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TEILDOKUMENT:
6. Empfehlungen für eine verbesserte Förderung von Existenzgründern aus dem Hochschulbereich 6.1 Verbesserung der Unternehmerausbildung an den Hochschulen Die Unternehmerausbildung an Universitäten und Hochschulen muß verbessert werden, um die Zahl der Unternehmensgründungen durch Hochschulabsolventen zu vergrößern. Notwendig hierfür ist nach Einschätzung des Leiters des Steinbeis-Transferzentrums Neue Produkte eine zweigleisiger Ansatz. Zum einen sei die Schaffung einer Wissensordnung im Bereich Unternehmensgründung/Entrepreneurship mit einem begrifflichen Instrumentarium und einem einheitlichen Rahmenlehrplan notwendig. Die Einrichtung von Lehrstühlen wie den an der European Business School (ebs) in Oestrich-Winkel sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete plädiert dafür. Lehrstühle für Entrepreneurship an jeder Universität, Fachhochschule und Berufsakademie einzurichten. Ein Vorschlag, der auch von dem Lehrstuhlinhaber für Entrepreneurship an der ebs unterstützt wird. Seiner Einschätzung nach brauchte man in Deutschland rund 60 entsprechende Lehrstühle, um eine vergleichbare Ausbildungsdichte wie in den USA zu erreichen. Parallel dazu muß nach Meinung des Leiters des Steinbeis-Transferzentrums Neue Produkte aber auch die praxisorientierte Unternehmerausbildung an Universitäten und Hochschulen deutlich intensiviert werden. Derzeit sei die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der Hochschulen, insbesondere in den technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen, oftmals nicht ausreichend. Notwendig wäre, daß die Studierenden im Rahmen ihrer Ausbildung nicht nur fachliche Qualifikationen erwerben, sondern auch das notwendige Rüstzeug für eine spätere berufliche Selbständigkeit. Um Studenten für Unternehmensgründungen zu begeistern und zu befähigen, bedürfe es dabei jedoch auch entsprechend geeigneter Hochschullehrer. So könne mit Recht bezweifelt werden, ob beamtete Hochschullehrer mit rein akademischer Biographie geeignet seien, Studenten in den Grundlagen des Unternehmertums zu schulen. Seine langjährige Erfahrung als Hochschullehrer lehre ihn, daß Studenten von einem Professor kein "Kreidemanagement an der Tafel" erwarteten, sondern die Fähigkeit, theoretisches Wissen auch in der Praxis anzuwenden. Wenn er mit Studenten in ein Unternehmen hineingehe und dort mit ihnen [Seite der Druckausgabe: 60] Projektstudien betreibe, sei es notwendig, daß er mitmache und zusammen mit ihnen Entscheidungen treffe. Der SPD-Bundestagsabgeordnete regt an, daß künftig die Qualität einer Hochschule nicht nur an ihren Doktoranden, sondern auch an der Zahl der Existenzgründungen gemessen werden sollte. Ein Ansatz, der nach Auskunft des Vertreters des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg bereits im Ministerium diskutiert worden ist. Dabei hätten sich eine Reihe praktischer Probleme ergeben. So müsse definiert werden, ob man nur die Zahl der Gründungen oder eher deren Stabilität berücksichtige. Wann sei die Nachhaltigkeit der Gründung gegeben, so daß man dem Professor als Mentor dem Ansatz entsprechend weitere Mittel zugestehen könne? Er gehe jedoch ungeachtet der bestehenden Definitionsprobleme davon aus, daß solche Kriterien künftig eine größere Bedeutung bei der Mittelvergabe an die Universitäten haben werden. Der Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Neue Produkte hält derartige Bewertungsmaßstäbe für sinnvoll. Warum sollten leistungsorientierte Meßlatten, die es ja auch für die Studenten gebe, nicht auch für die Professoren gelten? Eine Germanistin aus Tübingen erinnert daran, daß auch in den Geisteswissenschaften Ressourcen für Unternehmensgründungen brach liegen. Sie halte die Schaffung einer generellen Möglichkeit für ein entsprechendes Aufbaustudium für sinnvoll, in dem die notwendigen ökonomischen Grundlagen vermittelt würden. Hierzu bedürfe es jedoch auch entsprechend modernisierter Prüfungsordnungen. Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden - Württemberg sieht einen Widerspruch zwischen solchen Forderungen nach zusätzlichen Lehrveranstaltungen in den Studiengängen und den immer wieder aufkommenden Vorwürfen über eine angeblich zu lange Studiendauer in Deutschland. Vor diesem Hintergrund seien verschiedene Hochschulen mittlerweile dazu übergegangen, solche Zusatzqualifikationen in Form von Lehraufträgen oder Sonderveranstaltungen anzubieten, wobei die Fachhochschulen in diesem Bereich generell weiter seien als die Universitäten. Er sei zuversichtlich, daß solche Veranstaltungsprogramme und Qualifizierungsangebote in absehbarer Zeit an allen Universitäten in Baden-Württemberg angeboten würden. Im Hinblick auf die geisteswissenschaftlichen Studiengänge sei es sinnvoll, sie in Richtung einer stärkeren Modularisierung und Zertifizierung umzustrukturieren, um den Studenten eine [Seite der Druckausgabe: 61] wesentlich größere Gestaltungsmöglichkeit bei Studieninhalten und Schwerpunkten zu ermöglichen. Hier gebe es bereits Ansätze, die aber aufgrund der derzeitigen hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen blockiert seien. Bislang gebe es in keinem Land ein Hochschulgesetz, mit der man ein solches Modell zum Regelfall machen könnte. Insofern sei die Bundespolitik gefordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu verändern.
6.2 Intensivierung des Wissens- und Technologietransfers zwischen Schulen, Hochschulen, Wissenschaft und Wirtschaft
Notwendig ist zudem, den Wissens- und Technologietransfer zwischen Schulen, Hochschulen und Wissenschaft einerseits und den Unternehmen andererseits deutlich zu verbessern. Dies beginnt bereits in den Schulen, in denen verstärkt auf das Interesse an unternehmerischen Themen und die Entwicklung einer Entrepreneurship-Kultur hingearbeitet werden sollte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete schlägt vor, an allen Schulen sogenannte "Junior"-Projekte zu starten, bei denen Schüler unter professioneller Betreuung Erfahrungen als Firmengründer auf Zeit erwerben können. Zur Verbesserung des Wissens- und Technologietranfers zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft sollte seiner Meinung nach die Kooperation zwischen universitären Forschungseinrichtungen und mittelständischen Unternehmen gestärkt werden. Hierfür bedürfe es spezifischer Regelungen beispielsweise zur Förderung des Personalaustausches zwischen Hochschulen, Forschungsinstitutionen und Unternehmen in Form von entsandten Technologieberatern oder der Teilentsendung von wissenschaftlichem Personal. Bestehende Ansätze wie die in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen geschaffenen Innovationsassistenten könnten hier ebenso als Vorbild fungieren wie die Arbeit der Steinbeis-Stiftung oder die von der Fachhochschule Furtwangen praktizierten Projektstudien und unternehmensorientierten Diplomarbeiten. Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg hält es für notwendig, verstärkt Praktiker für Lehraufträge an Universitäten und Hochschulen zu gewinnen. Es sei vielversprechender, die Vorbereitung für Existenzgründungen von einem Praktiker am konkreten Fall darstellen zu lassen, als von wissenschaftli- [Seite der Druckausgabe: 62] chen Theoretikern Idealvorstellungen vermittelt zu bekommen. Aus diesem Grunde unterstütze das Ministerium die Ansätze der Universitäten, über Lehraufträge Praktiker zu gewinnen.
6.3 Verbesserte Beratungsmöglichkeiten
Wichtig ist darüber hinaus, den Studenten an den Universitäten und Hochschulen die Möglichkeit zu begleitenden Informations- und Lehrveranstaltungen über Existenzgründungen zu bieten. So sollte in den technischen und den geisteswissenschaftlichen Fächern durch Lehraufträge und Sonderveranstaltungen die Möglichkeit geschaffen werden, bereits während des Studiums juristisches und betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen zu erwerben. Der Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg hält die an der Universität Stuttgart realisierten Beratungsmöglichkeiten für vorbildlich. Dort könnten alle Studenten Existenzgründerseminare mitmachen, die sie auch zertifiziert bekämen. Zukünftig sollen zudem Kommunikationsstätten eingerichtet werden, in denen Studenten bereits in einer frühen Phase ihres Studiums Tips von erfolgreichen Gründern erhalten könnten. Der Erfolg solcher Angebote sei davon abhängig, inwieweit die Studenten sie annähmen. Hier sei die Eigeninitative des einzelnen gefordert. Die Notwendigkeit zur Eigeninitiative wird von der Gründerin von JBT unterstrichen. Gleichzeitig warnt sie vor allzu großen Illusionen über die positive Wirkung von Beratungsstellen und -programmen. Die Schaffung solcher Beratungsstellen alleine könne nicht zu der notwendigen Entrepreneurship-Kultur beitragen; dazu müsse sich vor allem die Mentalität an den Universitäten grundlegend ändern. Hierfür sei jedoch noch viel Überzeugungskraft notwendig. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |