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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausgabe: 9]


1. Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland

1.1. Ausmaß und gesellschaftliche Folgen der Jugendarbeitslosigkeit

Noch Anfang der 90er Jahre galt Deutschland als ein Land, in dem Jugendliche weit weniger von der Arbeitsmarktkrise betroffen waren als in anderen europäischen Ländern. Inzwischen ist die Jugendarbeitslosigkeit zu einem der bedrückendsten gesellschaftlichen Probleme überhaupt geworden.

Das gilt insbesondere für die neuen Bundesländer, wo ein Blick auf den Ausbildungsstellennmarkt die ganze Dimension der Problematik zeigt. Zum Beginn des Ausbildungsjahrs am 1. September 1998 waren nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit noch rd. 57.000 Jugendliche auf der Suche nach einer Lehrstelle. Dem standen nur knapp 6.700 offene Lehrstellen gegenüber. Der wirtschaftliche Aufbau in den neuen Bundesländern ist noch längst nicht abgeschlossen, zudem treten geburtenstarke Jahrgänge in das Berufsleben. Dies wird bis zum Jahre 2006 so bleiben.

Besonders den leistungsschwächeren Jugendlichen droht die Gefahr, bereits an der „ersten Schwelle" zu scheitern, weil sie keinen Ausbildungsplatz erhalten, ihre Ausbildung abbrechen oder von vornherein nicht für eine Ausbildung motiviert sind. Viele dieser Jugendlichen bilden die Überzeugung, daß die Gesellschaft ihnen keine Perspektive biete. Eine ganze Generation wächst noch vor dem Einstieg ins Erwachsenenalter und dem Berufsleben mit dem Gefühl auf, zum „Alten Eisen" zu gehören und nicht gebraucht zu werden. Die Gesellschaft dürfe sich nicht wundern, wenn diese Jugendlichen das demokratische Gemeinwesen nicht als das ihre wahrnähmen und zum Rechtsradikalismus tendierten, warnte die heutige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die zum Zeitpunkt der Konferenz Senatorin für Arbeit, berufliche Bildung und Frauen in Berlin war. Die Gefahren für unsere Demokratie seien schon heute deutlich zu erkennen. Es ließe sich keine zukunftsfähige Gesellschaft gestalten, wenn es nicht gelänge, denjenigen, die unsere Zukunft darstellen, eine lebenswerte Perspektive zu eröffnen. Ohne einen „neuen Generationenpakt" werde diese Aufgabe allerdings nicht zu bewältigen sein.

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Der Mangel an Ausbildungsplätzen ist nur eine Seite des Problems der Jugendarbeitslosigkeit. Selbst wenn es Jugendlichen gelungen ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, ist damit kein sicherer Einsteig in das Berufsleben verbunden. Viele Jugendliche scheitern an der sogenannten „zweiten Schwelle" - dem Übergang von der Ausbildung auf einen Arbeitsplatz.

Dennoch besteht nicht einmal ein politischer Konsens über das Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit. Die jetzige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstrich daher, wie wichtig es sei, zu einer gemeinsamen gesellschaftlichen Problembeschreibung zu kommen - „nämlich daß wir hier tatsächlich zu wenige Ausbildungsplätze haben." Wenn man die Medien verfolge, habe man bisweilen den Eindruck, es bestünde gar kein Ausbildungsplatzmangel.

Dieser politische Absentismus sei nicht mehr hinnehmbar. Man brauche sich nur zu vergegenwärtigen, daß in Berlin 22 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Die „erste Schwelle" zum Arbeitsmarkt müsse überwunden werden. Für die Anstrengungen auf örtlicher Ebene fehle die nötige Unterstützung vom Bund.

In Berlin bildeten nur rd. ein Viertel aller Betriebe aus. 60 Prozent aller neugegründeten Ausbildungsplätze würden ganz oder teilweise staatlich finanziert. In der Beruflichen Ausbildung habe man es mit einer schleichenden Verstaatlichung zu tun, die ansonsten von der Wirtschaft in anderen Bereichen immer wieder angeprangert werde. Diese negative Entwicklung könne man nicht den Kommunen und den Ländern anlasten. Zu fragen sei, wie die Wirtschaft wieder mehr in die Verantwortung zu bringen sei. Die Entwicklung dürfe nicht dem Selbstlauf der Marktkräfte überlassen bleiben. Notwendig sei ein breiter gesellschaftlicher Konsens für ein verbindliches „Bündnis für Arbeit und Ausbildung", nicht nur als Absichtserklärung, sondern mit klaren Zielen. Sie verwies auf die Erfolge in europäischen Nachbarländern. Während es in den Niederlanden in den letzten Jahren gelungen sei, sogar die allgemeine Arbeitslosigkeit von 11 auf 6 Prozent zu reduzieren und die Jugendarbeitslosigkeit überproportional verringert werden konnte, verharre die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland auf einem nicht tolerierbarem Niveau von rund 12 Prozent.

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Der heutige Staatsminister für den Aufbau Ost wies daraufhin, daß die Ausbildungssituation in den neuen Bundesländern nicht nur durch die demographische Entwicklung bestimmt werde. Es sei auch eine Stagnation auf der Angebotsseite feststellbar. Das führe dazu, daß auch eine Altbugwelle von Bewerbern zu versorgen sei, die im nächsten Jahr eventuell wieder als Bewerber auftauchen würden.

Die Folgen der Jugendarbeitslosigkeit bekommen auch die Kommunen zu spüren. Sie müssen sich den finanziellen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit stellen, weil Arbeitslosigkeit die wichtigste Einzelursache der Sozialhilfe-Bedürftigkeit geworden ist. Die zahlreichen indirekten Auswirkungen psycho-sozialer, medizinischer und sozialpolitischer Art auf die von Arbeitslosigkeit - insbesondere von Langzeitarbeitslosigkeit - Betroffenen lassen sich als Kosten zudem nur schwer quantifizieren.

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1.2 Strategien gegen die Jugendarbeitslosigkeit in der politischen
Diskussion


Die Länder und immer mehr Kommunen haben angesichts der bedrohlichen Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit eine Vielzahl von Konzepten zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit entwickelt. Die größten Anstrengungen auf kommunaler Ebene haben aber nicht ausgereicht, weil man bis zum Regierungswechsel im Herbst 1998 auf Bundesebene vorwiegend auf die Marktkräfte bei der Bewältigung der Probleme vertraut hat. Andere Staaten wie Frankreich, Dänemark oder die Niederlande haben früher als Deutschland erkannt, daß die Jugendarbeitslosigkeit besonders hohe Priorität erhalten muß.

Auf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg im November 1997 haben sich alle EU-Mitgliedsstaaten auf beschäftigungspolitische Leitlinien geeinigt. Nicht von ungefähr ist die erste Leitlinie der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gewidmet. Allen Jugendlichen muß demnach längstens nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit ein Neuanfang in Form einer Ausbildung, einer Umschulung, einer Berufserfahrung, eines Arbeitsplatzes oder einer anderen, die Beschäftigungsfähigkeit fördernden Maßnahme ermöglicht werden. Die Mitgliedsstaaten waren aufgefordert, diese Leitlinien in nationale Aktionspläne umzusetzen.

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Die alte Bundesregierung habe darauf jedoch nicht wirklich reagiert - so die jetzige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Vielmehr habe sie das Thema Jugendarbeitslosigkeit immer wieder verharmlost, indem sie auf eine ominöse Trendwende auf dem Ausbildungsstellenmarkt und die unterdurchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland im EU-Vergleich hingeweisen habe. Für die neue SPD-geführte Bundesregierung hat die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU jedoch von Anfang an hohe Priorität. Deshalb hat sie als eine der ersten Maßnahmen ein „Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" gestartet, mit dem 100.000 Jugendliche so schnell wie möglich in Ausbildung und Beruf kommen sollen. Es zeigte sich, daß dieses Programm „ungewöhnlich schnell und unbürokratisch" angelaufen ist. „Bereits am 14. Dezember wurden die für das Programm zur Verfügung stehenden zwei Milliarden Mark auf die Arbeitsämter verteilt." [Fn.1: „Die Barrieren sind weg - Sofortprogramm 100.000 Jobs", in: einblick, gewerkschaftlicher Info-Service vom 1.1.1999, S. 1]

Die Bürgermeisterin der Stadt Halle betonte, daß es für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit notwendig sei, zu einer „konzertierten Aktion" zu kommen. In Halle waren im September 1994 4.450 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos, von denen 40 Prozent ohne einen Ausbildungsabschluß waren. Viele von denen, die einen Ausbildungs-Abschluß haben, könnten jedoch den Zugang zum Ersten Arbeitsmarkt finden. Die Jugendlichen ohne Berufsabschluß seien die wirklichen Problemfälle.

Sie habe die Erfahrung gemacht, daß es viele Jugendliche gebe, für die die Beratungen des Arbeitsamtes zu hochschwellig seien. „Sie gehen nicht zum Arbeitsamt und sie gehen praktisch unter, weil niemand sie an die Hand nimmt und ihnen die Möglichkeiten aufzeigt, die sie wirklich haben." Weil es zu wenige Lehrstellen gebe, würden die Ausbildungsplätze von denen in Anspruch genommen, die gute Schulabschlüsse haben. Die Jugendlichen mit schlechten Schulnoten würden dadurch weiter ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Sie würden mutlos werden, wenn ihnen gesagt würde: „Da gibt es noch viel, viel Bessere als Dich".

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In Halle versuchen die lokalen Akteure von Arbeitsamt, Industrie- und Handelskammer und Schulen, zu einem flexiblen Ausbildungssystem zu kommen, in dem verschiedene Qualifizierungsmodule den individuellen Möglichkeiten der Jugendlichen angepaßt werden. Sie sollen über diese niedrige Schwelle in die Lage versetzt werden, Zugang zum Ausbildungssystem zu bekommen. Diese Ansätze nennt man in Halle „flexibles Jugendberufshilfesystem", das auf die Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt durch Bildung und Arbeit zielt.

Dabei werden Jugendliche durch die Jugendfreizeiteinrichtung, in der Schule, bei den Wohlfahrtsverbänden oder andernorts „an die Hand genommen", weil sie es nicht allein schaffen, die beruflichen Beratungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Es werden im Jugendbereich Hilfepläne gemacht, mit denen ganz individuell versucht wird, dem einzelnen zu helfen, statt nur auf Beratungsangebote zu verweisen. Wenn diese Jugendlichen keine Zukunftsperspektive bekämen und sich passiv ihrem vermeintlichen Schicksal hingäben, würden sie dauerhaft auf Sozialhilfe angewiesen bleiben. Die Kosten für die Sozialhilfe ließen sich sinnvoller für organisierte Hilfsleistungen nutzen.

Allerdings werden die öffentlichen Anstrengungen allein das Problem nicht bewältigen können. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sprach sich für ein neues Finanzierungssystem im Sinne eines Lastenausgleichs zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Unternehmen aus und forderte eine höhere Ausbildungsleistung der Wirtschaft. Notwendig sei ferner die Berücksichtigung von Mädchen und jungen Frauen in allen Förderprogrammen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen. Um den besonderen Bedarf an Ausbildungsplätzen in Ostdeutschland zu decken, sei ein mehrstelliges Programm zur Bereitstellung zusätzlicher Lehrstellen notwendig.

Der Staatsminister für den Aufbau Ost forderte, der Gesetzgeber müsse den Rahmen für einen Leistungsausgleich setzen: Dort, wo die großen Betriebe, die eigentlich das Potential dazu hätten, Ausbildungsplätze bereitzustellen, dies nicht tun, müsse der Gesetzgeber handeln. Das sei eine zentrale Botschaft der Konferenz. Er erklärte, mit dem Lastenausgleich könne aber nicht erzwungen werden, daß mehr

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Ausbildungsplätze geschaffen werden. Vielmehr sollten Unternehmen mit finanziellen Zuschüssen stimuliert werden, Ausbildungsplätze bereitzustellen. Der finanzielle Lastenausgleich habe auch eine Ost-West-Dimension, da mehr Gelder in die neuen Bundesländer fließen würden, weil es dort eine größere Nachfrage nach Ausbildungsplätzen gebe und weniger finanzstarke Großbetriebe vorhanden seien.

Der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt-Thüringen kritisierte die verbreitete skeptische Haltung gegenüber dem System der dualen Erstausbldung. „Von 1993 bis 1997 haben wir in unserem Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt-Thüringen einen Bewerberzustrom von 52.000 auf 78.000 gehabt. Und im gleichen Zeitraum hat sich das Angebot an Ausbildungsstellen und Berufsausbildungsstellen von 40.000 auf knapp 50.000 entwickelt. Darunter betriebliche Ausbildungsplätze von 32.000 auf 37.000."

Die Wirtschaft habe auch in den neuen Bundesländern „schon ein ganzes Stück zugelangt und mitgemacht." Allerdings stimmte er der Ansicht zu, daß die Verantwortung für die Ausbildung überwiegend von den kleineren und mittleren Betrieben im Handwerk übernommen worden sei. „Die größeren Betriebe haben sich auch nach meiner Einschätzung in dem Umfang nur begrenzt oder bedingt beteiligt."

Sein Fazit lautete: Es gibt keinen Anlaß, das System der dualen Erstausbildung in Frage zu stellen. Für die Probleme im Ausbildungsbereich hob er die demographische Entwicklung hervor. Bis zum Jahre 2005 würden die geburtenstarken Jahrgänge auf den Markt drängen. Außerdem habe es einen dramatischen Strukturwandel gegeben. Er sprach sich ebenfalls für Programme aus, um die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu mildern. Außerdem müsse man über „Kombi"-Löhne diskutieren, weil bestimmte Arbeitskräfte ohne solche Instrumente für die Unternehmen nicht attraktiv genug seien. Ausbildungsordnungen müßten außerdem schneller an die Dynamik der Wirtschaft angepaßt werden.

Die heutige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erklärte, sie wolle das duale Erstausbildungssystem nicht grundsätzlich in Zweifel ziehen, sondern nur daran appellieren, daß die Wirtschaft wieder ihre Rolle ordentlich wahrneh-

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me. Der Leiter der Siemens-Berufsausbildung erinnerte daran, daß sich die duale Erstausbildung über Jahrzehnte weiterentwickelt habe, teilweise nicht nur zum Positiven. „Die Partner sind etwas voneinander weggedriftet. Wir könnten uns vorstellen, daß die Nähe zwischen Praxis und Berufsschule wieder deutlich besser werden sollte, und daß der Arbeitsplatz des Berufsschullehrers nicht nur die Schule sein sollte, sondern projekteingebunden, praxisnah mit der Ausbildung zusammen agieren muß."

Solche Fehlentwicklungen ließen sich jedoch korrigieren. Grundsätzlich habe sich das duale Ausbildungssystem nicht nur bewährt, sondern erfreue sich auch international hoher Wertschätzung. „Und wenn Sie in Amerika oder in Korea über duale Ausbildung reden, dann bekommen Sie ständig Beifall. Und ich hätte am liebsten dann öfter mal den Lautsprecher nach Deutschland eingeschaltet, damit hier vielleicht auch einigen Leuten bewußt wird, was sie hier ggf. aufgeben oder in Gefahr stellen."

Die jetzige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kritisierte, daß die beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU, wonach sich die EU-Mitgliedsstaaten zu Aktionsprogrammen verpflichtet haben, in Deutschland unter der alten Bundesregierung Makulatur geblieben seien. Nicht nur die Niederlande, auch Österreich, wo man sich auf eine maximale Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent verbindlich festgelegt habe, seien vorbildlich.

Auch der heutige Staatsminister für den Aufbau Ost betonte, daß die Erfolge bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den Niederlanden Vorbildcharakter für Deutschland hätten. Er plädierte ebenfalls für ein „Bündnis für Arbeit und Ausbildung". Das sei ein erster entscheidender Schritt. Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Arbeitnehmer müßten zusammengebracht werden mit dem Ziel zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen. Er äußerte die feste Überzeugung, daß sich große Potentiale zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen erschließen ließen.

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Er betonte, die Kommunen sollten wie in den Niederlanden bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine größere Rolle spielen. Das dürfe aber nicht bedeuten, daß Kosten von höheren Ebenen auf die Kommunen abgewälzt werden, wie das derzeit der Fall sei. Notwendig sei wie in Holland eine stärkere finanzielle Unterstützung durch den Staat. In Holland geschähe dies, weil die Kommunen aus ihrer Problemsicht heraus strukturpolitische Verantwortung vor Ort am effektivsten wahrnehmen könnten.

Zugleich vertrat er die Meinung, daß es notwendig sei, auch die zukunftsorientierten Ausbildungsgänge zu forcieren. Abgekoppelt von der Praxis dürfe nicht in obsoleten Berufen qualifiziert werden, nur um den jungen Menschen eine Ausbildung zu bieten. Damit werde das Problem Arbeitslosigkeit nur um drei Jahre verschoben. Wenn aber eine Neuorganisierung gelinge wie in den Kommunikationsberufen, reagierten die großen Betriebe und beteiligten sich sofort wieder an der Ausbildung. Im Jahre 1998 habe es in Deutschland 7.000 Lehrverträge in diesen neuen Berufsbildern gegeben. Man könne sicher sein, daß diese jungen Leute nach ihrer Ausbildung eine Beschäftigung fänden.

Problematisiert wurde auch der Verdrängungswettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt. So liefe es auf Kosten von Realschülern, wenn Abiturienten verstärkt auf den Ausbildungsmarkt drängten. Für die Opfer des Wettbewerbs bedürfe es besonderer öffentlicher Fürsorge, erklärte die jetzige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Berlin wolle man weg von den vollzeitschulischen Warteschlangen für leistungsschwächere Jugendliche. Im Rahmen des Programms „Erfolgreiche Wege zur Ausbildung" werde die Berufsvorbereitung inhaltlich mit der Berufsausbildung verknüpft. Jugendliche, die erfolgreich eine Berufsvorbereitung absolvieren, könnten den Anspruch auf eine nachfolgende duale außerbetriebliche Berufsausbildung erwerben. 3000 Jugendliche sollen noch im Jahre 1998 auf diese Weise eine Ausbildung beginnen können. Von diesem Berufsvorbereitungsjahr können später ein halbes Jahr als praktische Ausbildung mit einer Teilqualifikation anerkannt werden. Es gebe finanzielle Zuschüsse des Staates, wenn Betriebe diese „schwierigen Jugendlichen" ausbilden. Ohne solche Zuschüsse hätten sie in der Konkurrenz zu den Abiturienten keine Chance. Der Mangel an Ausbildungsplätzen

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sei jedoch nur eine Seite des Problems. Selbst wenn es Jugendlichen gelungen sei, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sei dies kein sicherer Einsteig mehr in das Berufsleben. Deshalb müsse man sehen, daß die Lösung des Problems „Zweite Schwelle" nicht ohne Alters-Teilzeitregelungen zu haben sei.

Sie verwies darauf, daß es Betriebe in Berlin gebe, die nach Arbeitskräften mit einer bestimmten Qualifikation suchen, z.B Elektroingenieure und Maschinenbauingenieure. „Da gibt es natürlich auch diesen berühmte „Schweine-Zyklus". 1991/92 sind sie alle in die Arbeitslosigkeit gegangen, die Kinder der arbeitslosen Maschinenbauingenieure, haben alles andere gemacht, aber haben nicht gerade Maschinenbau studiert. Heute fehlen sie uns wieder."

Sie betonte, es sei notwendig, vernünftigere Mechanismen mit der Wirtschaft festzulegen, damit solche negativen Entwicklungen vermieden werden können. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt-Thüringen ergänzte, daß die gesamte Gesellschaft und die Wirtschaft sehr deutlich etwas dagegen tun könnten. Möglich sei dies, indem man den jungen Leuten mit Abitur doch dazu rate, ein Studium in Naturwissenschaften aufzunehmen. In den neuen Bundesländern seien es immerhin ein Drittel der Abiturienten, die in den Verdrängungswettbewerb in der dualen Ausbildung einstiegen. „Und das kann nicht mehr hingenommen werden."

Das Thema Jugendarbeitslosigkeit müsse eben auf allen Ebenen diskutiert werden, meinte der heutige Staatsminister für den Aufbau Ost. Man müsse beispielsweise die Frage des BAFÖG in diesen Kontext stellen, denn „wenn wir uns darüber beschweren, daß immer mehr Abiturienten nicht studieren, sondern eine Ausbildung machen, hängt das auch mit den sozialen Situationen zusammen, daß immer weniger BAFÖG-Leistung in Anspruch nehmen können."

Ein Vertreter der Industrie- und Handelskammer Magdeburg nahm aus Sicht der Wirtschaft zur Ausbildungsproblematik Stellung. Jedem einen Ausbildungsplatz zu verschaffen, wenn er nur willens und fähig ist, sei sogar ein gesamtgesellschaftliches Postulat. „Aber ein Haken ist dabei: Die Säule aller versicherungspflichtig Beschäftigten ist aufgrund der Arbeitslosigkeit recht dünn geworden." Immer dann, wenn es

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wirtschaftliche Probleme gebe, könne es trotz aller Anstrengung der Wirtschaft dazu kommen, daß der Bedarf an Ausbildungsplätzen nicht befriedigt werden könne. Dies gelte vor allem, wenn bedeutende demographische Entwicklungen hinzukämen.

Ein besonderes Problem für die Wirtschaft sei die schulische Ausbildung. „Wie kann man schulische Ausbildung, zum Beispiel an einer Berufsfachschule, so organisieren, daß sie am Ende nicht irgendeinen Abschluß hat, sondern einen Abschluß, der in der Wirtschaft akzeptiert ist ?" Seit kurzem gebe es das Programm „Kooperation Schule/Wirtschaft", das vom Land bezahlt werde. Darüber stünden 1998 wieder 3.500 zusätzliche Plätze mit der Option anerkannter Berufsabschluß zur Verfügung. Wenn man diesen Weg weiter verfolge und die duale Berufsausbildung fördere, die schulische Berufsausbildung adäquat entwickele, könnten seiner Meinung nach genügend Ausbildungsplätze bereitgestellt werden. Notwendig sei es aber auch, die Leistungsqualität der Schulabgänger zu verbessern.

Ein Vertreter vom Bildungszentrum Dessau schloß sich der Forderung an, daß eine Ausbildungs-Garantie eine konzertierte Aktion notwendig mache. Es müßten jedoch auch alle Möglichkeiten genutzt werden, um Ausbildungsplätze zu besetzen. „Wir haben in Sachsen-Anhalt eine ganze Reihe freier Bildungsträger, die auch heute noch offene Ausbildungsplätze vorhalten mit dem kleinen Unterschied zu öffentlichen Ausbildungsplätzen, daß sie bei freien Bildungsträgern finanziert werden müssen." Er wünsche sich, daß die Fördermittel eingesetzt werden, um diese Ausbildungsplätze nutzen zu können.

Er kenne viele freie Bildungsträger in Sachsen-Anhalt, die den langen Weg gegangen seien, über eine staatlich genehmigte zu einer staatlich anerkannten Ersatzschule zu kommen. Jedoch könnten sie erst dann, wenn sie drei Jahre lang Ausbildungsplätze vorgehalten haben und auch Ausbildung praktizierten, den Antrag stellen, staatlich anerkannte Ersatzschulen zu werden und damit auch Landesmittel zu erhalten. „Wobei dann immer noch zu den öffentlichen Ausbildungsträgern der feine Unterschied besteht, daß sie nur max. 90 Prozent der Sach- und Personalkosten, wie sie öffentliche Ausbildungsträger bekommen, erhalten. Und ich wünschte mir bei dieser konzertierten Aktion, daß auch mit einheitlicher Elle gemessen wird. Nämlich,

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daß die gleichen Ausbildungsmöglichkeiten der Lehrkräfte sowohl in öffentlichen als auch in privaten Bildungseinrichtungen herangezogen werden."

Bei privaten Bildungsträgern müsse akribisch nachgewiesen werden, daß jede Lehrkraft auch eine universitäre Ausbildung für die Unterrichtsfächer hat, für die beim Kultusministerium Anträge eingereicht werden müßten. Bei den öffentlichen Bildungsträgern unterrichteten hingegen Lehrkräfte Unterrichtsfächer, für die sie keine Ausbildung vorweisen könnten.

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1.3. Sofortprogramm der neuen Bundesregierung zum Abbau der Jugend-
arbeitslosigkeit


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Programm zur Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung von
Jugendlichen

Koalitionsauftrag

„Die neue Bundesregierung wird unmittelbar nach Amtsantritt eine Offensive zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit starten. Mit einem Sonderprogramm sollen 100.000 Jugendliche so schnell wie möglich in Ausbildung und Beschäftigung gebracht werden. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt in Ostdeutschland gesetzt.

Im Mittelpunkt des Sofortprogramms steht die Vermittlung in betriebliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Jugendliche, die zur Zeit keine Vermittlungschance haben, sollen durch Qualifizierung auf eine Ausbildung vorbereitet oder in eine sinnvolle Beschäftigung gebracht werden. Zu dem Sofortprogramm gehört auch die Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen. Alle Jugendlichen, die länger als sechs Monate arbeitslos sind, sollen einen Ausbildungsplatz, einen Arbeitsplatz oder eine Fördermaßnahme erhalten.

Für die Finanzierung dieses Programms werden vor allem Mittel eingesetzt, die sonst für die Bezahlung der Jugendarbeitslosigkeit ausgegeben werden müßten."

Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder

„Ein eigenverantwortliches Leben setzt zuallererst voraus, für sich selbst sorgen zu können. Wir sollen unsere jungen Menschen unsere Gesellschaft und unsere Zukunft gestalten, wenn wir ihnen nicht einmal die Möglichkeit geben, für sich selber zu sorgen? Hierin liegt der Grund dafür, warum die Bundesregierung ein Sofortprogramm auflegen wird, um 100.000 Jugendliche so schnell wie möglich in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen." ...

I. Welche Zielsetzung hat das Sofortprogramm?

Die Jugend ist die Zukunft unseres Landes. Es darf nicht hingenommen werden, daß die jungen Menschen als Arbeitslose in das Erwerbsalter hineinwachsen. ...

Die Lebenssituationen und Probleme der jungen Menschen und der jugendlichen Arbeitslosen sind unterschiedlich, die Angebote deshalb vielfältig. Sie reichen von Angeboten für ausbildungssuchende Jugendliche bis hin zu Qualifizierungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für arbeitslose Jugendliche. ...

Ziel ist, möglichst jedem Jugendlichen, und vor allem jedem arbeitslosen Jugendlichen ein Angebot zu unterbreiten, noch bevor er ein halbes Jahr arbeitslos geworden ist. ... Das Sofortprogramm kann im Rahmen des Bündnisses für Arbeit erweitert und ergänzt werden. Ein zentrales Thema wird dort die Erhöhung der Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze und die Übernahme der Ausgebildeten an der zweiten Schwelle (d.h. in eine Beschäftigung) sein....

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Ein besonderes Augenmerk wird bei der Durchführung des Sofortprogramms auf die Jugendlichen ausländischer Herkunft gerichtet. Sie werden durch die üblichen Formen der Ausbildungs- und Beschäftigungsangebote vielfach nicht erreicht. Auch ihnen muß ein Weg in die Berufswelt eröffnet werden.

II. Welcher Personenkreis ist angesprochen?

Adressatenkreis sind in der Regel die Jugendlichen bis zum 25. Lebensjahr, die ein Ausbildungs- oder Qualifizierungsangebot oder als Arbeitslose nach einer Zeit der Sucharbeitslosigkeit eine Beschäftigungsförderung benötigen. ...

III. Wie wird das Sofortprogramm finanziert?

Das Sofortprogramm wird im Rahmen des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Es hat für 1999 ein Volumen von 2 Mrd. DM. Die Absicherung der Ausgaben der Bundesanstalt erfolgt wiederum im Rahmen des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt und durch den Europäischen Sozialfonds, aber auch durch Einsparungen bei passiven Lohnersatzleistungen. Hinzu kommen noch Zuschüsse aus dem parallel beschlossenen 600-Mio.-DM-Sachkostenprogramm für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, das aus dem Bundeshaushalt direkt finanziert wird und auch dazu dient, durch Sachkostenzuschüsse Qualifizierungs-ABM nach diesem Sofortprogramm zu ermöglichen.

IV. An wen wenden sich die jungen Menschen?

Dieses Sofortprogramm des Bundes wird von der Arbeitsverwaltung nach Richtlinien der Bundesregierung durchgeführt. Hierzu wird eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bundesregierung und Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit abgeschlossen.

Die Ausführung erfolgt durch die Arbeitsämter. Jugendliche, die sich für ein Angebot interessieren, wenden sich an das Arbeitsamt ihrer Region.

Wir werden aber auch die jungen Menschen anschreiben die entweder als Ausbildungssuchende oder bereits längere Zeit als Arbeitslose beim Arbeitsamt registriert sind.

Eintritte in Maßnahmen des Sofortprogramms sind bis Ende 1999 möglich.

V. Welche Ausbildungshilfen enthält das Programm?

Die ausbildungsfördernden Maßnahmen des Sofortprogramms zielen darauf ab, bis spätestens Anfang April 1999 den bei den Arbeitsämtern im Vermittlungsjahr 1998/99 als unvermittelt gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern eine Berufsausbildung anzubieten. Die Vermittlung auf betriebliche Ausbildungsstellen hat hierbei Vorrang.

Das Aktionsprogramm „Lehrstellen Ost", das von Bund und neuen Ländern je zur Hälfte finanziert und von den neuen Ländern in eigener Verantwortung durchgeführt wird, bleibt hiervon unberührt.

1. Die Beratung und Vermittlung noch unvermittelter Jugendlicher wird verstärkt und durch zusätzliche Förderungsaktivitäten unterstützt.

Die Arbeitsämter werden die ausbildungsgeeigneten Jugendlichen, die noch keine Ausbildungsstelle haben, kurzfristig zu einem Beratungsgespräch einladen, um sie auf die

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noch freien und kurzfristig mobilisierbaren zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplätze zu vermitteln.

Diese Nachvermittlungsaktion wird durch die Förderung von lokalen und regionalen Projekten zur Ausschöpfung und Erhöhung des betrieblichen Lehrstellenangebotes unterstützt. Dazu gehören z.B. die Gewinnung von Betrieben für die Ausbildung von benachteiligten und ausländischen Jugendlichen; die Förderung der Organisation von Ausbildungsverbünden zwischen mehreren Betrieben, Betrieben und Berufsbildungseinrichtungen; die Gewinnung neuer Ausbildungsbetriebe durch direkte Ansprache, Beratung und praktische Hilfen beim Einstieg und bei der Durchführung von Ausbildung; Projekte, die zur Vermittlung junger Mädchen und Frauen in Ausbildungsberufe mit unterproportionalem Frauenanteil beitragen etc.

Ausbildungsgeeigneten Jugendlichen wird zudem ein bis zu drei Monate dauerndes Trainingsprogramm zur Verbreiterung und Vertiefung der Berufswahlorientierung und mit Bewerbungstraining, fundierter Eignungsfeststellung und Beratung angeboten. Kurzpraktika in Betrieben, die Lehrlinge suchen, runden dieses Angebot ab. Diese Trainingsmaßnahmen können als Vorbereitung für eine nachfolgende Berufsausbildung vorgesehen werden.

Größenordnung: rund 3.000 Plätze bzw. Geförderte bis Frühjahr 1999 (weitere 6.000 Plätze/Geförderte bis Jahresende 1999)

2. Ein erstes Ausbildungsjahr für unvermittelte Ausbildungssuchende wird auch in außerbetrieblicher Ausbildung gefördert

Jugendlichen, die bis März 1999 noch keinen Ausbildungsplatz haben, wird eine Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf in einer außerbetrieblichen Einrichtung angeboten. Entsprechende Angebote werden - soweit noch nicht vorhanden - regional organisiert. Der über bestehende Angebote von Ländern hinausgehende Bedarf an Ausbildungsplätzen wird aus dem Sofortprogramm finanziert.

Nach diesem ersten - außerbetrieblichen - Ausbildungsjahr wird der Übergang in eine betriebliche Ausbildung angestrebt.

Größenordnung: rund 10.000 Geförderte (zuvor Bewerbertraining für rund 12.000 Geförderte nach Nr. 1)

3. Eine außerbetriebliche Ausbildung kann auch bis zum Berufsabschluß gefördert werden (Ausbildungsgarantie)

Jugendliche, die nach dem ersten Jahr außerbetrieblicher Ausbildung nicht in eine betriebliche Berufsausbildung überwechseln können, wird die Fortsetzung der geförderten außerbetrieblichen Ausbildung bis zum Berufsabschluß garantiert.

Größenordnung: rund 6.700 Geförderte (ab Ausbildungsjahr 1999/2000)

4. Das Nachholen des Hauptschulabschlusses wird gefördert

Ein fehlender Hauptschulabschluß verschließt i.d.R. auch den Zugang zu einer Berufsausbildung. Von den arbeitslosen Jugendlichen haben rund 65.000 keinen Hauptschulabschluß.

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Arbeitslose Jugendliche ohne Hauptschulabschluß erhalten jetzt die Chance, den Hauptschulabschluß bzw. vergleichbaren Schulabschluß im Rahmen einer berufsorientierenden Bildungsmaßnahme nachzuholen. Größenordnung: rund 5.000 Geförderte

5. Das Programm Arbeit und Qualifizierung für - noch - nicht ausbildungsgeeignete Jugendliche (AQJ) wird für weitere Teilnehmer fortgesetzt

Nach diesem Programm wird ein sozialversicherungspflichtiges betriebliches Praktikum mit einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme verknüpft. Ziel ist, noch nicht ausbildungsgeeignete Jugendliche zur Ausbildungsreife heranzuführen oder deren Beschäftigungschancen zu verbessern. Wichtig ist der Praxisbezug. Diese Maßnahme kann Vorstufe zu einer nachfolgenden Berufsausbildung oder Beschäftigung sein.

Größenordnung: rund 5.000 Geförderte

VI. Welche Maßnahmen für arbeitslose Jugendliche sieht das Programm vor?

1. Jugendliche können eine Nach- oder Zusatzqualifizierung erhalten

Durch eine Nach- oder Zusatzqualifizierung sollen die Beschäftigungschancen junger arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit bedrohter Erwachsener ohne Ausbildungsabschluß verbessert werden. Erfahrungsgemäß sind junge Erwachsene oft nicht mehr für eine berufliche Erstausbildung zu gewinnen. Sie sollen eine neue Chance im Wege der beruflichen Weiterbildung erhalten. Arbeitslose Jugendliche mit Ausbildungsabschluß sollen Zusatzqualifikationen, die den Berufseinstieg erleichtern, erwerben können.

Ältere Jugendliche (etwa ab dem 20. Lebensjahr) ohne Ausbildungsabschluß und Jugendliche mit Ausbildungsabschluß, aber ohne Berufspraxis, werden deshalb zur Aufnahme einer Beschäftigung qualifiziert. Wenn eine volle Ausbildung sinnvoll und erreichbar ist, wird auch dies gefördert. Betriebliches Training soll Teil der Qualifizierung sein.

Finanziert werden Weiterbildungskosten und der Lebensunterhalt.

Größenordnung: rund 25.000 Geförderte

2. Lohnkostenzuschüsse zur Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen

Das Sofortprogramm wird auch dazu beitragen, die Einstellung von Jugendlichen und insbesondere den Übergang Jugendlicher von Ausbildung in Beschäftigung („zweite Schwelle") zu erleichtern. Zielgruppe sind arbeitslose Jugendliche, die mindestens drei Monate arbeitslos sind und bei denen die Gefahr einer längerdauernden, mindestens aber sechsmonatigen Arbeitslosigkeit besteht. Eine außerbetriebliche Ausbildung kann z.B. ein besonderes Arbeitslosigkeitsrisiko nach sich ziehen.

Für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die mit diesen Jugendlichen begründet werden, kann ein zeitlich befristeter Lohnkostenzuschuß als Ausgleich für anfängliche Minderleistung des eingestellten Jugendlichen gewährt werden. Er beträgt

- bei einer Bewilligungsdauer von 12 Monaten 60 % und

- bei einer Bewilligungsdauer von 24 Monaten 40 %

des tariflichen bzw. ortsüblichen Arbeitsentgelts.

Sieht das Beschäftigungsverhältnis eine außerbetriebliche Zusatzqualifizierung des Jugendlichen vor, können diese Kosten berücksichtigt werden.

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Die Arbeitsämter sollen hierbei aktiv darauf hinwirken, daß junge arbeitslose Frauen auch in für sie untypische Berufstätigkeiten vermittelt werden.

Für Jugendliche ohne Ausbildung kann der Lohnkostenzuschuß dann geleistet werden, wenn nicht eine Maßnahme der Qualifizierungsförderung zweckmäßiger ist.

Größenordnung: rund 20.000 Geförderte

3. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Qualifizierung für junge Arbeitslose

Junge Arbeitslose, die noch nicht in eine reguläre Beschäftigung zu vermitteln sind, können in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Praxiserfahrung und eine zusätzliche Qualifizierung erhalten. Insbesondere für junge Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung kann dies ein Einstig in das Arbeitsleben sein. Hierbei sollen sie Gelegenheit erhalten, ausbaufähige Teilqualifikationen zu erwerben, die nach Möglichkeit zertifiziert werden sollen.

Der Anteil der beruflichen Qualifizierung an der Gesamtmaßnahme muß mindestens 30 % und darf höchstens 50 % betragen. Der Qualifizierungsanteil kann auch zu größeren Zeitblöcken zusammengefaßt werden.

Der Zuschuß beträgt 100 % des bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts. Sachkostenzuschüsse aus dem geplanten 600-Mio.-DM-Sachkostenprogramm können bei Bedarf beigestellt werden.

Größenordnung: rund 20.000 Geförderte

4. Jugendliche können beschäftigungsbegleitende Hilfen erhalten

Die beschäftigungsbegleitenden Hilfestellungen für Jugendliche umfassen Beratung und Betreuung in der Anfangsphase der Erwerbstätigkeit. Hierzu gehören u.a. Erörterungen von Anfangsschwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und dem Betriebs- bzw. Personalrat.

Ziel ist die Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses, Vermeidung von möglichen Konflikten, Verhinderung von Fehlzeiten und Stabilisierung des persönlichen Umfelds (z.B. Unterstützung zur Entschuldung, bei Wohnungsproblemen, im Fall von Jugendgerichtsmaßnahmen).

Größenordnung: rund 1.000 Geförderte

5. Projekte zur Beschäftigung, Qualifizierung und sozialer Betreuung für Jugendliche

Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Betreuungsprojekte sollen die berufliche Eingliederung besonders benachteiligter Jugendlicher in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem vorbereiten bzw. erleichtern. Motivationsschwache Jugendliche, Jugendliche aus einem schwierigen sozialen Umfeld, Hauptschüler ohne Abschluß und Sonderschüler sollen stabilisiert, motiviert und an die Arbeitswelt herangeführt werden.

Auch beschäftigungslose Jugendliche, die sich vom üblichen gesellschaftlichen Leben abgewandt haben, sollen angesprochen werden (z.B. durch „Streetworker").

Größenordnung: rund 5.000 Geförderte

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VII. Zur Umsetzung des Programms

Zur Umsetzung ist eine Ergänzung des SGB III erforderlich, weil das Programm aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wird.

...

Ansprechpartner sind alle Arbeitsämter in der jeweiligen Region.

VIII. Flankierende Maßnahmen

1. Programm Sachkostenzuschüsse zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Jahr 1999

Flankierend zum Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hat die Bundesregierung am 25. November 1998 ein „Programm über Sachkostenzuschüsse zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Jahr 1999" in Höhe von 600 Mio. DM beschlossen. ...

Die Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen können pro gefördertem Arbeitnehmer und je Fördermonat im Jahre 1999 einen Sachkostenzuschuß von maximal 500 DM erhalten, wenn sie die Maßnahme selbst durchführen, sie erhalten maximal 800 DM, wenn sie die Arbeiten an Wirtschaftsunternehmen vergeben.

Die Sachkostenmittel unterstützen die Umsetzung der Qualifizierungs-Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen nach dem „Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit".

2. Öffnung der freien Förderung für Projektförderung

Mit dem SGB III wurde den Arbeitsämtern die Option gegeben, im Rahmen der sog. freien Förderung die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch selbst entwickelte freie Leistungen zu erweitern. Bislang konnte von der generellen Ausrichtung der Arbeitsförderung als Individualförderung grundsätzlich auch bei der freien Förderung nicht abgewichen werden. Die Praxis hat gezeigt, daß die Finanzierung sinnvoller Projekte für besonders schwer vermittelbare Arbeitslose erschwert und so eine erfolgversprechende Projektdurchführung verkompliziert wird. Die freie Förderung nach § 10 SGB III wird daher mit dem Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte für die Projektförderung geöffnet, um zu gewährleisten, daß insbesondere für schwer vermittelbare arbeitslose Jugendliche erfolgversprechende Projekte unkompliziert finanziert werden können.

3. Neue Abgrenzung der Weiterbildungsförderung

Um zu vermeiden, daß jugendliche Arbeitnehmer ohne Berufsabschluß, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig waren, in der Arbeitslosigkeit verharren müssen, wird durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte der beruflichen Erstausbildung flexibler gestaltet. Arbeitslose Jugendliche ohne Berufsabschluß erhalten so die Chance, bereits frühzeitig an sinnvollen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und ihre Beschäftigungschancen auf diese Weise zu verbessern.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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