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[Seite der Druckausgabe: 51 / Fortsetzung]


IV. Perspektiven für die Kommunalwirtschaft

Die vorgestellten Fallbeispiele für neue wirtschaftliche Aktivitäten der Kommunen, die als weitgehend repräsentativ für die vielfältigen Möglichkeiten, aber auch für die Grenzen und Probleme innovativer Betätigungen anderer Städte und Gemeinden angesehen werden können, haben u.a. aufgezeigt, daß es in den klassischen Geschäftsfeldern der Kommunalwirtschaft im Zuge von Deregulierung und Liberalisierung mehr Wettbewerb geben wird. Gleichzeitig müssen sich die kommunalen Betriebe auf stagnierende, mittelfristig - z.B. durch Energiespartechniken - eher schrumpfende Märkte einstellen. Derartige Beeinträchtigungen der traditionellen Aufgabenschwerpunkte führen dazu, daß die Erschließung zusätzlicher profitabler und wachstumsstarker Tätigkeitsbereiche neben den abnehmenden, aber nach wie vor zu bedienenden Kerngeschäften für eine Reihe von Stadtwerken mehr und mehr zu einer Frage des Überlebens wird. Die fünf Fallbeispiele und zahlreiche weitere inzwischen in Angriff genommene und erfolgreich umgesetzte Diversifizierungen klassischer kommunaler Betätigungen machen deutlich, daß eine erhebliche Bandbreite erweiterter und zusätzlicher Aktivitäten erschlossen werden kann. Deutlich wurde aber auch, daß den Chancen, die mit dem Vordringen in neue Märkte verbunden sind, auch eine Reihe von rechtlichen, technischen und Absatzrisiken gegenübersteht. Je nach der Interessenlage können aus dieser Konstellation kontroverse Schlußfolgerungen für die Zukunft der Kommunalwirtschaft gezogen werden. Stellvertretend für die unterschiedlichen Positionen sollen im folgenden die Konzeptionen des Bundes der Steuerzahler, des Städtetages Nordrhein-Westfalen und aus dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vorgestellt werden.

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1. Konzeption des Bundes der Steuerzahler zur wirtschaftlichen Betätigung von Städten und Gemeinden

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) Nordrhein-Westfalen plädiert angesichts des oben dargelegten Befundes für eine weitgehende Zurückdrängung der Kommunalwirtschaft. Die Tatsache, daß sich Städte und Gemeinden in den letzten Jahren verstärkt neuen Geschäftsfeldern zuwendeten, sei eine der vielen Ursachen für die Entwicklung, daß mittlerweile der Staatsanteil am Bruttosozialprodukt über 52 % be-

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trage. Damit sei Deutschland auf den direkten Weg zur Staatswirtschaft mit privatem Sektor.

Dringend geboten sei eine „radikale" Steuerreform mit dem Ziel, die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger drastisch zu senken. Dies bedeute auf der anderen Seite, daß die öffentliche Hand - unter anderem die Kommunen - weniger Ausgaben tätigen könnte. Angesagt sei eine einnahmeorientierte Ausgabenpolitik, die alle Kreativität herausfordere, mit den geringeren Einnahmen auszukommen. Einen wichtigen Ansatz sieht der BdSt hierbei in der Reform bzw. Reorganisation der öffentlichen Verwaltung. Bei den sogenannten neuen Steuerungsmodellen müsse jedoch aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Frage nach Kosten und Nutzen gestellt werden, insbesondere dann, wenn - wie behauptet - in der Wirtschaft vier von fünf Reengineeringprogrammen nicht zu dem gewünschten Erfolg führen. Kritisiert wird auch, daß sich die Kreativität im Reformprozeß nicht auf die Verbesserung der Strukturen, sondern darauf richte, durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder, die vom Betrieb von Hotels und Kneipen, Gärtnereien und Grünflächenpflege, über die Abfallentsorgung, den Vertrieb von Kfz-Schildern, Druckereien bis hin zu Softwarefirmen und zum Einstieg in die Telekommunikation reichen, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Im Zuge solcher Aktivitäten könne auch das bei Verwaltungsreformen in den Kommunen zunächst eingesparte und in die Stadtkonzerne umgesetzte Personal ausgelastet werden.

Die Kosten/Nutzen-Frage stellt sich nach Auffassung des BdSt zudem auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Die Erschließung neuer Geschäftsfelder für die Kommunalwirtschaft begegne volkswirtschaftlichen Bedenken. Wenn die Kommunen Gesellschaften gründeten, von denen ihnen zu mindestens 51 % gehören, handele es sich im Ergebnis um „Scheinprivatisierungen", die zu einem kaum noch zu durchschauenden „halbstaatlichen Geflecht" bzw. „kommunal-industriellen Komplex" führten. Zwar könne eine solche Form der wirtschaftlichen Betätigung für die einzelne Gemeinde bzw. für ihr kommunales Unternehmen Gewinne mit sich bringen. Volkswirtschaftlich gesehen beiße sich bei einer solchen Ausweitung der Kommunalwirtschaft aber die Katze in den eigenen Schwanz. Denn die wegen der massiven Steuerbelastung ohnehin schwache Konjunktur und Steuerentwicklung werde nicht dadurch besser, daß die Kommunen privaten Unternehmen Konkurrenz machten, welche ihrerseits mit ihren Steuern die Kommunen alimentieren müßten.

Der BdSt bezweifelt, daß der Wettbewerb zwischen kommunalen Unternehmen und privaten Betrieben überhaupt lauter sein kann. Mit fremdem (Steuer-) Geld im Rücken ließe sich gut wirtschaften. Die kommunalen Betriebe seien finanziell sicher, weil

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hinter ihnen die ganze Steuerkraft eines Gemeinwesens stehe. Für die eventuellen Verluste der Kommunalwirtschaft hafteten letztlich die Steuerzahler; der BdSt spricht hier von „Staatshaftung der Steuerzahler". Private Unternehmen könnten dagegen Verluste über eine längere Zeitspanne nicht verkraften; ihnen bliebe aber nur der Konkurs übrig.

Auch aus Sicht des nordrhein-westfälischen Handwerkstages kann der Wettbewerb zwischen Kommunen und privaten Unternehmen von der Konstitution her nicht fair sein. In der Anhörung zum „Gesetz zur Stärkung der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden ... im Bereich der TK-Leistungen" im Oktober 1997 wurde dies u.a. wie folgt begründet:

  1. Von der Besteuerung über das Sozialversicherungsrecht bis hin zum Konkursrecht bestehen zahllose Unterschiede zwischen einer Kommune und einem privaten Unternehmen, die man nicht aufheben kann.

  2. Die Kommunen und kommunalen Wirtschaftsunternehmen treten im Wettbewerb häufig mit unausgelasteten Kapazitäten an. Da Einrichtungen und Personal ohnehin da sind, können Leistungen zu den Grenzkosten zusätzlicher Aufträge angeboten werden. Kein privates Unternehmen kann so auf Dauer kalkulieren; sonst würde es sich sehr schnell in Richtung Konkurs bewegen.

  3. Vor allem Großstädte haben in bestimmten Bereichen eine besondere Nachfragemacht, von der sie Gebrauch machen können, um private Wettbewerber vom Markt auszuschließen. Außerdem könnten die Kommunen die Machtmittel, die ihnen die öffentlich-rechtliche Sonderstellung gibt, zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Betätigung einsetzen.

Der BdSt stellt fest, daß die Gemeindeordnungen - zumindest auf dem Papier - dem wirtschaftlichen Tatendrang der Kommunen z.B. mit der Forderung eines dringenden öffentlichen Zwecks der Betätigung Grenzen setzen. Der Trend zur Staatswirtschaft sei aber ungebremst, da die Aufsichtsbehörden regelmäßig nur bei Extremfällen einschritten. Nach Auffassung des BdSt hätte auch nicht auf die sogenannte Subsidiaritätsklausel in der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung verzichtet werden dürfen. Im Gegenteil: im Hinblick auf Privatisierungsüberlegungen wäre ein weiterer Ausbau sinnvoll gewesen. Beispielhaft seien hier verschiedene ostdeutsche Gemeindeordnungen. So darf sich in Mecklenburg-Vorpommern eine Gemeinde nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn sie die betreffende Aufgabe besser und wirtschaftlicher als Dritte erfüllen kann; hier wird der absolute Vorrang privater Dritter unter Umkehrung der Beweislast festgelegt. In Brandenburg muß die Gemeinde Lei-

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stungen an Private übertragen, wenn diese die Aufgabe in mindestens gleicher Qualität und Zuverlässigkeit bei gleichen oder geringeren Kosten erbringen können, und wenn dies mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist. In Thüringen bestimmt die Kommunalordnung, daß wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde keine wesentliche Schädigung und Aussaugung selbständiger Betriebe bewirken dürfen. Hier sind kommunale Wirtschaftsunternehmen nur zulässig, wenn der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann; dazu ist ein sog. Markterkundungsverfahren unter Einbindung der betroffenen örtlichen Betriebe durchzuführen.

Auch der Nordrhein-Westfälische Handwerkstag plädiert für eine Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips in die Gemeindeordnung NRW. Hierdurch soll ein Schutz von Betrieben insbesondere aus dem Elektrotechnik-, Sanitär-, Heizungs-, Klima-, Kfz-Mechaniker- und Karosseriebauerhandwerk vor der vor allem in einigen Großstädten zunehmenden kommunalen Konkurrenz gewährleistet werden. Dagegen weist Prof. Löwer von der Universität Bonn bei der öffentlichen Anhörung zum „Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden ... im Bereich von TK-Leistungen" am 20.10.97 darauf hin, daß es gänzlich unerheblich sei, daß die Subsidiaritätsklausel verschwunden ist, weil diese Klausel noch nie die Aufgabe hatte, die Privatwirtschaft zu schützen. Diese Funktion trug immer das Kriterium des (dringenden) öffentlichen Zwecks.

Der BdSt Nordrhein-Westfalen fordert nachdrücklich den Rückzug der kommunalen Unternehmen von den privaten Betätigungsfeldern - nicht zuletzt, weil nicht mehr, sondern weniger Staat auf Dauer ein finanzierbares Gemeinwesen garantiere. Er plädiert für eine stärkere Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Kommunen, die ergänzt werden müsse durch ein Privatisierungsgebot. In Zukunft werde man an weiteren Einsparungen in den öffentlichen Haushalten und an weiterer Aufgabenkritik der Kommunen nicht vorbeikommen.

Ähnlich argumentieren Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern gegen eine weitere Ausweitung des öffentlichen Anteils am Wirtschaftsgeschehen. Beispielsweise wird in den Resolutionen der Vollversammlung der IHK zu Münster sowie der IHK Lippe zu Detmold in der Privatisierung bislang öffentlicher Leistungen ein wichtiger Schlüssel zur Verbesserung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der Region gesehen. Es wird festgestellt, daß zwar auf staatlicher Ebene große Privatisierungs- und Liberalisierungsanstrengungen unternommen werden. Dagegen gehen viele Kommunen aus Finanznot den entgegengesetzten Weg; sie weiten ihre privatwirtschaftliche Betätigung laufend aus - zum Schaden der

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regionalen Wirtschaft. Die IHKs fordern die kommunalen Einrichtungen auf, für die von ihnen erbrachten Leistungen und vor der Übernahme neuer Leistungen den Nachweis zu erbringen, daß eine Marktlösung nicht möglich ist. Sie wenden sich dagegen, durch eine Änderung von § 107 GO NRW wirtschaftliche Betätigungen von Städten und Gemeinden zu Lasten der privaten Wirtschaft zu erleichtern. [Fn. 8: Vgl. Kammerreport der IHK Lippe zu Detmold, in: Lippe Info März 1997, S. 40 und Tischvorlage zur Vollversammlung der IHK zu Münster am 26.11.1996]

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2. Kommunalwirtschaftliche Vorstellungen aus dem Innenministerium NRW

Die Beteiligung einzelner Städte und Gemeinden an den verschiedensten kommunalen Unternehmen hat inzwischen zu derart unübersichtlichen Strukturen geführt, daß die personellen und finanziellen Verantwortlichkeiten zunehmend unklar und die wirtschaftlichen Risiken einer Kommune kaum noch abzuschätzen sind, so der Leiter der Kommunalabteilung im nordrhein-westfälischen Innenministerium. Im Rahmen seiner demokratischen Verpflichtung habe der Rat einer Gemeinde aber die Aufgabe, die Aktivitäten auch im kommunalwirtschaftlichen Bereich zu steuern. Zunächst wird erläutert, daß diesem politischen Steuerungsbedarf die verfassungs- und gemeindewirtschaftsrechtlichen Regelungen für die wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung von Kommunen weitgehend Rechnung tragen. Anschließend werden die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts skizziert.

2.1 Analyse und Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Der Vertreter des Innenministeriums NRW stellt fest, daß das Recht zur Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 1 GG den Gemeinden nicht schrankenlos eingeräumt ist. Die Gemeinden seien als Teil der Exekutive in die verfassungsmäßige Ordnung eingebunden und hätten die Zuständigkeiten anderer Träger öffentlicher Verwaltung zu beachten. Sie seien bereits nach der Verfassung nur für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig, nicht aber beispielsweise für auswärtige Angelegenheiten oder Angelegenheiten der staatlichen Schulaufsicht. Das eine sei Sache des Bundes, das andere Landesaufgabe. Eine Gemeinde dürfe auch nicht auf dem Gebiet und damit im Zuständigkeitsbereich einer anderen Gemeinde tätig werden. Erst recht verstoße es gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen, daß Gemeinden ohne entsprechende partnerschaftliche Verbindung im Ausland tätig werden. So sei

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etwa die Gründung einer Software-Gesellschaft in Indien durch eine deutsche Stadt keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft.

Zulässig ist dagegen, daß sich Gemeinden zusammenschließen, um eine kommunale Aufgabe gemeinsam wahrzunehmen, z.B. zum gemeinsamen Betrieb eines Wasserwerks oder zum gemeinsamen Betrieb von Stadtwerken. Voraussetzung sei aber stets, daß es sich um eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe handelt, die den Gemeinden typischerweise zugeordnet ist.

Ob und inwieweit aus verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Beschränkung bei der Wahl der Organisationsform (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) abzuleiten ist, wird in der kommunalen Praxis und in der Rechtswissenschaft unterschiedlich gesehen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob die Gemeinde einschränkungslos entscheiden kann, beispielsweise ein Theater oder die Abwasserbeseitigung in der Form der GmbH und damit privatrechtlich oder aber als öffentliche Einrichtung, beispielsweise in der Form des Eigenbetriebes, zu organisieren.

Nach Auffassung des Leiters der Kommunalabteilung im Innenministerium NRW schließt das Verfassungsrecht die Organisation in privater Rechtsform nicht aus, auch wenn manches für einen verfassungsrechtlich bindenden Vorrang der öffentlich-rechtlichen Organisationsform sprechen mag. Es ist vielmehr Sache des Landesgesetzgebers, die Bedingungen zu formulieren, unter denen die eine oder andere Organisationsform möglich sein soll. Der Landesgesetzgeber ist insoweit frei von verfassungsrechtlichen Vorgaben und kann deshalb über die Organisationsformen entscheiden, mit deren Hilfe die kommunale Aufgabenerfüllung erfolgen soll. In Nordrhein-Westfalen hat er dies getan, indem er die Errichtung eines Unternehmens in einer Rechtsform des Privatrechts davon abhängig gemacht hat, daß ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung vorliegt.

Bei privatrechtlichen Organisationsformen ist zu beachten, daß diese zwangsläufig eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln und insoweit zugleich die politischen Steuerungsmöglichkeiten des Rates und die bürgerschaftliche Mitwirkung einschränken. Statt des Grundsatzes der Öffentlichkeit in den kommunalen Beratungen gilt in einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft der Grundsatz der Vertraulichkeit. Die Wahl der privatrechtlichen Rechtsform sollte daher nur für den Fall zugelassen sein, daß sie sich den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen gegenüber als überlegen erweist. Hierfür hält der Referent eine gesetzliche Regelung des Landesgesetzgebers für erforderlich, wie sie etwa im neuen niedersächsischen Gemeindewirtschaftsrecht vorzufinden ist.

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Auch der Innenminister des Landes NRW stellt bei den Stadtparkgesprächen der Stadtwerke Bochum Ende 1995 fest, daß die Entscheidung für die Wahl einer privaten Rechtsform zwangsläufig mit Verlusten an Information und Transparenz verbunden ist. Er sieht zunehmend die Gefahr, daß kommunalpolitische Kompetenz und Entscheidungen in die Organe privater, wenn auch kommunal beherrschter Gesellschaften verlagert werden. Dies schwäche den Rat als oberstes Willensbildungsorgan der Gemeinde und auch die Transparenz kommunaler Entscheidungen sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger. „Die kann niemand wollen, der an einer lebendigen Demokratie interessiert ist," so Minister Kniola.

Auch wenn die Gemeinde bei der Wahl der Rechtsform - privat- oder öffentlich-rechtlich - grundsätzlich frei ist, kann sie gleichwohl nicht die uneingeschränkte Privatautonomie wie die eines Unternehmers in Anspruch nehmen - so der Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium NRW. Die Kommune bleibt auch dann in das öffentlich-rechtliche Rechtsgeflecht eingebunden, wenn sie sich privatrechtlicher Rechtsformen bedient. Auch dort, wo eine Gemeinde beispielsweise Einrichtungen wie Theater, Stadthallen, Bibliotheken, Sportplätze oder Museen schafft, muß sie gem. § 8 GO NW unter Beachtung des Gleichheitssatzes die Benutzung auch dann ermöglichen, wenn ihr die Person des Bürgers unsympathisch ist. Wichtig ist also, daß sich die Gemeinde durch die Wahl der privaten Rechts- und Organisationsform -z.B. einer GmbH - prinzipiell nicht aus der öffentlich-rechtlichen Verantwortung verabschieden kann. Die Gemeinde muß sich deshalb bei der Gründung von privatrechtlichen Gesellschaften im Gesellschaftsvertrag die notwendigen Einwirkungsrechte zur Sicherstellung der öffentlichen Zweckerfüllung vorbehalten.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine Kommune tätig werden darf, ist der Charakter der Aufgabe als wirtschaftliche bzw. nichtwirtschaftliche Tätigkeit. Nach dem Gemeindewirtschaftsrecht NRW sind wirtschaftliche Betätigungen nur zulässig, wenn dies ein (dringender) öffentlicher Zweck erfordert. Andererseits unterstellt das Kommunalrecht für die typischen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge gewissermaßen einen öffentlichen Zweck, indem es diese Aufgaben als nichtwirtschaftliche Betätigung bezeichnet,

Die Differenzierung zwischen wettbewerbswirtschaftlichen und anderen Aktivitäten bleibt nach Auffassung des Referenten aus dem Innenministerium NRW nach wie vor notwendig, um die Kommunen an unterschiedliche Rechtsvoraussetzungen und Rechtsfolgen binden zu können. Dabei erweist sich die Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit in Einzellfällen als schwierig. Dies

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kann am Beispiel des Betriebs eines kommunalen Kinos verdeutlicht werden. Als Vergnügungsbetrieb wäre das kommunale Kino zunächst einmal eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde und damit ein Unternehmen im Sinne des kommunalen Wirtschaftsrechts. Ist das Kino dagegen in die Bildungsarbeit beispielsweise der kommunalen Volkshochschule eingegliedert, kann und soll es zwar unternehmerisch wirtschaften und - soweit es sich mit dem Hauptzweck verträgt - auch Gewinn machen. Gleichwohl handelt es sich bei dem Betrieb des Kinos in dieser Organisationsform um eine nichtwirtschaftliche Betätigung - also um eine Einrichtung -, weil das Kommunalrecht die Bildungsarbeit in der Kommune ausdrücklich aus dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung ausnimmt. Konkurriert dagegen das kommunale Kino mit anderen Unterhaltungsbetrieben gleicher Art am Ort, ohne in die Bildungsarbeit der Gemeinde besonders eingegliedert zu sein, dann geht das Gesetz davon aus, daß es sich dabei um eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde handelt. In diesem Fall ist der Betrieb des Kinos als wirtschaftliche Betätigung nicht zulässig. Denn für ein entsprechendes kommunales Angebot besteht kein dringender öffentlicher Zweck, weil bereits andere Unternehmen die Leistung erbringen. Kommunales Handeln ist insoweit stets nur subsidiär zulässig, soweit der örtliche Markt die nachgefragte Leistung nicht anbietet. Dies wiederum würde sich ändern, wenn das kommunale Kino das einzige Unternehmen am Ort wäre.

Im übrigen wird betont, daß wirtschaftliche Motive allein keinen dringenden öffentlichen Zweck begründen. Außerdem treten erwartete Gewinne nicht immer sicher ein. Vielmehr gibt es auch Beispiele, in denen die kommunale Beteiligung an wirtschaftlichen Projekten zu großen Verlusten geführt hat, für die letztlich der Steuerzahler aufkommen muß. Ein solches Beispiel ist die Beteiligung einer Schachtelgesellschaft der Stadt Köln über die Stadtwerke Köln am Fernsehsender „VOX". Das Opportunitätsprinzip war dafür ausschlaggebend, daß dieses finanzielle Engagement der Stadt Köln von der Kommunalaufsicht nicht ausdrücklich beanstandet wurde. Über 70 Millionen DM Anlaufverluste hat diese Form der Unternehmenserweiterung die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Köln gekostet.

2.2 Reformen und Reformerwartungen

Die Reform des Gemeindewirtschaftsrechts ist in jüngster Zeit zu einer Art Daueraufgabe geworden. Diskutiert wird u.a. die Eröffnung des uneingeschränkten Zugangs der Kommunen zu allen wirtschaftlichen Aktivitäten des Marktes. Voraussetzung hierfür wäre die Aufgabe des gesetzlichen Erfordernisses eines (dringenden) öffentlichen Zwecks. Dies ist nach Auffassung des Referenten aus dem Innenmini-

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sterium NRW nicht machbar. Begründet wird dies u.a. damit, daß bei einem voraussetzungslosen Marktzugang der Kommunen zu allen wirtschaftlichen Leistungen mit Verfälschungen der Wettbewerbschancen im Markt zu rechnen ist. Kommunen können ihre Leistungen unter Marktpreisen anbieten und - anders als andere Mitbewerber - Verluste durch Steuereinnahmen ausgleichen. Da keine Konkurse drohen, ist das kommunale Wettbewerbsrisiko begrenzt. Als öffentliche Gebietskörperschaften sind Städte, Gemeinden und ihre Betriebe darauf angelegt, sich durch Steuern und Gebühren, aber nicht durch Unternehmensgewinne zu finanzieren. Seit der letzten Reform des Grundgesetzes haben die Kommunen neben dem kommunalen Steuererhebungs- (Steuerfindungs-)Recht auch die verfassungsrechtliche Garantie einer finanziellen Mindestausstattung. So gesehen sollten sie auf „Zugewinn" aus wirtschaftlicher Betätigung nicht angewiesen sein. Der Schluß, weil die Gemeinden auch Aufgaben wahrnehmen, die keine Gewinne erwirtschaften, müßten sie auf dem Markt gewinnbringend tätig werden, um „die Kosten wieder hereinzubringen", verkennt nach Einschätzung des Leiters der Kommunalabteilung Stellung und Funktion nicht nur der Gemeinden, sondern der öffentlichen Verwaltung insgesamt. „Die Regel ist die privat-wirtschaftliche und die Ausnahme die öffentlich-wirtschaftliche Betätigung. Jede Form der kommunalwirtschaftlichen Betätigung bedarf deshalb eines öffentlichen Zwecks."

Dementsprechend wird dafür plädiert, den Kommunen den Marktzugang für ihre wirtschaftliche Betätigung zu erschweren. Privatisierung kommunaler und nicht die Kommunalisierung bisher privater Aufgaben sei angesagt. In diese Richtung weisen etwa die neuen Gemeindeordnungen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, die nicht nur einen öffentlichen Zweck, sondern eine Art Markterkundung vorsehen. Mit diesem Verfahren soll festgestellt werden, ob der Zweck nicht ebensogut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird bzw. werden kann. Erst wenn diese Prüfung negativ ausfällt, sollen die Städte und Gemeinden wirtschaftlich aktiv werden können. Aus dieser Perspektive erscheint auch eine Korrektur des kommunalen Wirtschaftsrechts zugunsten des gesetzlichen Vorrangs öffentlich-rechtlicher vor den privatrechtlichen Organisationsformen rechtlich und kommunal-politisch geboten - nicht zuletzt wegen der besseren Steuerungsmöglichkeiten des Rates. Auf diese Weise wird verhindert, daß durch die Wahl der privatrechtlichen Rechtsform ganze Teile der öffentlich-rechtlichen Rechtsbindungen quasi außer Kraft gesetzt werden. Dieser Auffassung ist der Landesgesetzgeber NRW bei der letzten Reform des kommunalen Verwaltungsrechts ausdrücklich aber nicht gefolgt.

Bemühungen um mehr Flexibilität und Dynamik führen im (privaten und öffentlichen) Betrieben oft dazu, daß Erweiterungen des Geschäftsbereichs in Angriff genommen

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werden. Dabei werden die Bindungen einer kommunalen Gesellschaft an die Gebietsgrenzen der Stadt oft als störend empfunden. Es gibt aber auch Aktivitäten, die sinnvoll nur betrieben werden können, wenn sie sich über das Stadt- bzw. Gemeindegebiet hinaus erstrecken. Anders als der Rechtsberater des VKU Prof. Wieland aus Bielefeld, nach dessen Auffassung die Gemeinden in ihren Aktivitäten nicht an die Kommunalgrenzen gebunden sind, soweit sie sich im nichthoheitlichen Bereich bewegen, wendet sich der Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium NRW strikt gegen die Erweiterung des Geschäftsgebietes kommunaler Unternehmen über die Grenzen der örtlichen Gemeinschaft hinaus. Die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie sichere und begrenze die Wirkungsmöglichkeit der Gemeinde in regionaler Hinsicht. Dies mache auch Sinn, denn das Hineinwirken der Kommunen in fremdes Gemeindegebiet führe zu einer undurchsichtigen Gemengelage.

Selbst wenn es zeitgemäß wäre, lassen es Grundgesetz und Landesverfassung nicht zu, daß eine Gemeinde das Gebiet einer anderen zu ihrem Geschäftsgebiet macht. Die Begrenzung des kommunalen Handelns auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist insoweit nicht disponibel. Unabhängig davon besteht aber die Möglichkeit, daß kommunale Gemeinschaftsarbeit verstärkt praktiziert wird. Der Referent aus dem Innenministerium weist darauf hin, daß dazu allerdings gleichlautende Ratsbeschlüsse der Beteiligten kommunaler Vertretungen notwendig sind. Vereinbarungen der kommunalen Unternehmen über die Kooperation im gemeinsamen Gemeindegebiet reichen allein nicht aus. Dementsprechend müßten beispielsweise die Städte Köln und Aachen auf interkommunaler Ebene vereinbaren, daß NetCologne auch in Aachen Netze unterhalten darf.

Schließlich befürwortet der Leiter der Kommunalabteilung eine stärkere Formalisierung der Handlungsvoraussetzungen zur Schaffung von mehr Anwendungssicherheit. Gegenwärtig kommt es wegen unscharfer gesetzlicher Begriffsbildungen häufig zu Anwendungsproblemen des kommunalen Wirtschaftsrechts bei Kommunen und Kommunalaufsicht. Diese Probleme werden nicht selten mit einer gegenseitigen Duldung gelöst, d.h. mit einer Nichtanwendung des geltenden Rechts. Zu fordern ist daher mehr Eindeutigkeit und damit mehr Verläßlichkeit.

Der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung ist im Zuge der Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts in Nordrhein-Westfalen 1994 bereits präzisiert worden, etwa hinsichtlich der Steuerung kommunalen Handelns durch den Rat bei Gesellschaften in privater Rechtsform und durch eine verbesserte Abgrenzung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit. Offen sind dagegen aber weiterhin die gesetzlichen Voraussetzungen für ein kommunales Engagement im Bereich des „ob" einer wirt-

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schaftlichen Betätigung. Der unbestimmte Rechtsbegriff „dringender öffentlicher Zweck" ist praktisch nur schwer handhabbar. Mehr Formalisierung könnte hier zusätzliche Klarheit verschaffen. Mehrere ostdeutsche Gemeindeordnungen weisen hier Verfahrenswege, beispielsweise mit dem Markterkundungsverfahren. Diese zu beschreiten, ist allerdings kein leichtes Unterfangen, u.a. weil es um eine Gemengelage mit gegenläufigen Geschäftsinteressen und unterschiedlichen Politikinteressen geht.

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3. Wettbewerbschancen der Kommunen aus der Sicht des Städtetages Nordrhein-Westfalen

Während die beiden bisher dargestellten Konzeptionen auf eine weitgehende Zurückdrängung der Kommunalwirtschaft oder zumindest auf eine strenge Anwendung der verfassungsrechtlichen und gemeindewirtschaftsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen abzielen, plädiert der Städtetag Nordrhein-Westfalen für eine gemeindefreundlichere Auslegung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie und des kommunalen Wirfschaftsrechts.

3.1 Notwendigkeit einer neuen ordnungspolitischen Debatte

Die gegenwärtige Diskussion über die verfassungsrechtliche und gemeindewirtschaftsrechtliche Zulässigkeit der Kommunen in einzelnen Tätigkeitsfeldern (z.B. Telekommunikation) verdeckt nach Auffassung des Städtetages Nordrhein-Westfalen das eigentliche strukturelle Problem, nämlich die Notwendigkeit einer neuen ordnungspolitischen Debatte. Der Druck knapper Kassen der öffentlichen Verwaltungen einerseits und die hohe finanzielle Belastung der Bürgerinnen und Bürger andererseits machen es erforderlich, daß sich die Gemeinden stärker betriebswirtschaftlich organisieren. Viele Kommunen strukturieren derzeit ihre Verwaltungen neu - Modernisierungen gehören zum Tagesgeschäft. Dabei geht es insbesondere um Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung, dezentrale Ressourcenverantwortung, Berichtswesen und Controllingverfahren. Da die über 150 Jahre praktizierte Kameralistik nur unzureichende Antworten zu den Kostenfragen des eigenen Produktes bietet, wird ein verstärktes Eigeninteresse der Kommunen erkennbar, die vorhandenen Kostenstrukturen darzulegen und zu verbessern.

Dabei zeigt sich, daß die Kommunen in vielen Bereich auch heute schon konkurrenzfähig sind. Die These, alles, was die öffentliche Verwaltung tue, sei teuer, ineffi-

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zient und langwierig, während alles, was die private Wirtschaft tue, effizient, schnell, logisch und vernünftig sei, trifft nach den Erfahrungen des Städtetages NRW derart pauschal nicht zu. Vielmehr liegen die Fehlerquoten in der privaten Wirtschaft und in der öffentlichen Wirtschaft etwa gleich hoch. Der Unterschied ist nur, daß über die Fehler der öffentlichen Verwaltung öffentlich diskutiert wird, während die Fehler privater Unternehmensführungen in der Regel intern und nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Die Offenlegung der eigenen Kostenstrukturen hat in der öffentlichen Verwaltung vielfach zu dem Ergebnis geführt, daß öffentliche Leistungen mit privaten konkurrieren könnten. Beispielsweise hat die Stadt Hagen als Versuch die komplette Erstellung eines umfangreichen Bebauungsplanes inklusive der Gremien- und Bürgerbetreuung öffentlich ausgeschrieben. Das günstigste Angebot eines privaten Architekturbüros für dieses Gesamtpaket lag bei 1,4 Millionen DM. Mit dieser Summe könnte das Planungsamt der Stadt Hagen zwei eigene Ingenieure fünf Jahre lang nur mit diesem einen Bebauungsplan beschäftigen. Auch wenn man berücksichtigt, daß ein privates Architekturbüro seine allgemeinen Kosten und noch ein Gewinn erwirtschaften muß, zeigt dieses Beispiel, daß die These von der gegenüber der öffentlichen Verwaltung a priori effizienteren und kostengünstigeren Privatwirtschaft zumindest zu hinterfragen ist.

Für viele Kommunen stellt sich der Weg in Richtung auf ein verstärktes betriebswirtschaftliches Denken wie ein „Griff in die Büchse der Pandora" dar. Es gibt einen Widerspruch zwischen der Forderung nach betriebswirtschaftlichem Verhalten und dem gleichzeitigen Beklagen über die Anwendung dieser betriebswirtschaftlichen Kriterien. Es geht nicht an, daß die Städte und Gemeinden einerseits verstärkt zu mehr Effizienz aufgefordert werden, andererseits aber die betriebswirtschaftlich motivierte Erschließung neuer Geschäftsfelder ständig im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen und gemeindewirtschaftsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen hinterfragt werden. Daher hilft auch die „Schwarz-Weiß-These" des Bundes der Steuerzahler nicht weiter, nach der man das Wirtschaften der Wirtschaft überlassen soll.

Bei vielen Beispielen aus der kommunalen Praxis kollidiert die Entwicklung organisatorisch und betriebswirtschaftlich sinnvoller Lösungen mit den derzeitigen ordnungspolitischen Vorstellungen des Gemeindewirtschaftsrechts. Dieser Konflikt kann auf Dauer nicht bestehen. Will man die Kommunen fit machen für den Wettbewerb, dann muß ihnen auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich gemäß den gefundenen eigenen Lösungen zu verhalten.

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Die Mitarbeiter/innen sind bereit, einen solchen Strukturwandel der Kommunalwirtschaft mitzutragen. Laufende Projekte mit betriebswirtschaftlicher Orientierung der Kommunalwirtschaft haben nach Ansicht des Städtetages Norhein-Westfalen bereits das Verhalten der Beschäftigten beeinflußt. Diese setzen sich intensiv mit der Wettbewerbsfrage auseinander und richten ihr Verhalten immer konsequenter an ökonomischen Kriterien aus. Auch für die kommunalen Arbeitnehmer gilt zunehmend die Gleichung, daß ein wirtschaftliches Arbeitsergebnis gleichbedeutend mit einem sicheren Arbeitsplatz ist. Die Beschäftigten erkennen immer deutlicher, daß kundenorientiertes, betriebswirtschaftlich ausgerichtetes Verhalten unerläßlich geworden ist.

Entsprechend fällt es den Beschäftigten schwer zu verstehen, daß man ihnen zunächst erklärt, der langfristige Erhalt ihrer Arbeitsplätze hänge von betriebswirtschaftlichen Reformen ab, und ihnen anschließend aber vorhält, die konzipierte kommunalwirtschaftliche Betätigung sei zwar wirtschaftlich und sinnvoll, verfassungsrechtlich oder gemeindewirtschaftsrechtlich jedoch unzulässig. Derartige tradierte ordnungspolitische Vorstellungen sind nach Auffassung des Städtetages bei der Gestaltung der Zukunft der Kommunalwirtschaft eher hinderlich.

3.2 Gründung und Erweiterung kommunaler Geschäftsfelder unter vergleichbaren Rahmenbedingungen

Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung des Gemeindewirtschaftsrechts muß nach Auffassung des Städtetages Nordrhein-Westfalen das Augenmerk weg von der Frage nach dem „ob" der kommunalwirtschaftlichen Betätigung hin zum „wie" der Betätigung gelenkt werden. Entscheidend ist, daß kommunale Unternehmen und private Betriebe vergleichbare Rahmenbedingungen geschaffen erhalten. Das bedeutet auch, daß sich aus dem besonderen Status der öffentlichen Betriebe keine Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der privaten Wirtschaft ergeben dürfen. Notwendig ist also eine steuerrechtliche Gleichbehandlung, auch wenn sie sich ungünstig für die Kommunen auswirkt. Weiter muß von den kommunalen Unternehmen eine Vollkostenrechnung verlangt werden. Sicherzustellen ist auch, daß es keine Subventionen aus öffentlichen Geldern und keine günstigen Kommunalkredite für die Wahrnehmung von Aufgaben kommunaler Unternehmen gibt. Auch für die Frage nach Art und Umfang der Haftung der Gemeinde für ihre kommunalen Unternehmen lassen sich Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Das erfordert, daß man nicht mehr ausschließlich darüber nachdenkt, weshalb etwas nicht geht. Vielmehr ist eine posi-

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tive Auseinandersetzung mit den Bedingungen erforderlich, unter denen künftig kommunalwirtschaftliche Betätigungen ablaufen sollen und auch können.

Insbesondere im Bereich der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern („Private-Public-Partnership") bestehen nach Auffassung des Städtetages NRW große Spielräume für kommunalwirtschaftliche Betätigungen. Diese Chancen werden bisher zu selten wahrgenommen. Bei derartigen Kooperationen gilt es, einen Know-how-Transfer zu organisieren, in den jeder seine jeweilige Kernkompetenz einbringt. Eine solche Zusammenarbeit bietet sich in verschiedenen Aufgabenfeldern an:

  • gemeinsame Organisationsuntersuchungen von städtischen Consulting-Unternehmen und im Beratungsbereich tätigen Ingenieurbüros,

  • Personalsachbearbeitung und Personalkostenabrechnung (auch nach der Ausgliederung der Betriebskrankenkassen aus der klassischen Verwaltung könnten hierfür von den Kommunen derartige Serviceleistungen erbracht werden; oder:

  • entgeltliche Abstellung von städtischem Personal für die Betreuung von Kindern in privaten Einrichtungen),

  • Datenverarbeitung (Erschließung vielfältiger Märkte in öffentlich-privater Zusammenarbeit, z.B. „kommunale Software-Häuser"),

  • chemische Untersuchungsämter (neben den Lebensmitteluntersuchungen als öffentlich-rechtlicher Aufgabenbereich werden von den Untersuchungsämtern heute schon Umwelt- und Altlastenuntersuchungen im Auftrag privater Unternehmen wahrgenommen, u.a. wegen ihrer apparativen Ausstattung und sofortigen Verfügbarkeit),

  • Entsorgungs- und Abfallwirtschaft (Kooperationen mit der Duales System Deutschland GmbH als Beispiel für das Zusammenspiel von öffentlicher und privater Verantwortung; Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen bei der Bauschuttentsorgung),

  • Planungsleistungen (öffentlich-private Zusammenarbeit z.B. durch Entwicklung eines V+E-Plans durch einen Architekten und Erbringung der Entwässerungsleistungen durch die Kommune),

  • Telekommunikation (öffentlich-private Zusammenarbeit in Form der Nutzung kommunaler Netze bzw. Kabeltrassen durch Private),

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  • Gebäudebewirtschaftung (massive Synergieeffekte durch die Zusammenarbeit mit Privaten bzw. die Erledigung von Aufgaben für Private, u.a. Fragen der Gebäudeverwaltung, -Instandhaltung und -reinigung),

  • entgeltliche Nutzung der kommunal vielfach vorhandenen Spezialfahrzeuge durch Private (z.B. für die Pflege großer Grünanlagen).

In all diesen und weiteren Bereichen kann Private-Public-Partnership zum Vorteil sowohl der Kommunen als auch der Privatwirtschaft praktiziert werden.

Neben dem Ausbau des Private-Public-Partnership sieht der Städtetag Nordrhein-Westfalen noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten der Kommunalwirtschaft. Denkbar ist etwa der Ausbau der Kundenorientierung und des Bürgerservice. Beispielsweise kann die private Angebotspalette erweitert werden (Verkauf von Konzertkarten aller Art, Kartenverkauf für Verkehrsunternehmen, Verwaltungsagenturen auf dem flachen Land). Weiter kommt auch eine kommunale Beteiligung an kommerziellen Freizeiteinrichtungen in Betracht (z.B. Kino- oder Musical-Projekte).

Nach Auffassung des Städtetages Nordrhein-Westfalen sollte es Ziel der zukünftigen Kommunalwirtschaft sein, sich weiter für wirtschaftliche Lösungen zu öffnen. Das betriebswirtschaftliche Pflänzchen in den Kommunen beginnt zu grünen. Es verdient eine Chance zur Weiterentwicklung. Hierin liegt keine Benachteiligung der privaten Konkurrenz, da man auf die Wirksamkeit der Marktmechanismen vertrauen kann. Die Städte und Gemeinden müssen und wollen sich dem wirtschaftlichen Wettbewerb stellen und kompetent den Wettbewerb mit Privaten aufnehmen. Es ist nicht einzusehen, warum die Kommunen nur kostenträchtige Pflichtaufgaben übernehmen müssen, die ihnen Bund und Land zuweisen. Vielmehr gibt es für die Kommunen - auch in Zusammenarbeit mit Privaten - zahlreiche Chancen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. In diesen Bereichen können zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaftet und damit auch Spielräume für Gebührensenkungen geschaffen werden. Diese Chancen müssen zum Vorteil von Wirtschaft und Gesellschaft auch genutzt werden.


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