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[Seite der Druckausgabe: 7 / Fortsetzung]

3. Berechnung von modal split-Anteilen und Verlagerungspotential

Zur Ermittlung der modal split-Anteile in einer Kommune

Der Begriff modal split stammt aus den USA und bezifferte ursprünglich die jeweiligen Anteile von öffentlichem und Individualverkehr. Diese Zweiteilung sah den nicht-motorisierten Verkehr überhaupt nicht als Bestandteil eines Verkehrskonzeptes vor. Nach seiner ursprünglichen Definition ist der Begriff modal split aus heutiger Sicht also eher eine unglückliche Wortschöpfung. In der Bundesrepublik Deutschland stellte aber das Verhältnis ÖPNV zu motorisiertem Individualverkehr noch in den 1970er Jahren die politische Grundlage der Verkehrspolitik dar. Erklärtes Ziel war es, den damaligen Ist-Zustand von 40:60 auf ein Soll von 60:40 anzuheben. Die bundesdeutsche Gesellschaft wurde lediglich in Autofahrer und "Nicht- aber Bald-Autofahrer" unterteilt.

Die aktuelle Verwendung des modal split-Begriffs gibt Auskunft über die real existierende Verkehrszusammensetzung inkl. Fuß-

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gänger- und Radfahreranteile. Die einzige Möglichkeit, diese Verteilung in einer Kommune verläßlich zu ermitteln, ist die relativ kostengünstige Methode der Haushaltsbefragung. Dabei können neben den unmittelbaren Daten zur Nutzung der Verkehrsmittel auch wichtige sozio-demographische Angaben erhoben werden. Die Größe der Befragungsmenge hängt von der erwünschten Genauigkeit der zu erreichenden Prozentangaben ab. Im allgemeinen muß man für eine repräsentative Abschätzung eine Befragungsmenge von mindestens 1.000 - 1.200 Personen zugrundelegen. Die Erhebung sollte flächengeschichtet, d.h. über die verschiedenen Stadtgebiete verteilt sein, um u.a. die unterschiedlichen sozioökonomischen Strukturen der Bevölkerung erfassen zu können. Auf dieser Grundlage lassen sich auch noch nach einigen Jahren mittels Stichprobenverfahren zuverlässige Entwicklungsbilanzen bzw. -trends der modal split-Anteile erstellen.

Ein Problem entsteht in Kommunen mit starkem Einpendelverkehr, der die modal split-Anteile des Binnenverkehrs zugunsten des motorisierten Individualverkehrs vollkommen verwischen läßt. In Städten wie Würzburg oder Heidelberg erhöht sich das Binnenverkehrsaufkommen beispielsweise noch einmal um 80-100% durch Einpendler. Hier können eine Kordon-Befragung (Befragung an einer Gebietsgrenze) bzw. einfache Verkehrszählungen in Kombination mit Haushaltsbefragungen realistische Einschätzungen der Binnenverkehrsanteile ermitteln.

Die aus der Befragung erhaltenen sozio-demographische Daten bilden die Grundlage für eine Wegenetzanpassung und
-ausgestaltung für Ältere, Frauen und Kinder, die als "traditionell" mobilitätsbenachteiligte Gruppen gelten. Dies wird v.a. unter dem Schlagwort der "Überalterung der Gesellschaft" wichtig.

Zur Ermittlung des Verlagerungspotentials

Eine grobe Abschätzung des Verlagerungspotentials vom Auto auf das Fahrrad läßt sich anhand eines Beispiels folgendermaßen veranschaulichen: Braunschweig (260.000 Einwohner) hat als nord-

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deutsche Stadt sehr gute topographische Voraussetzungen für einen hohen Fahrradverkehrsanteil. Die unzureichende Verkehrsinfrastruktur für Radfahrer führt allerdings dazu, daß hier der modal split-Anteil des Fahrrades bei nur 14,5% liegt. Der Autoverkehr macht dagegen 48% aus, wobei auch hier die Hälfte aller Fahrten im Kurzstreckenbereich bis maximal 5 km liegen. Das Verlagerungspotential beträgt in einer ersten Betrachtung also 50%. Berücksichtigt man jedoch die Tatsache, daß 35-40% aller Autofahrten aus bestimmten Sachzwängen erfolgen (beispielsweise zum Lastentransport etc.), bleiben in der Rechnung 15% des Autoverkehrs als Verlagerungspotential übrig. Dieses muß schließlich durch die Betrachtung des in Ketten eingebundenen, nicht verlagerbaren Fahrtenanteils von rund einem Drittel bereinigt werden, so daß das realistisch eingeschätzte Verlagerungspotential im städtischen Bereich von Braunschweig bei 10% liegt. Insgesamt könnte hier also mit entsprechenden Maßnahmen ein modal split-Anteil des Fahrrades von ca. 25% erreicht werden. Die Verlagerung von 10% der Autofahrten auf das Fahrrad könnte einen wesentlichen Beitrag leisten, den in Zukunft zusätzlich zu erwartenden Automobilverkehr in erträglichen Grenzen zu halten.

Ein anderes Rechenbeispiel für die Stadt Troisdorf mit 70.000 Einwohnern zeigt folgendes: Wenn jede(r) EinwohnerIn für nur zwei Fahrten pro Woche im Kurzstreckenbereich anstelle des Autos das Fahrrad benutzte, würde sich der Pkw-Verkehr automatisch um 22% reduzieren und der Fahrradverkehr um 33% zunehmen. Die Umweltbilanz würde sich um ca. ein Drittel verbessern (Verkehrsflächen, CO2-Ausstoß, Sauerstoffverbrauch etc.).

Es muß an dieser Stelle aber erwähnt werden, daß die "Abwerbung" von Verkehrsteilnehmern im Kurzstreckenbereich immer auch zu bestimmten Teilen den ÖPNV betrifft. Polemisch gesagt kann also der Ausbau der Radwegeinfrastruktur den ÖPNV schädigen, was in der Zielformulierung künftiger modal split-Anteile berücksichtigt werden muß.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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