FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 10]

4. Bausteine einer fahrradfreundlichen Stadt

Die Stadtverkehrsplanung der Zukunft muß vor dem Hintergrund des drohenden "Verkehrsinfarktes" verstärkt auf den Umweltverbund aus Bus, Bahn, Fahrrad und Fußgänger setzen. Im Bereich des Fahrradverkehrs sind dafür allerdings noch viele Verbesserungen bestehender Strukturen bzw. die Einführung zukunftsweisender Elemente notwendig. Dazu gehören beispielsweise

  • attraktivere und komfortablere Fuß- und Radwegenetze,
  • mehr Bike+Ride-Systeme mit qualitativ hochwertigen Ausstattungen und ausreichenden Kapazitäten,
  • komfortable, sichere und architektonisch ansprechende Abstellmöglichkeiten sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich (Fahrradgaragen am Haus, vollautomatische Parkhäuser, Fahrradstationen, etc.),
  • flankierende restriktive Maßnahmen zur Bedeutungsverringerung des Autos,
  • PR-Maßnahmen zur stärkeren Wahrnehmung des Fahrrades in der Verkehrsmittelwahl und im Verkehrsgeschehen, u.v.m.

Viele Kommunen schrecken vor der Verwirklichung eines umfassenden Fahrradverkehrskonzeptes aufgrund der teilweise langen Vorbereitungszeiten und anfallenden Kosten zurück. Diese Bedenken sind jedoch in vielen Fällen unberechtigt, da es innerhalb des rechtlichen Rahmens viele kreative Möglichkeiten gibt, auch mit einfachen Mitteln den Fahrradverkehr stärker zu berücksichtigen und zu fördern. Die Anzahl der verfügbaren Fahrräder steigt ständig mit einem Trend zu wertvolleren, sportlichen Rädern. Von der Akzeptanz der kommunalen Fahrradverkehrskonzepte bei den Bürgerinnen und Bürgern hängt es allerdings ab, ob diese Fahrräder überwiegend im Freizeitbereich zum Einsatz kommen oder aber stärker als Verkehrsmittel für den städtischen Kurzstreckenbereich genutzt werden (vgl. MSV, 1994). Die Akzeptanz wiederum wird durch Qualität im Sinne nachfragegerechter und situationsangepaßter Lösungen erreicht.

[Seite der Druckausgabe: 11]

Page Top

4.1 Die Anlage eines Fahrradwegenetzes

Zu den wichtigsten Aufgaben im Rahmen der Infrastrukturverbesserung für den Fahrradverkehr gehört die Schaffung dichter und geschlossener Radwegenetze. Dazu gehören beispielsweise straßenbegleitende und straßenunabhängige Radwege, Radfahrspuren, kombinierte Rad- und Gehwege, Fahrradstraßen, "blinde" Einbahnstraßen oder für den Radverkehr geöffnete Fußgängerzonen. Analog zum Autoverkehr ist auch bei der Anlage von Fahrradverkehrsnetzen eine hierarchische Ausdifferenzierung von der ortsteilübergreifenden Hauptverbindung bis zu kleinen Straßen und Wegen notwendig. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Fahrradverkehr sehr umwegempfindlich ist (MSV, 1994). Im Rahmen dieser Broschüre soll nur auf örtliche Radwegenetze bzw. Radwege in kommunaler Baulast eingegangen werden.

Page Top

4.1.1 Bauliche Anlage von Radwegen

Viele Konzepte zur Fahrradverkehrsförderung leiden heute noch immer unter der Beschränkung dieses Themas auf die rein quantitative Anlage von Radwegen, ohne situationsbedingte, qualitative Individuallösungen anzubieten. Eines der häufigsten Elemente solch einer "quantitativen" Planung ist die Anlage von Bordsteinradwegen, die viele Defizite aufweisen und für den Radfahrer nicht nur an den kritischen Stellen die konflikthafteste, unsicherste Lösung darstellen:

  • Der Radfahrer wird als fahrender Verkehrsteilnehmer von der Fahrbahn in die Seitenlage und damit aus dem Gesichtsfeld des Autofahrers herausgenommen. Dadurch ergeben sich zwei dominante Unfalltypen:
    1. Der Autofahrer rechnet nicht mehr mit Fahrradverkehr und kollidiert beim Abbiegen mit einem geradeaus weiterfahrenden Radfahrer.
    2. Es kommt zu Kollisionen zwischen Autos und Fahrrädern im Bereich privater Einfahrten.

[Seite der Druckausgabe: 12]

  • Andere Unfallgefahren im Bereich von Bordsteinradwegen entstehen durch plötzlich geöffnete Türen an parkenden Autos oder den Konfliktfall zwischen Radfahrern und Fußgängern.

Auch die Breitenbemessung der Radweganlagen ist oft problematisch. Zukunftsplanungen müssen über jetzige "1 m"-Lösungen hinausgehen, um die angestrebte Zunahme des Fahrradverkehrs auch bewältigen zu können.

Andere Negativbeispiele für ungünstige Radweglösungen sind beispielsweise

  • unbenutzbare Radwege durch abgesackte Fahrwege, Schlaglöcher, herausstehende Kanaldeckel/Gullis und zu wenig Pflege.
  • Die "Billiglösung" der bloßen Abmarkierung und
  • die Umwidmung von Bürgersteigen zu kombinierten Fuß- und Radwegen reichen nicht aus, wenn diese Maßnahmen zu Platzmangel führen und keine Alternativen auf der Straße vorgesehen sind.
  • Radwege mit einer Breite unterhalb der Norm von 1 m lassen v.a. auf langen Strecken keine Überholmöglichkeiten zu und werden vom Radfahrer in der Regel nicht akzeptiert. Zu schmale Radwege vergrößern außerdem die Unfallgefahren durch parkende Autos am Straßenrand.
  • An Kreuzungen ohne entsprechende Radweglösungen behindern sich Fahrradfahrer und Fußgänger gegenseitig, und für den Radfahrer entstehen Gefahren durch abbiegende Autos.

Die meisten Positivbeispiele stammen aus den Niederlanden. Hier bieten beispielsweise die sog. "Velo-Routen" mit einer Fahrbahnbreite von 4 m sowohl stadtteilübergreifend als auch z.T. innerstädtisch dem Radfahrer kilometerlange eigene Trassen an. Diese sind schnell, leistungsfähig und bieten angepaßte Knotenpunktslösungen.

[Seite der Druckausgabe: 13]

Page Top

4.1.2 Radfahrstreifen im Straßenraum

Wo die bauliche Anlage separater Radwege nicht möglich ist, kann kreativ mit der Abmarkierung von Radfahrstreifen im Straßenraum gearbeitet werden.

  • Durch die Auflösung separater Abbiegespuren zu einer sog. "Kombinationsspur" kann Platz für die Abmarkierung von Radfahrstreifen links und rechts der Autospur geschaffen werden. Dies ist ein Beispiel für eine kompakte Kombinationslösung im Kreuzungsbereich ohne Leistungseinbußen für den Kraftverkehr.
  • Die Erhöhung der Sicherheit von Radfahrstreifen kann mittels durchgezogener bzw. unterbrochener Abstandsmarkierungen zu parkenden Autos erreicht werden, die einen Sicherheitsabstand von mindestens 50 cm, besser noch 70 cm schaffen.
  • Im Bereich von Knotenpunkten kann der Einsatz profilierter Markierungen (als akustisches Warnsignal) oder flächenhafter Einfärbungen größere Sicherheit bieten. Diese Maßnahmen sollten aber aus Kosten- und ästhetischen Gründen (Probleme z.B. durch alternde Farbe) auf diese Gefahrenzonen beschränkt bleiben.
  • Im Bereich von Schulen ist es durchaus möglich, auf Straßen mit nur 6 m Gesamtbreite trotzdem großzügige Radspuren einzurichten, um das ohnehin "undiszipliniertere" Verkehrsverhalten von Schülern abzusichern.
  • Die Ausweisung von Radspuren auf hochbelasteten Straßen ist zu vertreten, wenn beispielsweise statt einer einfachen Markierung die Radspur durch eingelassene Pflastersteine oder sogar Poller baulich manifestiert wird bzw. wenn man auffälligere Markierungen einsetzt.
  • Als ein wichtiger Einzelbaustein einer fahrradfreundlichen Stadt gilt die sog. "Velo-Weiche", die mit baulichen und Markierungsmaßnahmen den abbiegenden Verkehr in Auto- und Fahrradspur unterteilt. Der durch die Verbauung annähernd "rechtwinklig" gewordene Abbiegewinkel für Pkws und der Hinweis auf Radfahrer zwingen den Autofahrer zu einem

[Seite der Druckausgabe: 14]

    langsameren Abbiegen und reduzieren so das Unfallrisiko in entsprechenden Straßensituationen erheblich.

  • Ein Beispiel aus Troisdorf stellt als ein Einzelelement für eine fahrradfreundliche Stadt eine Einfahrthilfe im Anschluß an eine abschüssige Straße dar. Hier kanalisieren Verkehrsinseln den Autoverkehr auf eine Verengung, was zur Reduktion der Fahrgeschwindigkeit führt, und schaffen zugleich einen abgetrennten Raum für Fahrradfahrer.

Dort, wo für die Ausweisung eigener Radfahrstreifen nicht genügend Platz ist, kann mit der Abmarkierung von Radspuren oder sog. Suggestivstreifen gearbeitet werden. Dabei handelt es sich um Fahrbahnteile, die durch Markierungen vom rechten Fahrbahnrand abgeteilt und dem Fahrradverkehr vorbehalten sind, im Bedarfsfall aber auch vom Kfz-Verkehr mitbenutzt werden können. Die Ausweisung von Suggestivstreifen eignet sich beispielsweise für hochbelastete, auch von Schwerverkehr befahrene Straßen mit nur geringen Fahrbahnbreiten. Die Abmarkierung eines Suggestivstreifens ist zwar straßenverkehrsrechtlich unverbindlich, leistet als Hinweis auf Radfahrer aber gute Dienste (vgl. MSV, 1994). Problematisch bis unmöglich wird die Ausweisung von Radspuren in hochverdichteten Bereichen mit großem Parkdruck. Bei mittlerem Parkdruck kann mit Halteverboten und einer entsprechend scharfen Kontrolle gearbeitet werden.

Page Top

4.1.3 Entschärfung von Knotenpunkten/Signalisierung

  • Die Einrichtung von Radspuren im Bereich von Knotenpunkten kann u.a. im Rahmen der o.g. "Kombilösung" realisiert werden.
  • Im Bereich von Knotenpunkten ist die frühzeitige und direkte Einfädelung des Radfahrers sinnvoll, auch um ein "Inselspringen" zu vermeiden. Bei entsprechenden Markierungen kann beispielsweise mit Einfärbungen gearbeitet werden.
  • Eine andere Lösung im Bereich von Knotenpunkten ist die Einrichtung einer Aufstellzone vor der Haltelinie für Pkws. Die Radfahrer stehen dabei in einem eigenen Bereich vor dem

[Seite der Druckausgabe: 15]

  • Sichtfeld der Autofahrer. Sie sind dadurch erstens nicht mehr so stark den Abgasen wartender Autos ausgesetzt (im Wartebereich beträgt die Abgasentwicklung +60%), und zweitens brauchen keine gesonderten Abbiegespuren für Radfahrer eingerichtet zu werden.
  • Im Kreisverkehr kann entgegen früherer Erkenntnisse heute auf gesonderte Fahrradspurmarkierungen verzichtet werden, wenn dafür die Fahrbahn so verengt wird, daß es für den Autoverkehr keine Überholmöglichkeiten mehr gegenüber Radfahrern gibt.
  • Beispiele aus Troisdorf zeigen, wie unübersichtliche Knotenpunkte mit Hilfe einfacher Gestaltungselemente (Markierungen, Beläge) entwirrt werden können.
  • Ein wichtiges Element einer fahrradfreundlichen Verkehrslösung ist die Berücksichtigung des Radfahrers bei der Signalisierung. Eine eigene Anforderungsmöglichkeit für Grünphasen ist beispielsweise durch die kombinierte Anlage von Schleifen und einem entsprechenden, technisch ohne weiteres realisierbaren Signalgeber an Ampeln möglich. Auch ist die Schaltung einer eigenen Grünphase für Radfahrer denkbar.

Viele der genannten Elemente einer sinnvollen Lösung zur Entschärfung von Knotenpunkten zeigt Abbildung 3 in der Heftmitte.

Page Top

4.2 Maßnahmen der Verkehrsregelung

Neben der Anlage von Radwegen bzw. der Abmarkierung von Radfahrspuren und -streifen im Straßenraum tragen auch Elemente der Verkehrsregelung zu einem fahrradfreundlichen Gesamtkonzept bei. Zu nennen sind hier die Themen fahrradfreundliche Verkehrsberuhigung, Öffnung von Fußgängerzonen und Einbahnstraßen, Fortführung von Sackgassen, Anlage von Fahrradstraßen und kombinierten ÖPNV- und Fahrradspuren.

[Seite der Druckausgabe: 16]

Page Top

4.2.1 Fahrradfreundliche Maßnahmen der Verkehrsberuhigung, Öffnung von Fußgängerzonen

Die flächenhafte Einführung von Tempo-30-Zonen macht in vielen Fällen aufwendige Sondereinrichtungen für den Fahrradverkehr überflüssig. Dennoch sollte das Thema Verkehrsberuhigung bewußt fahrradfreundlich umgesetzt werden. Dies bedeutet in der Realität u.a. den Verzicht auf Schwellen, die zwar den Autoverkehr verlangsamen, den Radfahrer aber gefährden. Auch Netzsperren sollten so aufgestellt werden, daß sie für den Fahrradverkehr durchlässig sind und ihn sicher in die anschließende Straße einfädeln.

Die Anlage von Fußgängerzonen stellt sich oftmals als Barriere für den Fahrradverkehr dar. Je nach Fußgängerfrequentierung kann hier eine generelle oder zumindest temporäre Öffnung für den Radverkehr die ursprüngliche Fahrradbeziehung wieder herstellen (vgl. MSV, 1994).

Page Top

4.2.2 Öffnung von Einbahnstraßen, Fortführung von Sackgassen, Fahrradstraßen

Eine weitverbreitete Kombinationsmöglichkeit von Einbahnstraßenregelungen mit einem Ausbau des Radverkehrsnetzes ist die "unechte" Einbahnstraße. In der Regel reichen für diese Maßnahme die Beschilderung und einfache Markierungen des Ein- und Ausfahrtsbereichs aus.

Sackgassen können als Fahrradwege weitergeführt und so in das Fahrradwegenetz integriert werden. Dabei ist eine entsprechende Beschilderung für den Radfahrer notwendig (vgl. MSV, 1994).

Auf sog. Fahrradstraßen muß sich der Auto- dem Fahrradverkehr unterordnen, sofern Pkws überhaupt zugelassen sind. Fahrradstraßen können als Radwege definiert werden, die die ganze Fahrbahnbreite einnehmen. Sie werden dort eingesetzt, wo es im Zuge von Radverkehrsachsen zu einer starken Bündelung des Fahrradverkehrs kommt (vgl. MSV, 1994).

[Seite der Druckausgabe:17 ]

Page Top

4.2.3 Kombinierte ÖPNV- und Fahrradspuren

Die ÖPNV- und Fahrradverkehrsförderung können durch die Anlage gemeinsamer Spuren kombiniert werden, wie es das Beispiel Bonn im Innenstadtbereich zeigt. Auch in der Schweiz gibt es Beispiele für die Reservierung des rechten Fahrstreifens für den kombinierten Bus- und Fahrradverkehr, der von Privat-Pkw nur beim Rechtsabbiegen durchfahren werden darf. Diese Einrichtung stellt sich für den Radfahrer als schnelle und komfortable Lösung dar.

Page Top

4.3 Wege zum Umweltverbund: Bike+Ride und Fahrradstationen

Die kombinierte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad im Rahmen des Umweltverbundes setzen eine entsprechende Infrastruktur v.a. im Bereich der Fahrradabstellanlagen als Schnittstellen zwischen Fuß-, Fahrrad- und öffentlichem Verkehr voraus. So muß beispielsweise die Deutsche Bahn AG auch den Radfahrer als potentiellen Kunden erkennen und viel stärker in ihre Bahnhofsplanung einbeziehen, wie dies in den Niederlanden schon lange geschieht. Eine solche Kombination von öffentlichem und nicht-motorisiertem Verkehr kann schwerpunktmäßig in ein kommunales Verlagerungskonzept integriert werden. Das Thema Bike+Ride bietet daher in mehrfacher Hinsicht Ansatzpunkte für "public-private partnerships".

Der Blick in die Niederlande zeigt, wie groß dort die Akzeptanz der "Mischlösung" aus Fahrrad- und Bahnfahren ist. Der holländische Zubringerverkehr zum Bahnhof wird zu 40% vom Fahrrad abgedeckt, und sogar 14% aller Nahtransporte - z.B. zum Arbeitsplatz - entfallen auf das Rad. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wird das Fahrrad gerade einmal bis zu 5% als Zubringerverkehrsmittel genutzt (MSV, 1994). Dies liegt vor allem daran, daß hierzulande die meisten Bike+Ride-Anlagen - sofern überhaupt vorhanden - unterdimensioniert, oftmals unbedacht und ohne ausreichende Sicherungsmöglichkeiten für wertvollere Fahrräder sind.

[Seite der Druckausgabe: 18]

Eine effektive Station sollte dagegen über mindestens 200 überdachte Stellplätze verfügen und ein Angebot von abschließbaren Fahrradboxen für Rad und Zubehör bereitstellen. Der letzte Punkt gewinnt v.a. in Anbetracht des mittlerweile organisierten Fahrraddiebstahls zunehmende Bedeutung. Heute existieren umfangreiche Erkenntnisse über die sinnvolle und anforderungsgerechte Konzeption von Fahrradabstellanlagen, wie Punkt 4.4 zeigt. Die finanzielle Förderung von Bike+Ride-Systemen ist im Rahmen des Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetzes (GVFG) möglich, wenn die Anlage verkehrlich sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar ist. Im Bereich von Stadtbahnstrecken können Bundesfinanzhilfen und Landesmittel einen Großteil der Kosten decken. Zur Zeit liegt der förderungswürdige Höchstbetrag bei den Kosten pro Stellplatz ohne Grunderwerb bei 1.500,- DM, was die meisten marktgängigen Systeme inklusive Diebstahl- und Witterungsschutz abdeckt (MSV, 1994).

Ein effektives Bike+Ride-Konzept läßt sich in Mittel- und Großstädten mit ihrem relativ großen Potential am besten über die Einrichtung von Fahrradstationen abwickeln, was wiederum das Beispiel Niederlande mit seinen ca. 100 Stationen zeigt. Die Fahrradstation Utrecht bietet 3.000 Stellplätze und plant eine Erweiterung auf 6.000. In dieser mehrgeschossigen Anlage kann man sein Fahrrad sicher abstellen und auch warten bzw. reparieren lassen. Fahrrad-Neuverkauf, -verleih bzw. -Leasing werden in diesem integrierten Konzept genauso angeboten, wie die Möglichkeit, sich vor Ort beispielsweise einen Kaffee und die Zeitung zu kaufen.

Eine Alternativlösung für Klein- und Mittelstädte, in denen sich der Betrieb einer Fahrradstation nicht lohnt, stellt beispielsweise eine public-private-partnership zwischen DB und einem privaten Fahrradhändler dar. Dabei könnte der Händler nicht mehr benötigten Raum im Bahnhofsbereich von der DB zu günstigen Konditionen mit der Auflage zur Verfügung gestellt bekommen, als Gegenleistung Abstellmöglichkeiten im Sinne einer kleinen Fahrradstation bereitzuhalten. Diese Lösung könnte sich im Hinblick auf die kommunale Finanzlage generell als günstige Alternative zur Einrichtung einer erheblich teureren, "vollwertigen" Fahrradstation etablieren.

[Seite der Druckausgabe: 19]

Mit den Themen Bike+Ride bzw. Fahrradstationen ist bereits ein Aspekt des ruhenden Fahrradverkehrs angesprochen worden.

Page Top

4.4 Der ruhende Fahrradverkehr

4.4.1 Wohin mit dem Fahrrad? Abstellmöglichkeiten an den Quell- und Zielpunkten des Fahrradverkehrs

Ausreichende und adäquate Abstellanlagen für den Radverkehr sind für ein fahrradfreundliches Verkehrskonzept genauso wichtig wie ein sicheres, qualitativ hochwertiges Radwegenetz. Der jeweilige Bedarf an Stellplätzen hängt in der Regel von der Parkdauer (Sicherheit!) und Frequentierung (Standort) ab: "Wild geparkte Fahrräder sind ein guter Indikator dafür, wo Fahrradstellplätze fehlen. Nicht genutzte Abstellanlagen sind ein Indikator für einen falsch gewählten Standort" (ADFC/SRL, 1995: 2). Generell gilt, daß Fahrradabstellanlagen so nah wie möglich an den Quell- und Zielorten der Radfahrer liegen sollten.

Eine einfache Möglichkeit, Fahrradstellplätze zu schaffen, ist die Reservierung von Pkw-Parkflächen für Radfahrer im Straßenraum. Der Flächenbedarf eines Fahrradstellplatzes beträgt etwa ein Achtel eines Pkw-Parkplatzes und kostet bei vergleichbarem Aufwand nur ca. 10% (ADFC/SRL, 1995). Generell stellt sich in diesem Zusammenhang das Problem des Flächenverbrauchs durch den ruhenden Pkw-Verkehr. Im Innenstadtbereich ist davon beispielsweise auch die Anlage angemeßener Fußwege betroffen. Hier ist an die Verlagerung parkender Pkws in Tiefgaragen zu denken.

Ebenso wichtig wie die Bereitstellung von Stellplätzen an den Zielpunkten des Fahrradverkehrs ist die Installation von Abstellanlagen im privaten Bereich als Anreiz für eine häufigere Fahrradnutzung. Die Überwindung von Kellertreppen für die Bereitstellung bzw. das Abstellen des Fahrrades stellt sich als elementares Hindernis für eine bequeme und spontane Nutzung dar. Abstellmöglichkeiten im Eingangsbereich des Hauses sind oftmals nicht gegeben und/oder

[Seite der Druckausgabe: 20]

zu unsicher. Diese Fragen sind heute noch nahezu ungelöst und verlangen nach Konzepten von der baurechtlichen bis zur architektonischen bzw. gestalterischen Ebene. Politik und Verwaltung könnten auch in diesem Bereich durch entsprechende Förder- und Informationsprogramme den Prozeß vorantreiben.

Die allgemeinen Anforderungen an einen modernen Fahrradabstellplatz sind aus der Sicht des Nutzers (vgl. u.a. ADFC, 1991):

  • Komfort, d.h. gute Erreichbarkeit (schnell, sicher und ohne absteigen zu müssen), Übersichtlichkeit, ausreichende Abstände zwischen den Stellplätzen, die Möglichkeit des Vorwärtsein- und -ausparkens, ausreichender Witterungsschutz (Überdachung) etc.
  • Hohe Sicherheit für den Radfahrer und sein Fahrrad u.a. durch eine helle und übersichtliche Gestaltung der Anlage, robuste Anschließmöglichkeiten für das Fahrrad (Rahmen und mindestens ein Laufrad) oder auch das Angebot von Gepäckschließfächern in der Nähe des Abstellplatzes.
  • Fahrradgerechtigkeit, d.h. Anlehn- statt Klemmprinzip (s.u.), gute Standfestigkeit (Sicherung gegen Umkippen).
  • Gute Verkehrsanbindung an Fahrradwege und andere radfahrerfreundliche Straßen einschließlich nutzerfreundlicher Verweise in Radwegeplänen.
  • Geringe fußläufige Entfernung zu den Hauptzielen, für die die Abstellanlage eingerichtet ist bzw. gute ÖPNV-Anbindung.

Die Anforderungen aus Sicht der Aufsteller sind v.a. der Beitrag zur Fahrradverkehrsförderung und die ordnende Funktion der Abstellanlagen (vgl. LÜERS, 1995). Letzter Punkt erhält besonders in Anbetracht der überall beobachtbaren "Fahrradmeere" beispielsweise vor Haltestellen des ÖPNV, an Bahnhöfen oder vor Universitätsinstituten besondere Bedeutung.

Der Konzeption von Abstellanlagen müssen die Abmessungen eines Fahrrades zugrundeliegen (vgl. Richtlinien des ADFC; LÜERS,

[Seite der Druckausgabe: 21]

1995), was oftmals aus Platzgründen in der Realität nicht der Fall ist:

  • Länge: ca. 2 m
  • Breite: am Lenker bis 75 cm; durch Spiegel, Kindersitze, Satteltaschen etc. jedoch bis 1,40 m. Zwischen den Abstellplätzen sollten sich zusätzlich begehbare Abstände befinden, um das Rad bequem erreichen zu können und Verhakungen bzw. Beschädigungen zu vermeiden.
  • Höhe: bis 1,40 m, da Kindersitze o.ä. berücksichtigt werden müssen.

Die Vorteile des Kurzstreckenverkehrsmittels Fahrrad (Freizügigkeit, Bequemlichkeit und Schnelligkeit) werden durch Diebstahlsgefahr und ein Beschädigungsrisiko eingeschränkt, wenn sichere Fahrradabstellanlagen am Zielort fehlen (vgl. LÜERS, 1995). Der ADFC (1991) empfiehlt im FAF2 (ADFC-Reihe "Fakten-Argumente-Forderungen"), Anschließmöglichkeiten für Rahmen und mindestens ein Laufrad anzubieten sowie auf eine gute Standfestigkeit zu achten. Diese Voraussetzungen kann beispielsweise das Klemmprinzip der weit verbreiteten Vorderradhalter ("Felgenkiller") nicht erfüllen. Besser ist das Anlehn- oder Bügelprinzip, das eine hohe Standfestigkeit und gute Sicherungsmöglichkeiten bietet. Die Installation der aufwendigeren Bügel oder Wandgeländer kanalisiert darüber hinaus den ruhenden Fahrradverkehr, da die Besitzer wertvoller Räder ohnehin nach Anlehnmöglichkeiten im Straßenraum suchen und das Klemmprinzip nicht akzeptieren (vgl. LÜERS, 1995). Auch das oft angebotene Hängeprinzip ist keine zeitgemäße Lösung, da zu geringe Abstände eine Beschädigungsgefahr für die Vorderradfelge darstellen und der für eine Benutzung erforderliche hohe Kraftaufwand die Anlage beispielsweise für Frauen oder Kinder unattraktiv macht.

Mit zunehmender Abstelldauer steigen die Ansprüche des Fahrradbesitzers an einen Witterungs- und Diebstahlschutz der Abstellanlage. Für Langzeitparker sind daher überdachte Stellanlagen

[Seite der Druckausgabe: 22]

wichtig. Einzäunungen und eine entsprechende Schlüsselausgabe an einen engen Personenkreis erhöhen die Sicherheit der Anlage. Noch besser ist die Nutzung von Innenhöfen oder geschlossenen Räumen (vgl. das Thema Fahrradstationen: Punkt 4.3). Wo dies nicht möglich ist, bieten Fahrradgaragen bzw. -boxen oder Fahrradhäuschen (Hamburg) eine Alternative zu offenen Fahrradstellplätzen (ADFC, 1991; LÜERS, 1995). Das Prinzip der Fahrradboxen kommt v.a. in Bahnhofsbereichen zur Anwendung. Es bietet zwar eine vergleichsweise hohe Sicherheit und einen guten Witterungsschutz, Kritiker monieren allerdings das Problem des Vorwärts-/Rückwärtseinparkens und die damit einhergehende Beschmutzungsgefahr für Hände und Kleidung. Außerdem seien die meisten Boxen für potentielle Diebe von außen einsehbar.

Gestaltung bzw. Ausführung und damit der Nutzwert einer Fahrradabstellanlage entscheiden also über ihre Akzeptanz bei Radfahrern. In der Realität zeichnen sich heute die meisten Stellplätze allerdings durch eine Vielzahl von Problemen aus. Zu geringe Breiten verhindern die optimale Ausnutzung aller Stellmöglichkeiten, ungünstige Verhältnisse von Materialaufwand zur Anzahl der Stellmöglichkeiten haben eine schlechte Kosten-Nutzen-Relation zur Folge, unbedachte Abstellmöglichkeiten bieten keinen Witterungsschutz und werden deshalb kaum genutzt, und ästhetisch bzw. architektonisch unbefriedigende Lösungen verhindern eine breite Akzeptanz.

Die gesetzliche Grundlage für den Bau von Fahrradstellplätzen sind die Landesbauordnungen, die aber auch in den Novellen von Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen zwar die Pflicht zur Einrichtung von Fahrradstellplätzen vorschreiben, aber nicht nach unterschiedlichen Abstellzeiträumen (kurz-, mittel-, langfristig) und damit unterschiedlichen Nutzeransprüchen differenzieren: "Auf der bestehenden gesetzlichen Grundlage können im wesentlichen nur 'Einheitsanlagen' entstehen" (LÜERS, 1995: 4). Die Überlegungen zur Konzeption einer Fahrradabstellanlage sollten aber in jedem Fall den Aspekt berücksichtigen, daß deren Qua-

[Seite der Druckausgabe: 23]

lität über das Maß einer Verkehrsverlagerung wesentlich mit entscheidet und dadurch

  • das umweltgerechte Verkehrsverhalten fördert,
  • auch Besitzer wertvoller Fahrräder ansprechen kann,
  • das Fahrrad als Verkehrsmittel sogar für höhere Käuferschichten attraktiv machen kann und
  • keinen Engpaß mehr für Radfahrer mit Gepäck darstellen muß.

Hier sind also die Kreativität von Architekten und Bauherren sowie der politische Durchsetzungswille der verantwortlichen Kommunalpolitiker gefragt. Dies gilt noch mehr im privaten Bereich, der differenzierte Abstellmöglichkeiten vor, in und hinter dem Haus erfordert, wenn man das Verlagerungspotential im Kurzstreckenbereich ernsthaft ansprechen möchte (vgl. LÜERS, 1995). In Bundesländern ohne Verankerung einer Fahrradstellplatzpflicht in der Landesbauordnung kann dieses Manko durch kommunale Satzungen ausgeglichen werden (vgl. ADFC/SRL, 1995). Als Fazit können aus planerischer Sicht folgende wichtige Optimierungskriterien für Fahrradabstellanlagen festgehalten werden:

  • der tatsächliche Stellplatzbedarf im privaten und öffentlichen Bereich sowie die Berücksichtigung der Klientel und der Parkzeiten,
  • beabsichtigte ordnende und verkehrliche Funktionen der Abstellanlage,
  • die Lage und Größe geeigneter Abstellflächen,
  • die Güte der Fahrradabstellanlage,
  • die logistische Eignung und verkehrliche Anbindung,
  • die Anpassung an architektonische und geometrische Randbedingungen sowie
  • wirtschaftliche Aspekte.

Da es keine optimale Fahrradabstellanlage gibt, ist es wichtig, ein abgestuftes Angebot vorzuhalten, das sich an den unterschiedlichen

[Seite der Druckausgabe: 24]

Ansprüchen an verschiedenen Zielorten bzw. den unterschiedlichen Parkzeiten orientieren muß (LÜERS, 1995).

Generell gilt, daß die jeweils beste Lösung nicht die teuerste, zugleich aber die billigste Alternative nicht die preiswerteste sein muß. Die Kosten für einen Fahrradstellplatz hängen von seiner technischen Ausstattung, den Grunderwerbs- und den Baukosten ab. Das Bügelprinzip kostet 150-250,- DM, eine Fahrradbox 1.000-1.500,- DM. Diese Zahlen müssen in Relation zu den Kosten für einen Autostellplatz betrachtet werden, die je nach Aufwand zwischen DM 7.000 und DM 70.000,- betragen können (ADFC/SRL, 1995). Der ADFC schlägt im Verbund mit der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL; 1995) die Einrichtung von Parkplatzgesellschaften zur Einrichtung und zum Betrieb von Fahrradabstellanlagen vor. Die Finanzierung könnte nach dem Vorbild der ÖPNV-Subventionierung erfolgen. Darüber hinaus fordern ADFC und SRL bessere Förderungsmöglichkeiten nach dem Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz (GVFG), dem Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und dem Finanzausgleichsgesetz (FAG). Schließlich ist für die Bereitstellung hochqualitativer Abstellanlagen an Quell- und Zielpunkten die Erhebung von Nutzungsentgelten denkbar, wie es das Beispiel Niederlande zeigt.

Page Top

4.4.2 Lösungen für den Radverkehr von morgen: Automatische Fahrradparkhäuser

Die Vorstellung eines allgemein angehobenen modal split-Anteils des Fahrradverkehrs wirft die Frage auf, wie der ebenfalls zunehmende ruhende Verkehr in zentralen Lagen aus dem Straßenraum herausgenommen werden kann. Eine zukunftsorientierte Lösung bieten in diesem Zusammenhang automatische Parksysteme für Fahrräder unter Berücksichtigung der o.g. Mängel herkömmlicher Abstellanlagen bzw. der angeführten Optimierungskriterien. Vorreiter ist eine halbautomatische Anlage in den Niederlanden, die nach dem Dreh- bzw. Revolverprinzip arbeitet.

[Seite der Druckausgabe: 25]

Ein bundesdeutsches Beispiel ist das Fahrradhaus Meißen, welches im November 1995 fertiggestellt wurde. Dieses Modell hat ein Fundament mit einem Durchmesser von 7 m und eine als Pavillon gestaltete Umhausung, die im Durchmesser 6,70 m mißt. Die Höhe der Anlage beträgt überirdisch 4,60 m und ist zu 1,92 m in das Erdreich eingelassen. Der Preis ohne Baukosten beträgt ca. 250.000,-. Das Gesamtprinzip der Anlage basiert auf einer zweigeschossigen Drehtrommel mit 16 Stellboxen für je 2 Fahrräder pro Ebene. Die Gesamtkapazität liegt also bei 64 Abstellplätzen. Die Drehtrommel wird durch eine kombinierte Dreh- und Hubbewegung hydraulisch in die jeweils gewünschte Position gebracht. Dabei werden alle eingeparkten Fahrräder bewegt. Die angeforderte Box wird ausgefahren und ermöglicht von außen das Einstellen bzw. die Entnahme des Fahrrades. Die Anlagensteuerung erfolgt elektronisch in Verbindung mit einem Parkscheinautomaten.

Da das Fahrradhaus Meißen zum Zeitpunkt der Tagung noch nicht fertiggestellt war, liegen noch keine Arbeitsergebnisse vor. Von besonderem Interesse dürften aber Fragen nach dem Komfort der Anlage (Problem des Vorwärts-/Rückwärtseinparkens), der Sicherheit und des Platzangebotes der Doppelboxen (Diebstahlgefahr, Platzangebot für Gepäck etc.) oder den Zugriffszeiten sein.

Eine andere Variante eines automatischen Systems bietet das Fraunhofer-Institut für Fördertechnik und Logistik in Form eines Horizontal-Paternosters an.

Ein drittes Beispiel ist der "Fahrradsafe" der Firma Fredenhagen GmbH & Co. KG, der nach dem Prinzip des gleichartigen Auto-Hochlagerregals arbeitet (vgl. Abbildung 4). Diese vollautomatische Anlage ist in Rundbauweise konzipiert und für die Aufnahme von Fahrrädern bzw. auch Motorrädern mit oder ohne Gepäck, Kindersitzen o.ä. gedacht. Der "Fahrradsafe" kann auf bis zu 15 übereinanderliegenden Etagen mit einem Durchmesser von 6,40m und je 18 Stellplätzen für Fahrräder und Gepäck maximal 270 Räder aufnehmen. Die Logistik erfolgt über einen Direktzugriff auf das angewählte Fahrrad durch ein spezielles Greif- und Re-

[Seite der Druckausgabe: 26]

galbediengerät, das eine Zugriffszeit von 40 Sekunden pro Parkvorgang hat und somit wesentlich schneller als das o.g. Palettensystem der Stellboxen ist. Das abgestellte Fahrrad braucht nicht abgeschlossen zu werden, da es beim Einstellvorgang von einem Greifsystem felgenschonend gefaßt und vom Bediengerät innerhalb des Gebäudes auf einen freien Stellplatz manövriert wird. Die Ausgabe erfolgt nach dem Parkscheinprinzip, wobei das vorwärts eingeparkte Rad gedreht und ebenfalls zur Vorwärtsentnahme zurückgegeben wird. Um die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht durch die jeweiligen subjektiven Handlingzeiten zu beeinträchtigen, sind mehrere Übergabeterminals vorgesehen. Dadurch werden die Zugriffszeiten des Bediengerätes optimiert.

Die Anlage kann "Problemfahrräder" mit losen Teilen oder ungesichertem Gepäck (z.B. Plastiktüten) erkennen und über ein Warnsystem von der Annahme ausschließen, um die Betriebssicherheit zu gewährleisten. Daher nehmen die Kosten für Elektronik rund ein Drittel des Gesamtpreises von mindestens ca. 300.000,- DM ein. Da die Anlage aber in einer modularen Bauweise mit einer flexiblen Etagenzahl bis maximal 15 Ebenen errichtet werden kann, verursachen Stellplätze, die über die Grundausstattung hinausgehen, lediglich Mehrkosten für die zusätzliche Mechanik.

Die Anlage rentiert sich bei einer Auslegung zwischen 100 und 200 Stellplätzen. Bei einer überirdischen Bauweise und 100 Stellplätzen betragen die Kosten ca. DM 3.900,-/Stellplatz. Bei 150 Stellplätzen reduziert sich diese Summe auf DM 2.870,-/Stellplatz. Dazu kommen die laufenden Kosten für Energie und Service. Die vollautomatische Anlage benötigt eine Stand-By-Station im 24-Stunden-Dienst, die per Sprechanlage zur sofortigen Behebung von Störungen alarmiert werden kann. Dazu und für generelle Wartungszwecke wird eine ortsansässige Firma geschult. Nach einem kostendeckenden Bewirtschaftungskonzept müßten somit täglich Nutzungsgebühren von DM 1,- bis 2,- pro Stellplatz eingenommen werden (s.u.), was von vielen Fahrradfahrern zur Zeit noch nicht akzeptiert würde. Nutzt man allerdings die Wandflächen des Ge-

[Seite der Druckausgabe: 27]

Fahrradfreundliches Troisdorf

Abbildungen 1 und 2: Logo der fahrradfreundlichen Stadt Troisdorf (oben), Straßenszene in Troisdorf (unten; Quelle: Stadt Troisdorf, 1990)

[Seite der Druckausgabe: 28]


Verkleinerte Darstellung der GrafikGrafik vergrößern

Abbildung 3: Entschärfung eines Knotenpunktes in Troisdorf

(Quelle: Stadt Troisdorf, 1990)

[Seite der Druckausgabe: 30]

Fahrrad »Safe«

Vollautomatische Abstellplätze für Fahrräder



Grundfläche:

rund oder als Rechteck, 6,4 m x 6,4 m

Kapazität:

je Etage 18 Fahrräder mit Gepäck

Einstellhöhe:

1,2 m bis 1,5 m

Leistung:

Einparken 90 Fahrräder/h Ausparken 90 Fahrräder/h

Wartezeit:

40 Sekunden im Durchschnitt

Kosten:

mit 100 Plätzen ab DM 390.000.-mit 150 Plätzen ab DM 430.000.-(je höher umso günstiger)

Anordnung:

Ein- und Ausfahrt wird beliebig nach Bedarf angepaßt

Abbildung 4: Der Fahrrad "Safe" als Beispiel für ein vollautomatisches Fahrradparkhaus (Quelle: Informationsblatt Firma Fredenhagen GmbH & Co. KG)

[Seite der Druckausgabe: 31]

bäudes für Werbezwecke, ließe sich das Nutzungsentgelt reduzieren.

Ein anderer Aspekt, der zur sukzessiven Erreichung der Kostendeckung bei gleichbleibend niedrigen Nutzungsgebühren führen kann, ist die Berücksichtigung der Abschreibungssätze bei der Kostenermittlung. Eine Anlage vom Typ "Fahrradsafe" ist innerhalb von 10 Jahren abgeschrieben. Bei anfänglichen Investitionskosten von beispielsweise DM 390.000,- ergibt sich zunächst eine Jahresbelastung von DM 39.000,-. Bei einer Kapazität von 100 Stellplätzen müßten also pro Einheit DM 390,- pro Jahr, d.h. 1,20 bis 1,25 DM Einstellgebühren pro Tag erwirtschaftet werden. Subventioniert man diese Gebühr herunter, läuft die erste Betriebsperiode eher in den roten Zahlen. Nach 10 Jahren erfolgt eine Grundinstandsetzung (Verschleißteile), die in der Regel 10-15% der Investitionssumme kostet. Ab dem elften Betriebsjahr startet eine erneute 10jährige Abschreibungsperiode, die bei gleicher Nutzungsauslastung nun gewinnbringend ist.

Mit einem automatischen Fahrradparksystem lassen sich also keine wesentlichen, über das Kostendeckungsprinzip hinausgehenden Einnahmen erzielen. Die wirtschaftlichen, umwelt- und verkehrstechnischen Sekundäreffekte einer verbesserten Erreichbarkeit beispielsweise von City-Standorten oder Stationen des öffentlichen Verkehrs sind aber sicherlich nicht zu unterschätzen. Daher ist für die Realisierung eines automatischen Fahrradparksystems beispielsweise eine public-private partnership zwischen Kommune, Einzelhandel und der Deutsche Bahn AG vorstellbar.

In jedem Fall läßt sich eine akzeptable Grundgebühr nur an Knotenpunkten mit einem großen Bedarf an Einstellplätzen erreichen. Als idealer, zentraler Standort gilt daher die Bahnhofsnähe, wo eine Doppelbenutzung der Abstellanlage durch City- und Bahnkunden anfällt. Sie kann im Rahmen eines Bike+Ride-Konzeptes eine attraktive Alternative zu den bereits existierenden, oft aber unbefriedigenden Stellplätzen bieten (vgl. Punkt 4.3).

[Seite der Druckausgabe: 32]

Die bauliche/architektonische Gestaltung des "Fahrradsafes" läßt sich relativ flexibel handhaben. Die Anlage ist um den Bereich des Bediengeräts herum problemlos an die jeweiligen Bedürfnisse anpaßbar. Auf diese Weise können beispielsweise stillgelegte U-bahn-Schächte, Tiefgaragen, leerstehende Gebäude oder Gebäudekeller umgesetzt werden. Im Bereich der Gestaltungsmöglichkeiten werden zur Zeit vielfältige und ansprechende Alternativen erarbeitet. Die Fassaden und das Dach lassen sich beispielsweise begrünen. Die Wände können durch Verkleidungen, Werbewände, Glas-, Kunst- oder historisierende Fassaden der örtlichen Umgebung angepaßt werden.

Ungelöst ist allerdings die Frage, wie die Anlage Engpaßsituationen bewältigt, wenn es in naher Zukunft tatsächlich gelingt, den Fahrradverkehrsanteil erheblich zu erhöhen. Bei einer Zugriffszeit von 90 Fahrrädern/h kann es beispielsweise im Rahmen eines Bike+Ride-Systems während der rush hour zu Spitzenanforderungen kommen, die längere Wartezeiten auf das abgestellte Fahrrad verursachen. Bei einer solchen Bewertung muß aber fairerweise die Gesamtzeit des Handling in Auto-Parkhäusern (d.h. inkl. Bezahlen, Suchen des Autos, Beladen, Ausfahren) in Relation zu den Zugriffszeiten bei Fahrrad-Parkhäusern berücksichtigt werden, die noch immer das günstigere Ergebnis liefern.

Page Top

4.5 Systembegleitende Komponenten: Verkehrslenkung, Verkehrsaufklärung und Öffentlichkeitsarbeit

4.5.1 Wegweiser und Karten

Die Einbindung des Radverkehrs in die Wegweisung ist ein wichtiges Element zur Verbesserung der Attraktivität und Sicherheit des Fahrradverkehrs. Entgegen der langjährigen Annahme, daß Fahrradfahrer "ihre" Routen kennen und daher auf eigene Beschilderungen verzichten könnten, ist man heute zu der gegenteiligen Erkenntnis gekommen. Radfahrer nutzen oft diejenigen Straßen, die sie als Autofahrer bereits kennen und müssen daher auf bessere

[Seite der Druckausgabe: 33]

Alternativen hingewiesen werden. Dies gilt auch für den Autofahrer selbst, der durch eine entsprechende Beschilderung auf Radfahrer als Verkehrsteilnehmer und die Möglichkeit des Fahrradfahrens als Alternative zum Auto aufmerksam gemacht wird. Im Rahmen eines ganzheitlichen fahrradfreundlichen Verkehrskonzeptes ist eine vernetzte Wegweisung unerläßlich, wenn dem Radverkehr als eigenständiger Verkehrsart die schnellste, sicherste, komfortabelste und damit oftmals vom Kfz-Verkehr abweichende Wegführung vermittelt werden soll (MSV, 1994; Pietrek, 1995).

Die Wegweisung für den Fahrradverkehr muß sich zu diesem Zweck deutlich von der Beschilderung für den motorisierten Verkehr mit seinen bekannten StVO-Zeichen absetzen. In Troisdorf wurde zudem zwischen einem Alltags- und einem Freizeitnetz farblich unterschieden (siehe Punkt 5.). Als Elemente der Wegweisung dienen beispielsweise Tabellenwegweiser an Knotenpunkten des Fahrradnetzes (mehrere Ziele, Fahrtrichtungen und Entfernungsangaben), Pfeilwegweiser und Zwischenwegweiser als Bestätigung auf Langstrecken (vgl. Pietrek, 1995). Eine umfangreiche und sinnvolle Wegweisung kann über die geschilderten Zwecke hinaus auch in touristische Marketingkonzepte entsprechender Kommunen eingebunden werden (vgl. hierzu Steiner, 1995).

Radverkehrskarten sind ebenfalls wichtige systembegleitende Komponenten für ein effektives Fahrradverkehrskonzept. Sie enthalten spezifische Informationen über sichere Radstrecken, die Qualität von Radwegen, Kfz-Aufkommen verschiedener Straßen, Gefahrenpunkte, Fahrradabstellanlagen, Umsteigmöglichkeiten in den ÖPNV, aber auch die topographischen Bedingungen (Steigungen und Gefälle: Reliefenergie) u.v.m.. Karten können gegenüber textlichen Radwanderführern wesentlich mehr Informationen "auf einen Blick" bieten und sind daher übersichtlicher. Je nach Bedarf werden im Handel Radstadtpläne, Radwanderkarten und Radtourenkarten angeboten (MSV, 1994). Im Rahmen kommunaler Fahrradverkehrskonzepte ist die Herausgabe einer Radverkehrskarte unverzichtbarer Bestandteil der Öffentlichkeits- und Informations-

[Seite der Druckausgabe: 34]

arbeit, wie auch die Beispiele Erlangen und Troisdorf zeigen (siehe Punkt 5.).

Page Top

4.5.2 Kommunales Marketing: Fahrradkonzepte erfordern Werbung und Informationsangebote

Die Propagierung des Fahrrades als das geeignetste Verkehrsmittel für den Kurzstreckenbereich muß von entsprechenden Werbe- und Informationsangeboten flankiert werden. Der Einsatz kommunaler Diensträder ist beispielsweise eine Möglichkeit, Fahrradfreundlichkeit "auf höchster Ebene" vorzuleben. In Erlangen werden Stadtführungen per Fahrrad durchgeführt, in Hannover, Braunschweig und Nienburg an der Weser fahren im Rahmen eines niedersächsischen Pilotprojektes Polizisten ihre Streifen auf Mountainbikes (Straßmann, 1995).

Im Rahmen von Informationsveranstaltungen (z.B. "Fahrradtagen"), die sich auf vielfältige Art und Weise durchführen lassen, erhalten die Bürger die Gelegenheit, Anregungen und Kritik zum bestehenden oder geplanten Fahrradkonzept zu äußern. Dies ist für die Verantwortlichen eine wichtige Informationsquelle. Während einer solchen Veranstaltung können außerdem einer breiten Öffentlichkeit die Vorzüge des Fahrradfahrens - inklusive des Fitneß- und Gesundheitsaspektes - vermittelt bzw. für die gegenseitige Rücksichtnahme von Auto- und Radfahrern geworben werden (MSV, 1994).

Neben entsprechenden Veranstaltungen ist auch der Einsatz lokaler bzw. mobiler Infozentralen denkbar, wie das Beispiel Troisdorf mit seinem Fahrradinformationszentrum und einem Infomobil zeigt (s.u.; vgl.MSV.1994).

Schließlich ist die enge Zusammenarbeit mit den Medien und Interessenvereinigungen - wie beispielsweise dem ADFC - eine wichtige Möglichkeit des Informationsaustauschs und der Meinungsbildung. Auch die interkommunale Vernetzung trägt dazu bei,

[Seite der Druckausgabe: 35]

Informationen auszutauschen, Entwicklungen voranzutreiben oder Problemlösungen zu optimieren. Ein Beispiel ist das nordrhein-westfälische Programm "Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen" des MSV, in dem 13 Städte in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenkommen (MSV, 1994).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

Previous Page TOC Next Page