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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 73]

IV. Die Rolle der öffentlichen Hand bei der Krisenbewältigung

Der Vertreter des BMBau hat von allen Therapievorschlägen eine Beachtung der ordnungspolitisch vorgegebenen Rollenverteilung zwischen den Bauunternehmen, den Tarifparteien und dem Staat gefordert. Jede Seite hätte ihren deutlich abgegrenzten Verantwortungs- und Kompetenzbereich. Jede Seite müsse aber auch diese Grenzen respektieren.

Die Baukonjunktur kann sich nicht dauerhaft von der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur abkoppeln. Vielmehr beflügelt eine gut laufende volkswirtschaftliche Entwicklung den Wirtschaftsbau und führt über höhere Steuereinnahmen auch zu mehr öffentlichen Bauinvestitionen. Der Vertreter des BMBau hat sich gegen branchenspezifische Förderprogramme ausgesprochen, weil diese die Konjunktur- und Strukturprobleme nicht ausräumen könnten. Wenn die dringend gebotenen grundlegenden angebotspolitischen Weichenstellungen (Steuerreform, Reform der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme etc.) endlich in Angriff genommen würden, hätten die zu erwartenden Wachstums- und Beschäftigungswirkungen sicher auch positive Konsequenzen für die Bauwirtschaft.

Das Bundeswirtschaftsministerium will die Baunachfrage mit einer forcierten Deregulierungspolitik stützen. Genehmigungsverfahren und Bauvorschriften, Umwelt- und Sicherheitsauflagen, Raumordnungsverfahren und städtebauliche Vorschriften dürften sich nicht zu einer Bremse für die Dynamik im Bausektor entwickeln. Bestehende und neue Vorschriften sollen laufend überprüft und wenn notwendig vereinfacht werden. [Fn. 68: Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft Heinrich L. Kolb zum Thema „Zukunft der Bauwirtschaft" am 05. Februar 1998, Große Anfrage der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag.]

Das BAQ-lnstitut zählt auch die Sicherheit der Arbeitsplätze zu den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bei einer immer noch steigenden Arbeitslosigkeit und angesichts einer sich abzeichnenden Blockade der politischen Institutionen sei eine wachsende Zahl von Menschen entweder bereits arbeitslos oder befürchte den Verlust des Arbeitsplatzes. In einem solchen Klima der Unsicherheit unterlassen auch viele Haushalte Bauinvestitionen, die durchaus den Wunsch nach Wohneigentum haben, und die diesen Wunsch auch finanzieren könnten, wenn Sicherheit darüber besteht, daß auf Dauer mit keinen Beeinträchtigungen des laufenden Einkommens zu rechnen ist. Diese Haushalte können jedoch bei einer durchgreifenden Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage in einem Klima sozialer Stabilität und günstiger individueller Zukunftsperspektiven als Nachfrager reaktiviert werden.

[Seite der Druckausgabe: 74]

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1. Verbesserung der Zahlungsmoral

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes klagt über die schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Auftraggeber in Ost und West. [Fn. 69: Rede des Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes anläßlich der Sommer - Pressekonferenz des ZDB am 25. Juni 1997.] Nach Feststellung der Bürgschaftsexperten der VHV Vereinigten Haftpflichtversicherung ist die Verschleppung von Zahlungen durch die öffentliche Hand ein wesentlicher Grund für die vielen Insolvenzen mittelständischer Baubetriebe. Die VHV hat in einer Langzeituntersuchung ermittelt, daß auch ein mittelständisches Unternehmen mit gesunder finanzieller Verfassung bei einem dauerhaften Zahlungsrückstand von rund 25 vH des Jahresumsatzes nicht überleben kann.

Nach einer Umfrage der Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie von Nordrhein-Westfalen führt die öffentliche Hand die Liste der säumigen Zahler an. Auf den Eingang von Abschlagszahlungen müßten die Bauunternehmen durchschnittlich zweimal länger warten, als in der VOB vorgesehen (18 Tage). Auch die Frist für die Bezahlung der Schlußrechnung (zwei Monate nach Fertigstellung) werde oft deutlich überschritten. [Fn. 70: F.A.Z. vom 20.2.1998.]

Die Bundesregierung hat im April 1997 alle öffentlichen Auftraggeber aufgefordert, ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Bauwirtschaft zügig nachzukommen und insbesondere entsprechend den Vergaberegeln nach Baufortschritt zu zahlen. [Fn. 71: Bericht der Bundesregierung zu Konjunktur und Beschäftigung in der Bauwirtschaft vom 9.4.1997.] Auf diese Weise soll die Kapitalbindung und die Liquiditätsbelastung bei den Auftragnehmern gering gehalten werden.

Das BMBau spricht dagegen von einer Vorbildfunktion des Bundes bei der Zahlungsmoral. [Fn. 72: Rede des Bundesministers für Bauwesen auf dem Tag der Bauindustrie in Bonn, Pressemitteilung des BMBau vom 10.6.1997.] Der Bund begleiche 86 vH seiner Rechnungen in der vorgesehen Zweimonatsfrist, 65 vH sogar innerhalb der ersten 30 Tage. Darüber hinaus zahle der Bund zwei Drittel aller Rechnungen als Abschlagszahlungen, also parallel zum Baufortschritt. Terminüberschreitungen seien häufig auf unvollständige Rechnungsunterlagen zurückzuführen.

Doch hat die Bundesregierung mit ihrem Aufruf bzw. ihrer Selbstverpflichtung eingeräumt, daß in der Vergangenheit Zahlungen teilweise verschleppt worden sind. Umfragen aus jüngster Zeit belegen, daß die Appelle der Regierung weitgehend unerhört geblieben sind. Dies trifft

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insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzter Kapitalausstattung. Dem Bundesvorsitzenden der IGBau ist beizupflichten, wenn er den entsprechenden Aufruf der Regierung als eine Selbstverständlichkeit bezeichnet. Die öffentliche Hand sollte unabhängig von der Haushaltslage und der Baukonjunktur in Bezug auf die Zahlungsmoral stets als Vorbild für die Privatwirtschaft dienen. Bislang wird sie dieser Rolle allerdings nicht gerecht.

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2. Verbesserte Baustellenkontrollen

Die personellen Voraussetzungen für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung und der Einhaltung der Bestimmungen des Entsendegesetzes sind in den letzten Jahren verbessert worden. Das Personal zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung bei der Bundesanstalt für Arbeit wurde seit 1982 von 50 auf 2.450 Kräfte verstärkt. Hinzu kommen 1.074 Stellen der Hauptzollämter für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im Baubereich.

Arbeitgeber mit Sitz im Ausland sind verpflichtet, ihre Bautätigkeit bei dem zuständigen Arbeitsamt anzumelden. Die Unterlagen, aus denen sich Höhe der Lohnzahlungen ergibt, müssen auch im Inland vorgehalten werden. Bei Verstößen gegen die Meldepflichten betragen die Bußgelder bis zu 30.000 DM. Trotz der Meldepflichten läßt sich nach Angaben des Leiters der Sonderprüfgruppe Außendienst Bau beim Landesarbeitsamt Hessen bei den EU-Ausländern kaum nachprüfen, ob sie den Mindestlohn tatsächlich erhalten. [Fn. 73: F.A.Z. vom 28.4.1997. ]

Wird weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt oder gegen die Urlaubsvorschriften verstoßen, drohen Bußgelder bis zu 100.000 DM. Zusätzlich wird der durch das illegale Handeln erlangte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft. Die Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitserlaubnis wird bei größerem Umfang (mindestens 5 Beschäftigte für 30 Kalendertage) mit Freiheitsstrafe, bei besonders schlechten Arbeitsbedingungen mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft.

Illegale Beschäftigungsverhältnisse mit Ausländern werden auch durch Razzien ermittelt. Bei der bundesweit koordinierten Kontrollaktion am 21.7.1997 ist es den Arbeitsämtern und Hauptzollämtern gelungen, zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzudecken. [Fn. 74: Pressemitteilung der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 46/97 vom 21.7.1997.]

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So wurde in über 400 von rund 1.000 überprüften Fällen die Verpflichtung der Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, ihre Bautätigkeit anzumelden, nicht oder nicht vollständig eingehalten. In etwa 250 Fällen hielten Unternehmen die Unterlagen, aus denen sich die Lohnzahlungen ergeben, pflichtwidrig nicht im Inland vor. Bei über 100 oder 12,5 vH von knapp 800 überprüften Arbeitgebern mit Sitz im EU-Ausland besteht der Verdacht, daß sie ihren Arbeitnehmern den Mindestlohn nicht gewähren.

Es gelang, außer gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch zahlreiche Verstöße gegen andere Vorschriften festzustellen. In 270 Fällen besteht der Verdacht der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung. Fast 700 Arbeitnehmer, die bei rund 400 Arbeitgebern beschäftigt sind, wurden ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis angetroffen.

Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes appellierten anläßlich des Tarifabschlusses vom 15.7.1997 gemeinsam an alle an der Durchführung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Beteiligten - insbesondere an die Bundesanstalt für Arbeit und ihre nachgeordneten Dienststellen sowie an die Hauptzollämter -, gezielt und konzentriert alle möglichen Kontrolltätigkeiten zu verstärken und im Interesse der heimischen Bauwirtschaft durch wirksame Kontrollen und spürbare Sanktionen zur Umsetzung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes beizutragen. [Fn. 75: Gemeinsame Presseerklärung des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 15.7.1997.]

In einem 'Aktionsprogramm zur Ordnung auf dem Arbeitsmarkt' haben die IGBau und die SPD schärfere Sanktionen, eine bessere Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden und eine Erweiterung der Rechts- und Amtshilfe zwischen den EU-Ländern verlangt. Die Bußgelder bei illegaler Beschäftigung sollen bis zu einer Million Mark betragen. Generalunternehmer sollen für Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Sozialkassenbeiträge und den tariflichen Mindestlohn bei illegal agierenden Subunternehmen haften. [Fn. 76: F.A.Z. vom 23.1.1998 sowie Entschließungsantrag der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, BT-Drucksache 13/9745.]

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3. Bauvergabe

Viele Bauunternehmen in Europa sind der Ansicht, daß sie bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge einem übermäßig starken Wettbewerb und bisweilen sogar Dumpingpraktiken ausgesetzt sind. Überkapazitäten auf Grund niedriger Markteintrittsbarrieren tragen häufig dazu bei, daß nicht kostendeckende Angebote eingereicht werden. Die Baufirmen verdienen oft nicht genug, um Investitionen und FuE-Maßnahmen

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finanzieren zu können. Das hohe Maß an Unsicherheit behindert eine langfristige Investitionsplanung und veranlaßt die Unternehmer, nach schnellen Gewinnen zu streben [Fn. 77: Mitteilung der EU-Kommission vom 4.11.1997, Abschnitt 4.3.]

Die Bundesregierung will bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mittelständischen Unternehmen bessere Chancen geben, ihre spezifischen Wettbewerbsvorteile im Vergabeverfahren zur Geltung zu bringen. Im einzelnen sieht das Papier der Bundesregierung folgende Maßnahmen vor [Fn. 78: Bericht der Bundesregierung zu Konjunktur und Beschäftigung in der Bauwirtschaft vom 9.4.1997, Abschnitt III.] :

  • Verstärkte Vergabe öffentlicher Bauten im nicht offenen Verfahren

Bei diesem Verfahren trifft der Auftraggeber nach vorangegangenem Teilnahmewettbewerb unter den eingegangenen Bewerbungen eine Auswahl der Unternehmen, die er zur Abgabe von Angeboten auffordert. Auf diesem Weg lassen sich insbesondere außergewöhnliches Fachwissen, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter mobilisieren. Die Bundesregierung sieht gerade in diesen Bereichen die Wettbewerbsvorteile der deutschen Unternehmen und der fachlich hochqualifizierten deutschen Bauarbeiter.

  • Fach- und teillosweise Bauvergaben

Die Bundesregierung will auch bei größeren Bauvorhaben das Prinzip der Vergabe in Teillosen anzuwenden. Mit diesem Verfahren könnten die Wettbewerbschancen mittelständischer Bauunternehmen gegenüber größeren Anbietern verbessert werden. [Fn. 79: So auch die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag in ihrem Entschließungsantrag BT-Drucksache 13/9745.] Das fachkundige Stammpersonal, über das gerade kleine und mittlere Unternehmen in der Regel verfügen, erhielte zusätzliche Beschäftigungschancen.

  • Verstärkte Aufforderung an mittelständische Bietergemeinschaften

Soweit Generalunternehmer in Betracht kommen, ist es mittelständischen Unternehmen bereits öfter gelungen, wettbewerbsfähige Angebote als Generalunternehmer vorzulegen. Die Bundesregierung glaubt, daß sich durch eine verstärkte Kooperation von spezialisierten mittelständischen Unternehmen in Bietergemeinschaften größenbedingte Marktzutrittsschranken leichter überwinden lassen. Der Bund will in seiner Ausschreibungspraxis die Herausbildung solcher Bietergemeinschaften aktiv unterstützen.

[Seite der Druckausgabe: 78]

  • Strikte Anwendung der Regelungen der VOB zur Vergabe an Nachunternehmer

    Die Bundesregierung hat die Bauverwaltungen nochmals angewiesen, die vorhandenen Regelungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) zur Weitervergabe an Nachunternehmer strikt einzuhalten. Damit sollen unzuverlässige Subunternehmer von öffentlichen Bauvorhaben ausgeschlossen sowie der mit dem Einsatz von solchen Unternehmen häufig einhergehende Einsatz ausländischer Arbeitskräfte zu unzulässigen Bedingungen unterbunden werden. [Fn. 80: Nach den Regelungen des Vergabehandbuchs, die für den Bundeshochbau verbindlich sind, hat der Bewerber/Bieter mit seinem Angebot zu erklären, daß er die Leistungen im eigenen Betrieb erbringt. Anderenfalls hat er anzugeben, welche Teile der Leistung er an welchen Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigt. Sofern der Betrieb auf solche Leistungen eingerichtet ist, darf eine Weitergabe nur mit Zustimmung des Auftraggebers erfolgen. Eine strikte Anwendung dieser Regeln besagt insbesondere, daß dem Auftragnehmer die Zustimmung zur Weitergabe an Nachunternehmer nachträglich nicht erteilt werden kann.]

Der vollständigen Umsetzung von EG-Richtlinien dient ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (BT-Drucksache 13/9340). Die Basisrichtlinien der EG verlangen ein subjektives Recht des Bieters auf Einhaltung der ihn schützenden Vergabevorschriften. Die Bundesregierung will den Rechtsschutz so gestalten, daß weder Investitionshindernisse entstehen noch die Mittelstandsfreundlichkeit des deutschen Vergaberechts in Frage gestellt wird.

Die Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber sollen in erster Instanz durch verwaltungsinterne Vergabekammern nachgeprüft werden. Gegen die Entscheidung der Kammern soll sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht möglich sein. Beide Instanzen entschieden jeweils innerhalb von fünf Wochen. Der Aufwand für die Nachprüfung ist von den am Verfahren Beteiligten zu tragen, wobei kostendeckende Gebühren zu erheben sind. Die Rechtsweggarantie soll jedoch nur für Auftragsvolumina oberhalb des EU-Schwellenwerts von 10 Mio. DM gelten.

Die geplanten Änderungen der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge waren das Thema einer öffentlichen Anhörung des Bauausschusses. [Fn. 81: hib heute im Bundestag vom 4.3.1998.] Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Lage der Bauunternehmen sind vor allem folgende Fragen:

  • Sind auf Grund des neuen Klagewegs für abgewiesene Bieter Verzögerungen bei der Vergabe zu befürchten?

  • Wie sind sog. ‘vergabefremde Kriterien' zu behandeln?

[Seite der Druckausgabe: 79]

Das Bundeskartellamt hat die Novelle befürwortet. Die Mehrstufigkeit des vorgesehenen Nachprüfungsverfahrens gefährde dessen Zügigkeit und Effizienz nicht grundsätzlich. Wenn aber die geplanten Vergabekammern des Bundes personell nicht aufgestockt würden, werde sich der bisherige Qualitätsstandard nicht aufrecht erhalten lassen. Die Spitzenverbände der Wirtschaft und des Handwerks haben im Interesse eines zügigen Vergaberechtsschutzes gefordert, die Dauer der Vergabestreitverfahren vor den Oberlandesgerichten an eine Fünf-Wochen-Frist zu binden.

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes hat die Neuregelung grundsätzlich begrüßt, da den Zielsetzungen „Vermeidung von Investitionshemmnissen" und „Erhaltung der Mittelstandsfreundlichkeit des deutschen Vergaberechts" entsprochen werde. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände rechnet dagegen mit negativen Konsequenzen für die mittelständische Bauindustrie. Kritisiert wurde insbesondere der automatische 'Suspensiveffekt' (Aussetzen der Vergabe im Falle der Klage eines nicht berücksichtigten Bieters). Die Bundesarchitektenkammer warf der Bundesregierung vor, sie wolle überzogene Rechtsvorschriften schaffen, die über das Schutzinteresse der Bieter hinausgingen. Die Vorlage sei zu kompliziert und bedürfe der Revision.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Anerkennung und Einbeziehung neuer Vergabekriterien in die VOB. [Fn. 82: wib Woche im Bundestag vom 17.6.1997.] Die Bieter sollen Mindeststandards in folgenden Bereichen erfüllen, um sich für die Auftragsvergabe zu qualifizieren:

  • Ausbildungswesen, etwa Lehrlingsbeschäftigung

  • Arbeitsbedingungen,

  • Tariffragen (Lohndumping), Tariftreue

  • Umweltschutz.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes seien solche 'vergabefremden Kriterien' mit dem europäischen Recht vereinbar, wenn sie nicht Bieter aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierten. Die IGBau setzt sich besonders für die Beibehaltung der Länderregelungen zur Tariftreue ein. Der öffentlichen Hand komme bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und illegalen Aufträgen an Nachunternehmen eine Vorbildfunktion zu.

Das Bundeskartellamt unterstützt dagegen die Bundesregierung in ihrer Absicht, vergabefremde Kriterien nicht zu berücksichtigen. Die Vergabe

[Seite der Druckausgabe: 80]

öffentlicher Aufträge sei kein geeignetes Instrument zur Durchsetzung anderer politischer Ziele. Die Berücksichtigung solcher Kriterien würde die Auftragserteilung verteuern und verzögern. Nachdrücklich hat der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes ein uneingeschränktes Verbot der Berücksichtigung vergabefremder Aspekte gefordert. Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie lehnt den Mißbrauch der öffentlichen Auftragsvergabe zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Ziele ab. Die Vergabe müsse wie in der VOB vorgesehen ausschließlich nach den objektiven Kriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfolgen. [Fn. 83: Parlamentarierbrief zur Bundestagswahl 1998.]

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4. Energie-Contracting

Beim Energie-Contracting beauftragt die öffentliche Hand ein privates Unternehmen, an einem öffentlichen Gebäude Energiesparmaßnahmen durchzuführen. Die Energiekostenersparnisse kommen dabei der öffentlichen Hand ebenso wie dem Unternehmen zugute. Das Honorar des Anbieters bemißt sich nach der erreichten Energieeinsparung. Mit Hilfe des Energie-Contracting kann der öffentliche Auftraggeber das Fachwissen und die technische Ausrüstung von spezialisierten Dienstleistungsunternehmen für sich nutzbar machen. Das BMBau bereitet in Braunschweig zwei entsprechende Pilotprojekte vor (bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt mit Energiekosten rund 5 Mio. DM pro Jahr und bei der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft mit Energiekosten rund 3 Mio. DM pro Jahr). Für ca. 50 weitere große Liegenschaften gibt es entsprechende Planungen.

Die IGBau hält das Energie-Contracting für unbedingt förderungswürdig. Es würde bei der öffentlichen Hand zu erheblichen Ausgabenentlastungen führen und einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Verpflichtungen aus internationalen Abkommen leisten, die Energieeinsparungen verlangen (Agenda 21, Klimakonvention).

[Seite der Druckausgabe: 81]

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5. Die Rolle des Staates bei der Verstetigung der Bauinvestitionen

a) Konjunkturelle Verstetigung als Verantwortung der öffentlichen Hand

Während die öffentliche Bautätigkeit 1961 bis 1967 und 1979 bis 1989 die konjunkturellen Schwankungen prozyklisch verstärkt hat, muß für die Periode der antizyklischen Konjunktursteuerung (1968 bis 1978) eine leicht beruhigende Wirkung der öffentlichen Bautätigkeit auf die Schwankungen der gesamten Bauinvestitionen und auch des BIP attestiert werden.

Wenn die Anforderungen einer antizyklischen Steuerung nicht erfüllt werden können, sollte der Staat zumindest eine konjunkturelle Neutralität seiner Investitionsausgaben anstreben. Mit einer Orientierung an der prognostizierten Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials könnte ein stetigeres Wachstum sowohl der Bauinvestitionen als auch des laufenden BIP erreicht werden.

Volkswirte der Hypobank haben ergänzend darauf hingewiesen, daß eine verstärkte Privatfinanzierung öffentlicher Bauvorhaben nicht nur die Finanzen der Gebietskörperschaften entlasten, sondern darüber hinaus zur Verstetigung der Bautätigkeit im Infrastrukturbereich beitragen würde.

Der Staat steht nicht nur in Hinblick auf die öffentlichen Bauten in der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung. Auch auf den Verlauf der Wohnungsbauinvestitionen nimmt er wesentlichen Einfluß (Steuerrecht, Mietrecht, Wohnungsbauförderung). Nach den Erfahrungen aus vergangenen Konjunkturzyklen ist auch dieser Bausektor eher als ein konjunktureller Risikofaktor anzusehen. Dies gilt um so mehr, weil der Anteil dieser Investitionen am BIP wesentlich höher ist als der der öffentlichen Bauten.

Angesichts der ausgeprägten Konjunkturreagibilität der privaten Investitionen erscheint es sinnvoll und notwendig, daß der Staat eine Rolle als vertrauenswürdiger Investor anstrebt. Das bedeutet auch, daß nicht bei jeder konjunkturellen Delle die öffentlich beeinflußten Investitionsausgaben überproportional zurückgeführt werden sollten. [Fn. 84: Kofner, S.: Die zyklische Entwicklung der öffentlichen Bauinvestitionen in Westdeutschland von 1960 bis 1994, IWH-Diskussionspapier Nr. 43. Auch die EU-Kommission hat eine 'zeitlich stabile Investitionspolitik' der öffentlichen Hand gefordert (Mitteilung der EU-Kommission vom 4.11.1997, Abschnitt 4.2).]

[Seite der Druckausgabe: 82]

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b) Zurückgehende Bedeutung der öffentlichen Bauinvestitionen

Die öffentlichen Bauten hatten am Ende ihrer Boomphase in den frühen 60er Jahren einen Anteil von fast 5 vH am BIP erreicht, und von den gesamten Bauinvestitionen entfielen bei 23 vH auf sie (jeweils 1964). Von 1976 bis heute ist der BIP-Anteil der öffentlichen Bauten ohne größere Ausschläge stetig gefallen. Dieser Rückgang vollzog sich zunächst noch im Rahmen einer abnehmenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der gesamten Bauinvestitionen. Seit 1980 ist dann aber auch für die relative Bedeutung der öffentlichen Bauten innerhalb der gesamten Bauwirtschaft eine permanente Verringerung zu registrieren. Zu einem beschleunigten Rückgang des Anteils am BIP kam es von 1980 bis 1985 (Haushaltskonsolidierung) und wieder seit 1990 (Belastung der Einnahmen der westdeutschen Gebietskörperschaften durch die deutsche Vereinigung). 1995 lag der BIP-Anteil der öffentlichen Bauinvestitionen in Westdeutschland bereits deutlich unter 2 vH (Wohnungsbau: 6 vH, gewerblicher Bau: 3 vH); der Anteil an den gesamten Bauinvestitionen macht nur noch 15 vH aus.

Abb. 23: Zuwachsraten von BIP und öffentlichen Bauinvestitionen gegen Vorjahr (in Preisen von 1991)

Quelle: VGR-Statistik des Bundes, IWH-Diskussionspapier Nr. 43

[Seite der Druckausgabe: 83]

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c) Gesamtwirtschaftliche Folgen eines Infrastrukturmangels

Für den Bereich der öffentlichen Infrastruktur zeichnet sich für die kommenden Jahre ein enormer Bedarf ab. In der gemeinsamen Initiative des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes und des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie für eine verstärkte Realisierung wichtiger Infrastrukturbereiche wurden im einzelnen folgende Investitionsbeträge genannt:

  • Hochschulbau: 7 Mrd. DM jährlich

  • Berufsschulen in den Neuen Bundesländern: 18,5 Mrd. DM bis zum Jahr 2000 (Zentralstelle für Normungsfragen und Wirtschaftlichkeit im Bildungswesen)

  • Kindergartenplatzgarantie: 20 Mrd. DM (Deutscher Städtetag)

  • Neue Arbeitsämter: 2 Mrd. DM

  • Verkehrswegeplan 1992: 454 Mrd. DM bis zum Jahr 2012

  • Modernisierung von Bahnhöfen: 30 Mrd. DM

  • Kommunale Abwasserbeseitigung: 300 Mrd. DM bis zum Jahr 2008 (Abwassertechnische Vereinigung)

  • Energie-Contracting: 50 Mrd. DM

Alles in allem ergibt sich von 1997 bis 2012 ein Investitionsbedarf von etwa einer Billion DM. Das entspricht Ausgaben von 62,5 Mrd. DM im Jahr! Dabei sind viele Bereiche - wie etwa der Bau von Landes- und Gemeindestraßen, von allgemeinbildenden Schulen, von Klärwerken, etc. - in dieser Aufstellung noch gar nicht berücksichtigt. Angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte muß daher mittelfristig mit einem Investitionsstau gerechnet werden, der zu einem bedeutenden Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung werden kann. So hat etwa das Bundesverkehrsministerium eingeräumt, daß nur die Hälfte des im Bundesverkehrswegeplan 1992 vorgesehenen Investitionsvolumens realisiert werden kann.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sieht die Infrastrukturausstattung in Westdeutschland schon jetzt als nicht ausreichend in Hinblick auf die Bedürfnisse der privaten Wirtschaft an. Ein dauerhafter Infrastrukturmangel hätte nicht nur negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Konjunktur, sondern er würde auch die Wachstumsaussichten beeinträchtigen.

[Seite der Druckausgabe: 84]

Die konjunkturellen Folgen eines Infrastrukturmangels sind dieselben wie bei einer Abnahme der Produktivität des privaten Kapitalstocks. In einem keynesianischen makroökonomischen Modell mit kurzfristig konstantem privatem Kapitalstock zieht dies c.p. Kontraktionstendenzen nach sich. Die Renditeraten der privaten Investitionen nehmen tendenziell ab und es gilt eine andere makroökonomische Produktionsfunktion bei partieller Variation des Faktors Arbeit (mit geringeren durchschnittlichen und marginalen Erträgen).

Die langfristigen Wirkungen eines Rückgangs des Infrastrukturangebotes können im Rahmen eines neoklassischen Wachstumsmodells (ohne technischen Fortschritt) betrachtet werden. Die Wirtschaft wird sich in Richtung der wegen der Abnahme der Produktivität des privaten Kapitalstocks neuerdings niedrigeren gleichgewichtigen Kapitalintensität anpassen und schließlich ein neues Wachstumsgleichgewicht mit der (unveränderten) natürlichen Wachstumsrate bzw. der Wachstumsrate der Arbeitsbevölkerung einnehmen. Der private Kapitalstock wächst zwar nur vorübergehend mit einer niedrigeren Wachstumsrate. Das Pro-Kopf-Einkommen und der private Kapitalstock werden jedoch zu jedem Zeitpunkt in der Zukunft c. p. niedriger sein. [Fn. 85: Kofner, S.: Infrastrukturzyklen, Politische Ökonomie und wirtschaftliche Entwicklung S.907-911, in: wisu, 23. Jg. (1994).]

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6. Programm zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen

Am 18. März 1997 hat die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen beschlossen. Die Maßnahmen umfassen ein Investitionsvolumen von insgesamt 25 Mrd. DM und zielen auf mehr Beschäftigung insbesondere in der Bauwirtschaft. Speziell zur Förderung der Nachfrage nach Bauleistungen sind 19 Mrd. DM in dem Programm eingeplant. Von dem Gesamtvolumen entfallen 20 Mrd. DM auf Investitionsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank. 5 Mrd. DM sollen durch die private Finanzierung öffentlicher Bauvorhaben mobilisiert werden. Schwerpunkte der Förderung sind Investitionen der Gemeinden in die kommunale Infrastruktur, Investitionen der .Wohnungswirtschaft sowie Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen. Außerdem wird die Wagniskapitalausstattung für kleine und mittlere Unternehmen verbessert. Darüber hinaus ist die Vorziehung vergabereifer Projekte in den Bereichen Verkehr und Hochschulbau vorgesehen.

[Seite der Druckausgabe: 85]

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a) Investitionsprogramme der öffentlichen Förderbanken

Das Maßnahmenpaket wurde im Februar 1998 mit dem sog. ‘Programm zur Konzentration, Ergänzung und Beschleunigung der Investitionsförderung im Wohnungsbau' ergänzt. [Fn. 86: Pressemitteilung des BMBau vom 16. Februar 1998.] Im einzelnen sind folgende Vorhaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank in dem Programm enthalten:

  • KfW-lnfrastrukturprogramm im Umfang von 4 Mrd. DM zur Finanzierung kommunaler Investitionen mit einer Zinsverbilligung um einen Prozentpunkt

  • Ergänzung des Programms im Februar 1998: Einbeziehung privater Träger kommunaler Investitionen

  • Ergänzender Plafond im Umfang von 3 Mrd. DM mit Sonderkonditionen für die neuen Bundesländer

  • KfW-Wohnraum-Modernisierungsprogramm im Umfang von 3 Mrd. DM: Aufstockung des bestehenden Programms für die Sanierung von industriell gefertigten Wohngebäuden in den neuen Ländern mit einer Zinsverbilligung aus Eigenmitteln der KfW um 1 Prozentpunkt

  • Ergänzung des Programms im Februar 1998: Einbeziehung von Wohnumfeldmaßnahmen für alle Wohngebäude, Anhebung der Bemessungsgrenze für die zinsverbilligten Förderkredite für Maßnahmen an Plattenbauten von 500 auf 800 DM pro Quadratmeter

  • KfW-Programm zur C02-Minderung im Umfang von 2 Mrd. DM: Aufstockung des bestehenden Programms zur Verbesserung der Wärmedämmung sowie zur Umstellung veralteter Heizungen mit einer Zinsverbilligung um 2 Prozentpunkte

  • Ergänzung des Programms im Februar 1998: Ausdehnung der Förderung auf neuere Gebäude sowie auf den Neubau von Niedrigenergiehäusern (kumulativer Einsatz mit der Ökozulage im Rahmen der Eigenheimzulage)

  • KfW-Programm zur Wohneigentumsförderung für junge Familien im Umfang von 2 Mrd. DM: nachrangig zu besichernde, über den Beleihungsspielraum der Banken hinausgehende Kredite mit einer Zinsverbilligung um 0,5 Prozentpunkte

[Seite der Druckausgabe: 86]

  • Ergänzung des Programms im Februar 1998: Verdoppelung des Programmvolumens auf vier Milliarden DM

  • DtA-Kreditprogramm im Umfang von 2 Mrd. DM: zinsgünstige Investitionsdarlehen zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen an junge, wachsende mittelständische Unternehmen

  • DtA-Haftungsfonds für wachstumsstarke junge Unternehmen im Umfang von 500 Mio. DM zur Erweiterung der Haftkapitalbasis (Mobilisierung von Risikokapital, Börseneinführung)

  • Finanzierung immaterieller Investitionen: 1 Mrd. DM für Qualifizierung, Weiterbildung, DMterschließung und Auftragsvorfinanzierung

  • Aufstockung der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätshilfekredite von DtA bzw. KfW um jeweils 1 Mrd. DM

  • DtA: Haftungsfreistellung im Umfang von 1 Mrd. DM: 40 vH Haftungsfreistellung für Existenzgründer und junge Unternehmen in Westdeutschland

  • Aufstockung des ERP-Aufbauprogramms (Ost) um 1 Mrd. DM und Verbesserung der Vergabekonditionen (Erhöhung des Finanzierungsanteils von 50 auf 75 vH, Möglichkeit der Überschreitung des Höchstbetrages von 2 Mio. DM, Antragstellung unter bestimmten Bedingungen auch durch größere Unternehmen)

  • Beteiligungsfonds Ost im Umfang von 2 Mrd. DM: Mittel mit eigenka-pitalähnlichem Charakter für mittelständische Unternehmen in den neuen Bundesländern


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b) Privatfinanzierung öffentlicher Bauvorhaben

Die Einschaltung privater Investoren bietet sich an, um den steigenden öffentlichen Baubedarf auch bei abnehmenden staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten befriedigen zu können. Im öffentlichen Hochbau finden Mietkauf- und Leasingmodelle, im Bereich der Umweltschutzinfrastruktur sog. 'Betreibermodelle' zunehmend Verbreitung. [Fn. 87: Privatwirtschaftliche Modelle sind in den unterschiedlichsten Umweltschutzinfrastrukturbereichen, so zum Beispiel bei Kanalsystemen, Kläranlagen, Abfallentsorgungsanlagen und beim Flächenrecycling einsetzbar.] Für die privatwirtschaftlichen Modelle sprechen folgende volkswirtschaftliche Vorteile: [Fn. 88: Parlamentarierkarte des Verbandes der Bauindustrie für Niedersachsen: Private Finanzierung öffentlicher Investitionen und Einrichtungen.]

[Seite der Druckausgabe: 87]

  • Effizienzvorteile und Kostenminimierung

Das Know-how und die Marktübersicht von Privatunternehmen, aber auch die bei privatwirtschaftlichen Lösungen mögliche Zusammenfassung der Teilbereiche Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb führen in der Regel zu erheblichen Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen.

  • Anstoßeffekte

Durch die zusätzlichen Investitionen auf privatwirtschaftlicher Basis werden weitere private Investitionen initiiert - zum Beispiel im Rahmen von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen - und damit weitere Arbeitsplätze gesichert.

Wie erwähnt, sind in dem 25 Mrd.-Programm der Bundesregierung zur Investitionsverstetigung 5 Mrd. DM für privat finanzierte öffentliche Bauvorhaben vorgesehen. In diesem Umfang können beschäftigungswirksame und standortverbessernde Infrastrukturprojekte vergeben werden. Der Bundesregierung kommt es vor allem darauf an, sich die vermuteten Effizienzvorteile privater Investoren nutzbar zu machen. [Fn. 89: Bericht der Bundesregierung zu Konjunktur und Beschäftigung in der Bauwirtschaft vom 9.4.1997.]

Potentiale für den privaten Betrieb und die private Finanzierung öffentlicher Investitionsvorhaben sieht die Bundesregierung z.B. bei der Abwasser- und Abfallbeseitigung, im Straßenbau, bei der Anlage von Schienenwegen, bei öffentlichen Hochbauten (besonders im Hochschulbau) sowie bei der Erschließung von Bauland.

Die EU-Kommission will die Beteiligung des Privatsektors an der Finanzierung von Infrastrukturen unter anderem durch folgende Maßnahmen erleichtern:

  • Ist die Rendite bei der Nutzung der Infrastruktur geringer als bei anderen langfristigen Investitionen, so soll die öffentliche Hand den Differenzbetrag decken.

  • Angesichts der Laufzeit von Investitionen in die Infrastruktur (25, 30 oder sogar 50 Jahre) soll dem privaten Partner eine Entschädigung für den Fall gewährt werden, daß sich die rechtlichen, ordnungspolitischen oder normativen Rahmenbedingungen der Investition ändern. [Fn. 90: Mitteilung der EU-Kommission vom 4.11.1997, Abschnitt 4.2.]

Außerdem hat die Kommission nicht zuletzt aus Gründen der Kostensenkung angeregt, die Planung öffentlicher Gebäude und sonstiger

[Seite der Druckausgabe: 88]

baulicher Anlagen verstärkt an die Privatwirtschaft zu vergeben. Der Anteil der Bauabteilungen der öffentlichen Verwaltungen liege mit 40 vH noch zu hoch. [Fn. 91: Mitteilung der EU-Kommission vom 4.11.1997, Abschnitt 4.2.]

Betreibermodelle

Bei einem Betreibermodell überträgt die öffentliche Hand (in der Regel eine Kommune) das Recht zum Betreiben und in der Regel auch zur Erstellung einer öffentlichen Infrastruktureinrichtung einem privaten Investor. Dem Investor stehen später die Nutzungsentgelte zu.

Betreibermodelle sind eine Erfindung der französischen Wasserwirtschaft. Die privaten Wasserversorger haben in Frankreich eine Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Drei Viertel der städtischen Wasserwirtschaft liegen hier in privater Hand. Die großen französischen Wasserversorger Lyonnaise des Eaux und Générale des Eaux haben auf Auslandsmärkten große Exporterfolge erzielt. So versorgt Lyonnaise des Eaux weltweit 65 Millionen Menschen mit Wasser. [Fn. 92: DIE ZEIT vom 5.3.1998.] Die Entwicklung in Frankreich ist ein nachahmenswertes Beispiel dafür, wie durch Privatisierung und Deregulierung im Inland spätere Außenhandelserfolge begründet werden können. Die deutsche Bauwirtschaft sollte sich - ggf. in Kooperation mit der Wasserwirtschaft - entsprechende Fachkenntnisse aneignen und versuchen, in diesem zukunftsträchtigen Markt lohnende Exportaufträge zu gewinnen. An den Auslandsmärkten wird ein umfassendes Angebot gefragt sein, das Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb aus einer Hand bietet. [ Fn. 93: F.A.Z. vom 7.3.1998 über die wasserwirtschaftliche Fachtagung der Deutschen Bank in Königswinter.]

Derartig komplexe Gesamtleistungen wurden auch in Deutschland für Kläranlagen ausgeschrieben. Inzwischen gibt es bereits viele Verträge über den Betrieb von Klärwerken nach dem Betreibermodell (auch in Neuen Bundesländern).

In entsprechenden Ausschreibungen werden die Betreiber aufgefordert, einen Festpreis für die Entsorgung des Abwassers - z.B. in DM pro Kubikmeter - anzubieten. Voraussetzung für die Genehmigung des Betreibermodells durch die Kommunalaufsicht ist, daß die Kosten unter dem Regiekostenpreis der Kommune liegen. Rechtsgrundlage ist ein umfangreicher Betreibervertrag, der das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und der Betreiberfirma regelt. Rechtsbeziehungen bestehen auf der einen Seite zwischen der Kommune und dem Einleiter, von dem Beiträge und Gebühren erhoben werden. Auf der anderen Seite regelt der Vertrag zwischen der Kommune und dem privatem Betreiber die

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Jahresgrundgebühr sowie den Festpreis je Kubikmeter Abwasser, den die private Abwasserfirma für ihre Dienstleistungen erhält. Die Gemeinde bleibt Inhaber aller wasserrechtlichen Erlaubnisse und Genehmigungen und ist somit dem Bürger, den Wasserbehörden und den Gerichten gegenüber auch weiterhin rechtlich und politisch verantwortlich. [Fn. 94: Vgl. dazu Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: 'Privatwirtschaftliche Lösung der Abwasserentsorgung'.]

Nach Auskunft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie wurden bis Ende 1995 ca. 130 Abwasserentsorgungsprojekte privatwirtschaftlich oder mit privater Beteiligung umgesetzt. Das realisierte bzw. vertraglich gebundene Investitionsvolumen beträgt rund 10 Mrd. DM. Der Marktanteil der privatwirtschaftlichen Modelle liegt - gemessen an den entsorgten Wasservolumina - bei ca. 7 vH.

Bereits bei den Pionierfällen im Abwasserentsorgungsbereich - den niedersächsischen Betreibermodellen - haben nach Verbandsangaben die Effizienzvorteile privater Betreiber zu Kosteneinsparungen zwischen 15 und 30 vH geführt. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um Anlagen für mittlere und kleinere Städte, und es sind daher oft regional verwurzelte mittelständische Unternehmen zum Zuge gekommen.

Mit dem 1994 verabschiedeten Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen begann auch im Straßenbau der Einstieg in die Privatisierung. Nach den Vorstellungen des Bundesverkehrsministeriums sollen im Rahmen dieses Gesetzes 17 Straßenbauprojekte mit einem Investitionsvolumen von knapp 7 Mrd. DM als Betreibermodelle realisiert werden; davon werden bereits 12 Projekte privat vorfinanziert.

Auch Schwimmbäder und Kultureinrichtungen könnten in Zukunft privaten Investoren zum Betrieb überlassen werden. Der Vertreter des BMBau hat jedoch derzeit noch erhebliche institutionelle Vorbehalte auf der Seite der Kommunen ausgemacht. Es sei aber abzusehen, daß die desolate Lage der kommunalen Haushalte schon bald den entsprechenden Innovationsdruck erzeugen wird.

Die Bundesregierung favorisiert die Betreibermodelle, um die Privatisierung öffentlicher Aufgaben voran zu bringen. Dies sei ein Konzept, durch das die zu privatisierenden Aufgaben völlig aus dem öffentlichen Haushalt herausgenommen und die Investitionen rascher, unbürokratischer und effizienter umgesetzt werden können. Außerdem hofft die Bundesregierung, mit erfolgreichen inländischen Modellen den Export

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und den Betrieb von Infrastrukturprojekten auf dem Weltmarkt fördern zu können. [Fn. 95: Gemeinsame Erklärung des Bundesfinanzministers und des Bundeswirtschaftsministers vom 25.3.1997.]

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist mit den politischen Rahmenbedingungen für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben noch nicht zufrieden. Der Verband hat im wesentlichen drei Hemmnisse ausgemacht, die der Realisierung solcher kostengünstiger Lösungen häufig im Wege stehen. [ Fn. 96: Vgl. dazu Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: 'Privatwirtschaftliche Lösung der Abwasserentsorgung' sowie Parlamentarierkarte des Verbandes der Bauindustrie für Niedersachsen.]

  • Verwaltungsvorschriften behindern wirtschaftliche Lösungen

    Die Vorbehalte gegen privatwirtschaftliche Lösungen werden nach Ansicht des Verbandes in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften überbetont und demzufolge von den Aufsichtsbehörden überbewertet. Die Entscheidung, ob eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit in öffentlich-rechtlicher oder privater Regie durchgeführt wird, solle in Zukunft allein von einem strengen Wirtschaftlichkeitsvergleich unter ausdrücklicher Einbeziehung privater Modelle abhängig gemacht werden. Diese Forderung wurde in den Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe 'Private Finanzierung' aufgenommen. In dieser Veröffentlichung werden die Länder aufgefordert, ihre Haushaltsordnungen und ihr Kommunalrecht entsprechend zu reformieren und jährlich über die Entwicklung der privaten Aufgabenerfüllung zu berichten. Bislang muß die Privatwirtschaft nachweisen, daß privatwirtschaftliche Modelle kostengünstiger sind als konventionelle öffentliche Modelle. Die Bauindustrie fordert die Umkehrung der Beweislast.

  • Ungleiche Besteuerung

    Gleiche Tätigkeiten öffentlicher Körperschaften und privater Unternehmen unterliegen oft einer unterschiedlichen Besteuerung. So werden bspw. im Bereich der Abwasserentsorgung privatwirtschaftliche Lösungen benachteiligt.

  • Haushaltsrechtliche Hemmnisse

    Es muß sichergestellt werden, daß privatwirtschaftliche Lösungen im öffentlichen Hochbau nicht durch unterschiedliche Ausweisungen in den Haushalten gegenüber Regielösungen der öffentlichen Hand benachteiligt werden.

  • Ordnungsgemäßer Wettbewerb

    Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sieht einen ordnungsgemäßen Wettbewerb als eine wesentliche Voraussetzung für die Realisierung von Kostenvorteilen an. Nach Auffassung des Verbandes bietet nur die Konkurrenz zwischen mehreren Firmen oder Bietergemeinschaften die Gewähr, daß die kostengünstigste und zugleich technisch beste Lösung realisiert wird. Die freihändige Verga-

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    be an einzelne Unternehmen unter Ausschaltung der öffentlichen Ausschreibung lehnt der Verband strikt ab.

Kooperationsmodell

In bestimmten Fällen - wie etwa bei der Instandsetzung der kommunalen Kanalisation - läßt sich ein fester Angebotspreis unter Wettbewerbsbedingungen oft nur begrenzt ermitteln. So liegen bei der Instandsetzung von Kanalanlagen häufig nur unzureichende Kenntnisse über den Zustand und damit den Sanierungsaufwand der Rohrleitungen vor.

In diesen Fällen oder wenn die Kommune ihren Einfluß auf die Betreibergesellschaft sichern möchte, kommt das Kooperationsmodell zur Anwendung. Die Kommune und der private Anbieter gründen gemeinsam eine Besitzgesellschaft, an der die Kommune die Stimmenmehrheit hält. Trotz dieser kommunalen Mehrheitsbeteiligung bleibt die unternehmerische Dispositionsfreiheit der privatrechtlichen Besitzgesellschaft gewahrt.

In dieser Organisationsform ist der private Partner für Projektentwicklung, Finanzierung, Management, teilweise auch für Planung und Betrieb zuständig. Die eigentlichen Bauleistungen werden abschnittsweise ausgeschrieben. Ausschreibende Stelle ist jedoch nicht die Kommune, sondern die Besitzgesellschaft. [Fn. 97: Vgl. dazu Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: 'Privatwirtschaftliche Lösung der Abwasserentsorgung'.]

Private Finanzierungsformen

Im Bereich der öffentlichen Hochbauten (Schulen, Rathäuser, Kindergärten, Bibliotheken, Kulturzentren) will die Bundesregierung private Finanzierungsformen (einschließlich der Sonderform des Leasing nach dem Hochschulbauförderungsgesetz) in Betracht ziehen. Beim Immobilienleasing liegen Finanzierung, Bau und Eigentum beim privaten Träger; Planung, Kontrolle und Betrieb werden von der öffentlichen Hand wahrgenommen. Solche Finanzierungslösungen müssen allerdings in jedem Einzelfall im Wettbewerb darauf getestet werden, ob sie aufgrund von einzelwirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Effizienzvorteilen auch die wirtschaftlichste Alternative darstellen.

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes favorisiert die Betreibermodelle gegenüber den privaten Finanzierungsformen. Der Mittelstand könne bei den Betreibermodellen eher als Anbieter auftreten. Bei den privaten Finanzierungsformen kommen dagegen auf Grund ihrer Kapitalstärke und ihrer Erfahrungen mit modernen Finanzdienstleistungen eher große Baukonzerne zum Zuge.

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Die interministerielle Arbeitsgruppe 'Private Finanzierung', der auch die Verbände der Bauwirtschaft angehören, hat sich skeptisch gegenüber reinen Vorfinanzierungsmodellen geäußert. Mit solchen Modellen würden lediglich Belastungen auf künftige Haushaltsjahre verlagert. Die Arbeitsgruppe favorisiert daher die Betreibermodelle, die zu dauerhaften Entlastungen auf der Ausgabenseite der Haushalte führen.

Die Finanzierung wird mehr und mehr zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor bei internationalen Ausschreibungen von öffentlichen Bauten. Die Wettbewerbsposition der EU-Bauunternehmen in diesem Bereich wird von der EU-Kommission im Vergleich zu ihren wichtigsten Mitbewerbern als schwach beurteilt. Gegenwärtig wird eine Richtlinie zur Harmonisierung der Systeme der Exportkreditversicherung ausgearbeitet. [Fn. 98: Mitteilung der EU-Kommission vom 4.11.1997, Abschnitt 4.2. ]

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c) Bewertung des Programms

Mit dem KfW-Infrastruktur-Programm will die Bundesregierung den Gemeinden einen wesentlichen Anreiz zur beschleunigten Durchführung kommunaler Investitionsvorhaben bieten. Davon können insbesondere die Stadt- und Dorferneuerung sowie der Tiefbau profitieren. Die zusätzliche Nachfrage aus dem Sonderprogramm für die neuen Bundesländer kommt vor allem den kleinen und mittleren Bauunternehmen in den ostdeutschen Gemeinden zugute und stabilisiert mithin die Beschäftigung im ostdeutschen Baugewerbe. Als Folge der Kleinteiligkeit der Einzelmaßnahmen erwartet die Bundesregierung eine besonders hohe Beschäftigungswirksamkeit.

Die Volkswirte der Hypobank rechnen nicht mit nennenswerten Auswirkungen des 25-Milliarden-Programms auf die Bautätigkeit. Es handle sich im wesentlichen um die Aufstockung bereits vorhandener zinsgünstiger Kreditprogramme der KfW und der Deutschen Ausgleichsbank. Das Problem der Bauwirtschaft liege jedoch in einem Nachfragedefizit. Zinsvergünstigungen werden angesichts der ohnehin sehr günstigen Kapitalmarktkonditionen kaum zusätzliche Nachfrage schaffen können. [Fn. 99: Baureport der Hypobank.]

Das Programm kann die negativen Auswirkungen der kontinuierlichen Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen in den letzten

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Jahren nur in bestimmten Teilbereichen kompensieren. So wird die Konzentration der Wohneigentumsförderung auf Schwellenhaushalte und junge Familien durch das entsprechende KfW-Kreditporgramm unterstützt. Die Zinssubvention fällt jedoch mit einem halben Zinspunkt gegenüber den Marktzinsen so niedrig aus, daß von dem KfW-Programm nicht der entscheidende Anstoß zum Wohneigentumserwerb ausgehen kann. [Fn. 100: Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 17.2.1998.] Andere Bereiche - wie etwa der Neubau von Geschoßwohnungen - bleiben gänzlich unberücksichtigt.

Der Bundesvorsitzende der IGBau hat das Programm der Bundesregierung als einen 'Schritt in die richtige Richtung' bezeichnet. Doch hält er es nicht für ausreichend dotiert. Angesichts des niedrigen Außenwerts der Mark und der großen Exporterfolge der deutschen Wirtschaft schlägt er vor, Fördermittel zugunsten der Ausfuhr gezielt für die Bauwirtschaft umzuwidmen.

Zur Schaffung von Planungssicherheit plädiert die IGBau bei den öffentlichen Bauinvestitionen für ein 'mittelfristiges Zukunftsinvestitions-programm'. Dieses Programm soll mit einem Umweltinvestitionsprogramm kombiniert werden.

Neben einem '30.000-Dächer-Programm' zur Förderung der Verbreitung der Solarenergiegewinnung wird die Aufstockung des Bundesanteils an der Städtebauförderung gefordert. Damit könne ein achtfach höheres Bauvolumen ausgelöst werden. Bei einem Fördervolumen von einer Mrd. DM könnten 80.000 Arbeitsplätze am Bau und in den vorgelagerten Branchen geschaffen werden. Schließlich soll die energetische Sanierung des Altbaubestandes - insbesondere in Ostdeutschland - mit KfW-Mitteln intensiv unterstützt werden. 20 Millionen Wohnungen sind in Bezug auf den Energieverbrauch sanierungsbedürftig. Das bestehende CO2Programm der KfW wird von der Gewerkschaft offenbar für nicht ausreichend gehalten.

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7. Vergabe von Erbbaurechten

Die Vergabe von Erbbaurechten als Alternative zum Grundstücksverkauf kann zukünftig zu einem Instrument werden, das gerade Schwellenhaushalten und Haushalten in Ballungsräumen den Erwerb von Wohneigentum ermöglicht. Mit Hilfe von Erbbaurechten können die Gesamtkosten des Eigentumserwerbs erheblich gesenkt werden. Die wohnungspolitische Bedeutung der Erbbaurechte liegt in ihrem mögli-

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chen Beitrag zur Erhöhung der Wohneigentumsquote. Zusätzlich wird ein Beitrag zur Stabilisierung von Nachfrage und Beschäftigung in der Bauwirtschaft geleistet. [Fn. 101: Kleine Anfrage der SPD-Fraktion, BT-Drucksache 13/8932 vom 04.11.1997.]

Ein Erbbaurecht ist ein zeitlich (in der Regel auf 99 Jahre) begrenztes grundstücksgleiches Recht, gegen Zahlung eines jährlichen, festgelegten Erbbauzinses auf einem Grundstück ein Gebäude errichten und nutzen zu dürfen. Das Gebäude kann von dem Berechtigten verkauft, beliehen, vererbt oder verschenkt werden.

Gebäude und Grundstück sind rechtlich getrennt, der Verpächter kann sein Grundstück jedoch frühestens nach 99 Jahren zurückerhalten. Eine vorzeitige Kündigung des Erbbaurechts ist nicht möglich. Nach Ablauf der 99 Jahre muß der Grundstückseigentümer entweder einen Ablösebetrag bezahlen oder den Pachtvertrag verlängern. Der Erbbauzins kann vom Grundstückseigentümer nicht beliebig erhöht werden; vielmehr ist er an den Lebenshaltungspreisindex des StBA gekoppelt. Erbbaurechte können mit wirtschaftlichen Verzichten der Erbbaurechtsgeber verbunden sein.

Erbbaurechte senken den Eigenkapitalbedarf bei den Erwerbern. Sie ermöglichen eine geringere anfängliche Belastung bei gleich hohen Baukosten, weil bei einer Darlehensfinanzierung des Grundstücks Zins- und Tilgungsatz zusammen höher sind als der Erbbauzins, der in den meisten Fällen familienpolitisch motiviert auf unter 4 vH des Verkehrswerts des Grundstücks gesenkt wird. Bei den derzeit niedrigen Zinsen und der Förderung durch die Eigenheimzulage seien auch in Ballungsräumen die anfänglichen Belastungen, die aus dem Kauf von Objekten mit angemessenen Kosten auf Erbbaugrundstücken entstehen, nicht höher als durchschnittliche Mieten. [Fn. 102: BT-Drucksache 13/9478.] Ein breites Angebot an Erbbaurechten kann mithin einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Erhöhung der Wohneigentumsquote und zur Schaffung zusätzlicher Nachfrage für die Bauwirtschaft leisten.

Die Bundesregierung ist zuversichtlich, daß die Erbbaurechtsgeber aus wirtschaftlichen Motiven ein ausreichendes Angebot an Erbbaurechten bereitstellen werden. Der Erbbauzins sichert dem Grundstückseigentümer ein laufendes Einkommen. Die Ausgabe von Erbbaurechten sei bei einem Erbbauzins von 4 vH eine rentable Alternative zum Verkauf des Grundstücks, für den hohe Ertragssteuern anfielen. Die Bestellung von Erbbaurechten auf zuvor erworbenen Grundstücken kann auch eine

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Kapitalanlage mit einer Rendite sein, die mit der für festverzinsliche Wertpapiere durchaus vergleichbar ist. [Fn. 103: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zu den Perspektiven des Erbbaurechts, BT-Drucksache 13/9478 vom 15.12.1997.]

Bisher spielt die Vergabe von Erbbaurechten beim Erwerb von Wohneigentum nur eine untergeordnete Rolle. Von insgesamt 137.000 im Jahr 1995 in Westdeutschland abgeschlossenen Kaufverträgen über Wohnbauland entfielen lediglich 3 vH auf im Erbbaurechtsverfahren vergebene Grundstücke. [Fn. 104: Presseinformation der Privaten Bausparkassen vom 21.07.1997.]

Die traditionellen Erbbaurechtsgeber sind Kirchen, Versicherungen, Körperschaften des öffentlichen Rechts, staatliche Eigentümer, Stiftungen und in Bayern häufig Brauereien, also Institutionen und Firmen, die aus der Geschichte heraus über großen Grundbesitz verfügen. Durch die langfristige Verpachtung der Grundstücke werden solide, dauerhafte Einnahmen erzielt, ohne daß die Eigentumsrechte an den Grundstücken abgegeben werden müssen. Nach einer GEWOS-Untersuchung sind in rund 50 vH der Fälle die Kommunen die Erbbaurechtsbesteller, auf die Kirchen entfallen 30 vH, und die restlichen 20 vH sind Privatpersonen und Sonstige.

Kommunen und Kirchen vergeben üblicherweise Erbbaurechte mit besonderen Begünstigungen für Familien mit Kindern. Sie unterstützen die eigentumspolitischen Ziele der Bundesregierung auf diese Weise. Doch fällt den Kirchen wie auch den Städten und Gemeinden der Verzicht auf die Erlöse aus Grundstücksverkäufen angesichts von zunehmenden finanziellen Engpässe immer schwerer. [Fn. 105: BT-Drucksache 13/9478.]

Ein weiteres Hindernis für die Verbreitung von Erbbaurechten bildet die Beleihungspraxis der Kreditwirtschaft. Nur ein Teil der Institute ist bisher bereit, die Gebäudekosten in gleichem Umfang zu finanzieren wie bei Eigentum des Bauherren am Grundstück. Der entsprechend höhere Eigenkapitalbedarf macht die Entlastungswirkungen des Einsatzes von Erbbaurechten teilweise wieder zunichte. [Fn. 106: BT-Drucksache 13/9478.]

Der Vergabe von Erbbaurechten kommt in Ballungsgebieten mit hohen Grundstückspreisen besondere Bedeutung zu. [Fn. 107: BT-Drucksache 13/9478.] In Ballungsgebieten kann der Grundstücksanteil an den Gesamtkosten die 50-Prozent-Grenze überschreiten. Bei einem Grundstückswert von 200.000 DM kann die finanzielle Entlastung eines Bauherren durch ein Erbbaurecht 500 bis 800 DM pro Monat erreichen.

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Die Begründung von Erbbaurechten kommt in Städten wesentlich häufiger vor als in Landkreisen. Während in Städten der entsprechende Anteil an allen Kaufverträgen bei immerhin rund 7 vH liegt, werden in Landkreisen lediglich 2,5 vH erreicht. [Fn. 108: Presseinformation der Privaten Bausparkassen vom 21.07.1997.] Die SPD-Bundestagsfraktion vermutet, daß das Eigenheimzulagengesetz wegen der hohen Baulandpreise in den Zentren bislang vor allem ‘in der Fläche' gewirkt hat. Dagegen gab es wohl in den Ballungsgebieten kaum Anstöße für eine höhere Wohneigentumsquote. [Fn. 109: BT-Drucksache 13/8932.]

Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die die geltende Rechtslage den Interessenten bietet. Die Kenntnisse über die Erbbaurechtspraxis seien in erster Linie bei den einzelnen Gemeinden und den kirchlichen Einrichtungen, die Erbbaurechte ausgeben, vorhanden. Jetzt gelte es, Haushalte davon zu überzeugen, daß ihnen der Wohneigentumserwerb durch das Instrument des Erbbaurechts erleichtert wird. Wünschenswert sei es, daß Grundstückseigentümer, die zu einem späteren Verkauf bereit und in der Lage sind, diese Möglichkeit im Erbbaurechtsvertrag vorsehen, damit die Eigentumsinteressenten eine klare Perspektive haben.

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8. Reform des Wohnraummietrechts

Die Bundesregierung hatte ursprünglich vor, die negativen Auswirkungen der Einschränkung der steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus auf die Rendite von Wohnungsbauinvestitionen zumindest teilweise durch eine Reform des Mietpreisrechts wieder auszugleichen. Die Marktorientierung und damit die Flexibilität der Mietpreisbildung sollten gestärkt werden. Dies war auch der Tenor des Gutachtens der Expertenkommission „Wohnungspolitik".

Die Mitglieder dieses Arbeitskreises hatten unter anderem den Wegfall der Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen im Bestand, die Streichung der Wesentlichkeitsgrenze zur Begrenzung der Neuvertragsmieten und die jährliche Fortschreibung der Mietspiegel nach dem Mietenindex des betreffenden Bundeslandes gefordert. Durch eine höhere Gewichtung der Neuvertrags- und Wiedervermietungsmieten bei der Berechnung der Mietspiegel sollte das Niveau der Vergleichsmiete aktueller gestaltet werden. [Fn. 110: Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Gutachten im Auftrag der Bundesregierung, Tübingen 1995.]

[Seite der Druckausgabe: 97]

Abb. 24: Die wesentlichen Vorschläge der Expertenkommission Wohnungspolitik zur Mietrechtsreform

  • Modernisierungen (§ 541 BGB und § 3 MHRG): keine Widerspruchsmöglichkeit des Mieters bei Angebot 'gleichwertigen Ersatzraums'

  • kein berechtigtes Interesse des Vermieters für Kündigung erforderlich, wenn das Mietverhältnis mehr als 30 Jahre bestanden hat (§ 564b Abs. 1 BGB): Anpassung veralteter Vertragsbedingungen

  • Eigenbedarfskündigung des neuen Eigentümers nach Umwandlung (§ 564b Abs. 2 BGB):

    • kein Aufschub für den Mieter bei Nachweis 'angemessenen Ersatzraums' durch den neuen Eigentümer

    • keine Fristverlängerung von drei auf zehn Jahre durch VO der Landesregierung

  • Probezeit von 12 Monaten für Mieter, die auf Grund einer Belegungsbindung zugewiesen wurden (§ 564b Abs. 7 BGB)

  • Vergleichsmietenbegriff (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 MHRG): 'übliche Entgelte, die unter den gleichen oder ähnlichen Marktverhältnissen für vergleichbare Wohnungen vereinbart worden sind': keine Begrenzung auf die politische Gemeinde

  • Wegfall der Kappungsgrenzen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 MHRG)

  • höherer Mietzins bei Mieterhöhung nach § 2 MHRG früher geschuldet (§ 2 Abs. 4 MHRG)

  • Mietspiegelgesetz:

    • Mietspiegelpflicht für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern

    • empirisch-repräsentativer Mietspiegel

    • jährliche Fortschreibung der Mietspiegel nach dem Mietenindex des betreffenden Bundeslandes

    • Neuaufstellung spätestens nach fünf Jahren

    • Gewichtung der Mietentypen: 50 vH Neuvertrags- und Wiedervermietungsmieten der letzten zwei Jahre, 50 vH Bestandsmieten ohne zeitliche Begrenzung

    • enge Definition der Marktorientierung der Vergleichsmiete: nicht Mieten für Werkswohungen, GdW-Wohnungen

  • Streichung der Kapitalkostenumlage (§ 5 MHRG)

  • Mietpreisstaffeln über zehn Jahre hinaus (§10 Abs. 2 MHRG)

  • eindeutige Definition des Mietwuchers (§ 302a StGB): 1,5x die ortsübliche Vergleichsmiete

  • Streichung der Wesentlichkeitsgrenze (§ 5 WiStG)

[Seite der Druckausgabe: 98]

Da das Reformvorhaben inzwischen von der Regierung selbst aufgegeben worden ist, muß die Wohnungswirtschaft die Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen hinnehmen, ohne dafür ein Äquivalent in der Form der Aussicht auf zukünftig steigende Mieteinnahmen erhalten zu haben. Unabhängig davon, wie man die Vorschläge der Experten zur Mietrechtsreform wohnungspolitisch bewerten mag, wirkt die Regierungspolitik inkonsistent und orientierungslos. Dem aufgestauten Handlungsbedarf wird nicht entsprochen. Es stellt sich die Frage, ob angesichts des zurückgeführten Fördervolumens nicht zukünftige Versorgungsengpässe am Wohnungsmarkt vorprogrammiert sind.

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9. Reform der Immobilienbesteuerung

Die von der Regierungskoalition geplante und inzwischen ebenfalls gescheiterte große Einkommensteuerreform hätte spürbare Veränderungen für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft mit sich gebracht. Auch die Bauwirtschaft wäre von den modifizierten Renditeaussichten ihrer Auftraggeber betroffen gewesen. Mit der großen Steuerreform sollten niedrigere Steuersätze und eine Vereinfachung der Steuergesetze erreicht werden. Der Standort Deutschland sollte auf diese Weise aufgewertet und die wirtschaftliche Entwicklung gefördert werden. Zwar hätten Immobilieninvestitionen im Zuge der Reform ihre bevorzugte steuerrechtliche Sonderstellung weitgehend verloren. Die steuerliche Gleichstellung von Immobilienbesitz und -erwerb mit sonstigen Vermögensanlagen wird aber aus ordnungspolitischer und steuersystematischer Sicht vielfach befürwortet. [Fn. 111: Einen Überblick über die Steuermodelle der Parteien geben Brügelmann/Fuest: Die große Steuerreform, IW-Schriftenreihe Bd. 240.]

Der Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven, Mitglied des Sachverständigenrates, glaubt, daß unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl im September 1998 jede Regierung eine Steuerreform verabschieden wird, bei der die Steuersätze deutlich gesenkt und Steuervergünstigungen in größerem Umfang gestrichen werden. Die zunehmende Globalisierung und die bevorstehende Einführung der Europäischen Währungsunion würden jede Regierung zwingen, sich an die international üblichen Besteuerungsregeln anzupassen. [Fn. 112: Handelsblatt vom 11.3.98.]

Die neue Bundesregierung wird die Frage neu beantworten müssen, inwieweit die bevorzugte steuerliche Behandlung der Immobilienanlage in Zukunft aufrecht erhalten werden soll. Die Ausgestaltung des Mietpreisrechts, die Wohneigentumsförderung und die Steuerprivilegien sind dabei auf das engste verknüpft. Eine Regierung, die an dem mie-

111 Einen Überblick über die Steuermodelle der Parteien geben Brügelmann/Fuest: Die große Steuerreform, IW-Schriftenreihe Bd. 240.

112 Handelsblatt vom 11.3.98.

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terfreundlichen Mietrecht festhalten will, hat entsprechend weniger Handlungsbedarf beim Abbau der Steuervorteile und beim Ausbau der Wohneigentumsförderung.

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a) Senkung des Spitzensteuersatzes und Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen

Die von der Bundesregierung geplante Senkung des marginalen Spitzensteuersatzes hätte zwar einerseits die steuerliche Attraktivität der sog. 'Steuersparmodelle' erheblich beeinträchtigt. Andererseits hätten sich niedrigere Steuersätze aber günstig auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken können. Außerdem wäre das Gewicht von Investitionskriterien - wie Lage, Preis-Leistungsverhältnis, Qualität und Umfeld - bei Investitionsentscheidungen größer geworden. Es hätten sich allokative Verbesserungen und damit Wohlfahrtsgewinne eingestellt. [Fn. 113: Die Regierungskoalition hatte sich in den Petersberger Beschlüssen bei der Einkommensteuer für eine untere Proportionalzone mit einem Eingangssatz von 15 vH entschieden, der ein linear-progressiver Tarif mit Grenzsteuersätzen von 22,5 bis 39 vH folgen; der geltende Tarifverlauf beginnt bei 25,9 vH und reicht bis 53 vH. Im SPD-Steuerentwurf liegt der Eingangssteuersatz zunächst bei 22 vH; er soll später auf 15 vH gesenkt werden. Das Regierungsprogramm sieht für den Höchststeuersatz eine Verringerung auf 49 vH vor. Das Einkommensteuermodell der Grünen reicht von 18,5 vH bis 45 vH.]

Im Steuerreformkonzept der Regierung war außerdem vorgesehen, Abschreibungen auf Anlagevermögen nur noch in Höhe des tatsächlichen Wertverzehrs zuzulassen. Zukünftig hätten Gebäude nur noch mit 2 vH jährlich linear über fünfzig Jahre abgeschrieben werden können. Den Investoren im Mietwohnungsbau wären damit erhebliche Zinsverluste entstanden. Das Wahlprogramm der SPD sieht eine lineare Abschreibung mit 3 vH jährlich vor.

Die kombinierte Senkung der steuerlichen Abschreibungssätze und der Grenzsteuersätze hätte die Steuervorteile von Immobilienanlagen drastisch beschnitten. Dies gilt auch für den SPD-Entwurf, wenn auch in abgemilderter Form. Um den im Regierungsentwurf vorgesehenen erheblichen Abbau der Steuervorteile auszugleichen, hätten die Mieten beträchtlich steigen müssen. Da dies allenfalls langfristig möglich ist, hätten sich wohl besonders private Investoren weitgehend aus dem Mietwohnungsbau zurückgezogen. Um die absehbaren Verwerfungen bei den Mietpreisen und bei der Wohnungsversorgung zu vermeiden, wären langfristige Übergangsregelungen erforderlich gewesen.

Es stellt sich die Frage, ob der von der Regierung geplante Abbau von Steuervorteilen nicht zu weit ging. Die Steuersubventionen sind auch

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als Kompensation bestimmter Nachteile einer Investition in Immobilien - wie die Langfristigkeit der Kapitalbindung und das mieterfreundliche Mietrecht - anzusehen. [Fn. 114: Baureport der Hypobank.]

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b) Verrechnung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung

Die Verrechenbarkeit von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung mit anderen Einkünften hat dazu geführt, daß die Investitionsmittel für den Mietwohnungsbau in der Vergangenheit in erster Linie von Spitzenverdienern bereitgestellt wurden. Nur sie konnten bei offenem Anbieterwettbewerb ausreichende Nachsteuer-Renditen erzielen. [Fn. 115: Pfeiffer, U. / Braun, R., empirica-lnstitut In F.A.Z. vom 13.3.1998.]

Nach den Steuerreformplänen der SPD sollen Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr vollständig mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden können. Jeder Steuerpflichtige soll einen Mindestbetrag seiner Einkünfte bereits vor dem Abzug von Werbungskosten versteuern.

Diese Maßnahme würde grundsätzlich ähnlich wie die Senkung der Grenzsteuersätze und der Abschreibungssätze wirken. Auch sie wäre aus allokativer Sicht zu begrüßen. Steuersparmotive würden die Investitionsentscheidung weniger beeinflussen. Je nach der konkreten Ausgestaltung der Regelung wären ggf. Übergangsregelungen angezeigt, um Einbrüche bei den Investitionen und Mietpreissprünge zu vermeiden.

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c) Besteuerung von Wertzuwächsen

Im Zuge der großen Steuerreform sollte außerdem die Spekulationsfrist bei der Besteuerung von Wertzuwächsen auf zehn Jahre verlängert werden. Bislang gilt für Grundvermögen im Privatbesitz, daß Veräußerungsgewinne nur dann der Einkommensbesteuerung unterliegen, wenn die Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist von zwei Jahren wieder veräußert wird.

Bei einer erheblich ausgedehnten Spekulationsfrist hätte sich die Frage nach der Bereinigung um inflationsbedingte Wertsteigerungen mit größerer Dringlichkeit gestellt. Konsequenz der Fristverlängerung für künftige Investitionen in den Mietwohnungsbau wäre außerdem ein Zwang zur langfristigen Anlage gewesen, da im Falle einer Veräußerung inner-

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halb der Spekulationsfrist die Rendite erheblich geringer ausgefallen wäre. Unter solchen Rahmenbedingungen hätten vermutlich viele Investoren ein langfristiges Engagement gescheut, weil sie nur unter Inkaufnahme zusätzlicher Steuerbelastungen auf Änderungen der Marktlage oder ihrer persönlichen Verhältnisse (Arbeitslosigkeit, beruflich bedingter Umzug) hätten reagieren können. Zumindest für das selbstgenutzte Wohneigentum wären daher Ausnahmeregelungen angezeigt gewesen. [Fn. 116: Baureport der Hypobank.]


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