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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 26 / Fortsetzung]


2. Die Ökologische Besteuerung aus politischer Sicht

2.1 Erfahrungen in Dänemark

Nachdem bereits 1992 eine geringfügige CO2-Steuer für private Haushalte und 1993 auch für die Industrie eingeführt worden war, wurde diese CO2-Steuer mit Beginn des Jahres 1994 in eine breiter angelegte ÖSR eingebettet. Diese wiederum wurde 1996 modifiziert und war vorerst bis zum Jahr 2000 angelegt, ist aber kürzlich mindestens bis zum Jahr 2002 verlängert worden. Eine Evaluierung hatte bestätigt, daß das System grundsätzlich funktioniert und im wesentlichen die gewünschten Resultate erbracht hat. Lediglich der mit Energie-Audits verbundene administrative Aufwand soll nach den derzeitigen Empfehlungen verringert werden. Der Vertreter des dänischen Finanzministeriums weist darauf hin, daß über diese großen, im wesentlichen aufkommensneutralen Rahmenvorhaben hinaus weitere Steuern bzw. Abgaben mit dem vorrangigen Ziel einer ökologischen Lenkungswirkung in Dänemark existieren und weitere kontinuierlich eingeführt werden. Dazu gehören beispielsweise Steuern bzw. Abgaben auf

  • Nickel/Cadmium-haltige Batterien;

  • chlorierte Lösemittel (1996);

  • Pestizide (erstmals 1996, Verdopplung der Steuer 1998);

  • private Pkw;

  • Benzin, mit dem Ziel einer Bevorzugung sauberer Kraftstoffe bzw. emissionsärmerer Betankung durch ermäßigte Steuersätze

  • Diesel, mit dem Ziel a) einer Verringerung der bisherigen Bevorzugung gegenüber Benzin, b) einer Bevorzugung schwefelarmer Dieseltreibstoffe und c) einer Verringerung des Partikelausstosses bei Dieselkraftstoffen durch jeweils ermäßigte Steuersätze.

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  • synthetische Stickstoffdünger für den privaten Gebrauch (für den landwirtschaftlichen Gebrauch existieren Quoten)

  • mehr Abfallarten als bisher;

  • Verpackungen (gewichtsbasierte Steuern, z.B. auf Flaschen, seit 1998).

Für das Jahr 2000 sind darüber hinaus eine neue Steuer auf PVC und Weichmacher (Phthalate), eine neue Steuer auf Massendrucksachen zu Werbezwecken und eine Überarbeitung der Regeln für Kraft-Wärme-Kopplung geplant. Im Jahr 1999 wurde zudem ein Gesetz zur Liberalisierung des Strommarktes verabschiedet, in dem über einen freien Markzugang hinaus folgende ökologische Elemente verankert wurden:

  • Sinkende Elektrizitätspreise werden durch höhere Steuern (0,01 Euro/ KWh) neutralisiert;

  • Marktregulierende Maßnahmen für Strom aus Windenergie. Zielsetzung ist eine jährliche Steigerung des Anteils an regenerativer Energie um 1%. Um dies zu erreichen, werden die Stromkäufer verpflichtet, eine bestimmte Menge ihres Verbrauchs aus regenerativen Energiequellen abzudecken. Das Verfahren wird über handelbare Zertifikate abgewickelt; das Aufkommen kommt den Produzenten von regenerativer Energie zugute.

  • CO2-Quoten für konventionelle Energieerzeuger. Sofern die Emissionen über den Quoten liegen, wird eine zusätzliche Steuer in Höhe von 0,005 Euro/KWh erhoben. Ungenutzte Quoten können verkauft oder für das kommende Jahr angespart werden.

Die Erfahrungen mit den bisher eingeführten ökologischen Steuern seien überwiegend positiv. Insbesondere die "kleineren" Steuern hätten sich als sehr effizient in der Lösung oder Reduzierung von Umweltproblemen erwiesen. Der Vertreter des dänischen Finanzministeriums führt dazu folgende Belege an:

  • Mit Hilfe der Schwefelsteuer sei der Schwefelgehalt in Treibstoffen zwischen 33% und 75% reduziert worden;

  • Eine Differenzierung in der Dieselsteuer habe zu einer Reduzierung der Partikelemissionen um 13% beigetragen;

  • Durch eine entsprechende Differenzierung bei den Benzinsteuern sei der Benzolgehalt um zwei Drittel gesunken;

  • Bleihaltiges Benzin sei de facto vom Markt verschwunden;

  • Der Pestizidverbrauch habe sich in kurzer Zeit um 10 bis 20% verringert;

  • Es gebe ca. 5% mehr Fahrzeuge mit deutlich geringerem Treibstoffverbrauch nach einem Jahr.

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Die "kleinen" Steuern wirken nach Ansicht der dänischen Seite vor allem deshalb effizient, weil sie die Potentiale zur Substitution problematischer Techniken verbessern, ohne daß negative Konsequenzen auf die Beschäftigung feststellbar gewesen wären. Ohne Steuern auf die vorhandenen Techniken würden die Substitutionskosten oft als zu hoch angesehen.

Entscheidend für die Effektivität sei dabei vor allem eine angemessene Höhe der jeweiligen Steuern. Wirke die Steuer aufgrund ihrer Höhe hundertprozentig, sei sie einem (versteckten) Verbot vergleichbar (hidden ban). Bei den real meist erreichten Wirkungen unter 100% sei jedoch der wirtschaftliche Vorteil gegenüber ordnungsrechtlichen Regulierungen erheblich.

Die ökologische Lenkungswirkung der umfassenderen Energiesteuern (auf CO2, Treibstoffe etc.) wird als bislang gering eingeschätzt. Sicher hätten die Steuern dazu beigetragen, Schadstoff-Emissionen zu verringern oder in Einzelfällen sogar den Verbrauch zu reduzieren. Um den Zielsetzungen einer nachhaltig umweltverträglichen Entwicklung, z.B. einer Verringerung des CO2-Ausstosses um 20%, gerecht zu werden, seien jedoch höhere Steuersätze erforderlich. Um zudem weiterhin eine Senkung der Einkommenssteuern wie im bisherigen Maß aufrechtzuerhalten, müßten die Raten nach Einschätzung des dänischen Finanzministeriums der jährlichen Steigerung des BIP plus n% angepaßt werden.

Die Lenkungswirkung werde aber weiterhin vor allem den genannten "kleinen" Steuern vorbehalten bleiben. Es sei bekannt, daß in dem Maße, wie ein Lenkungsziel, z.B. Schadstoffverringerung, erreicht werde, zwangsläufig das Steueraufkommen abnehme. Desweiteren müßten Inflation, Wirtschaftswachstum u.a.m. berücksichtigt werden. Damit stehe der Anspruch der Lenkungswirkung im Konflikt mit der erwünschten umfangreichen und dauerhaften Reduzierung von Lohnnebenkosten.

Zusammenfassend könne aber gesagt werden, daß das dänische Ökosteuersystem in seiner Gesamtheit sowohl Umweltprobleme reduziert als auch dazu beigetragen habe, die Arbeitslosigkeit in Dänemark zu verringern. Das dänische Wirtschaftswachstum sei im Zuge der Ökosteuerreformen besser als in vielen anderen Industrieländern gewesen, und es sei nicht länger auf Kosten der Umwelt gegangen. Man habe zwar die von einigen Befürwortern einer ÖSR in Aussicht gestellte "doppelte Dividende" nicht erreicht, aber doch immerhin eine "eins-plus-n-Dividende". Eine negative Auswirkung in diesem Zusammenhang könne darin bestehen, daß die Steuern zumindest teilweise auf die Verbraucher umgelegt werde und damit deren Kaufkraft mindere.

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Alles in allem müsse aber die ÖSR für Dänemark als Erfolg bezeichnet werden, so daß die Politik in diesem Sinne fortgesetzt werde. Da zudem immer mehr Nachbarländer selbst entsprechende Maßnahmen verabschiedeten und damit der internationale Wettbewerbsdruck harmonisiert werde, sei sogar die Möglichkeit gegeben, die Raten stärker als bisher anzuheben.

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2.2 Erfahrungen in den Niederlanden

Die Niederlande verfolgen nach Einschätzung des Vertreters des Finanzministeriums in Den Haag einen vorsichtigen, aber stetigen Kurs im Umgang mit der Einführung ökologischer Elemente in das niederländische Steuersystem. Man sei sich einer gewissen Vorreiterrolle wohl bewußt und schaue natürlich darauf, was in den Nachbarländern geschehe. Steige auch dort die Bereitschaft zur Einführung von Ökosteuern weiterhin, könne man in größeren Schritten vorangehen. Man schätze ein pragmatisches Vorgehen, die strategische Zielsetzung sei dementsprechend primär fiskalischer Natur. Hinzu träten aber der Wille zu positiven Veränderungen von Umweltbelastungen und zu einem insgesamt positiven Beitrag zur Beschäftigungssituation.

Die sog. grünen Steuern in den Niederlanden beliefen sich auf rund 1% des BIP. Vor allem die Energiesteuern, deren geschätztes Aufkommen von 1999 bis 2001 umgerechnet rund 3 Mrd. DM betragen soll, werden als besonders gute, aus Sicht des Finanzministeriums nahezu ideale Steuern betrachtet. Als besondere Vorteile gelten: Sie lassen sich effizient eintreiben, das Betrugspotential ist gering, sie sind einfach zu berechnen und garantieren ein vergleichsweise stetiges Aufkommen. Im Gegensatz zu Einkommensteuern oder Körperschaftssteuern fluktuieren Energiesteuern nach den bisherigen Erfahrungen kaum.

Wichtig für eine hohe Steuereffizienz sei eine möglichst einfache, praktische Organisation des Steuersystems. Um das zu erreichen, differenziere man in den Niederlanden weniger als in anderen Ländern. Der Steuersatz sei für alle gleich, es werde lediglich nach der verbrauchten Menge differenziert. So seien z.B. bei Erdgas die ersten 800 m3 aus sozialen Erwägungen frei, der darüber hinausgehende Jahresverbrauch bis 5000 m3 werde hoch besteuert, die folgenden Mengen bis 1 Mio. m3 würden wiederum geringer besteuert. Über einem Jahresverbrauch von 1 Mio. m3 würde nicht mehr besteuert. Auf diese Weise würden Großverbraucher in der notwendigen Weise entlastet und die internationale Wettbewerbsfähigkeit werde gewahrt.

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Im Gegensatz etwa zum dänischen System lege man also besonderen Wert auf die Einfachheit der Steuererhebung und habe gute Erfahrungen damit gemacht. Der Vertreter des niederländischen Finanzministeriums äußert in diesem Zusammenhang auch Zweifel daran, inwieweit das deutsche System mit seiner Vielzahl von Ausnahmeregelungen und verschiedenen Tarifen für unterschiedliche Wirtschaftszweige (produzierende Industrie, Dienstleister etc.) bzw. Privatverbraucher es angesichts des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes schaffen werde, sich effektiv zu organisieren.

Die Frage nach der ökologischen Lenkungswirkung sei aus Sicht des niederländischen Finanzministeriums nur schwer zu beantworten. Immerhin müsse festgestellt werden, daß der Energieverbrauch in wohl allen Industrieländern einschließlich der Niederlande weiter steige [Fn.8: An dieser Stelle wendet der Vertreter des dänischen Finanzministeriums zu Recht ein, daß dies in Däne mark nicht der Fall sei - im Gegenteil sinke dort die absolute Menge der jährlich benötigten Energie.] , vor allem im Bereich der privaten Haushalte, aber auch absolut. Als Wirtschaftswissenschaftler sei er allerdings fest davon überzeugt, daß eine Verteuerung von Produkten z.B. durch Energiesteuern beim Vorhandensein von Alternativen zwangsläufig dazu führen müsse, daß preiswerte Alternativen bevorzugt würden. Allerdings werde durch den vergleichsweise großen Reichtum in Europa manches kompensiert.

Es gebe aber durchaus Möglichkeiten, auch in dieser Situation Anreize zu setzen. So würden etwa 15% des Energiesteueraufkommens für Anreize zur Verringerung von CO2-Emissionen benutzt. Auf diese Weise werde es z.B. ermöglicht, daß Unternehmen 40% der Investitionen für Energiesparmaßnahmen steuerlich geltend machen könnten. Private Verbraucher erhielten bei der Anschaffung besonders energiesparender Geräte Gutscheine, die sie zur Rückerstattung einreichen können.

Abschließend äußert sich der Vertreter des niederländischen Finanzministeriums zu den Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation. Konkrete Grössenordnungen seien schwer abzuschätzen, sicher seien aber positive Einflüsse durch die Entlastung der Lohnnebenkosten vorhanden. Aus diesem Grund bemühe er sich auch immer wieder klarzumachen, daß zwischen der Energiesteuer und den Entlastungen im Einkommensbereich ein enger Zusammenhang bestehe. Akzeptanz bei allen Beteiligten sei besonders wichtig, und in den Niederlanden habe man es erreicht, daß sowohl Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften den Energiesteuern grundsätzlich positiv gegenüberständen.

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Zwar sei man nicht in der Lage, konkret zu zeigen, wieviele Arbeitsplätze durch die Energiesteuern geschaffen würden, aber es bestehe eben weitgehender Konsens, daß durch die strukturellen Veränderungen hin zu innovativen Unternehmungen auch positive Beschäftigungseffekte erreicht würden.

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2.3 Ziele und Perspektiven in Deutschland

Der Vertreter des Bundesministerium für Finanzen (BMF) formuliert auf der Basis der ersten Erfahrungen in Deutschland und der Konsultationen mit den europäischen Nachbarn folgende Thesen als Rahmenvorgabe für die weitere Entwicklung einer verstärkt an ökologischen Kriterien orientierten Besteuerung in Deutschland:

  1. Die ökologische Besteuerung als Verstärkung der Besteuerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen sei notwendig und gerechtfertigt. Diesem Gedanken schlössen sich in der EU immer mehr Staaten an.

  2. Nationalen Alleingängen seien aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit Grenzen gesetzt. Anzustreben seien mindestens verbindliche europäische, später am besten weltweit gültige Rahmenregelungen, in die dann die nationale Besteuerung eingebettet werden könne.

  3. Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Energiebesteuerung verfolge in erster Linie binnenmarktpolitische Ziele. Er bezwecke die Herstellung verbesserter Wettbewerbsbedingungen durch Harmonisierung im Bereich der Energiebesteuerung. Umweltpolitische, verkehrspolitische und arbeitsmarktpolitische Ziele träten demgegenüber in den Hintergrund.

  4. Zur politischen Durchsetzbarkeit bedürften Ökosteuern der Akzeptanz in Wirtschaft und Bevölkerung. Hierzu gehörten die Berechenbarkeit auf längere Sicht (Planungssicherheit), ein überzeugendes System für Steuerermäßigungen und -befreiungen sowie glaubwürdige Anreizwirkungen zur Verminderung des natürlichen Ressourcenverbrauchs. Ein sanfter und stetiger Anstieg der Steuersätze stoße auf bessere Akzeptanz als abrupte Veränderungen.

  5. Bei grundlegenden Systemveränderungen (z.B. Ausstieg aus der Kernkraft, Einführung einer Kohlebesteuerung) sei zunächst ein politischer Grundkonsens für die Veränderungen zu suchen, bevor man zur Lenkungswirkung durch Steuern, hier Ökosteuern, greife.

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  1. Die erste Stufe der deutschen ÖSR habe große Rücksicht auf die Interessen der deutschen Wirtschaft genommen und sie im Endergebnis nicht belastet, sondern netto entlastet. Für die Zukunft müsse ein System gefunden werden, das auch in allen anderen EU-Ländern auf Akzeptanz stoßen könne. Hierbei sollten insbesondere die Möglichkeiten der Einführung eines Energie-Audits mit positiven steuerlichen Effekten, wie z.B. in Dänemark, in Betracht gezogen werden.

  2. Das Beihilferecht der EU und die Bemühungen zur Einführung einer EU-weit harmonisierten Energiebesteuerung (mit den damit zwangsläufig verbundenen Ausnahmen zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft) müßten besser aufeinander abgestimmt werden. Nationale Gesetzgeber, aber auch die Wirtschaft bräuchten mehr Vorhersehbarkeit und Planungssicherheit dahingehend, wie die Kommission Ausnahmetatbestände von einer ökologischen Besteuerung zugunsten bestimmter Wirtschaftszweige bewerte. Ideal wäre es, wenn das Ausfüllen des für die ÖSR vorgegebenen Rahmens dann von der EU auch wettbewerbsrechtlich akzeptiert würde.

  3. Das Aufkommen aus der ÖSR dürfe nicht zum Stopfen von Steuerschlupflöchern verwendet werden, sondern müsse haushaltsneutral eingesetzt werden, z.B. zur Senkung der Lohnnebenkosten und zur Förderung der Entwicklung regenerativer Energien.

  4. Es müsse im Auge behalten werden, daß sich Steuereinnahmen bei Wirksamwerden des ökologischen Lenkungsziels rückläufig entwickeln könnten und damit keine solide Basis für die Finanzierung von Daueraufgaben darstellten.

  5. Die Sozialversicherungssysteme müßten so stabilisiert werden, daß sie unabhängig von ökologischen Steuern in ihrer Struktur wirtschaftlich gesund seien. Im übrigen sei das Aufkommen aus neuen Ökosteuern im Verhältnis zum Finanzbedarf großer Sozialversicherungssysteme auf absehbare Zeit relativ gering und wäre damit ohnehin in seiner Sanierungskapazität begrenzt.

Aussagen zur ökologischen Lenkungswirkung der ÖSR in Deutschland können nach Ansicht des Vertreters des BMF zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden. Dies – so betont es auch der Bundestagsabgeordnete Christoph Matschie am Ende seiner Moderation nochmals ausdrücklich - sei aber weniger entscheidend als Klarheit über den langfristigen Charakter und die Verstetigung der jetzt begonnenen Entwicklung. Die Bundesregierung werde zukünftig verstärkt klarmachen, daß der einmal eingeschlagene Weg konsequent weiter verfolgt werde und rechtzeitig über die kommenden Schritte informieren.

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Im übrigen gibt der Vertreter des BMF zu bedenken, daß der Hauptenergie-verbraucher in Deutschland die Wirtschaft sei und man von daher mit einer Besteuerung allein nur begrenzte Erfolge erzielen könne. Die ÖSR könne jedoch fördern, daß die Wirtschaft die aus Kostengründen ohnehin begonnenen Schritte zu Energieeinsparungen weiter vorantreibe. Insbesondere die im Bereich der meisten Energierohstoffe ständig sinkenden Preise der letzten Jahre hätten die jetzigen Steuererhöhungen auch für die Verbraucher relativ einfach verkraftbar gemacht, so daß man alles in allem die fiskalische Basis als stabil erachte. Im Umkehrschluß könne man aber vorläufig nicht von einer klaren Lenkungswirkung hin zu einer Reduzierung des Verbrauchs (und damit auch des Steueraufkommens) ausgehen.

Auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation schätzt der Vertreter des BMF die Lage so ein, daß viele andere Faktoren entscheidenderen Einfluß besitzen als die ÖSR. Dies impliziere aber immerhin, daß negative Effekte, wie sie von manchen Gegnern unterstellt würden, ebensowenig wie in den Nachbarländern zu erwarten seien.

Grundsätzlich schätzen sowohl der Vertreter des BMF als auch des BMU den ersten Schritt der ÖSR als prinzipiell funktionierend ein und stehen einer Weiterentwicklung positiv gegenüber. Übereinstimmend halten sie die Einführung eines Bonussystems bei erfolgreicher Teilnahme an Energie-Audits nach dänischem Vorbild für eine vielversprechende Variante. Der Vertreter des BMU präzisiert diese Aussage dahingehend, daß er diesbezüglich eine Teilnahme am Environmental Management and Audit Scheme gemäß EU-Richtlinie (EMAS) für nicht ausreichend halte, da die Richtlinien hier sehr freiwillig und allgemein gehalten seien. Es brauche aber klare Vorgaben, um eine Steuerreduktion zu rechtfertigen.

Noch weitergehend hält der BMU-Vertreter die gesamte dänische Konzeption einer Energiebesteuerung für eine insgesamt positive, auch für wirtschaftliche Belange maßgeschneiderte Variante, weil die Wettbewerbsfähigkeit durch das Abstellen auf die Prozeßebene möglichst zielgenau berücksichtigt werde. Kritisch lasse sich allenfalls anmerken, daß eine Indexierung der Steuersätze, z.B. an der Inflationsrate orientiert, nicht vorgenommen worden sei. Somit unterlägen die Steuersätze weitgehend ungeschützt dem Verfall durch Geldentwertung. Insgesamt seien aber Struktur und Herangehensweise weitgehend auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar und kämen von daher grundsätzlich auch für die weitere Ausgestaltung der ÖSR in Deutschland in Betracht.

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Auf die Frage, wie man denn weiter mit der offensichtlich komplizierten Abgrenzung von Dienstleistern und produzierendem Gewerbe verfahren wolle, antworten die Vertreter von BMF und BMU, daß ein so neuer und weitgehender Schritt auch innerhalb der Bundesregierung noch kontrovers diskutiert werde. Die Haltungen reichten von "abwarten und Erfahrungen sammeln" bis "pragmatisch vorangehen und weitere Signale setzen". Elemente wie eine verstärkte Energieauditierung und eine Umorientierung auf Prozeßenergie bei der Steuererhebung könnten u.U. mittelfristig zu Änderungen führen. Grundsätzlich habe sich aber gezeigt, daß auch Detailprobleme, die etwa in Dänemark 1996 zu einer vergleichsweise tiefen Umstrukturierung geführt hätten, zu bewältigen seien. Deshalb sei man zuversichtlich, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben und auch in Deutschland weiter voranzukommen.

Eine wirklich aufkommensneutrale ÖSR müsse inflationsbereinigt sein, gibt ein Zuhörer zu bedenken. Das Maß weise aber per se einen positiven Inflationseffekt auf, der bei einer Verstärkung indirekter Steuern wie der jetzt angestrebten ÖSR quasi unvermeidlich sei. Ein Paradebeispiel für den Umgang mit diesem Problem sei die Steuerreform der Regierung Thatcher, die ihre Umstrukturierung mit einer Modifizierung der Inflationsmessung verbunden habe. Es stelle sich daher die Frage, ob dies bei den jeweiligen Überlegungen zu einer ÖSR berücksichtigt worden sei. Beispielsweise habe man in Luxemburg im Konsens mit den Gewerkschaften bestimmte Preissteigerungseffekte aus der Inflationsmessung herausgenommen. Dies sei z.B. auch für Lohnverhandlungen ein entscheidender Effekt. Der Vertreter der dänischen Regierung antwortet, man glaube nach den bisherigen Erfahrungen nicht an eine dauerhafte Steigerung der Inflationsraten, da schließlich höhere Einnahmen, die in einigen Sektoren zu höheren Preisen führten, an anderer Stelle vollständig zurückgegeben würden. In der Tat sei es aber wichtig, daß die statistischen Büros verschiedene, auch für Energiepreise bereinigte Inflationszahlen berechneten und daß die Gewerkschaften diese bereinigten Inflationszahlen für ihre Lohnverhandlungen akzeptieren könnten. Er könne versichern, daß dies in Dänemark der Fall sei und daß die bereinigten Zahlen korrekt seien.

Auf die Frage, wie man bewerte, daß ähnlich wie in Dänemark aufgrund der neuen Situation rechtliche Umstrukturierungen in Unternehmen mit dem Ziel vorgenommen werden könnten, möglichst wenig Steuern zu zahlen (vgl. Kap. 1.2, S.11), bestätigt der Vertreter des BMF, daß diese Gefahr theoretisch auch in Deutschland bestehe. Um dem zu begegnen, habe der Gesetzgeber sicherheitshalber festgelegt, daß für die Berechnungen der Steuer die Verhältnisse des Jahres 1998 zugrundegelegt würden. Man halte diese Gefahr aber allein

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aufgrund des damit verbundenen Aufwands für theoretischer Natur. Im übrigen wären die Unternehmen schon deshalb schlecht beraten, Umstrukturierungen vorzunehmen, da der Gesetzgeber dann mit Sicherheit die Erstattungsgrundlagen ändern würde.

Als praktisches Problem wird benannt, daß die Erstattung erst zum Jahresende, die Steuererhebung aber monatlich bzw. vierteljährlich vorgenommen werde. Dies könne zu Liquiditätsnachteilen für die betroffenen Unternehmen führen. Auf die Frage, wie dieser Effekt beurteilt werde bzw. welche Überlegungen zu seiner Verringerung man angestellt habe, bestätigt der Vertreter des BMF, daß man sich des Problems bewußt sei. Derzeit werde ein Verfahren erarbeitet, um eine zeitnahe, ggf. monatliche Rückerstattung zu gewährleisten. Ein weiteres Detailproblem betrifft den Nachtstrom. Er werde über Nachtspeicherheizungen quasi subventioniert, da nicht nur der in die Heizungen fließende, sondern der generell nachts verbrauchte Strom als solcher gemessen werde, mutmaßt ein Zuhörer. Nach Auskunft des BMF-Vertreters wird man aber weiterhin wie bisher pragmatisch verfahren und die Unternehmen selbst schätzen lassen, welchen Anteil des Nachtstroms sie für Heizzwecke verwenden. Dies könne im Einzelfall von den Finanzbehörden geprüft werden.

Ein im Publikum anwesender Vertreter der BASF äußert die Einschätzung, die Harmonisierungsbemühungen auf EU-Ebene seien gerade unter der deutschen Präsidentschaft nicht vorangekommen, sondern erheblich zurückgefallen. Dem widersprechen die Vertreterin der EU-Kommission ebenso wie der Vertreter des BMF und betonen nochmals, die deutsche Präsidentschaft habe versucht, nach jahrelangem Streit über Detailfragen zuerst einmal einen Grundkonsens zu erreichen. Dabei habe man die Abwehrfront aus Spanien, Irland, Portugal und Griechenland immerhin halbieren können. Durch das grundsätzliche Erfordernis der Einstimmigkeit müsse man jedoch noch etwas länger warten. Die auch im Rahmen der Tagung dargestellten Entwicklungen in den meisten europäischen Ländern ließen aber einen Erfolg der weiteren Verhandlungen absehbar werden. Der Vertreter des BMU regt in diesem Zusammenhang an, die betroffene Industrie, vor allem die europa- und weltweit operierenden Konzerne sollten nicht nur Kritik an der Ökosteuer üben. Vielmehr wären sie angesichts von Energiesteuern in der Mehrheit der europäischen Industriestaaten gut beraten, ihren weltweiten Einfluß proaktiv einsetzen, um zu einer Einführung einer ÖSR auch in solchen Ländern beizutragen, die derartigen Konzepten bisher ablehnend bis neutral gegenüberständen. Auf diese Weise könnten vor allem auch die Konzerne selbst einen wichtigen Beitrag zur geforderten europäischen und internationalen Harmonisierung leisten.

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Auf die abschließende Frage, ob bzw. welche wissenschaftliche Begleituntersuchungen für die erste und die weiteren Stufen des ÖSR in Deutschland vorgesehen seien, antwortet der Vertreter des BMF, in seinem Hause seien derartige Untersuchungen nicht vorgesehen, denn man verfüge lediglich über ein sehr kleines Team zur Umsetzung der ÖSR. Wohl aber sei seitens des BMU und anderer Ressorts Begleitforschung vorgesehen bzw. bereits angelaufen. Man möge im Einzelfall bei den entsprechenden Ressorts nachfragen. Der Vertreter des BMU ergänzt, man habe sich z.B. durch das Umweltbundesamt bei der Ausgestaltung der ersten Stufe und möglicher Varianten für die zweite und dritte Stufe wissenschaftlich beraten lassen. Weiter hoffe man, gemeinsam auch zukünftig eine begleitende Forschung über real auftretende Hemmnisse und Chancen ermöglichen zu können, wie es ja auch von der OECD u.a. empfohlen werde.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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