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[Seite der Druckausgabe: 31 / Fortsetzung]


5. Existenzbedingungen für wohnungsnahe Betriebe und Dienstleistungen

Der Vertreter der Universität Hamburg-Harburg stellte am Beispiel von Hamburg-Eidelstedt exemplarisch vor, auf welche Weise stadtteilbasierte Gewerbe-, Dienstleistungs- und Einzelhandelszentren gegen die Konkurrenz an City- und „grüne-Wiese"-Standorten gestärkt werden können.

5.1 Strukturwandel im Einzelhandel

Aus Sicht des Referenten wird der Strukturwandel im Einzelhandel vorrangig von zwei Tendenzen geprägt:

  • zum einen findet eine tiefgreifende Industrialisierung der Distribution statt, die vom Einsatz neuer Technologien sowie neuer Organisations- und Logistikkonzepte gekennzeichnet ist,

  • zum anderen ist ein bisher nicht bekanntes Ausmaß der Beteiligung internationaler Kapitalgruppen im Bereich des Handels zu beobachten, die mit international orientierten Ansiedlungsstrategien und einer Internationalisierung des Immobilienmarktes einhergeht.

Beide Entwicklungen zusammen ermöglichen den Handelskonzernen die Umsetzung bereichsübergreifender Rationalisierungskonzepte zur kostenmäßigen Optimierung von Warentransport, Lagerhaltung oder Verkauf. Im Rahmen solcher Gesamtkostenabwägungen werden weniger rentable Kostenfaktoren durch kostengünstigere Strategien ersetzt:

  1. Die aus Sicht des Referenten wichtigste dieser Substitutionsstrategien lautet „Personal durch Verkaufsfläche". Dabei wird im Rahmen von Selbsbedienungskonzepten teures Personal durch vergleichsweise billige Verkaufsfläche ersetzt - ein Grund für den bereits angesprochenen, seit längerem anhaltenden Trend zu großen Vertriebsformen im Handel.

  2. Eine zweite Substitutionsstrategie betrifft den Warenbestand, der durch Warenbewegung ersetzt wird. Die steigenden Miet- und Lagerhaltungskosten haben dazu geführt, daß Mietkosten durch verkaufssynchrone Warenlieferungen und relativ günstige Transportkosten ersetzt werden können. Ziel ist es, die Lagerbestände so gering wie möglich zu halten und das „just-in-time"-Prinzip auch im Handel anzuwenden.

  3. Ein dritter Optimierungsaspekt sind die Transportkosten, die vom großflächigen Einzelhandel an peripheren Standorten größtenteils auf den Kunden abgewälzt werden. Die Verbraucher reisen mit ihrem eigenen Auto an, um ihre Waren abzuholen und werden so zu einem Teil der Transportkette zwischen Herstellungs- und Konsumort. Private Einkaufsverkehre ersetzen auf diese Weise tendenziell gewerbliche Lieferverkehre.

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Diese Rationalisierungs- und Substitutionsstrategien erklären die Entwicklung großflächiger und autokundenorientierter Betriebsformen, die den Handel zunehmend aus den gewachsenen und urbanen Teilen der Stadt herauslösen. Der Handel benötigt an diesen dezentralen Standorten nicht die „Stadt" an sich, sondern lediglich eine große, automobile Bevölkerungskonzentration, die sich selbst versorgen bzw. - im Sinne des SB-Konzeptes des Handels - bedienen kann.

Dagegen folgen Cities einer ganz anderen Entwicklungslogik: dem automobilen und rationalisierten Selbstbedienungsprinzip auf der „grünen Wiese" setzen sie das „Kauferlebnis" in einer möglichst historischen, baulich attraktiven, zentralen und deswegen hochwertigen Umgebung entgegen. Die hier vorfindbaren Sortimente und Vertriebsformen sind eher auf den höherwertigen Modekonsum orientiert bzw. auf langlebige Konsumgüter ausgerichtet. Konsum heißt in der City - zumindest nach dem Leitbild des Handels - nicht nur „sich versorgen", sondern in einer möglichst anregenden Umgebung auch „etwas erleben".

Die geschilderten Entwicklungen zeigen zwei wichtige Tendenzen: zum einen kann der Handel seine Standorte offenbar hochgradig differenzieren, zum anderen scheint dies in hohem Maße auch für das Verbraucherverhalten zu gelten - und zwar sowohl im Hinblick auf die frequentierten Einzelhandelsstandorte als auch die nachgefragten Warensortimente. Der Handel wiederum kann auf das Kundenverhalten sehr differenziert reagieren, indem er jeweils im Umland und in der City mit speziellen standortangepaßten Vertriebsformen gezielt lokale Marktanteile abschöpft (Strategie des „going local").

Die Existenzbedingungen des Handels und des Gewerbes in den Stadtteil- und Nebenzentren sind zwischen den beiden Polen „Kauferlebnis" in der City und „sich versorgen" in den Umland-Großprojekten angesiedelt. Für überwiegend der lokalen Nahversorgung dienende Stadtteilzentren ist es - so der Referent - relativ aussichtslos, sich auf den Wettbewerb mit den beiden anderen skizzierten Standorttypen einzulassen, da hier einerseits die entsprechenden Flächen für die Ansiedlung von Verbrauchermärkten und anderen großflächigen Einzelhandelseinrichtungen fehlen und andererseits mangelnde Zentralität und Attraktivität der Nebenzentren kein rentables Angebot exklusiver, für City-Standorte typischer Warensortimente zulassen. Aus Sicht des Vertreters der Universität Hamburg-Harburg können Stadtteilzentren nur dann existieren und in Konkurrenz zu City und Umland „überleben", wenn sie ein eigenständiges Profil auszubilden versuchen, das auf komplementären Angeboten zu den beiden anderen genannten Standorttypen basiert.

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5.2 Unterschiedliche Existenz- und Entwicklungsbedingungen von wohnungsnahen Kleinbetrieben aus Handel, Handwerk und Gewerbe am Beispiel von Hamburg Eidelstedt

Das im nördlichen Hamburger Innenstadtrandgebiet liegende Eidelstedt ist typisch für ein Stadtteilzentrum, das sich im Zuge der verschiedenen Entwicklungswellen der Stadterweiterung Hamburgs aus einem alten Ortskern entwickelt hat. Das spezifische Siedlungsmuster des Stadtteils mit einer Gemengelage aus Autobahnzubringer, Einkaufszentrum, kleinteiligen und differenzierten Strukturen im alten Ortskern, Kleingärten etc. kann als typisch suburban bezeichnet werden. Die überwiegend marktvermittelte Entwicklung Eidelstedts läßt sich an der Vielzahl kleinteiliger Parzellen erkennen, die größtenteils von selbstnutzenden Eigentümern bewirtschaftet werden. Die Sozialstruktur des Stadtteils ist überwiegend mittelständisch geprägt. Die Arbeitslosenquote liegt mit 8,2%, die Ausländerquote mit 12,5% unter dem Hamburger Durchschnitt.

Die lokale Wirtschaftsstruktur des Stadtteils wird sowohl von Filialisten und Franchise-Nehmern bzw. Kettenbetrieben als auch von vielen selbständigen und inhabergeführten Kleinbetrieben geprägt. Während die kettenangehörigen Betriebe vom Know-How ihrer Mutterkonzerne profitieren können - beispielsweise in den Bereichen Marketingkompetenz und Beschäftigungskonzepte -, müssen die inhabergeführten Kleinbetriebe eigenständige Konzepte zur Sicherung ihrer Konkurrenzfähigkeit am (lokalen) Markt entwickeln.

Diese Unternehmen waren Gegenstand einer Untersuchung über die Beschäftigungswirkungen wohnungsnaher Kleinbetriebe, die im Auftrag der Stadtentwicklungsbehörde der Stadt Hamburg von der Universität Hamburg-Harburg durchgeführt wurde. Im Zentrum der Untersuchung standen die Fragen,

  • welche Strategien und Handlungsmöglichkeiten Kleinbetrieben des Handels, Handwerks und Gewerbes bei der Bewältigung ihres Arbeitsalltags zur Verfügung stehen, und

  • welche spezifischen Potentiale die Stadtteile selbst aufweisen, mit denen der Handlungshorizont des betrieblichen Alltags überschau- und bewältigbarer wird.

Die untersuchten Kleinbetriebe mit 10 bis maximal 20 Beschäftigten [Fn. 13: Die qualitative Untersuchung basiert auf Intensivinterviews in rund 20 Betrieben aus Handwerk, Ein zelhandel, produzierendem Gewerbe sowie dem Bereich sozialer und unternehmensbezogener Dienst leistungen. Viele Betriebe sind schon sehr lange in Eidelstedt ansässig - einige von ihnen bereits 50 bis 70 Jahre - und engagieren sich daher vergleichsweise stark für die sozialen, kulturellen und politi schen Belange ihres Stadtteils.] lassen sich - so der Referent - in drei Gruppen unterteilen:

  1. Betriebe in einer dynamischen Wachstumsphase, die aufgrund ihres Expansionswunsches großflächigere Standorte suchen, diese allerdings in den kleinteiligen integrierten Lagen der Stadtteilzentren nicht finden können und daher abwandern wollen.

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  1. Betriebe mit schrumpfenden Absatzmärkten aufgrund eines schwindenden „traditionellen" Kundenstamms sowie preisgünstigerer Konkurrenz. In vielen Fällen schließen solche oftmals alteingesessenen (Handwerks-) Betriebe auch aufgrund mangelnder Nachfolge bzw. aus Altersgründen.

  2. Betriebe zwischen diesen beiden Extremen. Diese Gruppe ist zwar wirtschaftlich überlebensfähig, wird aber durch Probleme wie Mietpreisentwicklung und Nutzungskonflikte oder mit den Auflagen der Stadtplanung, der Gewerbeaufsicht oder der Bauordnung konfrontiert und belastet.

Die in die Untersuchung eingeflossenen Betriebe gehören vor allem zur dritten Gruppe, die man in gewisser Weise als die Gewinner des Strukturwandels in Eidelstedt bezeichnen kann. Dies verdeutlicht das Beispiel eines Fleischermeisters: Bis vor einigen Jahren gab es im Stadtteil noch drei weitere Fleischerbetriebe seines Zuschnitts, die allerdings mittlerweile alle ihr Geschäft aufgegeben haben. Der genannte Fleischermeister war der einzige „Überlebende", da er sein Sortiment rechtzeitig an veränderte Verbrauchergewohnheiten wie beispielsweise ein unter anderem aufgrund des BSE-Skandals gestiegenes Ernährungs- und Qualitätsbewußtsein anpassen konnte. Ihm ist es - wenn auch als einzigem lokalen Vertreter seiner Branche - gelungen, über eine qualitative Verbesserung seines Angebotes und dessen Präsentation gegenüber der Konkurrenz der Filialbetriebe zu bestehen. Auch andere Betriebe aus Handel und Handwerk, die im Rahmen der Untersuchung interviewt worden sind, haben auf ähnliche Weise versucht, ihr Angebot zu spezialisieren oder bestimmten Kundenwünschen - beispielsweise mit speziellen Serviceleistung wie Zustell- oder Partyservices - anzupassen.

Ganz offensichtlich liegt die Chance von inhabergeführten Kleinbetrieben vor allem in ihrer Kundennähe und der Möglichkeit, ihr Angebot lokalspezifisch zu segmentieren. So bleiben entsprechende Betriebe eher über die Qualität ihrer Angebote als über die Preisgestaltung konkurrenzfähig - abgesehen davon, daß Großkonzerne, Filialen und Kettenbetriebe den Preiswettbewerb längst gewonnen haben, wie der Vertreter der Universität Hamburg-Harburg ausführte. Die Möglichkeiten von Kleinbetrieben zur Marktanpassung sind um so vielfältiger, je differenzierter die Sozialstruktur eines Stadtteils ausgeprägt ist. Als Kontrast zu Eidelstedt sprach der Referent in diesem Zusammenhang das Stadtteilzentrum der Großsiedlung Steilshoop an, deren Einwohnerschaft quasi „von Amts wegen" auf die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus „festgelegt" wurde. Infolge der engen finanziellen Spielräume der Quartiersbevölkerung ergeben sich hier für das lokal ansässige Gewerbe und den Handel nur sehr enge Handlungsspielräume. Die Bewohnerschaft Steilshoops orientiert sich sehr stark an den außerhalb des Zentrums angesiedelten preisgünstigeren Vertriebsformen des Handels, weshalb die lokalökonomische Struktur dieses Viertels im Gegensatz zu Eidelstedt im Niedergang begriffen ist.

Neben den genannten ökonomischen Aspekten wie den Konkurrenz- und Wettbewerbsbedingungen spielen für das Profil eines Stadtteilzentrums auch historische und kulturelle Faktoren eine große Rolle. Dies betrifft insbesondere die Art und Weise, wie die Gewerbetreibenden ihr wirtschaftliches und soziales Umfeld wahrnehmen. Typisch für Kleingewerbetreibende ist, daß sie nahezu ausschließlich im Schnittpunkt von privaten und lokalen Beziehungen stehen. Ihr

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gesamtes Informationsverhalten in bezug auf den Arbeitsmarkt, Kunden, Änderungen in der Branche usw. bezieht sich - so der Referent - ausschließlich auf die informellen Kanäle zu Freunden, Verwandten und Familienangehörigen oder zu Geschäftspartnern bzw. Kooperanden. Das dafür notwendige Vertrauen basiert auf dem für jede Branche typischen „arbeitskulturellen Regelwerk", zu dem unter anderem gemeinsame Wahrnehmungsweisen und Deutungsmuster bezüglich betriebsrelevanter Faktoren sowie Arbeitsroutinen und allgemein akzeptierte „Selbstverständlichkeiten" darüber gehören, wie gelebt, gearbeitet und die Arbeit anderer beurteilt wird. Ein „Grundvokabular" schafft einen Zugehörigkeitskontext, der den Aufbau von Netzwerken erleichtert und steuert sowie die Grundlage für die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Betrieben bildet. [Fn. 14: Bei türkischen Betrieben spielen der lokalräumliche Zusammenhang und das „arbeitskulturelle Regel werk" dagegen eine weniger große Rolle, wie der Referent ausführte. Wichtig für diese Bevölkerungs gruppe sind dagegen ihre sehr stabilen, geschlossenen Netzwerke, die wesentlich auf familiären bzw. verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen aufbauen. Beschäftigte in der türkischen Lokalökonomie werden fast ausschließlich aus diesen Netzwerken rekrutiert. Differenziert werden muß allerdings zwischen der ersten Migranten- und deren Kindergeneration: Milieus der ersten Ein wanderergeneration sind sehr geschlossen und daher kaum empfänglich für öffentliche Informations arbeit beispielsweise der Wirtschaftsförderung oder der Kammern. Die zweite Generation zeigt sich dagegen viel aufgeschlossener gegenüber Trends, Informationsangeboten und allgemein urbanen l ebenskulturen. Die Abschottung der Milieus der ersten Generation kann - so der Vertreter der Uni versität Hamburg-Harburg - als Reaktion auf die schlechten Arbeitsmarktchancen zu Beginn ihres Le bens in Deutschland, die Offenheit der zweiten Generation dagegen als Anpassung an die (urbanen) Lebensstile der Deutschen verstanden werden.]

Insgesamt können diese lokalen und sozialen „Fenster zu Welt" als „berufliche Milieus" der Kleinbetriebe im Stadtteil bezeichnet werden, die eine wesentliche Grundlage für die Handlungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen bilden. Sie lassen sich allerdings nicht auf die engen räumlichen Grenzen eines Stadtteils beschränken, sondern müssen auch die Mobilität beispielsweise auf dem Arbeits- oder dem Beschaffungsmarkt mit einbeziehen, weshalb sie daher als eine Möglichkeit, nicht aber als Notwendigkeit für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit lokaler Kleinbetriebe gesehen werden müssen. Dennoch haben einzelne Stadtteile ein sehr spezifisches lokales Gewicht, was vor allem für Stadtteilzentren wie Eidelstedt zutrifft, die aus eigenständigen vorstädtischen Strukturen entstanden sind, und in denen sich daher eine lokale Identität tradieren konnte, die bis zu einer ostentativen Abgrenzung zum Innenstadtzenrum reichen kann. Lokale Identität kann geographische Ursachen haben - beispielsweise aufgrund von Verkehrsbarrieren, langen Verbindungswegen bzw. einer schlechten Verkehrsanbindung - oder auf historische und politische Gründe zurückgeführt werden, beispielsweise wenn entsprechenden Gemeinden durch Eingemeindungen ihre politische Selbständigkeit entzogen wurde. Das Resultat aller genannten Ursachen ist aber in jedem Fall ein ausgeprägter lokaler Gemeinsinn bzw. ein lokales Milieu, das unter anderem für die Orientierung des betrieblichen Handelns im Stadtteil große Bedeutung hat.

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5.3 Ausblick: Wie können Potentiale von Stadtteilen entwickelt werden?

Der Vertreter der Universität Hamburg-Harburg zog aus seinen Ausführungen unter anderem den Schluß, daß Akteure der Stadtplanung, Wirtschaftsförderung oder der Arbeitsmarkt- und

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Beschäftigungspolitik vor allem die lokalspezifischen Mechanismen der Vertrauensbildung respektieren müssen, wenn sie innerhalb der beschriebenen Milieus agieren wollen. Ansonsten bestehe die Gefahr, im „Milieu" gar nicht erst gehört zu werden, so daß von „außen" vorgeschlagene Maßnahmen ins Leere laufen. Zur wirtschaftlichen und stadtplanerischen Unterstützung von Stadtteilen nannte der Referent Handlungsvorschläge, die im wesentlichen auf zwei Oberziele hinauslaufen:

  • Erstens muß eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen städtebaulich integrierten Standorten der Innenstadt und den peripheren Großprojekt-Standorten im Umland erfolgen.

  • Zweitens muß die Stabilisierung und Entwicklung der kleingewerblichen Strukturen in den Stadtteilzentren durch den Aufbau einer spezifischen Infrastruktur zur Koordination und zum Management der Vielfalt der kleingewerblichen Aktivitäten gefördert werden.

Der Aufbau einer solchen Infrastruktur - auch dies ist ein Ergebnis der Hamburger Untersuchung - darf sich nicht nur an der Frage orientieren, welche Branchen und Betriebe angesiedelt bzw. entwickelt werden sollen, sondern muß auch berücksichtigen, auf welche Art und Weise die Gewerbetreibenden Entscheidungen treffen („arbeitskulturelles Regelwerk"). Öffentliche Akteure können über Personen, die im Stadtteil bekannt und dort vielleicht selbst als Gewerbetreibende verankert - also lokal anerkannt sind - an das Milieu herantreten. Die Aufgabe entsprechender „Integrationsfiguren" oder „Stadtteilmanager" besteht im wesentlichen in der Bereitstellung von Informationsangeboten über Möglichkeiten zur Kooperation, zur Differenzierung und Weiterentwicklung der betrieblichen Sortimente sowie zur Erweiterung von Geschäftsfeldern. Für ein solches Vorgehen gibt es bereits eine Vielzahl von Ansatzpunkten: Ausländische Erfahrungen aus England, Schottland und Italien („Drittes Italien") zeigen beispielsweise, wie über Datenbänke Informationen aus bestimmten Branchen gesammelt und als Angebot gezielt an (Klein-) Betriebe weitergegeben werden können.

Zur geforderten Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen „innen" und „außen" führte der Vertreter der Universität Hamburg-Harburg folgendes aus: Die volkswirtschaftlichen Kosten der peripheren Großstandorte des Handels sind im Vergleich mit denjenigen, die an integrierten städtebaulichen Lagen entstehen, viel zu niedrig. So sind die Bodenpreise im Umland sehr viel geringer als in integrierten städtischen Lagen; auf der „grünen Wiese" stellen die Kosten von Verkehrsinfrastruktur, Flächenerschließung und Umweltverbrauch für die Kommunen eine erhebliche Finanzbelastung dar, machen sich jedoch für die einzelnen Betriebe als Kostenfaktor kaum bemerkbar. Zur Herstellung von Chancengleichheit müssen daher die auf der „grünen Wiese" entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten in einzelbetriebliche Kostenfaktoren transformiert werden, d.h. Kosten, die von den Betrieben externalisiert - also an die Kommunen oder die „Umwelt" abgegeben werden können - müssen internalisiert, zu Kostenfaktoren der Betriebe selbst gemacht werden.

Ein weiterer Ansatz betrifft die qualitative Verbesserung und kostenmäßige Entlastung der kernstädtischen, integrierten Standorte beispielsweise durch die Entbindung der Betriebe von ihren Stellplatzablösebeträgen, die Verbesserung der Erreichbarkeit von Stadtteilzentren mit

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öffentlichen Verkehrsmitteln, die Durchführung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen oder die Investitionsförderung von Kleinbetrieben in integrierten Lagen. Umgekehrt müßten im Umland eine konsequente Stellplatzbewirtschaftung sowie eine Freiraum- oder Bodenversiegelungsabgabe eingeführt werden. Schließlich sollten sich Großbetriebe nur dann an peripheren Standorten niederlassen können, wenn sie an das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs angeschlossen sind oder werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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