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[Seite der Druckausgabe: 44 / Fortsetzung] 4. Von der Uni in die Selbständigkeit - Erfahrungsberichte erfolgreicher Gründer 4.1 botronic-bochtler electronic GmbH Die Firma botronic-bochtler electronic GmbH wurde 1991 von Ulrich Bochtler gegründet. Bochtler ist alleiniger Geschäftsführer der Firma, deren Geschäftstätigkeit im wesentlichen drei Schwerpunkte umfaßt: Beratung und Prüfung zum CE-Zeichen, Entwicklung von elektronischen Schaltungen und Testaufbauten sowie Softwareentwicklung im Bereich Gebäude- und Geländesicherungstechnik. Heute hat das Unternehmen einen Umsatz von über 1 Mio. DM und zehn Mitarbeiter. [Seite der Druckausgabe: 45] Unternehmensgründer Bochtler hatte zuvor an der Universität Stuttgart Elektrotechnik und Nachrichtentechnik studiert und über das Thema Hochfrequenzfilter promoviert. Unmittelbar danach wagte Bochtler den Schritt in die Selbständigkeit. Die Gründungsphase bezeichnet er rückblickend als "knallharte Sache". Er sei die Gründung rein aus dem Blickwinkel des Ingenieurs angegangen, der eine Idee vor Augen habe, ohne für die unternehmerische Umsetzung entsprechend vorbereitet zu sein. Erste Probleme hätten sich bei der Suche nach einer Bank ergeben, die die Realisierung seiner Idee finanzieren sollte. Obwohl er seine Vorstellungen und Kenntnisse detailliert darlegte, verstanden die Kundenberater bei den Banken "kein Wort". Auch die Bemühungen, gegenüber den Banken auf Basis seines Geschäftsplans zu argumentieren, hätten letztendlich keinen Erfolg gehabt. Als umständlich und problematisch habe sich zudem der Versuch erwiesen, an öffentliche Fördermittel heranzukommen. Um nicht noch mehr Zeit mit der Suche nach unterstützungswilligen Banken oder geeigneten Förderprogrammen zu verlieren, habe er sich entschlossen, die Unternehmensgründung weitgehend selbst zu finanzieren. Die botronic-bochtler electronic GmbH wurde wegen der eingeschränkten Finanzmittel als reines Dienstleistungsunternehmen konzipiert. Bochtler fuhr zu den Kunden und stellte sich ihnen als neuer Dienstleister im Bereich Hochfrequenz- und Nachrichtentechnik mit einem umfassenden Leistungsspektrum vor. Doch die Reaktionen seien ernüchternd gewesen. Da die Branche insgesamt in einer Krise steckte, hatten neue Anbieter offensichtlich keine Chance am Markt. Auf der Suche nach Marktnischen stieß Bochtler auf den Bereich elektromagnetische Verträglichkeitsprüfungen. Diese Prüfungen und die Vergabe des CE-Zeichens wurde damals überwiegend von den Branchenriesen TÜV und DEKRA durchgeführt. Der botronic-bochtler electronic GmbH gelang es, sich in diesem Markt einen Platz zu erkämpfen. Der Trumpf der jungen Firma gegen die renommierte Konkurrenz war ihre konsequente Dienstleistungsorientierung. Den Kunden wurde in direkten Gesprächen vermittelt, daß die botronic-bochtler electronic GmbH schneller ist und ihre Mitarbeiter auch am späten Freitagnachmittag noch für ihre Kunden da seien. Dieses Angebot stieß auf Interesse und Nachfrage. Inzwischen hat die botronic-bochtler electronic GmbH ihr Angebot ausgeweitet und in anderen Bereichen Fuß gefaßt.
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4.2 JBT Daten- und Textservice
Den JBT Daten- und Textservice gibt es seit dem 1. August 1997. Unternehmensgründerin Jutta Bachmann hatte zuvor Französisch, Spanisch und Biologie studiert. 1995 promovierte sie an der Universität Tübingen im Bereich Genetik. Hintergrund ihrer Unternehmensidee waren Erfahrungen, die sie im Rahmen ihrer langjährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingen gemacht hatte: Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen, aber auch Ärzte, Rechtsanwälte, Unternehmer und Unternehmensberater stoßen zunehmend auf praktische Probleme bei der Datensammlung oder der Aufbereitung und Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, für deren Lösung sie nicht ausgebildet sind. Hierfür bietet JBT ein umfassendes Dienstleistungsangebot von Datenbank-Recherchen und der Erstellung von Manuskripten oder fachspezifischen Analysen und Übersetzungen über die Konzeption und Organisation von Workshops und Schulungen bis zur Erarbeitung von Präsentationen und Web-Seiten. Die Unternehmensgründerin berichtet, daß sie mit diesem Ansatz auf positive Resonanz gestoßen ist. In Rundbriefen und Werbemailings habe sie die Dienste ihrer Firma angeboten und inzwischen einen stabilen Kundenstamm aufgebaut. Daß dieser nicht größer sei, liege nicht an mangelndem Interesse, sondern daran, daß viele Forscher und Professoren Probleme bei der Finanzierung ihrer Dienstleistung hätten. Die den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehenden Mittel könnten im Prinzip nicht für die externe Vergabe von Recherche- oder Präsentationsaufträgen verwendet werden, sondern seien für die eigentliche Forschungsarbeit vorgesehen. Die Wissenschaftler, die derzeit die Dienste von JBT nutzten, bezahlten dies aus ihrer eigenen Tasche. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sei es JBT aber inzwischen gelungen, auch Kunden aus der Wirtschaft zu gewinnen. In der ersten Phase des Unternehmens habe es sich als problematisch erwiesen, daß die Unternehmensgründerin an der Universität keine Kenntnisse über kaufmännische Anforderungen oder Marketing erwerben konnte. Ihre Werbemailings hatten daher zunächst nur bescheidenen Erfolg. Erst nachdem sie Kurse und Schulungen im Bereich Marketing mitgemacht hatte, erhöhte sich die Resonanz ihrer Werbemailings auf den vergleichsweise hohen Wert von zwei Promille. Für den Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens sei es wichtig, daß die Kunden intensiv betreut wer [Seite der Druckausgabe: 47] den. Aus diesem Grund habe sich auch JBT einer absoluten Dienstleistungsbereitschaft und Kundenorientierung verschrieben. Das junge Unternehmen wirbt damit, 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche für die Kunden da zu sein. Ein Angebot, daß von den Kunden geschätzt und genutzt würde. So gebe es nicht selten Anrute nachts um 1 .00 Uhr oder am Sonntagnachmittag mit Eil-Aufträgen. Diese ständige Verfügbarkeit könne sie jedoch nur deshalb garantieren, weil ihr ihr privates Umfeld hierfür den Rücken frei hält. Da Frau Bachmann zudem noch eine aus dem Programm "Junge Innovatoren" finanzierte Halbtagsstelle an der Universität ausübt, komme sie in der Regel auf eine Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden.
4.3 Microtec Systems GmbH
Die Microtec Systems GmbH wurde 1997 von Bernd Himmelsbach und einem Partner gegründet. Das Unternehmen produziert und vertreibt Hardwareprodukte. Beide Unternehmensgründer kennen sich schon seit Schulzeiten. Während Himmelsbach nach der Schule Betriebswirtschaft studierte, arbeitete sein späterer Partner im Unternehmen von dessen Vater. Nebenbei entwickelte er dabei Produkte, die jedoch aufgrund seiner sonstigen beruflichen Anforderungen Prototypen blieben. Gemeinsam beschlossen die beiden, zur Vermarktung dieser Produkte ein eigenes Unternehmen zu gründen. Himmelsbach bezeichnet die Kombination seiner kaufmännischen Fähigkeiten und des technischen Know-hows seines Partners als ideale Ergänzung. Viele andere Unternehmensgründer litten bekanntlich darunter, daß sie oftmals nur eine dieser beiden zentralen Anforderung mitbrächten. Die Entscheidung zur Unternehmensgründung wurde im Dezember 1996 getroffen. Bereits im Februar 1997 erfolgte die Gründung der Microtec Systems GmbH. Das notwendige Kapital besorgten sich die beiden Unternehmensgründer über Bankkredite. Dabei vermieden sie den "Fehler", sich nur auf eine Bank zu verlassen, sondern verhandelten parallel mit drei Banken. Während die eine Bank sofort Interesse zeigte, blieb die zweite zögerlich und die dritte wartete ab, wie sich die beiden anderen Banken verhielten. Erst nachdem die Finanzierung über die erste Bank gesichert war, zog die zweite Bank nach und auch die dritte Bank bekundete nun Interesse. Innerhalb des ersten Jahres tätigten Microtec Systems Inve- [Seite der Druckausgabe: 48] stitionen mit einem Volumen von ungefähr 500.000 DM. Das Umsatzziel wurde fast erreicht und derzeit befindet sich das Unternehmen auf einem guten Weg, das nächste Umsatzziel, die erneute Umsatzverdoppelung, zu erreichen.
4.4 i.con Informationsprojekte GmbH
Die i.con Informationsprojekte GmbH ist die Geschäftsstelle für betriebsnahe Gründungen des Business Plan Wettbewerbs Region Stuttgart und gleichzeitig auch Geschäftsstelle für PUSH!. Das Unternehmen wurde 1995/1996 gemeinsam von Rolf Reiner und zwei Partnern gegründet. Zuvor hatte Reiner in Stuttgart Physik studiert und mit einer Arbeit über Systemtheorie und Synergetik promoviert. Danach arbeitete er in verschiedenen Instituten der Universität mit den Aufgaben Wirtschaftsadministration, Drittmittel- und Projektmanagement. i.con bietet Dienstleistungen im Schnittbereich zwischen universitärer Forschung und deren Umsetzung am Markt an. Zu den von i.con in den letzten beiden Jahren durchgeführten Projekten zählen die Koordinierung mehrerer Leitprojektanträge für Konsortien aus Wissenschafts- und Wirtschaftspartnern, die Erstellung einer Gründerbroschüre für technologieorientierte Unternehmensgründungen mit Schwerpunkt Biotechnologie und das Mitwirken bei der Gründeroffensive der Stadt Stuttgart (GO!).
4.5 Ein Unternehmen vor der Gründung
Ulrich Müller aus Schopfheim hat noch kein Unternehmen gegründet, aber die feste Absicht, dies zu tun. Seit März 1994 studiert Müller den Studiengang Product Engineering an der Fachhochschule Furtwangen mit der Vertiefungsrichtung Marketing. Nach dem Abschluß des Studiums will er gemeinsam mit einem Kommilitonen seines Studiengangs ein Dienstleistungsunternehmen gründen. Dies wird im Rahmen ihrer Diplomarbeit vorbereitet. Die geplante Firma soll computergestützte Bautenvisualisierung als Präsentations- und Verkaufshilfe anbieten. Potentielle Kunden sind Wohnungsunternehmen, Architekten oder Immobilienmakler. Das neue Unternehmen wird ihnen anbieten, geplante Bauten effektiv und kostengünstig darzustellen und den Kunden zu erläutern. Das Dienstleistungsangebot soll von der Erstellung visualisierter Bilder und Animationen [Seite der Druckausgabe: 49] über Beratungstätigkeiten bei der Entwicklung von Präsentations- und Kommunikationskonzepten bis zur Präsentation vor den potentiellen Bauherren reichen. Die mit Hilfe des Computers generierten Darstellungen von Architektur sollen auf detailgenaue und attraktive Weise aufzeigen, wie ein geplantes Bauprojekt nach seiner Fertigstellung aussehen wird. Durch Einbindung der vorhandenen Umgebung wird es sogar möglich sein, einen Bezug zwischen der Realität und dem noch virtuellen Objekt zu schaffen. Der Interessent kann seine Bauentscheidung somit aufgrund einer realitätsgetreuen Darstellung in der vorgesehenen Umgebung treffen. Grundlage für die Erstellung der photorealistischen Bilder sind dreidimensionale CAD-Daten, wie sie für die Nutzung herkömmlicher CAD-Programme meist schon zur Verfügung stehen. Andernfalls werden die CAD-Daten von Müller und seinem Partner aus Konstruktionszeichnungen oder Aufmaßskizzen angefertigt. Der Einsatz spezieller Software, die Licht, Lichteffekte und -verteilung sowie Material- und Oberflächenbeschaffenheit berücksichtigt, ermöglicht dann die Fertigstellung des realistischen Bildes. Animationen sind die konsequente Weiterführung der visualisierten Bilder. Sie sollen dem Kunden das Medium Film eröffnen und dadurch die Möglichkeit schaffen, den Interessenten das geplante Objekt bei Bedarf auf hochwertige Weise zu präsentieren. Mittels der Animationen können Walkthroughs und Rundflüge über das, einschließlich der echten Umgebung visualisierte Objekt realisiert werden. Die Zuhilfenahme virtueller Realität ermöglicht so das freie Erkunden der geplanten Objekte. Die Animationen werden für Video, CD-ROM oder Internet zur Verfügung stehen, in naher Zukunft wird auch die Übermittlung per Bildtelefon möglich sein. Die Motivation für die geplante Gründung hat Müller im Rahmen des Studienganges Product Engineering erhalten. Wie bereits dargestellt, durchlaufen die Studenten während ihres Studiums Projektstudien, bei denen konkrete Aufgabenstellungen von der Industrie in kleinen Gruppen bearbeitet werden. Während dieser Projektarbeit habe er festgestellt, daß ihm solch eigenständiges und eigenverantwortliches Arbeiten großen Spaß mache. Ihm sei klargeworden, daß er sich selbständig machen wolle. Zur Vorbereitung hierfür habe er zunächst eine Ideensammlung erstellt, bei der sich zehn Unternehmensideen ergaben. Diese Ideen habe er jeweils [Seite der Druckausgabe: 50] auf Marktchancen und Realisierbarkeit überprüft, wobei sich schließlich die Architekturvisualisierung als geeignetste Unternehmensidee herauskristallisiert habe. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |