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[Seite der Druckausgabe: 50 / Fortsetzung] 5. Anforderungen an erfolgreiche Unternehmensgründer Für den Erfolg einer Unternehmensgründung gibt es kein Patentrezept. Selbst die beste Unternehmensidee, die Erfindung einer bahnbrechenden Innovation oder herausragende technische Fertigkeiten des Gründers führen nicht automatisch zum Erfolg. Aber auch wenn es den Königsweg zur erfolgreichen Unternehmensgründung nicht gibt, so lassen sich doch zumindest typische Anforderungen skizzieren und die häufigsten Fehler benennen, die ein Gründer tunlichst vermeiden sollte, wenn er mit seinem Projekt erfolgreich sein möchte.
5.1 Welche Voraussetzungen muß der erfolgreiche Unternehmensgründer erfüllen?
Eine Geschäftsidee, technisches Know-how und kaufmännische Kenntnisse gehören zu den Grundbedingungen jedes Unternehmensgründers. Um erfolgreich zu sein, bedarf es aber noch anderer Faktoren wie der entsprechenden Persönlichkeitsstruktur des Gründers, einer notwendigen Management-Kompetenz oder eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes. Die wenigsten Unternehmensgründer können das reichhaltige Anforderungsprofil ohne weiteres erfüllen. Um so wichtiger ist die konsequente und systematische Vorbereitung auf den Schritt in die Selbständigkeit. Der Geschäftsführer der Microtec Systems GmbH bezeichnet die Vorbereitungsphase für die Existenzgründung als entscheidend. Dort gemachte Fehler könnten mittel- und langfristig fatale Auswirkungen haben. Das Allerwichtigste sei jedoch, daß der Unternehmensgründer voll und dauerhaft hinter seinem Produkt stehe. Denn übertriebene Hoffnungen auf einen schnellen Erfolg würden sich oftmals als Fiktion erweisen. Ein Gründer brauche deshalb einen langen Atem und die notwendige Belastbarkeit, um solche Phasen zu überstehen. Hierzu sei es notwendig, sich vor der Gründung sehr genau über seine Motivation im Klaren zu sein und sich bewußt vor Augen zu halten, daß die Existenzgründung große Chancen, aber auch erhebliche Risiken berge. [Seite der Druckausgabe: 51] Die Gründerin von JBT unterstreicht die Notwendigkeit einer robusten Physis und Psyche, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden zu können. Zudem sei eine sehr hohe Frustrationsgrenze vonnöten, damit die unvermeidlichen Rückschläge nicht gleich zu einer existentiellen Belastung würden. Dies sei auf Dauer nur in einem privaten Umfeld möglich, das dem Selbständigen den Rücken frei hält. Die Lebenspartnerin bzw. der -partner müsse den Gründer uneingeschränkt unterstützen. Der Geschäftsführer der botronic bochtler electronic GmbH bestätigt, daß ein Unternehmensgründer bereit sein muß, sein Privatleben dem geschäftlichen Erfolg unterzuordnen. Fünf Jahre ohne Urlaub und andere Einschränkungen dürften für ihn kein Problem darstellen.
5.2 Orientierung am Kundennutzen und den Marktgegebenheiten als Grundlagen für den langfristigen Geschäftserfolg
Der erste Schritt bei einer Existenzgründung sollte nach Darstellung des Leiters des Steinbeis-Transferzentrums Neue Produkte an der Fachhochschule Villingen-Schwenningen stets die Ausarbeitung des Gründungskonzepts sein. Um den Geschäftserfolg dauerhaft zu sichern, sollten Unternehmensgründer vermeiden, die Gründung ausschließlich ideenfixiert anzugehen. Zur Illustration verweist er auf eigene Erfahrungen mit dem Widerspruch zwischen einer Idee und dessen Markttauglichkeit. So habe er als junger Tüftler Gefallen gefunden an der Idee, ein Flaschenschiff aus Kunstharz zu entwickeln. Fasziniert von den gestalterischen Möglichkeiten und angespornt von ersten Erfolgen bei der technischen Realisierung habe er viel Zeit und Enthusiasmus in die Umsetzung seiner Idee investiert. Nach sechsmonatiger Arbeit habe er das Modell einem Händler präsentiert, der ihn mit der ernüchternden Marktanalyse konfrontierte, daß sich die Nachfrage der Kunden ausschließlich auf Flaschenschiffe aus Holz beschränke. Flaschenschiffe aus Kunstharz seien schlichtweg nicht verkaufbar. Insbesondere Techniker und Naturwissenschaftler liefen erfahrungsgemäß Gefahr, eine Produktidee mit viel Aufwand und Engagement bis zur technischen Perfektion zu entwickeln, ohne sich um die Bedürfnisse und Wünsche der Nachfrager zu kümmern. Diese Herangehensweise sei geprägt durch ein sehr klassisches "Ingenieurdenken". Beim "Ingenieurdenken" [Seite der Druckausgabe: 52] liege eine höchst problematische Risikokonzentration im letzten Schritt, dem Vertrieb, vor. Erst dann erfolge die Überprüfung, ob der aus dem Ingenieurdenken resultierende Ideenimpuls überhaupt für eine marktgängige Innovation tauge. Für Korrekturen am Produkt sei es dann jedoch längst zu spät. Die Alternative hierzu sei das "Marketingdenken", die Orientierung am Kundennutzen. Hier folge dem Ideenimpuls als zweiter Schritt die Beschaffung der notwendigen Informationen aus Sicht derer, die das Produkt kaufen oder realisieren sollen. Die Perspektive des Kunden sei verständlicherweise grundsätzlich anders als die des Technik-fixierten Entwicklers. Der Kunde orientiere sich einzig an dem Nutzen, den er sich von einem Produkt verspreche. Im Normalfall erhalte das Unternehmen dabei bereits alle notwendigen Informationen, um die Marktchancen der Idee sachgerecht bewerten zu können. Insofern könne aus Sicht der Gründungsberatung nur empfohlen werden, etwas mehr Marketingdenken als Ingenieurdenken an den Tag zu legen.
[Seite der Druckausgabe: 53] Die zweite Anforderung an die Gründer lautet, nicht anhand von Einzelfaktoren zu entscheiden, sondern nach dem Ganzheitlichkeitsprinzip.
Die Produktanforderungen müßten gleichzeitig aus den Blickwinkeln der Technik, des Marktes und der Organisation gesehen werden. In der Regel werde heute in einem Unternehmen die insgesamt für ein neues Produkt aufgebrachte Energie zu 70 bis 80 Prozent auf den Bereich "Technik" (Antwort auf die Frage: "Was ist es?") verwendet, gefolgt vom Bereich "Organisation" (Antwort auf die Frage: "Was bringt es?"), während der Bereich "Markt" (Antwort auf die Frage: "Wem und was nützt es?") nur unzureichend berücksichtigt werde. Dies sei eine gefährliche Aufteilung, da die zentralen Risiken für den Erfolg einer Gründung oder Produktinnovation nicht in der Technik lägen, sondern in der Frage, ob der Kunde das neue Produkt so überhaupt wolle. Diese entscheidende Frage werde heute zu oft vernachlässigt. [Seite der Druckausgabe: 54] Die dritte Anforderung klinge zwar banal, sei aber dennoch von entscheidender Bedeutung: Beim Existenzaufbau müsse systematisch vorgegangen werden. Mit Existenzaufbau ist eigentlich die Zeit nach der Gründung gemeint. Zu Schwierigkeiten komme es in der Regel nicht bei der Gründung, sondern erst bei der Sicherung des Geschäftserfolgs. Dauerhaft erfolgreich werde nur sein, wer seine Geschäftsidee systematisch an Hand eines Leitfadens entwickle.
Beim Einstieg in ein neues Produkt oder Unternehmen sei die Frage entscheidend, welche Chancen es habe und welche zentralen Anforderungen zu erfüllen seien. Danach sollten die Kapazitäten, Kenntnisse und Ressourcen analysiert werden, um abzuklären, was überhaupt möglich sei. In der Orientierungsphase müsse die Zielgruppe definiert werden, um darauf aufbauend Lösungen zu sondieren und das Produkt zielgruppengerecht zu gestalten. In der Phase der Projektierung müßten ein Business-Plan und In- [Seite der Druckausgabe: 55] vestitionsrechnungen erstellt werden, die aussagekräftige Zahlen einschließlich der Abläufe und der Zahlen für das kommende Jahr enthielten. Erst danach könne die systematische Realisierung erfolgen. Die Erfahrung zeige, daß in vielen Unternehmen beim letzten Schritt begonnen werde, der Realisierung eines Projektes ohne Kenntnisse über Kosten und potentielle Käufer. Die Perspektive eines Unternehmensgründers müsse deshalb stets in der Schnittmenge aus den drei Anforderungsbereichen liegen. Die technisch-naturwissenschaftlich orientierten Gründer aus dem Hochschulbereich müßten sich insbesondere in den Bereichen Markt/Produkte und Organisation/Erträge weiterqualifizieren. Zur Analyse der eigenen Kenntnisse und Ressourcen sei der Kompetenzstern Existenzaufbau konzipiert worden:
Die linke Seite stellt die Organisationsseite dar, die rechte die Marktseite. Der Gründer müsse sich an den Ergebnissen (Erträge und Produkte) messen lassen. Innerbetriebliche und marktbezogene Prozesse seien die Vor- [Seite der Druckausgabe: 56] aussetzungen für die Ergebnisse. Die Effizienz der Prozesse hänge von der Güte der Pläne ab. Der Kompetenzstern soll zur Bewertung des Gründers und seines Vorhabens in Hinblick auf Unternehmensziele/Zielmärkte, Management/Marketing, Betrieb/Vertrieb, Erträge/Produkte dienen. Je nach der Einschätzung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Gründers und des Projekts würden Punkte vergeben. Je mehr Punkte, desto weiter rücke die Bewertung eines Aspekts ins Zentrum. Ein ideales Gründungsprojekt werde durch einen einzigen Punkt in der Mitte der "Zielscheibe" beschrieben, ein unausgewogenes durch eine sternförmige Struktur und ein zum Scheitern verurteiltes durch einen weit gezogenen Kreis. Die Produktanforderungen lassen sich mit Hilfe der folgenden Matrix bestimmen. Die Matrix diene dazu, eine Rangfolge der Anforderungen an das Produkt festzulegen. Die Entwicklungsarbeit könne dann auf die wesentlichen Anforderungen konzentriert werden.
[Seite der Druckausgabe: 57] Von besonderer Bedeutung sei die Spalte "Alleinstellung". Hier müsse die Frage beantwortet werden, worin sich das Produkt von denen der Mitbewerber unterscheide. Denn die besten Marktchancen habe natürlich immer der Anbieter, dessen Produkt im Wortsinne konkurrenzlos sei. Die Unterschiede müßten schon in der Phase der Ideengenerierung herausgearbeitet werden (bloßes me-too-Produkt oder aber wesentliche Neuheit gegenüber den Konkurrenzprodukten). Sie fungierten als Ausgangspunkt für die Zusammenstellung der Marketing-Instrumente. Die Grundlage für die Umsetzung der Idee und die Finanzierung des zu gründenden Unternehmens ist der Geschäftsplan. Generell investierten Kapitalgeber bzw. Investoren eher in Gründerpersönlichkeiten als in Ideen. Die Überzeugung potentieller Geldgeber erfordere überzeugende, in sich geschlossene Geschäftspläne. Meistens sei eine sehr weitgehende Öffnung gegenüber den Kapitalgebern bzw. - im Falle einer Beteiligung - den potentiellen Geschäftspartnern erforderlich, um überhaupt eine Chance auf Kredit oder Beteiligung zu erhalten. [ Fn.10: Im Anhang befindet sich unter anderem eine Checkliste für die Erstellung eines Busi ness-Plans.]
[Seite der Druckausgabe: 58] Dauerhaft erfolgreich werde ein Unternehmensgründer jedoch nur dann sein, wenn er über eine langfristig angelegte Planung und ein effizientes Geschäfts-Controlling verfügt. Dazu bedürfe es fundierter betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und klarer Vorstellungen über die realen Kosten einzelner Produktions- und Fertigungsschritte. Erfahrungen aus der Unternehmensberatung zeigten, daß die Kostenrechnung in vielen Unternehmen sehr schlampig sei. So treffe man bei produzierenden Dienstleistungsunternehmen immer wieder auf erhebliche Defizite bei der Frage, was kostet eigentlich ein laufendes Projekt und wann rechnet es sich. Ohne diese Kenntnisse sei es jedoch sehr problematisch, realitätsnahe Geschäftspläne zu erstellen und sie auch einzuhalten.
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