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[Seite der Druckausgabe: 24 / Fortsetzung]


III. Die kommunale Wirtschaft in der Praxis - fünf Fallbeispiele

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Grundlagen und Grenzen der kommunalen Wirtschaftsbetätigung dargelegt worden sind, sollen im folgenden fünf Fallbeispiele für verschiedene kommunalwirtschaftliche Tätigkeitsbereiche vorgestellt werden.

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1. Kommunale Energiedienstleistungen - das Fallbeispiel Nahwärme Düsseldorf

Zu den klassischen Aufgabenbereichen kommunalwirtschaftlicher Betätigung zählt die kommunale Versorgungswirtschaft. Auch in diesem Bereich haben viele Kommunen in den letzten Jahren neue Geschäftsfelder erschlossen. Als Beispiel hierfür soll die Nahwärme Düsseldorf der Stadtwerke Düsseldorf vorgestellt werden.

Im Bereich der kommunalen Versorgungswirtschaft betreibt die Stadtwerke Düsseldorf als klassische Geschäftszweige den Stromverkauf, den Erdgasverkauf, die Fernwärmeabgabe und den Wasserverkauf. In diesen klassischen Bereichen folgt der kommunalrechtlich geforderte (dringende) öffentliche Zweck bereits aus der Aufgabenstellung. Die Belieferung der Bevölkerung mit Energie, Wärme und Wasser dient lebenswichtigen Bedürfnissen der kommunalen Gemeinschaft und gehört insoweit zur sogenannten Daseinsvorsorge. Bereits im 19. Jahrhundert hatten die deutschen Kommunen damit begonnen, die örtliche Versorgung mit Trinkwasser, Elektrizität, Gas und Wärme durch eigene Unternehmen durchzuführen. Bis heute kommt den Kommunen auf ihrem Gebiet zumeist ein Monopol bei der Energie- und Wasserversorgung zu.

Allerdings führen die wettbewerbsrechtlichen Grenzen und die in vielen Kommunen entwickelten neuen Steuerungsmodelle zu einem Aufweichen dieser Monopolstrukturen. Die gegenwärtigen europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungstrends (Stichworte: Globalisierung der Weltwirtschaft, Lockerung der Handelsgrenzen) werden zu einer vermehrten Konkurrenz führen, öffentliche, aber auch privatrechtliche Monopole, wie sie gegenwärtig gerade auf dem Gebiet der Stromversorgung existieren, wird es künftig wohl kaum noch geben.

Diese Entwicklung zeigt sich beispielhaft an den Perspektiven der Stadtwerke Düsseldorf. Gegenwärtig erzielen diese 95 % ihres Umsatzes in Marktbereichen, in denen sie als Alleinanbieter auftreten (Gaseinkäufer und -Verkäufer, Fernwärmeerzeuger und -Verteiler, Stromerzeuger, -Verteiler und -Verkäufer). Nur 5 % ihres Umsatzes erwirtschaften die Stadtwerke in Konkurrenz zu privaten Anbietern. In diesen Bereich gehören Energiedienstleistungen, Energiekonzepte sowie Umwelt- und Technikberatung. Nach einer eigenen Prognose werden die Stadtwerke Düsseldorf in näherer Zukunft nur noch etwa 40 % ihres Umsatzes als Alleinanbieter am Markt erzielen. Hierzu werden nur noch das Betreiben des Strom-, Gas- und Fernwärmenetzes sowie die Wassergewinnung und -Verteilung gehören. Ca. 60 % seines Umsatzes wird das Unternehmen zukünftig als ein Anbieter unter vielen erwirtschaften.

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In verschiedenen gegenwärtig noch monopolistischen Bereichen - etwa der Stromerzeugung, des Stromverkaufs, des Gaseinkaufs und -Verkaufs, der Fernwärmeerzeugung und des Wärme-Kälte-Verkaufs - werden die Stadtwerke Düsseldorf künftig mit privaten Betrieben konkurrieren.

Die Stadtwerke Düsseldorf haben auf diese sich abzeichnende Entwicklung mit einer Erweiterung ihrer Geschäftsfelder reagiert. Sie bieten ihren Kunden neuartige Energiedienstleistungen im Bereich der sogenannten „Nahwärme" an. Zu diesem Zweck beteiligt sich das Unternehmen mit 60 % an der neu gegründeten Nahwärme Düsseldorf Gesellschaft. Daneben sind der Verein für innovative Haustechnik mit 30 % sowie die Deutsche Kohle Marketing mit 10 % an der neuen Gesellschaft beteiligt. Ziel der Nahwärme Düsseldorf ist es, den Kunden eine Komplettlösung für die Wärmeversorgung anzubieten. Gleichzeitig sollen die Angebotspalette der Stadtwerke erweitert sowie die Anschluß- und Verteilungskosten verringert werden. Nach dem bisherigen Status quo lieferten die Stadtwerke Düsseldorf Gas und Fernwärme. Die Dienstleistung „Wärme" mußte sich der Kunde selbst erstellen, indem er beispielsweise Handwerksbetriebe mit der Installation und Wartung von Heizungsanlagen beauftragte. Mit anderen Worten: Bei der bisherigen Arbeitsteilung beschränkten sich die Stadtwerke Düsseldorf auf die Lieferung von Energie; die korrespondierenden Dienstleistungen wurden getrennt und ohne besondere Abstimmung durch das Handwerk erbracht. Durch die Nahwärme Düsseldorf werden dagegen die Energielieferung sowie die zugehörigen Service- und Dienstleistungen als ein zusammengehöriger Komplex behandelt und umgesetzt. Das Angebot reicht von der Erzeugung und dem Vertrieb von Wärme über die Vorfinanzierung der Heizungsanlagen, die Beratung zur energetischen Optimierung der Gebäude, die Planung, Installation, Wartung und Instandhaltung von Heizungsanlagen bis zur Abrechnung und Heizkostenverteilung.

Nach dem internen Geschäftsverteilungsplan der Nahwärme Düsseldorf sind die Mitarbeiter der Stadtwerke Düsseldorf für den Vertrieb und den kaufmännischen Bereich (Werbung, Akquisition, Angebote, Verträge, Kundenbetreuung, Abrechnung, Bilanzen) zuständig. Der Verein für innovative Haustechnik Düsseldorf kümmert sich um Betrieb und Abwicklung (d.h. technische Planung, Anlagenerstellung, Wartung, Instandhaltung, Vergabe), während die Vertreter der Deutschen Kohle Marketing für Großprojekte und die juristische Beratung verantwortlich zeichnen.

Die Bündelung der genannten Leistungen in einer Gesellschaft liegt zum einen im Interesse der Kunden, da alle zur Wärmeversorgung erforderlichen Leistungen in einem Gesamtpaket erbracht werden. Auf der anderen Seite erweitert die Dienstlei-

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stung „Nahwärme" die Angebotspalette der Stadtwerke, festigt gleichzeitig die Marktposition im Kerngeschäft „Energieversorgung" und sichert damit nicht zuletzt auch Arbeitsplätze. Dabei führt diese Angebotserweiterung der Stadtwerke nicht zu einer unzulässigen Verdrängung privater Konkurrenz. Mittelfristiges Ziel der Nahwärme Düsseldorf ist das Erreichen eines Anteils von 10 % am Raumwärmemarkt in Düsseldorf; Zielgruppe sind dabei größere Abnehmer (Objekte ab 50 kW Nennleistung). Das bedeutet, daß auch in Zukunft private Handwerksunternehmen den ganz überwiegenden Teil der Energiedienstleistungen - insbesondere die Installation und Wartung von kleinen und größeren Heizungsanlagen - erbringen werden. Aber auch im unmittelbaren Geschäftsfeld der Nahwärme Düsseldorf entsteht keine neue Konkurrenz zur Privatwirtschaft, denn die Aspekte „Erstellung und Wartung von Anlagen etc." werden nach wie vor von Innungsbetrieben - und zwar von solchen Firmen, die Mitglied des Vereins für innovative Haustechnik sind, - ausgeführt.

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2. Kommunale Entsorgungswirtschaft - das Fallbeispiel Umweltservice Bochum

Ebenso wie die Versorgung mit Wasser, Strom, Gas und Wärme gehört auch die kommunale Abfallentsorgung zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge. Als Beispiel für den Bereich der Entsorgungswirtschaft soll im folgenden die Umweltservice Bochum GmbH, eine 100%ige Tochter der Stadtwerke Bochum, vorgestellt werden.

2.1 Veränderungen der Organisationsform

Bis Ende des Jahres 1993 war die Abfallwirtschaft in der Stadt Bochum in der Form des Regiebetriebes organisiert. Ab Anfang 1994 übernahm ein Eigenbetrieb (Abfall- und Straßenreinigungsbetrieb Bochum ASB) die Aufgaben des Regiebetriebes. Mit dem Beginn des Jahres 1995 ist die Umweltservice Bochum GmbH als kommunalbeherrschte Kapitalgesellschaft für den Bereich der Abfallbeseitigung und Stadtreinigung zuständig. Zudem existiert eine „Holding für Versorgung und Verkehr", die einen Querverbund zwischen den verschiedenen kommunalwirtschaftlichen Tätigkeitsbereichen der Stadt herstellt. Dieser Querverbund soll insbesondere die Versorgungsunternehmen und die Entsorgungseinrichtungen organisatorisch zusammenfassen; z.B. sind ihm die Stadtwerke Bochum (= Versorgungsunternehmen) und der Umweltservice Bochum (Entsorgungseinrichtung) untergliedert.

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Mit dieser Umwandlung der Rechtsform verfolgt die Stadt Bochum verschiedene Ziele:

  • Zum einen wird die dauerhafte, gesicherte Partizipation am dynamisch wachsenden Entsorgungsmarkt - und das beinhaltet auch die langfristige Kapitalverzinsung - angestrebt.

  • Weiterhin sollen neue Kapitalquellen durch die Möglichkeit privater Minderheitsbeteiligungen am Umweltservice Bochum erschlossen werden.

  • Zudem sollen durch den Querverbund betriebswirtschaftliche und technische Synergieeffekte erzielt werden. Zu diesen betriebswirtschaftlichen Effekten zählen insbesondere Verbesserungen des Finanzmanagements, des Rechnungswesens und Controlling, der Datenverarbeitung und der Verbrauchsabrechnung. Zu den technischen Synergieeffekten gehören etwa die Koordinierung der Planung, Projektierung, Vergabe und Abrechnung von technischen Anlagen, die gemeinsame Leitungsverlegung für Wasser und Abwasser, die energetische Nutzung aus der thermischen Abfallverwertung und der Deponieentgasung sowie die Nutzung gemeinsamen technischen Equipments.

Der erforderliche kommunale Einfluß wird dadurch gesichert, daß die Stadt Bochum über die Stadtwerke immer mit mindestens 51 % am Umweltservice Bochum mehrheitsbeteiligt sein muß.

Die Übernahme der Abfallwirtschaft durch die Umweltservice Bochum GmbH zeigt bereits erste positive Ergebnisse. Die Verwaltungskosten, die bei Fortbestehen des Regiebetriebes im Jahre 1996 angefallen wären, lassen sich auf etwa 4 Mio. DM hochrechnen. Tatsächlich lagen die Verwaltungskosten für die Abfallwirtschaft 1996 nur noch bei ca. 1,5 Mio. DM. Zuzüglich der Leistungen der Stadtwerke bzw. der Umweltservice Bochum in Höhe von 1,2 Mio. DM ergaben sich Gesamtkosten von 2,7 Mio. DM. Dies bedeutet, daß 1996 ein Synergieeffekt von etwa 1,3 Mio. DM zu verzeichnen war. Im Jahr zuvor wurde bereits ein Jahresüberschuß von fast 500.000 DM erwirtschaftet. Gleichzeitig konnten notwendige Rückstellungen für die Deponienachsorge durchgeführt werden. Neue Geschäftsfelder außerhalb des Bereichs des Anschluß- und Benutzungszwanges wurden erschlossen.

Als Folge gezielten Kostenmanagements hätten bei gleichen Rahmenbedingungen wie 1996 die Abfallgebühren in Bochum 1997 erstmals gesenkt werden können. Allerdings ist damit zu rechnen, daß die Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts-

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Gesetzes - insbesondere die Mengenrückgänge im Bereich der Deponieanlieferungen bei konstantem Fixkostenblock der Deponie - zu höheren Abfallgebühren führen werden. Insgesamt zeichnet sich aber ab, daß die mit der Änderung der Rechtsform beabsichtigten Synergieeffekte tatsächlich eintreten.

2.2 Zulässigkeit der organisationsrechtlichen Privatisierung

Zwar gilt die Abfallentsorgung ebenso wie die Abwasserbeseitigung nach der gesetzlichen Fiktion in § 107 GO NW nicht als wirtschaftliche Betätigung der Kommune, sondern als „Einrichtung". Diese gesetzliche Definition bedeutet indes nicht, daß das Betreiben in einer betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unterworfenen Rechtsform unzulässig ist. Vielmehr bestimmt die Gemeindeordnung NRW, daß nichtwirtschaftliche Einrichtungen einer Gemeinde - also auch die Abfallentsorgung - im Rahmen ihres öffentlichen Zwecks nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten sind und entsprechend den Vorschriften über die Eigenbetriebe geführt werden können. Zwecksetzung dieser Ermächtigung ist es, die den wirtschaftlichen Unternehmen zur Verfügung stehenden Organisationsformen grundsätzlich auch für ursprünglich hoheitliche Betriebe zugrundelegen zu können. Nach der Gemeindeordnung NRW dürfen auch nichtwirtschaftliche Einrichtungen statt als Hoheitsbetrieb in einer Rechtsform des Privatrechts betrieben werden, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung oder der Beteiligung besteht. Zu diesen wichtigen Interessen gehören auch wirtschaftliche Gesichtspunkte.

Ein wichtiges Interesse für die Umwandlung eines bisherigen Regiebetriebes in eine privatrechtliche Organisationsform kann für eine Gemeinde z.B. gegeben sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine organisatorische Zusammenfassung mit bereits privatrechtlich organisierten Versorgungssparten angestrebt wird. Der in Teilbereichen verwirklichte Querverbund soll die schon zuvor in den Stadtwerken Bochum privatrechtlich organisierten Versorgungssparten Elektrizität, Wasser, Gas, Fernwärme und ÖPNV organisatorisch mit bisher öffentlich-rechtlich betriebenen Aufgabenbereichen - u.a. der Abfallentsorgung - verknüpfen. Zu diesem Zweck darf die Abfallentsorgung - wie mit dem Umweltservice Bochum in die Tat umgesetzt - privatrechtlich organisiert werden.

Die historische Differenzierung zwischen Versorgung (= wirtschaftliches Unternehmen) und Entsorgung (= hoheitliche Einrichtung) mutet heute anachronistisch an. Entsorgungseinrichtungen moderner Prägung sind von ihrer Betriebsstruktur her vollauf vergleichbar mit Wasser- oder Energieversorgungsunternehmen. Die meisten

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Bundesländer haben aus diesem Befund Konsequenzen gezogen und erlauben es in ihren Gemeindeordnungen den nichtwirtschaftlichen Unternehmen, sich der Organisationsformen des Eigenbetriebes oder privatrechtlicher Organisationsformen zu bedienen. Hieraus kann geschlossen werden, daß wirtschaftliche Betätigungsfelder mit nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereichen einer Kommune in einem privatrechtlich organisierten Querverbund zusammengefaßt werden dürfen. Diese Möglichkeit wird mit der Eingliederung des Umweltservice Bochum in einen Querverbund mit kommunalen Versorgungsunternehmen der Stadt genutzt.

2.3 Steuerrechtliche Behandlung eines kommunalen Querverbundes

Der Zusammenschluß der nichtwirtschaftlichen Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung mit der wirtschaftlichen Wasser- und Energieversorgung in einem Querverbund bereitet aber steuerrechtliche Probleme. Die Finanzverwaltung hat einem derartigen Querverbund bis jetzt die steuerliche Anerkennung versagt. Gestützt wird dies auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1962, wonach sich die steuerliche Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art mit Hoheitsträgern verbietet, weil sich die Betätigung der Hoheitsbetriebe grundlegend von der Betätigung wirtschaftlicher Unternehmen unterscheidet.

Die Anerkennung der Steuerpflicht für einen Querverbund hätte für die Kommunen verschiedene Vorteile. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist für die Städte und Gemeinden - neben den bereits oben hervorgehobenen betriebswirtschaftlichen und technischen Synergieeffekten - insbesondere der steuerliche Synergieeffekt des Querverbundes hervorzuheben. Durch die Zusammenfassung mehrerer Betriebe wird sichergestellt, daß diese als einheitliches Steuersubjekt behandelt werden. Verluste und Gewinne der einzelnen Sparten werden miteinander verrechnet, so daß lediglich der insgesamt verbleibende Saldo das steuerliche Einkommen bildet. Hierdurch tritt für die Eignerkommune im Ergebnis eine Steuerentlastung ein.

Dieser steuerliche Synergieeffekt kann nach derzeit geltendem Recht aber nur bei der Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art genutzt werden. Wenn ein Hoheitsbetrieb in eine Kapitalgesellschaft übergeleitet wird, hat dies zwar die volle -rechtsformbedingte - Besteuerung dieses Unternehmens zur Folge. Ein Ergebnisverbund mit der oben dargelegten Saldierungsmöglichkeit wird jedoch nicht anerkannt. Da die Abfallentsorgung und die Abwasserbeseitigung sowohl nach den Gemeindeordnungen der Bundesländer als auch nach der für die steuerrechtliche Beurteilung maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem hoheitlichen

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Bereich einer Gemeinde zugerechnet werden, kann ein steuerlich wirksamer Verbund zwischen Ver- und Entsorgung mit den dargestellten finanziellen Vorteilen für die Gemeinde nach gegenwärtig geltendem Recht nicht in Betracht kommen. Bei einer wie in Kapitel 2.2 erläuterten kommunalrechtlich zulässigen organisatorischen Zusammenfassung von Ver- und Entsorgung in einer privatrechtlichen Organisationsform muß deshalb heute eine getrennte Steuerbilanz für den gewerblichen Bereich aufgestellt werden.

Die Bundesregierung verfolgt die politische Absicht, eine umfassende Steuerpflicht für kommunale Entsorgungsunternehmen einzuführen. Aufgrund erheblicher Widerstände der Opposition, der Bundesländer und der Kommunen (Städtetag, Städte- und Gemeindebund) wurde die vorgesehene Steuerpflicht im Jahressteuergesetz 1996 wieder gestrichen. In einem Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof wurde in einem Gerichtsbescheid die positive Grundtendenz des Gerichts zur Besteuerung von Entsorgungsunternehmen deutlich. Da die Klage jedoch zurückgezogen wurde, erlangte der Gerichtsbescheid keine Rechtskraft. In einem Antrag der Bundesregierung „Gewässer schützen - Kosten senken" war die Besteuerung der Entsorgungsunternehmen inklusive gespaltenem Umsatzsteuersatz vorgesehen. Im Jahressteuergesetz 1997 ist die Einführung einer Steuerpflicht für Entsorgungsunternehmen dagegen nicht enthalten, da die politisch Verantwortlichen angesichts des oben erwähnten Gerichtsbescheides des Bundesfinanzhofs offensichtlich davon ausgingen, daß die Rechtsprechung die Weichen für eine Besteuerung der kommunalen Entsorgungswirtschaft stellen würde. In seinem abschließenden Urteil vom 23.10.1996 hat sich der Bundesfinanzhof indes gegen die Körperschaftsbesteuerung von Entsorgungstätigkeiten ausgesprochen.

Festzuhalten bleibt damit, daß ein steuerlicher Verbund zwischen Versorgungsunternehmen und Entsorgungseinrichtungen nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht in Betracht kommt und die allgemeine Steuerpflicht für Entsorgungstätigkeiten bislang noch nicht gesetzlich geregelt ist.

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3. Öffnung von ÖPNV-Werkstätten für Dritte • das Fallbeispiel Ergebnis-Center „Technische Dienstleistungen" der Wuppertaler Stadtwerke

Neben der Versorgungs- und der Entsorgungswirtschaft gehört der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zu den klassischen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge. Auch auf dem Gebiet des ÖPNV gehen die Kommunen neue Wege. Stellvertretend für diese Entwicklung steht das Ergebnis-Center „Technische Dienstlei-

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stungen" der Wuppertaler Stadtwerke (im folgenden: WSW). Dieses betreibt unter anderem die Werkstätten, in denen die Fahrzeuge für den Personenverkehr (254 Busse) gewartet werden. Seit 1993 hat das Ergebnis-Center „Technische Dienstleistungen", das Mitglied der Kfz-Innung ist, damit begonnen, diese Fahrzeugwerkstätten in Form von Nebengeschäften auch für private Dritte zu öffnen. Letztere können seitdem hier ihre Verkehrsmittel warten und instandhalten lassen. Die Abrechnung erfolgt auf der Basis von Arbeitswerten, die mehr und mehr auch bei der internen Abrechnung greifen.

Ziel dieser Öffnung der ÖPNV-Werkstätten für Dritte ist die Auslastung freier Kapazitäten bei technischen Anlagen bzw. beim vorhandenen Personal. Durch die eigenen ÖPNV-Fahrzeuge sind die Instandhaltungswerkstätten nicht durchgehend voll ausgelastet. Die freien Kapazitäten sollen wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden. Damit würde die Öffnung auch zur Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses der WSW beitragen.

Vom Gesamtumsatz der ÖPNV-Werkstätten machte der durch die Arbeit für Externe erwirtschaftete Umsatz 1995 ca. 7 % und 1996 ca. 9 % aus. In bezug auf die verrechneten Lohnstunden betrug der Anteil für externe Arbeiten 1994 ca. 4 %, 1995 etwa 5 % und 1996 ca. 6 %. Für die drei Jahre insgesamt ergibt sich ein für Dritte erbrachter Arbeitswert (Arbeitsstunden x Stundensatz) von knapp 1,6 Mio. DM. Hierbei orientiert sich der Stundensatz, der 1997 bei 98 DM liegt, an den Marktpreisen. Das verdeutlicht, daß es nicht um Dumpingpreise und die Verdrängung privater Betriebe, sondern um eine bessere Kapazitätsauslastung und eine Ergebnisverbesserung durch Nebengeschäfte geht.

Die angestrebten Ziele sind im wesentlichen erreicht worden. Die vorhandenen Personalkapazitäten und die Infrastruktur sind besser ausgelastet worden. 1996 entfielen rund 8.000 Stunden - entsprechend etwa fünf Mitarbeitern der WSW im Bereich der Werkstätten - auf Arbeiten für Externe. Das betriebswirtschaftliche Denken und die Kundenorientierung sind geschult und verbessert worden. Auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht konnten die WSW ein günstigeres Resultat erzielen. Die für Dritte geöffneten ÖPNV-Werkstätten arbeiten mit Gewinn. Damit konnte zugleich der Privatisierungsdruck, dem sich auch die Werkstätten des ÖPNV ausgesetzt sehen, ebenso verringert werden wie die bei dauerhaft unzureichender Kapazitätsauslastung berechtigte Befürchtung von Arbeitsplatzverlusten. Hieraus resultierte nicht zuletzt ein erheblicher Motivationsschub bei den Beschäftigten.

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Inzwischen sind die Grenzen der betriebswirtschaftlichen Optimierung erreicht. Nach eigener Einschätzung des Ergebnis-Centers „Technische Dienstleistungen" wird sich die Nebentätigkeit der ÖPNV-Werkstätten für private Kunden auf dem derzeit erreichten Niveau einpendeln. Für eine Ausweitung wäre die Schaffung neuer Rahmenbedingungen - etwa die Gründung einer Fahrzeugwerkstätten GmbH mit privater Mehrheitsbeteiligung - erforderlich. Dies würde jedoch den Bereich kommunalwirtschaftlicher Betätigung im engeren Sinne überschreiten, denn diese setzt die Einwirkungsmöglichkeit der Kommune über eine Mehrheitsbeteiligung voraus.

Die Stadtwerke Wuppertal haben dieses neue Geschäftsfeld eingerichtet. Zwar könnte eingewendet werden, die Instandhaltung von Fahrzeugen privater Dritter diene keinem öffentlichen Zweck und könne von privaten Kfz-Werkstätten mindestens ebenso gut und wirtschaftlich erbracht werden. Die WSW sind aber der Auffassung, daß insoweit keine rechtlichen Bedenken bestehen, weil die ÖPNV- Reparaturwerkstätten als Neben- bzw. Hilfsbetrieb des gemeindlichen wirtschaftlichen Versorgungsunternehmens (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 4 GO NW) mit den Reparaturleistungen für private Dritte lediglich eine untergeordnete Randnutzung zur Auslastung ansonsten freier Kapazitäten erbringen. Beim Ergebnis- Center „Technische Dienstleistungen" machen die Instandhaltungsdienstleistungen für Externe weniger als 10 % des Gesamtumsatzes der ÖPNV- Werkstätten bzw. nur ca. 6 % der verrechneten Lohnstunden aus. Dies stellt angesichts einer Eigenbedarfsnutzung von über 90 % durch Wartung von ÖPNV- Fahrzeugen als eine bloße Annextätigkeit dar, die dem Hilfsbetrieb zuzurechnen ist.

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4. Kommunales Consulting - das Fallbeispiel der Mannheimer Versorgungsund Verkehrsgesellschaft

Die Kommunen beschränken sich nicht darauf, ihre bisherigen Geschäftsfelder durch neue handwerkliche Dienstleistungen wie Installations- oder Wartungsarbeiten zu erweitern. Immer mehr kommunale Energieversorgungsunternehmen gehen dazu über, die vorhandenen komplexen Kenntnisse für die Beratung Dritter zu nutzen. Die Geschäftsfelder dieses sogenannten „Consulting" liegen zum einen in der Vermarktung eigenen Wissens und eigener Erfahrungen, die die Mitarbeiter im Tagesgeschäft gesammelt haben (z.B. Betrieb und Instandhaltung kommunaler Gasnetze). Als Beispiel für diese Strategie soll im folgenden die Stabsabteilung Consulting der Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (im folgenden: MW) vorgestellt werden. Zum anderen kann auch zugekauftes Wissen - z.B. auf dem Gebiet der Te-

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lekommunikation - vermarktet werden. Mit dieser Möglichkeit befaßt sich das anschließende Kapitel zur NetCologne.

Da sich in der Versorgungswirtschaft ein allgemeiner Trend zur Weiterentwicklung zu Energiedienstleistungsunternehmen abzeichnet und das im jahrzehntelangen Auf- und Ausbau der Versorgungsnetze gewonnene Know-how im eigenen Versorgungsgebiet keine ausreichende Beschäftigung mehr findet, hat die MW mit der Stabsabteilung Consulting eine Stelle geschaffen, die Wissensvermarktung im oben genannten Sinne betreibt. Im Mittelpunkt des neuen Geschäftsfeldes, das eng mit dem Kerngeschäft des Unternehmens zusammenhängt, steht die Vermarktung des Betreiber-Know-how. Hierbei geht es um die Nutzung der Erfahrung in Planung, Bau und Betrieb von Anlagen und Systemen in technischer, kaufmännischer und rechtlicher Hinsicht. In diesem Sektor haben alle Energieversorgungsunternehmen (EVU) einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Beratungsfirmen und Ingenieurbüros. Sie wissen, wie Anlagen betrieben werden. Sie kennen die Stärken und Schwächen der verschiedenen Systeme und können den Kunden nicht nur Blaupausen liefern, sondern auch das Handling weitervermitteln. Hinzu kommt als weiterer Vorteil, daß den Kunden von Stadtwerken, insbesondere wenn es sich um Querverbundunternehmen handelt, eine umfangreiche Systemberatung aus einer Hand angeboten werden kann, die vom Engineering bis zum Finanz- und Rechnungswesen oder komplexen EDV-Programmen reicht. Außerdem ist sichergestellt, daß bei Beratungen durch EVU die Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum abrufbereit bleiben, was z.B. bei Ingenieurfirmen nicht immer der Fall ist.

In Deutschland berät das MW-Consulting andere Kommunen z.B. bei der Projektierung von Netzen, bei der Planung von Blockheizkraftwerken oder bei Energiekonzepten. Im Ausland gehören zu den Beratungsaktivitäten z.B. die Restrukturierung (formelle Privatisierung) von Energieversorgungsunternehmen, die Beratung von Kommunen zur Gestaltung der Energieversorgung, die Dezentralisierung der litauischen Fernwärmeversorgung, die Energie-Notfallplanung für Lettland sowie Masterpläne zur Fernwärmesanierung (u.a. in Warschau, Zagreb, Sofia, Timisoara und Budapest). Kunden sind neben anderen Kommunen und Stadtwerken auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Europäische Union (SAVE, TACIS, PHARE), die European Bank for Reconstruction and Development sowie die Weltbank.

Die Aktivitäten im Bereich Consulting haben eine Änderung der Unternehmenskultur mit sich gebracht. Das vorher reine Energieversorgungsunternehmen entwickelt sich in Richtung eines kundenorientierten Dienstleistungsunternehmens. Da der Einhal-

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tung von Terminen und Qualitätsstandards eine entscheidende Bedeutung zukommt, können die Beratungsgeschäfte nicht nebenbei durchgeführt werden. Vielmehr muß das Consulting als neues Geschäftsfeld gleichberechtigt neben das bisherige traditionelle Kerngeschäft der Energieversorgung treten. Dabei werden gerade qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Kerngeschäft, die ohnehin schon eine große Arbeitsbelastung aufweisen, in Consulting-Aktivitäten eingebunden. Diese müssen ein hohes Maß an Flexibilität bei der Projektabwicklung aufbringen. Es kommt zu Konflikten mit dem Kerngeschäft, das natürlich nicht vernachlässigt werden darf. Auf der anderen Seite erwartet der Consulting-Kunde, daß man die Terminpläne seinen Bedürfnissen anpaßt, also flexibel agiert.

Ziel der Erweiterung der Tätigkeiten der MW um den Bereich Consulting ist die Erwirtschaftung von Deckungsbeiträgen und Gewinnen durch die Vermarktung des vorhandenen Know-how. Dabei erfolgt keine Quersubventionierung. Bei der Abwicklung von Projekten wird zwar auf die Mitarbeiter verschiedener Fachabteilungen zurückgegriffen. Es wird aber auch sichergestellt, daß die hierdurch verursachten Kosten erstattet werden. Damit ist die Consulting-Tätigkeit auch von wirtschaftlichem Nutzen für das gesamte EVU, denn es erhöht den Kostendeckungsgrad in den betreffenden Abteilungen und sichert über einen höheren Auslastungsgrad des Personals auch Arbeitsplätze. Zusätzlich müssen die Kosten der Mitarbeiter voll gedeckt sein, die für das Consulting eingestellt wurden.

Die Teilnahme am Wettbewerb setzt voraus, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kundenorientierten Arbeiten geschult und qualifiziert werden. Die Beschäftigten müssen lernen, die Projekte so zu gestalten, wie die Kunden es wünschen. Dies bedingt eine enge Zusammenarbeit mit den Auftraggebern. Hierfür reicht eine Projektabwicklung am Schreibtisch ganz überwiegend nicht aus. Notwendig sind vielmehr Projektmanagementfähigkeiten und ein hohes Maß an Kontaktfreudigkeit, denn Consulting erfordert Beratung, und das geht weitgehend nur in Gesprächen mit dem Kunden. Dabei akzeptieren die Auftraggeber i.d.R. nicht, wenn sie mit einer ganzen Reihe von Spezialisten aus dem EVU konfrontiert werden. Erwünscht ist vielmehr ein Ansprechpartner, der die (für Stadtwerke untypischen) Qualifikationen eines Generalisten aufweisen sollte. Bei Auslandstätigkeiten müssen gute Sprachkenntnisse und eine hohe Bereitschaft, auch in weniger attraktive Länder zu reisen, zusätzlich vorhanden sein. Hinzu kommen muß schließlich die Fähigkeit, gute schriftliche Berichte zu verfassen.

Mit dem Consulting tritt die MW in den Wettbewerb ein. Dabei stellt sich für das Unternehmen die Frage, ob eine Beschränkung auf den „kommunalen" Wirkungs-

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kreis heute noch zeitgemäß ist. Spätestens seit den Beschlüssen der EU und der Bundesregierung zur Deregulierung sei klar, daß sich die EVU's dem Wettbewerb stellen müssen. Ohne die Möglichkeit einer umfassenden wirtschaftlichen Betätigung würde nach Auffassung des Unternehmens der Ruf nach mehr Wettbewerb ad absurdum geführt.

Zur Wettbewerbssituation läßt sich feststellen, daß nur sehr wenig mit klassischen Ingenieurgesellschaften und Beratungsfirmen konkurriert wird. Vielmehr konzentriert sich die MW-Consulting auf die traditionellen Bereiche, weil Beratungsaktivitäten durch EVU nach Einschätzung des Unternehmens nur dann konkurrenzfähig sein können, wenn für das gesamte Spektrum eigene Ressourcen, d.h. insbesondere eigenes Know-how zur Verfügung steht. Wollen Ingenieurbüros in Bereichen wie Restrukturierung von Versorgungsunternehmen oder Erstellung neuer Tarifsysteme für die Energieversorgung tätig werden, dann müssen sie - im Gegensatz zur MW -fehlende Leistungen, d.h. fehlendes Wissen auf dem Gebiet der Energieversorgung zukaufen, um die von dem Kunden gewünschte Leistungspalette abzudecken.

Unabhängig davon, ob das Consulting durch Energieversorgungsunternehmen wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, stellt sich die Frage, ob es sich bei derartigen Beratungsaktivitäten um zulässige kommunalwirtschaftliche Betätigungen handelt. Solche Aktivitäten im Bereich des Energieversorgungsconsulting können als Randnutzung bzw. Annextätigkeiten zulässig sein, wenn sie der Ausschöpfung ansonsten brachliegender Personalkapazitäten dienen und sich im Verhältnis zur zentralen Aufgabe der Energieversorgung als wirtschaftliche Nebentätigkeit darstellen. Unter diesen Voraussetzungen sind die Beratungstätigkeiten vom öffentlichen Zweck der EVU mit erfaßt und dürfen insoweit nicht nur, aber auch der Gewinnerzielung dienen.

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5. Telekommunikation - ein neues Betätigungsfeld für Kommunen?

Ein erst in den letzten Jahren neu hinzugetretenes Geschäftsfeld für kommunalwirtschaftliche Betätigung bietet die Telekommunikation (TK). Die Liberalisierungen des TK-Marktes durch Maßnahmen der Europäischen Union (Richtlinie 90/338/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, Richtlinie 90/387/EWG zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikation durch Einführung eines offenen Netzzuganges, Entschließung des Rates vom 22.07.1993 zur Liberalisierung des Sprachtelefondienstes zum 01.01.1998 und Entschließung des Rates vom 22.12.1994 zur Liberalisierung der Netzinfrastruktur), den 1994 neu eingeführten Art. 87 f GG sowie das Telekommunikationsgesetz (TKG) vom

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25.07.1996 haben mehrere Kommunen zum Anlaß genommen, die TK als neues Geschäftsfeld der wirtschaftlichen Betätigung zu erschließen. Prominentes Beispiel für die kommunalwirtschaftliche Betätigung auf diesem Markt ist die NetCologne Gesellschaft für Telekommunikation aus Köln, die im folgenden näher vorgestellt werden soll. Anschließend werden kommunale TK-Dienste auf ihre Zulässigkeit hin untersucht.

5.1 Das Fallbeispiel NetCologne Gesellschaft für Telekommunikation

NetCologne ist Ende Oktober 1994 gegründet worden. Gesellschafter sind die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln (im folgenden: GEW; Anteil 64,9 %), die Stadtsparkasse Köln (Anteil 25,1 %) sowie die Kreissparkasse Köln (Anteil 10 %). NetCologne verfügt in Köln neben der Deutschen Telekom als einziges TK-Unternehmen über ein eigenes Netz. Das Unternehmen plant, auf diesem Netz aufbauend verschiedene TK-Services zu entwickeln und den Kunden am Kölner Markt direkt anzubieten. Mit „CityNetCologne" erhält Köln das modernste und leistungsfähigste Stadt-TK-Netz in Europa. Für die Einführung der Services wird das vorhandene TK-Netz der GEW genutzt, dem bereits 900 Gebäude angeschlossen sind. Auf dieser Basis gab NetCologne im Mai 1996 den Startschuß für den Flächenausbau des „CityNetCologne". Noch in diesem Jahr wurden die ersten 3.500 Gebäude mit Glasfaserkabeln vernetzt. In den kommenden Jahren soll der Ausbau des Netzes durch Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe noch dynamischer vorangetrieben werden.

Für die Marktposition von NetCologne ist die spezifische Konzentration auf Kölner Unternehmen, Behörden und private Haushalte entscheidend. Da in Köln eine Vielzahl von Medienunternehmen ansässig ist, hat NetCologne im Jahre 1996 auch damit begonnen, ein „MediaNet" genanntes Hochgeschwindigkeitsnetz zwischen den einzelnen Medienstandorten zu realisieren, das auf die Bedürfnisse dieser Branche zugeschnitten ist. Zu den wichtigen Medienunternehmen im Kölner Raum (WDR inklusive Studios, RTL, CBC, Studios Hürth, Mediapark) werden Glasfaseranschlüsse ausgebaut. Zusätzlich werden Fußballstadien, die Messe, die Mehrzweckarena Köln und alle anderen wichtigen Veranstaltungsorte angeschlossen. Damit soll „MediaNet" einen Beitrag zum weiteren Ausbau des Medienstandortes Köln leisten.

Da die TK nicht an den Grenzen des Wirtschaftsraumes Köln endet, plant NetCologne zudem, sich im Rahmen von Interconnect-Vereinbarungen im nationalen und internationalen TK-Netz mit anderen Carriern (z.B. DBKOM, Eurokom, AT & T, Ve-

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bacom, RWE Cable & Wireless, VIAG, British Telecom, UNIWORLD, DTAG) zu verbinden. Ziel ist es, den Endkunden die wirtschaftlichsten und leistungsstärksten TK-Dienste anzubieten.

Die vorhandenen bzw. auszubauenden Netze bilden die Basis für die von NetCologne angebotenen bzw. geplanten Services, deren potentielle Kunden Privathaushalte, mittelständische Unternehmen, Handel, Banken, Versicherungen, Medienunternehmen sowie städtische Behörden und Gesellschaften mit städtischer Beteiligung sind. Zu den bereits bestehenden bzw. in Zukunft angebotenen Services gehören NetCorporate, NetLine, NetOnline, NetConsult, NetSwitch, NetVoice, NetVideo, NetTV, NetPhone und NetService:

  • „NetCorporate" betrifft die Gestaltung und den Betrieb wirtschaftlicher Kundennetze (Corporate Networks), die eine klar definierte Benutzergruppe innerhalb eines Unternehmens für Sprach-, Daten- und Video-Kommunikation miteinander verbinden. Damit soll sichergestellt werden, daß alle benötigten Informationen zum richtigen Zeitpunkt an jeder Stelle eines Unternehmens zu wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung stehen.

  • Unter dem Service „NetLine" ist die Bereitstellung leistungsfähiger und sicherer Verbindungen aus dem NetCologne-Produktionsnetz zu verstehen. Die Verbindungen werden allen Unternehmen im Wirtschaftsraum Köln gegen Gebühren fest oder auf Zeit angeboten, d.h. der Kunde zahlt nur für die tatsächliche Nutzungsdauer.

  • Das erste Produkt der Produktgruppe „NetOnline" ist ein Internet-Angebot für Gewerbe- und Privatkunden. NetCologne ist seit April 1996 Internet-Provider mit einem lokalen Internet-Service für die Entwicklung eines vielfältigen Multimedia-Angebotes.

  • Im Rahmen von „NetConsult" soll die Beratung anderer City-Carrier mit dem Ziel der Kooperation zur gemeinsamen Produktentwicklung, zur Unterstützung des Aufbaus der internen Organisation anderer Unternehmen und zum Ressourcen-Sharing erfolgen.

  • Mit „NetSwitch" will NetCologne ein Angebot für interaktive, breitbandige Kommunikation - insbesondere für Medienunternehmen und medizinische bzw. wissenschaftliche Einrichtungen - schaffen. Es soll erstmalig im Wirtschaftsraum Köln ein Anschluß an ein Hochgeschwindigkeitsnetzwerk mit großen Übertragungsband-

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    breiten angeboten werden. Eine nutzungsabhängige Tarifierung soll diesen Kommunikationsservice für die Kunden bezahlbar machen.

  • „NetVoice" bietet die Einrichtung sogenannter „Call-Center" für Einsätze, bei denen in kurzer Zeit eine große Anzahl von Anrufen bearbeitet werden muß (z.B. Buchungs- und Auskunftssysteme, Marketing-Aktionen und Telefonbanking). Die personelle Bearbeitung der eingehenden Anrufe erfolgt in einem mit modernster Technik für eine automatische Anrufverteilung ausgerüsteten Center, in dem qualifizierte Mitarbeiter für eine reibungslose Kommunikation sorgen.

  • „NetVideo" soll die Videokommunikation für Unternehmen mit verteilten Standorten ermöglichen. Statt kurze Treffen mit mehreren Mitarbeitern und langen Anreisewegen organisieren zu müssen, soll den Unternehmen die Möglichkeit geboten werden, die zu besprechenden Themen per Videokommunikation effizient abzuhandeln; Zeit und Reisekosten können eingespart werden. Darüber hinaus bieten Arbeitsplatzsysteme Zeitersparnis für Abläufe mit Termindruck, z.B. die Kommunikation zwischen Werbeagentur, Kunde und Druckerei.

  • Im Rahmen von „NetTV" vermarktet NetCologne interaktive TV-Kabelnetze. Für Privatkunden wird die Grundversorgung mit Radio- und Fernsehprogrammen zu den bisher üblichen Gebühren angeboten. Das Angebot wird durch über 200 zusätzliche Informationskanäle spürbar erweitert. Neben Radio- und TV-Programmen plant NetCologne, seinen Kunden zukünftig Pay-TV, Homeshopping und andere interaktive Services zur Verfügung zu stellen.

  • Zu Beginn des Jahres 1998 fällt das Sprachdienstmonopol der Deutschen Telekom AG. Mit der Freigabe des Telefonmarktes plant NetCologne auch Sprachdienste („NetPhone") anzubieten. Hierzu sollen neben den eigenen Netzen die vorhandenen Kabelfernsehnetze sowie die oben erwähnten nationalen und internationalen Interconnect-Verbindungen für den Endkundenanschluß genutzt werden.

  • „NetService" bietet den Kunden als komplette Dienstleistung die Planung, Einrichtung und den Betrieb von Kommunikationsnetzen an. Die Kundennetze werden im Rahmen dieses Services in die Überwachung durch das NetCologne-Netzwerkkontroll-Center einbezogen.

Insgesamt wird NetCologne also als Full-Service-Provider wirtschaftliche und leistungsstarke Serviceangebote für den Gesamtmarkt anbieten. Als Kunden werden

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insbesondere der Mittelstand und Schlüsselbranchen angesprochen. Mit den genannten Angeboten und Leistungen beabsichtigt NetCologne, bis zum Jahre 2004 einen Marktanteil von 20 % auf dem Kölner TK-Markt (das entspricht ca. 230 Mio. DM) zu erobern. Das Unternehmen geht davon aus, daß nicht die großen die kleinen Konkurrenten, sondern die schnellen und flexiblen die langsamen und unflexiblen Anbieter aus dem deregulierten TK-Markt verdrängen werden. Dementsprechend sieht NetCologne seine Chance in einem nach der Liberalisierung zunehmend härter werdenden Wettbewerb in innovativen Services zu wirtschaftlichen Preisen. NetCologne wird sich weitgehend auf den Kölner Markt konzentrieren und mit seinen Leistungen zur Erhaltung bzw. Verbesserung dieses Wirtschaftsraumes beitragen.

5.2 Zur Zulässigkeit von kommunalen Telekommunikationsdiensten

Wie die Stadt Köln unterhalten viele andere, insbesondere große Städte zwischen ihren Dienststellen, ihren Stadtwerken und ihren mittelbaren Beteiligungen (den sog. Schachtelgesellschaften) umfangreiche TK-Netze. Ferner verfügen die Kommunen und ihre Stadtwerke in erheblichem Ausmaß über Trassen und Leerrohre (z.B. Abwasserkanäle, Versorgungsschächte, U-Bahn-Tunnel), die für TK-Zwecke mitbenutzt werden können. Durch die Liberalisierung des TK-Sektors sind diese Ressourcen vermarktungsfähig geworden. Es bestehen also erhebliche Potentiale für eine Beteiligung von Kommunen und kommunalen Unternehmen am TK-Markt. Nach einer Umfrage des VKU hatte Anfang 1996 rund ein Dutzend kommunaler Unternehmen die Absicht, eine TK-Lizenz für Übertragungswege bzw. Telefonie zu beantragen.[ Fn. 5: Felix Zimmermann: Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung auf dem Telekommunikationsmarkt; in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Telekommunikation - Ein Thema für die Kommunalpolitik; Kommunalpolitische Texte, Band 13, Bonn 1996, S. 70 f
]
Damit kann zwar nicht von einem TK-Rausch der Stadtwerke, aber doch von einem Aufbruch in einen neuen Markt gesprochen werden, der angesichts der enger werdenden klassischen Märkte der Versorgungsunternehmen und der unübersehbaren Tendenzen zu mehr Wettbewerb auch notwendig für das Überleben der Kommunalwirtschaft erscheint. Im folgenden soll nun die Frage diskutiert werden, ob sich derartige Aktivitäten im Rahmen zulässiger kommunalwirtschaftlicher Betätigung bewegen.

Von Verfassungs wegen bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen kommunale TK-Unternehmen, solange sie sich im durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bestimmten kommunalen Wirkungskreis bewegen. [Fn. 6: Vgl. hierzu auch Kapitel 5.2.4]Art. 87 f Abs. 2 GG sieht vor, daß angemessene und ausreichende TK-Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten

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durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und andere private Anbieter erbracht werden. Diese Regelung darf nicht dahingehend mißverstanden werden, daß TK-Dienstleistungen nur noch von Unternehmen erbracht werden dürfen, die ausschließlich in rein privater Trägerschaft stehen. Art. 87 f Abs. 2 GG regelt vielmehr, daß entsprechende Services keine hoheitlichen Tätigkeiten mehr darstellen dürfen und im Rahmen einer privatrechtlich und wettbewerblich geprägten Marktwirtschaft angeboten werden sollen. Diese Voraussetzung ist nicht nur bei rein privaten Anbietern, sondern auch dann erfüllt, wenn sich die öffentliche Hand im Bereich der TK im Wettbewerb mit Privaten wirtschaftlich betätigt.

Im übrigen würde eine Auslegung des Art. 87 f Abs. 2 GG in dem Sinne, daß zukünftig TK-Unternehmen weder ganz noch teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen dürfen, gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 52 ff EGV verstoßen. Ein Ausschluß von TK-Anbietern mit staatlicher Beteiligung würde auch vergleichbare Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der EU treffen. Diese könnten sich bei einer solchen Auslegung des Art. 87 f Abs. 2 GG entgegen den Verbürgungen der Art. 52 ff. EGV nicht in Deutschland niederlassen. Festzuhalten bleibt damit, daß kommunalwirtschaftliche Betätigungen im Bereich der TK nicht von vornherein verfassungsrechtlich unzulässig sind.

Ob die kommunale Verbandskompetenz und die gemeinderechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung im Bereich der Telekommunikation gegeben sind, wird gegenwärtig kontrovers diskutiert. In Anlehnung an die Gliederung, die der Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium Nordrhein-Westfalen in die Fachtagung eingeführt hat, ist von der nachfolgenden differenzierten Betrachtungsweise auszugehen.

5.2.1 Aufbau und Nutzung eines Telekommunikationsnetzes zu eigenen
Zwecken

Der Aufbau und die Nutzung eines kommunalen TK-Netzes, das ausschließlich eigenen Zwecken - d.h. der Gemeinde selbst bzw. ihren wirtschaftlichen Unternehmen und Einrichtungen - dient, begegnet keinen kommunalrechtlichen Bedenken. Eine Tätigkeit, die das Gesetz an sich als wirtschaftlich ansieht, wird gem. § 107 Abs. 2 Nr. 4 GO NW rechtlich wie eine nichtwirtschaftliche Betätigung behandelt, wenn dieser Hilfsbetrieb nur den Eigenbedarf decken soll. Für einen solchen Hilfsbetrieb muß ein dringender öffentlicher Zweck nicht gesondert nachgewiesen werden. Dies gilt

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auch für ein TK-Netz, das die Gemeinde und ihre Gesellschaften nur für die Deckung des Eigenbedarfs nutzt oder erweitert.

5.2.2 Vermarktung von Wegerechten inklusive Trassen, Rohre und Kabel

Als Eigentümer von Straßen, Wegen und Plätzen sind Städte und Gemeinden grundsätzlich berechtigt, die Nutzung des Eigentums ganz oder teilweise Dritten zu überlassen. Bei der Verlegung von TK-Leitungen schreiben bundesgesetzliche Regelungen (§ 50 TKG) eine unentgeltliche Überlassung vor.

Eine differenzierende Betrachtungsweise ist bei der Frage geboten, ob es kommunalrechtlich zulässig ist, daß eine Gemeinde Trassen, Leerrohre und Leitungen Dritten gegen Entgelt zur Verlegung von TK-Netzen überläßt. Handelt es sich um die Vermarktung von Anlagen, die ohnehin vorhanden sind und ansonsten anderen Zwecken - etwa der Nutzung für die Energieversorgung - dienen, so erscheint es sachgerecht, die zusätzliche Vermarktung zu TK-Zwecken als eine wirtschaftliche Nebentätigkeit zu qualifizieren, die von dem Hauptzweck der Anlage mitumfaßt wird und keiner gesonderten Zulässigkeitsprüfung bedarf. Insoweit liegt eine zulässige Randnutzung vor. Allerdings kann von einer solchen Annextätigkeit nur gesprochen werden, wenn die entgeltliche Bereitstellung von Trassen, Leerrohren und Kabeln deutlich hinter der Haupttätigkeit zurückbleibt. Maßgeblich sind das räumliche und finanzielle Volumen sowie der Grad der organisatorischen Verfestigung.

Werden dagegen Trassen, Rohre und Kabel gerade zum Zweck der Vermarktung für die TK hergestellt und handelt es sich um eine eigenständige, gezielte Betätigung der Kommune auf dem Markt, ist im Rahmen einer gesonderten Zulässigkeitsprüfung zu klären, ob die Verpachtung oder Vermietung der Anlagen für TK-Netze durch einen dringenden öffentlichen Zweck gerechtfertigt ist. In dieser Situation stellt der Ausbau der Netze und Trassen zum Zwecke der Vermarktung an Dritte keine Randnutzung, sondern ein zentrales Geschäftsfeld dar. Wie bereits festgestellt wurde, reicht es als dringender öffentlicher Zweck nicht allein aus, daß die Vermarktung Gewinne für den Haushalt der Kommune abwirft. Ein solches reines Ertragsstreben kann die kommunale Betätigung auf dem TK-Markt nicht rechtfertigen. Vielmehr muß ein dringender öffentlicher Zweck die kommunalen TK-Aktivitäten gebieten (siehe dazu Kapitel 5.2.4).

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5.2.3 Entgeltliche (Mit)benutzung des kommunalen Telekommunikationsnetzes durch Dritte

Bei der Bewertung der entgeltlichen Benutzung von kommunalen TK- Netzen durch Dritte ist ebenfalls eine differenzierende Betrachtungsweise geboten. Ist die Mitbenutzung ein Annex zu der überwiegenden eigenen Nutzung der Gemeinde, so handelt es sich um eine zulässige Randnutzung.

Ist die Mitbenutzung des TK-Netzes durch private Dritte hingegen als selbständiger Betätigungsbereich ausgestaltet und geht über eine bloße Annextätigkeit zu einer nichtwirtschaftlichen Betätigung - etwa den Betrieb der Stromversorgung - (unter anderem auch ihrem wirtschaftlichen Gewicht nach) hinaus, muß wiederum ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordern.

Als Zwischenergebnis stellt der Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium NRW fest, daß die Kommunen nach geltender Rechtslage berechtigt sind, Leerrohre und Kanalschächte zu vermarkten, das vorhandene TK-Netz zu vermieten und für den Eigenbedarf auszubauen. Sie können also ein Corporate Network erstellen, um einem Infrastrukturerfordernis in der Kommune nachzukommen, weil es sich entweder um zulässigen Eigenbedarf oder um Annexfunktionen aus einer wirtschaftlichen Betätigung handelt.

5.2.4 Kommunales Angebot von Telefon- und Mehrwertdiensten

Verschiedene Kommunen bzw. kommunale Unternehmen beschränken sich nicht auf den Auf- und Ausbau für den Eigenbedarf sowie auf die Vermarktung von Trassen und Leerrohren für TK-Zwecke, sondern planen darüber hinaus, eine breite Palette von Telefon- und Mehrwertdiensten anzubieten. Diese sind wie die Vermarktung des TK-Netzes als eigenständiges Geschäftsfeld nicht als bloße Annextätigkeit, sondern als selbständige wirtschaftliche Betätigung zu qualifizieren. Demnach müssen sie durch einen dringenden öffentlichen Zweck geboten sein. Fraglich ist bereits, ob das Angebot von Telefon- und Mehrwertdiensten durch Gemeinden zu jenen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört, für die die Gemeinden verfassungsrechtlich zuständig sein können.

Telekommunikation ist darauf angelegt, überregionale Bezüge herzustellen. Ein TK-Netz, das nur als Fernsprechnetz mit örtlich begrenztem Leistungsangebot organisiert wäre, würde wohl kaum auf dem Markt bestehen können. Wenn aber ein Lei-

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stungsangebot zur TK zwangsläufig auf überregionale Bezüge angewiesen ist, dann muß bezweifelt werden, daß diese Tätigkeit noch die Voraussetzungen erfüllt, die das Bundesverfassungsgericht an die Charakterisierung als .Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" stellt. Nach der Rechtsprechung dieses Gerichts ist die Gemeinde nur dann berechtigt, tätig zu werden, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen speziellen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen. Eine Angelegenheit, die eine Kommune bzw. ein kommunales Unternehmen von der Natur der Sache her nicht eigenverantwortlich und selbständig bewältigen kann, ist grundsätzlich keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft."

Das skizzierte Fallbeispiel NetCologne möchte in sein TK-Netz für Telefon und Mehrwertdienste nicht nur die Stadt Köln, sondern den gesamten Kölner Wirtschaftsraum in den Grenzen des Regierungsbezirkes Köln einbeziehen. Das Telefonieren aus „Kölner Telefonzellen" in anderen Kommunen des Regierungsbezirkes (z.B. Düren, Euskirchen und Aachen) überschreitet wohl eine wirtschaftliche Betätigung im örtlichen Wirkungskreis ebenso wie das Teleshopping in Paris oder Mailand mit Hilfe vom Kölner TK-Service.

Zum Teil wird versucht, die Doppelfunktion der TK-Dienstleistung „Telefonieren" -einerseits örtliches Kommunizieren, andererseits Kommunikation mit Partnern außerhalb des Gemeindegebietes - durch einen Vergleich mit der Doppelfunktion anderer öffentlicher Dienstleistungen zu rechtfertigen, bei denen die überörtliche Funktion eines Netzes oder einer Dienstleistung die Zulässigkeit der Betätigung nicht berührt. So hätten etwa die Strom- und Gasverteilungsnetze eine entsprechende überörtliche Zweitfunktion, da sie auch zur Durchleitung von Energie über die Gemeindegrenzen hinaus dienten. Auch mit dem ÖPNV seien neben örtlichen auch überörtliche, weiter entfernt liegende Ziele zu erreichen. Die Zweitfunktion der überörtlichen Nutzung könne daher auch bei TK-Dienstleistungen kein rechtliches Hindernis für eine kommunale Betätigung darstellen.

Dieser Vergleich hinkt jedoch. Bei öffentlichen Energieversorgungsunternehmen und beim ÖPNV liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt eindeutig auf der Versorgung der kommunalen Bevölkerung. Die Zweitfunktion der überregionalen Anbindung ist quasi ein Nebeneffekt des vorhandenen Netzes. Die Verbindung eines kommunalen TK-Netzes mit nationalen oder ausländischen Netzen zielt dagegen auf die Erschließung eines neuen, wirtschaftlich zentralen und von der Kommune weitgehend losgelösten Marktes. Die Überregionalität ist hier nicht Nebeneffekt, sondern Voraussetzung für

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diese wirtschaftliche Betätigung. Der Vergleich mit anderen kommunalen Wirtschaftstätigkeiten ist deshalb kaum geeignet, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Anbindung kommunaler an nationale oder internationale TK-Netze zum Zwecke des Angebots von Telefon- und Mehrwertdienstleistungen zu begründen.

Zudem ist bei dem kommunalen Angebot von Telefon- und Mehrwertdiensten fraglich, ob die gemeindewirtschaftsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Es wird kontrovers diskutiert, ob und wann ein dringender öffentlicher Zweck solche TK-Leistungen erfordert.

Zum einen wird die Auffassung vertreten, ein dringender öffentlicher Zweck für derartige TK-Dienstleistungen sei regelmäßig gegeben. Nach dem TKG und den zugrundeliegenden europarechtlichen Maßnahmen [Fn. 7: Vgl. S. 36 (hier S. 42)] müsse jeder Anbieter bestimmte qualitative Mindeststandards erfüllen und sicherstellen, daß alle Benutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort die Telefon- und Mehrwertdienste zu einem erschwinglichen Preis annehmen könnten. Solche „Universaldienstleistungen" bildeten das Kernstück der TK. Ihre u.a. durch das TKG festgelegten Merkmale rechtfertigten die Feststellung, daß die kommunale TK nicht nur dem gemeindewirtschaftsrechtlichen öffentlichen Zweck diene. Vielmehr sei die Bereitstellung von TK-Dienstleistungen für alle Teile der Gesellschaft unerläßlich. Sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen erwarteten, daß ihnen dem technologischen Fortschritt entsprechende Telefon- und Mehrwertdienste zur Verfügung stünden. Es liege also ein dringender öffentlicher Zweck vor, der in diesem Bereich eine wettbewerbswirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen erfordere. Damit seien auch die strengen Anforderungen des nordrhein-westfälischen Gemeinderechts erfüllt.

Zu den Verbänden, für die bei der TK eine (dringende) öffentliche Zwecksetzung vorliegt, gehört der Verband Kommunaler Unternehmen. Genannt werden in diesem Zusammenhang als ausschlaggebende Aspekte die Standortsicherung, die Bereitstellung ortsspezifischer, bürgernaher TK-Angebote, die Wirtschaftsförderung und Wettbewerbssicherung, die Gewährleistung einer krisenfesten und ungestörten Versorgung der Bevölkerung sowie die Arbeitsplatzsicherung. Auch für die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern NRW ist es aus volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen Gründen sinnvoll, den dringenden öffentlichen Zweck für den TK-Bereich zu öffnen und als eine Form wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen ausdrücklich zuzulassen. Bei der Anhörung zum Gesetzentwurf zur Stärkung der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden im TK-Bereich vertrat die Vereinigung die

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Auffassung, daß der dringende öffentliche Zweck auch durch volkswirtschaftlichen Nutzen interpretiert werden kann,

  • „* weil die Nutzung kommunaler Netze mit neuen technischen Möglichkeiten ein wichtiger Bestandteil des Ausbaus unserer Infrastruktur und der Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes in Nordrhein-Westfalen ist;

  • * weil dieses eine sinnvolle Verwaltung und Nutzung vorhandenen kommunalen Vermögens ist. Soweit daraus wirtschaftliche Vorteile entstehen, ist es völlig selbstverständlich, daß die in den kommunalen Haushalten auch dazu genutzt werden sollten, wenn nicht gar müßten, um Defizite zu beheben.

  • * weil wir es für volkswirtschaftlich, aber auch ordnungspolitisch von großer Bedeutung halten, wenn kommunale Telekommunikationsmöglichkeiten in den Markt und damit in den Wettbewerb aller Anbieter mit einbezogen werden."

Nach einer unter anderem vom Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium NRW vertretenen Auffassung ist das kommunale Angebot von Telefon- und Mehrwertdiensten dagegen nicht durch einen dringenden öffentlichen Zweck geboten. Es gehe nicht um die Frage, ob es sinnvoll, zweckmäßig oder wünschenswert sei, daß sich die Kommunen etwa mit Hilfe der Stadtwerke am Wettbewerb um das Angebot von TK-Dienstleistungen beteiligten, sondern um das Vorliegen der gesetzlich geforderten Voraussetzungen für das wirtschaftliche Tätigwerden. Zwar begründe der Anspruch auf Versorgung mit modernen Technologien da, wo er nicht bereits durch andere (etwa die Deutsche Telekom) erfüllt werde, einen dringenden öffentlichen Zweck für die Betätigung der Kommune. Das TKG habe diesen Anspruch allerdings bereits mit der gesetzlichen Verpflichtung aller Lizenznehmer spezifiziert, „Universaldienstleistungen" anzubieten. Im zweiten Abschnitt des Gesetzes sei dazu ausdrücklich bestimmt, was unter Universaldienstleistungen zu verstehen sei und von wem sie zu erbringen seien. Damit entfalle jedenfalls insoweit die Notwendigkeit kommunalen Handelns und zugleich die Rechtfertigung eines öffentlichen Zwecks zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde. Finanzwirtschaftliche Ziele allein könnten deshalb ein Engagement der Kommunen im Wettbewerbsbereich der TK nicht rechtfertigen. Denn die Gemeinden finanzierten sich aus den Steuern der Bürger und nicht zu dem Zweck, daß sie den Bürgern mit Hilfe dieser Steuern wirtschaftliche Konkurrenz machten.

Für das kommunale Engagement im TK-Bereich könnten nicht Zwecke maßgebend sein, die sich mittelbar aus der wirtschaftlichen Betätigung ergeben können (etwa der

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Standortvorteil, der sich aus der Versorgung der Gemeinde mit Elektrizität ergibt). Bezugspunkt für die rechtliche Zuordnung sei vielmehr allein die Leistung selbst (z.B. der elektrische Strom) - also die Leistung im Multimedia-Bereich, d.h. beispielsweise das Angebot von Teleshopping oder Telefonkonferenzen. Andernfalls könne beispielsweise das Lebensmittelangebot in einer Gemeinde als beiläufiger Standortfaktor einen öffentlichen Zweck auch für den Betrieb einer Fleischerei oder Bäckerei begründen. Dies sei erkennbar nicht Absicht des Gesetzes. Zur Rechtfertigung eines öffentlichen Zwecks für TK-Dienste im Bereich von Telefon- oder Mehrwertdiensten reiche deshalb der Hinweis auf einen allgemeinen Standort- oder Attraktivitätsvorteil allein nicht aus. Ebenso wenig greife das Argument der Schaffung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen.

Zudem sei zweifelhaft, ob ein umfassendes kommunales Dienstleistungsangebot im Bereich der TK auch die von § 107 Abs. 1 Nr. 2 GO NW geforderte Voraussetzung erfülle, daß die wirtschaftliche Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungskraft der Gemeinde stehen muß. Das bedeutet: Wenn eine Kommune sich wirtschaftlich betätigt, weil dies ein öffentlicher Zweck erfordert, dann darf hieraus kein Schaden entstehen, der über die allgemeine Finanz- und Verwaltungskraft der Stadt bzw. Gemeinde hinausgeht. Ob diese vom Gesetz geforderten Voraussetzungen von den Kommunen bei einem Engagement im Bereich von Telefon- und Mehrwertdiensten erfüllt werden, hängt von den finanziellen Risiken ab, die mit dem Einstieg in diesen Markt verbunden sind. Teilweise rechnen die kommunalen TK-Unternehmen frühestens nach 10 Jahren mit Gewinn. Fest steht für den Vertreter des Innenministeriums NRW, daß die schnelle Mark auf dem TK-Markt nicht zu machen ist. Haushaltslöcher der Gemeinden ließen sich auf diese Weise ganz sicher nicht stopfen. Außerdem bestehe angesichts der dynamischen und noch nicht abgeschlossenen Marktentwicklung die Gefahr, daß in Technologien investiert werde, die nach kurzer Zeit bereits veraltet seien.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß bei umfassenden Angeboten von kommunalen TK-Dienstleistungen im Bereich der Telefon- und Mehrwertdienste Zweifel an der verfassungsrechtlichen und gemeindewirtschaftsrechtlichen Zulässigkeit bestehen. Es wird z.T. kontrovers diskutiert,

  • ob es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt.

  • ob ein dringender bzw. ein öffentlicher Zweck diese Betätigung der Gemeinde erfordert.

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  • ob die TK-Leistungen auch außerhalb der Gebietsgrenzen der Kommune erbracht werden müssen.

  • ob diese TK-Dienste nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen.

Auf der anderen Seite darf jedoch nicht übersehen werden, daß die kommunale TK ähnlich wie das kommunale Consulting in einem Dilemma steckt. Wirtschaftlich lukrativ ist vor allem das überörtliche Tätigwerden. Es gibt also auch in diesem Bereich einen Widerstreit zwischen den rechtlichen Grenzen und den wirtschaftlichen Prämissen für TK-Aktivitäten. Die Tatsache, daß einerseits ein Teil der kommunalen TK-Dienste rechtlich unbedenklich ist und andererseits die rechtlich umstrittenen Betätigungen einen wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen, mag mitentscheidend dafür sein, daß die Kommunalaufsichtsbehörden gegen solche kommunalwirtschaftlichen Aktivitäten nicht eingeschritten sind.

5.3 Neuregelung für kommunale Telekommunikationsleistungen in NRW

Zur Entschärfung der Konflikte hat die SPD-Landtagsfraktion NRW im April 1997 eine Erweiterung des Rechts der Gemeinden zur wirtschaftlichen Betätigung auf den Bereich der TK einschließlich der Telefondienste vorgeschlagen. Der Entwurf zur Änderung des Gemeindewirtschaftsrechtes ging von folgenden Überlegungen aus:

  • Schon heute sind im Sektor TK vielfältige kommunale Aktivitäten zulässig, die nicht nur die sog. Eigenbedarfsdeckung (TK-Netze für städtische Dienststellen, Einrichtungen, Gesellschaften) betreffen. Die Städte und Gemeinden können vielmehr auch Informationssysteme aufbauen und betreiben, die die Bürger über das kommunale Leistungsangebot (z.B. in den Bereichen Kultur, Museen, Volkshochschule, Bibliotheken) aktuell unterrichten sollen und bei einzelnen Angeboten der kommunalen Aufgabenerfüllung (z.B. Kfz-Anmeldungen) online-Nutzungen zulassen. Darüber hinaus sind sie - wie kommunale Eigengesellschaften und Anstalten (z.B. Sparkassen) - berechtigt, Leitungskapazitäten auch nichtkommunalen Driften zur Verfügung zu stellen. Außerdem können die Kommunen Trassen, Leerrohre und Leitungen vermieten.

  • Das bis Ende 1997 geltende Kommunalrecht untersagt das Tätigwerden von Städten und Gemeinden im TK-Bereich. Hier geht es regelmäßig um unternehmerisches Engagement von Kommunen im Wettbewerb mit privaten Unternehmen

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    mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Gewinnen. Allein mit finanzwirtschaftlichen Aspekten kann nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Literatur der geforderte „dringende öffentliche Zweck" aber nicht begründet werden. Trotzdem drängen Städte und Gemeinden gegenwärtig in dieses Betätigungsfeld.

  • Der SPD-Entwurf für eine Novelle der Gemeindeordnung sah vor, jede wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Bereich der TK und der Telefondienstleistungen zuzulassen. Mit der Aufnahme von TK-Aktivitäten in den Kreis der zulässigen Betätigungen gem. § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW wird die schwierige Einzelfallentscheidung, welche Betätigung ist (noch) zulässig und welche nicht (mehr), entbehrlich. Selbst wenn es keinen dringenden öffentlichen Zweck gibt, können sich Städte und Gemeinden im TK-Bereich betätigen.

Dieser Gesetzentwurf wurde im Rahmen eines Gesetzgebungs- und Beratungsverfahrens und unter Beachtung der Ergebnisse einer öffentlichen Anhörung modifiziert. Das vom Landtag Ende November 1997 beschlossene und am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Gesetz stärkt die kommunale Selbstverwaltung im Bereich der TK-Dienstleistungen durch die Eröffnung einer umfassenden Teilhabe von Städten und Gemeinden an diesen Zukunftsmarkt und zielt auf die Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen kommunalen und privaten Unternehmen. Hierzu wurden in der Gemeindeordnung folgende Änderungen vorgenommen:

  • Die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden speziell auf dem Gebiet der TK wird unter der Bedingung zugelassen, daß die Betätigung nach Art und Umfang in angemessenem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Hiermit wird der TK im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden eine Sonderstellung eingeräumt. Diese erstreckt sich nicht auf den Vertrieb und/oder die Installation von Endgeräten von TK-Anlagen (§ 107 Abs. 1 Satz 1 und 2).

  • Der obligatorische Beteiligungsbericht der Gemeinde wird um Angaben über die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen der Beteiligung ergänzt (§112 Abs. 3 Satz 2). Damit wird dieser für die kommunalen Haushalte wichtige Aspekt verdeutlicht.

  • Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. über die Beteiligung an Unternehmen der TK ist der Rat einer Gemeinde über die Chancen und Risiken des

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    beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements auf der Grundlage einer Marktanalyse zu unterrichten (§ 41 Abs. 1 Satz 3).

  • Um die Wettbewerbsgleichheit der Teilnehmer am TK-Markt zu gewährleisten, wird ergänzend festgelegt, daß Gemeinden für kommunale TK-Unternehmen weder Kredite nach Maßgabe kommunalwirtschaftlicher Vorzugskonditionen in Anspruch nehmen noch Bürgschaften und Sicherheiten leisten dürfen. Damit soll verhindert werden, daß kommunale Unternehmen auf Wettbewerbsvorteile zurückgreifen können, die sich für Kommunen aus ihrer Stellung als öffentliche Gebietskörperschaften ergeben. Außerdem ist zur Wahrung gleicher Wettbewerbschancen und zum Schutz der kommunalen Haushalte das kommunale Haftungsrisiko auf den Anteil der Gemeinde bzw. des kommunalen Unternehmens am Stammkapital beschränkt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9). Steuereinnahmen sowie Zuweisungen und Zuschüsse von Land und Bund dürfen nicht zum Ausgleich von Verlusten aus der Teilnahme am marktwirtschaftlichen Wettbewerb eingesetzt werden.

In der Anhörung zum Gesetzentwurf haben u.a. der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund und der Verband Kommunaler Unternehmen die Auffassung vertreten, daß die Beseitigung von Vorteilen der öffentlichen Wirtschaft (Verbot der Inanspruchnahme von Kommunalkrediten, der Bestellung von Bürgschaften und der Übernahme von Sicherheiten) bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der systembedingten Nachteile (z.B. Bindung der kommunalwirtschaftlichen Tätigkeiten an einen öffentlichen Zweck, Geltung des Verwaltungsprivatrechts, verschiedene die Handlungsspielräume einengende Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts, räumliche Beschränkungen der Kommunalwirtschaft auf das Gemeindegebiet) nicht zu einer Gleichstellung öffentlicher und privater Konkurrenten, sondern zu einer Verfestigung eines wettbewerblichen Ungleichgewichts zu Lasten der Städte und Gemeinden führe. Außerdem käme es auf dem TK-Markt nicht erstmalig zum Wettbewerb mit privaten Unternehmen. Beispielsweise gibt es seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bei der Abfallentsorgung Wettbewerb zwischen kommunalen und öffentlichen Unternehmen. Und auch im Sektor der Energieversorgung habe es - von der aktuellen Entwicklung einmal ganz abgesehen - in der Vergangenheit bereits durchaus Wettbewerb gegeben - wenn auch in begrenztem Umfang. Auch die Begründung der Restriktionen als Schutz der Kommunen vor riskanten wirtschaftlichen Engagements wird als nicht stichhaltig angesehen. So seien im Bereich der Energieversorgung große Projekte von Städten und Gemeinden (Stichwort:

Übernahme von Versorgungsnetzen im Strombereich durch Kommunen) verantwor-

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tungsvoll, sicher, erfolgreich und ohne jede Friktion realisiert worden. Es bedürfe also keines besonderen Schutzes.


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