukünftig die meisten Rechte bzw. Anteile besäßen. Wichtig sei es vielmehr, positive Entwicklungen zu belohnen und vor allem auch die Verpflichtungen in den Entwicklungsländern zu erfüllen. Dabei dürften nicht nur Steuern, sondern es müßten auch Subventionen und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Sonst könne es beispielsweise passieren, daß diejenigen, die keine Einkünfte hätten, trotz positiven Engagements nichts von den Ermäßigungen spürten. Verschiedene Modelle würden diesen Aspekten Rechnung tragen. Eines davon sei die Möglichkeit, einen sog. Ökobonus pro Kopf zu verteilen. Auf diese Weise könne jeder Weltbürger eine Art Entwicklungsscheck erhalten - nach Einschätzung des Vertreters von E5 eine interessante Variante, die aber sicherlich noch Zukunftsmusik sei. Insgesamt überwiegen die Vorteile einer umfassenden ÖSR deren Nachteile nach Ansicht von E5 bei weitem. Im wesentlichen ließen sich nicht nur zwei, sondern sogar fünf zentrale "Dividenden" für die Zukunft unterscheiden:

  1. Bislang seien die Preise für Umweltgüter in den meisten Fällen vernachlässigbar gering. Wenn Umwelt aber spürbar etwas koste, bewirke dies zwangsläufig einen geringeren Umweltverbrauch.

  2. Durch Aufkommensneutralität ergäben sich geringere Lohnkosten. Damit seien positive Beschäftigungswirkungen wahrscheinlich.

  3. Neben diesen beiden bekannten Effekten sei zu berücksichtigen, daß gute ÖSR-Modelle, wie sie z.B. von Binswanger an der Hochschule St. Gallen und von v. Weizsäcker am Wuppertal Institut entwickelt worden seien, über 20 oder 30 Jahre fortgesetzt werde und sich hieraus weitere, sehr dynamische Effekte ergäben. Einer davon sei eine billige und effiziente Administration, denn die beiden erstgenannten Vorteile ließen sich nur mit effizienten Strukturen erreichen. Regierungsarbeit sei zwangsläufig weniger der Versuch, alles zu kontrollieren, als vielmehr zu moderieren und geeignete Rahmenvorgaben zu schaffen. Damit werde regieren auch billiger.

  4. Durch ein höheres Aufkommen können sogar soziale Strukturen grundlegend renoviert werden. So sei beispielsweise ein persönlicher Ökobonus pro Kopf von 630 DM oder auch 800 DM denkbar, der weitgehend die Sozialhilfe ersetzen könne.

  5. Ein derartiges System könnten Entwicklungsländer, die z.Zt. noch kein oder ein sich erst entwickelndes Steuersystem hätten, von Anfang an einsetzen. So könnten Fehler vermieden werden, wie sie in den Industrieländern gemacht worden seien.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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