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Hans-Jürgen Krupp

2. Internationale Finanzmärkte und reale wirtschaftliche Tätigkeit



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2.1 Zunehmende Verflechtung der Finanzmärkte

Die Welt wächst zusammen. Entwicklungsprozesse sind in Gang gekommen. Hierzu hat die Entwicklung auf den Finanzmärkten beigetragen. Geld und Kapital können sich heute in weiten Teilen der Welt frei bewegen und von Land zu Land wandern, wobei auch die Währung wechseln kann. Es hat sich ein Weltfinanzmarkt herausgebildet.

Die Weltwirtschaftsordnung - soweit es sie gibt - hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Internationalen Handel gibt es seit Jahrhunderten. Wirklich neu ist die Entwicklung auf den Finanzmärkten.

Dabei wird das Wachstum des weltweiten Kapitalverkehrs auch durch den kräftig gestiegenen Finanzierungsbedarf von Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern getragen. Und man sollte sich daran erinnern, daß die Erfahrungen mit einem Finanzierungsmodell, das in der privaten Kreditaufnahme der jeweils betroffenen Staaten bestand, nicht gerade gut waren. Die Verschuldungskrise der siebziger und achtziger Jahre hat die weltwirtschaftliche Entwicklung erheblich behindert. Der freie Kapitalverkehr verbessert also bei allen Problemen die Chancen dieser Länder zu einer Anhebung ihres Wohlstandsniveaus, übrigens auch mit positiven Auswirkungen auf die Nachfrage dieser Länder nach unseren Industriegütern. Insofern wird man das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können.

Dies gilt übrigens auch von der Seite des Kapitalangebots her. Hauptakteure auf den internationalen Finanzmärkten sind zunehmend institutionelle Kapitalanleger, die riesige Vermögen verwalten, die ihr Entstehen der weltweit zu beobachtenden Tendenz verdanken, die Alterssicherung auch weiterer Bevölkerungskreise im Wege der Kapitaldeckung zu realisieren. Um die in Aussicht gestellte und für den Sicherungszweck erforderliche Rendite zu realisieren, sind diese Anleger darauf angewiesen, auf tatsächliche oder erwartete kleinste Zinsdifferenzen und Kursänderungen sofort mit Portfolio-Umschichten zu reagieren, wobei häufig auch Verlagerungen von einem Währungsraum in den anderen vorgenommen werden. Traditionelle Verhaltensweisen, wie das Durchhalten von Papieren bis zur Endfälligkeit, sind in dieser Welt nicht selbstverständlich. Schnelle Kapitalumschichtungen und eine Orientierung an kurzfristigen Ergebnissen sind kennzeichnend. Die Folge ist eine explosionsartige Zunahme der Umsätze. Die Preisausschläge bei Zinsen und Wechselkursen als Reaktion auf neue Informationen sind heftiger und häufiger als früher. Markterwartungen dominieren in diesem Bild.

Wechselkurse werden damit überwiegend von Finanztransaktionen und nicht von Handelsvorgängen bestimmt. Man schätzt, daß heute rund 5 vH der Devisentransaktionen noch durch Handelsvorgänge bestimmt sind. Das heißt zugleich, daß die

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Lehrbuchweisheit, man könne mit dem Wechselkursmechanismus den Ausgleich von Handelsungleichgewichten erreichen, vor dem Hintergrund dieses empirischen Sachverhalts nicht aufrechtzuerhalten ist. In der praktischen Politik gibt es hierfür ohnehin genügend Belege.

Grundsätzlich kann an der Notwendigkeit funktionsfähiger internationaler Finanzmärkte kein Zweifel bestehen. Man kann an den amerikanischen und deutschen Aktienkursen ablesen, was passiert, wenn die institutionellen Kapitalanleger Investitionen in Schwellenländern aus guten oder schlechten Gründen nicht mehr für sicher halten. Die Wertsteigerungen an den deutschen und amerikanischen Aktienbörsen sind sicher nicht auf in diesem Umfang gestiegene Ertragserwartungen zurückzuführen. Sie sind Resultat des Tatbestandes, daß das Kapitalangebot deutlich höher ist, als sichere und ertragreiche Investitionsmöglichkeiten gesehen werden.

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2.2 Auswirkungen der zunehmenden Verflechtung der Finanzmärkte auf die Realwirtschaft

Dies ist nur ein Beispiel dafür, daß es selbstverständlich Beziehungen zwischen der sogenannten realen Wirtschaft und den Finanzmärkten gibt. Die Abgrenzung zwischen beiden ist schwierig und nicht lupenrein möglich. Spricht man von realer Wirtschaft, stellt man den Prozeß der Produktion von Gütern - und hierzu gehören auch Dienstleistungen - in den Mittelpunkt. Hierfür gibt es auch gute Gründe, ist doch die Produktion Quelle der Einkommensentstehung, die zugleich der Einkommensverwendung dient. Aber selbstverständlich gehört zur Produktion eben auch ihre Finanzierung. Insofern sind auch die Finanzmärkte Teile der „realen" Wirtschaft.

Dessen ungeachtet macht es Sinn, darauf hinzuweisen, daß sich das Geschehen auf den Finanzmärkten von der Produktion lösen kann, indem es sich an Informationen oder Signalen orientiert, die für und von den Finanzmärkten geschaffen werden und im Extremfall keine Beziehung zur Welt der Produktion, zur Einkommensentstehung und Einkommensverwendung mehr haben. Dies wäre ja auch nicht weiter problematisch, wenn die so entstandenen Informationen ohne Bedeutung für die Welt der Produktion wären. Dies ist nun aber nicht der Fall. Mit den Zinsen und Wechselkursen gibt es zwei ökonomische Größen, die sowohl die Entwicklung auf den Finanzmärkten bestimmen wie auch die Entwicklung in der Produktionssphäre.

Die klassischen Regelmechanismen der Marktwirtschaft werden damit partiell außer Kraft gesetzt.

Über die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften entscheiden Wechselkurse, die sich bestenfalls am Rande an den Handelsströmen orientieren, die sich aber weder kurz- noch mittelfristig auf die Kaufkraftparitäten einstellen. Die unter Ökonomen weit verbreitete Frage, ob man zumindest langfristig damit rechnen könne, daß Wechselkurse den Kaufkraftparitäten entsprechen oder zum Ausgleich der Leistungsbilanzen führen, ist rein akademisch. Sie nützt denjenigen nicht mehr, die aus Wechselkursgründen aus dem Markt ausscheiden.

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Ähnliches gilt für die Zinsentwicklung, wobei man streiten kann, ob nicht inzwischen die Wechselkurse ein sehr viel dominanterer Einflußfaktor auf Produktion und Beschäftigung einer nationalen Volkswirtschaft sind als die Zinsen.

Vieles spricht dafür, daß die langfristigen Zinssätze nach wie vor eine wichtige Investitionsdeterminante, zumindest im privaten Bereich, sind. Kein Zweifel kann daran bestehen, daß auch sie in hohem Maße international bestimmt werden. Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung amerikanischer und deutscher Langfristzinsen ist eng. Man hat wohl davon auszugehen, daß wenn überhaupt ein einzelnes Land noch Einfluß auf das internationale Zinsniveau hat, dieses in erster Linie die Vereinigten Staaten von Amerika sind.

Etwas anders liegt die Situation bei den Kurzfristzinsen, denen man heute über den Kreditkanal einen gewissen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung zugesteht. Hier gibt es einen Einfluß der nationalen Geldpolitik, freilich nur solange, wie diese keine wechselkursorientierte Geldpolitik betreibt. Tut sie dies, ist sie von der Geldpolitik des jeweiligen Ankerwährungslandes abhängig. Die Möglichkeit, die Zinspolitik an den nationalen Gegebenheiten zu orientieren, ist damit nicht vorhanden.

Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, um deutlich zu machen, daß von den modernen Finanzmärkten erhebliche Fehlsteuerungen auf die reale Wirtschaft ausgehen können. Die Beispiele dafür sind zahlreich; als jüngstes Beispiel sei die Süd-Ost-Asienkrise erwähnt, wo Umschläge in der Einschätzung der Finanzmärkte zu Wechselkurskonstellationen geführt haben, unter denen das Durchhalten auch eigentlich rentabler Produktionen nahezu unmöglich geworden ist.

Im Zusammenhang derartiger Argumentationen taucht dann freilich ein ganz anderes Argument zur Rechtfertigung des Einflusses der Finanzmärkte auf. Auch wenn man die Fehlsteuerung, die von den Finanzmärkten ausgeht, nicht leugnet, wie sollte man auch, wird darauf verwiesen, daß nur die Finanzmärkte in der Lage seien, Fehlentwicklungen offenzulegen, die auf Fehlverhalten einzelner Länder zurückzuführen seien. Zwar sei richtig, daß die Finanzmärkte überreagierten, aber sie seien letztlich die einzige objektive Korrekturinstanz.

Analysiert man die Einschätzungen der Finanzmärkte genauer, kann man nicht umhin, derartige Überlegungen im Reich der Märchen oder der konservativen Folklore anzusiedeln. Gerade am Beispiel der Asienkrise kann man zeigen, daß die immensen Kapitalzuflüsse nach Asien vor der Krise, für die dort gar nicht ausreichend rentable Investitionsmöglichkeiten bestanden, auf gravierende Fehleinschätzungen der Finanzmärkte zurückzuführen waren, die freilich den dortigen Regierungen durchaus entgegenkamen.

Genauso kann man feststellen, daß die dann folgende Hysterie erneut auf einer Fehleinschätzung beruhte, die freilich die Kraft in sich trug, die vermutete Fehlentwicklung tatsächlich durchzusetzen. Sicher gab es in einigen dieser Länder - die Situation war ja auch ganz unterschiedlich - Reformbedarf, der aufgrund von Fehleinschätzungen der Finanzmärkte zurückgestellt werden konnte. Genauso gilt, daß nun ganze Produktionen zusammengebrochen sind, weil die jetzige Einschät-

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zung der Finanzmarkte dazu führte, daß auch im Prinzip ertragreiche Produktionen nicht mehr finanziert werden konnten.

Finanzmärkte sind eben nicht klüger als alle anderen in der Wirtschaft Tätigen. Den Gefahren kollektiven Irrtums sind sie wahrscheinlich stärker ausgesetzt als diejenigen, die vor Ort ihr Geld durch Produktion verdienen müssen.

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2.3 Eine Änderung des weltwirtschaftlichen Ordnungsrahmens ist notwendig

Fehlsteuerungen, die immer wieder dazu führen, daß Wachstum und Beschäftigung in den Volkswirtschaften hinter dem zurückbleiben, was ohne solche Störeinflüsse möglich wäre, sollten beseitigt werden. Da der Rückfall in abgegrenzte nationale Volkswirtschaften erhebliche Wohlstandsverluste mit sich bringen würde, stellt sich die Frage, inwieweit der Ordnungsrahmen der Weltwirtschaft, insbesondere auf dem Gebiet der Währung, verändert werden kann und wieweit ein Ausbau der internationalen Zusammenarbeit hilfreich sein könnte.

Betrachtet man die Entwicklung der letzten 100 Jahre, sollte man das jeweilige Währungsregime nicht tabuisieren. Der weltwirtschaftliche Wandel, aber auch die Änderung politischer Strukturen, haben dazu geführt, daß die jeweiligen Währungssysteme jeweils nur eine begrenzte Zahl von Jahren funktionsfähig waren. Das 1973 entwickelte System flexibler Wechselkurse ist nun auch 25 Jahre alt und bedarf eines Neuansatzes. Der Versuch, zumindest in Europa mit dem Europäischen Währungssystem eine gewisse Begrenzung der Flexibilität zu erreichen, war erfolgreich, ist aber letztlich an nationalen Interessen und mangelnder Kooperation gescheitert. Insofern ist es zu begrüßen, daß mit der Europäischen Währungsunion ein weiterer Schritt zur Stabilisierung der Weltwährungsordnung ergriffen wird. Daß dieses in Europa geschieht, ist nicht überraschend, denn die Wachstumsentwicklung in Europa ist besonders durch die Währungsturbulenzen nach der Liberalisierung der Finanzmärkte beeinträchtigt worden.

Von der europäischen Währungsunion werden wesentliche Veränderungen der Weltwährungsordnung ausgehen, die über den Effekt des Wegfalls der Wechselkurse in den Ländern der Währungsunion hinausgehen. Mit dem Euro wird eine Währung entstehen, die dem Dollar in vielerlei Hinsicht vergleichbar ist, die von den Finanzmärkten weniger leicht angreifbar ist als die bisherigen nationalen Währungen, die D-Mark eingeschlossen. Es ist auch durchaus vorstellbar, daß die Eurolangfristzinsen weniger abhängig von den Dollarzinsen sein werden. Die Europäische Zentralbank wird als Vertreterin der Währung eines Wirtschaftsraums, der im Offenheitsgrad dem der USA vergleichbar ist, weniger als die der meisten bisherigen europäischen Zentralbanken auf die Wechselkursentwicklung Rücksicht zu nehmen haben. Insofern ist sehr wohl vorstellbar, daß die Europäische Währungsunion auch einen stabilisierenden Einfluß auf das Weltwährungssystem haben wird. Ob dies ausreicht, bleibt abzuwarten.

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Eine deutliche Verbesserung würde sich ergeben, wenn andere Wirtschaftsräume dem europäischen Beispiel folgen und gemeinsame Währungen einführen würden. Dieses ist auch durchaus möglich und sollte soweit wie möglich gefördert werden.

Sicher wären weitergehende Reformen der Weltwirtschaftsordnung wünschenswert. Hierzu gibt es ja auch durchaus bedenkenswerte Vorschläge.

Man darf aber nicht übersehen, daß sie in erheblichem Maße mit Durchsetzungsproblemen verbunden sind, jedenfalls solange es keine mit supranationalen Entscheidungskompetenzen verbundene Währungsbehörde oder gar eine Weltregierung gibt.

Man kann dies durchaus am Beispiel der viel diskutierten Tobin-Steuer veranschaulichen. Die Besteuerung von Devisentransaktionen könnte wahrscheinlich dazu führen, die Volatilität der Devisenkurse zu vermindern, weil damit zugleich die Renditemöglichkeiten von Portfolioveränderungen zwischen den Währungen eingegrenzt würden. Kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme brauchten dann für dieselbe Versorgungszusage größere Kapitalstöcke, was unter Risikogesichtspunkten wünschenswert wäre. Die entscheidende Frage ist, ob eine solche Steuer durchsetzbar wäre.

Einerseits geht es hier um die Interessen der institutionellen Anleger, die sich sicher wehren werden, wahrscheinlich auch unter Hinweis auf den „sozialen" Zweck ihrer Tätigkeit. Zum anderen ist die Konkurrenz der Finanzmarktstandorte groß. Man kann mit Sicherheit damit rechnen, daß es Standorte geben wird, die eine Devisentransaktionssteuer nicht einführen und sich davon Vorteile in der Konkurrenz der Finanzplätze versprechen - aller Voraussicht nach zu Recht.

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2.4 Internationale Zusammenarbeit ist notwendig

Die Liberalisierung der Kapitalmärkte hat dazu geführt, daß nationale Kompetenzen ausgehöhlt wurden, freilich nicht so weitgehend, wie immer behauptet wird. Teilweise sind an die Stelle nationaler Kompetenzen internationale getreten. Dies gilt sowohl für die Europäische Union wie für die Welthandelsorganisation WTO. Soweit dies freilich nicht der Fall ist, bleibt nur der Weg des Ausbaus der internationalen Zusammenarbeit.

Dieses ist ein schwieriges Feld, insbesondere wenn man damit handelspolitische Konsequenzen verbindet. Protektionistische Überlegungen sind dann meist nicht fern. Und man kann ja auch durchaus beobachten, daß an sich sinnvolle Vorschläge zur internationalen Zusammenarbeit als protektionistisch diffamiert werden. Deswegen ist folgende Klarstellung nötig:

Letztlich profitieren vom Welthandel alle Beteiligten, auch die Industrieländer, jedenfalls dann, wenn sie sich dem Strukturwandel nicht verweigern. Der internationale Handel lebt davon, daß Länder mit unterschiedlichen Produktivitäts-, Einkommens-, Sozial- und Umweltstandards miteinander Handel treiben. Die jeweiligen

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Unterschiede im Standard werden durch die Wechselkurse - mehr oder weniger gut - ausgeglichen. Handel kann nur Zustandekommen, wenn die schwachen Länder ihre Wettbewerbsvorteile ausspielen können, die insbesondere in niedrigen Sozial-, Einkommens-, zum Teil aber auch Umweltstandards liegen. Dies entspricht auch ihrer Produktivitätslage. Ihnen unsere Standards aufzuzwingen, heißt zugleich, die Grundlagen des Handels zwischen schwachen und starken Ländern zu beseitigen. Die immer wieder zu findende Vorstellung, man täte durch einheitlichen Standards den schwachen Ländern auch noch einen Gefallen, ist schlicht falsch. Man nimmt ihnen damit die Chancen ihrer Entwicklung. Im internationalen Handel sind Mindeststandards im Sozial- und Umweltbereich notwendig, die die gesellschaftlichen Vorstellungen in den schwachen Ländern zu sichern beitragen. Einheitliche Standards können aber nicht die Bedingungen gemeinsamen Handelns sein.

Ein zweites Argument, das immer wieder gegen internationale Zusammenarbeit eingewendet wird, geht von der These aus, daß es ausreiche, wenn jeder sein eigenes Haus, seine eigene Wirtschaft in Ordnung halte. Der Markt werde das übrige schon richten. Davon kann unter den Verhältnissen globalisierter Finanzmärkte keine Rede sein. Ganz im Gegenteil. Unter Umständen können Finanzmärkte an sich sinnvolle Bemühungen bestrafen, anstatt sie zu belohnen. Es sei nur an den Fall einer beschäftigungsorientierten Lohnzurückhaltung erinnert, mit dem man den Effekt einer Aufwertung ausgleichen will. Eine solche Anstrengung wird von den Finanzmärkten positiv bewertet, sie wird deswegen gleich darauf mit einer erneuten Aufwertung „bestraft", so daß die Anstrengung vergeblich bleibt.

Will man in der Welt die finanziellen Rahmenbedingungen stabilisieren, ist internationale Zusammenarbeit notwendig.

Die Möglichkeiten der Nationalstaaten, auf Wechselkursschwankungen wirtschaftspolitisch zu reagieren, sind begrenzt. Die nationalen Zentralbanken verfügen nicht über ausreichende Instrumente, um Wechselkursturbulenzen, die ihre Währung betreffen, zu vermeiden. Das gilt auch für große Länder, wie man an der japanischen Politik studieren kann. Das wird auch für den Euro gelten. Ein Politikkonzept, das davon ausgeht, daß es genüge, wenn jeder seine Ziele verfolge, um ein gesamtwirtschaftliches Optimum zu erreichen, jeder also seine Hausaufgaben mache, reicht nicht aus.

Auch in der Zeit nach Bretton Woods gibt es Beispiele für erfolgreiche weltweite währungspolitische Kooperation, besonders ist hier auf die Plaza- und Louvre-Vereinbarungen zu verweisen. Diese gelten zu Recht als erfolgreich. Übrigens hat das auch die Bundesbank in ihren Geschäftsberichten für die Jahre 1985 und 1987 ausdrücklich festgestellt. Schon damals wurden damit nicht alle ökonomischen Probleme gelöst, insbesondere der Abbau der amerikanischen Leistungsbilanzdefizite blieb hinter den Erwartungen zurück.

Richtig ist, daß diese Erfolge nicht von Dauer waren, man kann es auch anders sagen, in dem Maße, wie die Bereitschaft, derartige Abkommen zu treffen, zurückging, gewannen turbulente Entwicklungen wieder an Gewicht. Es war nicht die Schwäche

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der Plaza- und Louvre-Abkommen, die zu Problemen führte, sondern die Tatsache, daß dieser Typ von Abkommen keinen Nachfolger fand.

Das hatte freilich Gründe. Auf eine erfolgreiche Kooperation kann man nur setzen, wenn sie zumindest langfristig im wohlverstandenen Interesse aller in die Kooperation einbezogenen Akteure liegt. Ist die Kooperation ein Nullsummenspiel, bei dem nur das Ergebnis anders verteilt werden soll, ist ihr Zustandekommen unwahrscheinlich. Nur wenn alle Teilnehmer durch die Kooperation gewinnen können, und sei es auch in verschiedenen Dimensionen, wird diese zustandekommen.

Die Interessenkonstellation zur Zeit des Plaza-Abkommens förderte die Kooperation:

Der hohe Dollarkurs beeinträchtigte die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit und wirkte dämpfend auf die amerikanische Wirtschaft. Der von diesem Kurs ausgehende Inflationsimport in Europa machte dort geldpolitische Gegenmaßnahmen erforderlich, die bei einem anderen Dollarkurs unnötig gewesen wären. Bei einem niedrigen Dollarkurs konnte man also sowohl in den USA wie in Europa mit einer Expansion der Volkswirtschaft rechnen. Dies war der klassische Fall einer für alle Beteiligten sinnvollen und auch für die USA vorteilhaften Kooperation. Schon 1985 verweist die Bundesbank auf die Bedeutung der Mitwirkung der amerikanischen Währungsbehörden bei der Umsetzung des Plaza-Abkommens.

Stark vereinfachend kann man die Erfahrung der internationalen Kooperation auch so beschreiben: Sie war um so wahrscheinlicher, wie sie im amerikanischen Interesse lag. Die Interessenkonstellation könnte sich aber mit einem erfolgreichen Euro ändern. Es ist durchaus vorstellbar, daß der Dollar in diesem Falle die Weltwirtschaft nicht so dominiert, wie das bisher der Fall war und damit auch für die Amerikaner ein Interesse an mehr Zusammenarbeit entsteht. Insofern gibt es also durchaus realistische Chancen für mehr Zusammenarbeit, die den Finanzmärkten entgegentritt und zur Stabilisierung von Wechselkurs und Zinsen auf Niveaus sorgt, die Wachstum und Beschäftigung fördern, und so die Produktion in der „realen" Wirtschaft erleichtert.

Gelingt es durch internationale Zusammenarbeit, die Relationen zwischen den großen Währungen zu stabilisieren, wird sich als nächstes die Frage stellen, wie Fehlentwicklungen in „Kleinwährungen", so wie wir sie zur Zeit in Asien beobachten, vermieden werden können. Wichtig ist, daß die Eingriffe erfolgen, bevor es zu spät ist. Die Überlegungen des IWF an dieser Stelle sind durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, auch einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit. Allerdings wird auch der IWF lernen müssen, daß die Überschuldung von Staaten etwas anderes ist als die Unterfinanzierung privater Unternehmen und daß dementsprechend die Antworten verschieden sein müssen.

Die Asienkrise hat aber auch deutlich gemacht, daß es nicht nur um makroökonomische Probleme geht. Auch der einzelwirtschaftliche Ordnungsrahmen muß stimmen. Deregulierungswut ist gerade im Bereich von Banken und Finanzinstitutionen nicht angesagt. Manche Probleme in Asien hätten vermieden werden können, wenn zum Beispiel die Bankenregulierung internationalem Standard entsprochen hätte. Auch hier ist internationale Zusammenarbeit notwendig.

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Dies alles waren nur wenige Beispiele, die zeigen, daß sowohl eine Reform des weltwirtschaftlichen Ordnungsrahmens wie ein Ausbau der internationalen Zusammenarbeit notwendig sind, wenn man wieder verläßliche und stabile Rahmenbedingungen für das Wirtschaften vor Ort schaffen will.

Mit der Europäischen Währungsunion ist ein erster wichtiger Schritt gegangen. Dies wird nicht reichen. Wenn wir den freien Welthandel fördern wollen, gehört dazu gleichermaßen eine Abwehr des offenen und versteckten Protektionismus wie die Erkenntnis, daß sich die Probleme unserer einen Welt nur durch einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen lösen lassen. Dies ist eine wichtige Chance zur Lösung unserer Beschäftigungsprobleme, zugleich liegt hierin die entscheidende Chance für die Länder der sich entwickelnden Welt, die noch mehr als wir zum Spielball internationaler Finanzmärkte geworden sind. Wir alle sollten diese Chancen wahrnehmen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 1999

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