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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen


Für die Zukunft der Kommunalwirtschaft zeichnen sich unterschiedliche Szenarien ab. Auf der einen Seite sprechen im marktwirtschaftlichen System der Bundesrepublik, in dem das Anbieten von Gütern und Dienstleistungen in erster Linie Sache der privaten Wirtschaft ist, Gründe gegen eine Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Städten und Gemeinden. Wenn in privatwirtschaftlichen Betätigungen die Regel und in öffentlichwirtschaftlichen, also auch in kommunalen Betätigungen die Ausnahme gesehen wird, dann sollten sich die Gemeinden primär um die Pflege der örtlichen Wirtschaft kümmern - und zwar durchaus auch im eigenen Interesse (Steuer- und Gebühreneinnahmen, Arbeitsplätze etc.). Aus dieser Perspektive ist auch nicht einzusehen, warum sich Kommunen wirtschaftlich betätigen sollten, wenn Private die gewünschten Leistungen ebenso gut oder besser erbringen können. Insofern erscheint es sinnvoll, in den Gemeindeordnungen hinsichtlich der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Kommunen - wie in einigen Bundesländern geschehen - eine Subsidiaritätsklausel zu verankern. Das Land Nordrhein-Westfalen hat allerdings ein anderes Signal gesetzt, indem es mit der Reformierung der Kommunalverfassung diese Klausel ersatzlos gestrichen hat. Falls aber keine Kommunalisierung bislang privater Aufgaben politisch erwünscht ist, sollte nach dem Vorbild mehrerer ostdeutscher Kommunalverfassungen über die Aufnahme des sogenannten Markterkundungsverfahrens in die Gemeindeordnung NRW nachgedacht werden.

Aus der Schutzfunktion der Gemeindeordnung für die Wirtschaft folgt auch, daß die zunehmende Finanznot der Kommunen und der mit einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung zumeist verbundene Einnahmeeffekt allein, d.h. ohne ein Hinzutreten weiterer Umstände eine Ausweitung der Kommunalwirtschaft nicht rechtfertigen. Im Vordergrund der Reformbemühungen der nächsten Jahre müssen Verbesserungen des Standortes Deutschland einschließlich der Finanzlage der öffentlichen Hand insgesamt, nicht aber die Erschließung zusätzlicher Finanzquellen für einzelne Verwaltungsträger stehen. Im übrigen ist keineswegs sicher, daß sich die erwarteten Gewinne tatsächlich einstellen. Im Gegenteil: Gerade bei Großprojekten wie kommunalen Telekommunikationsnetzen oder teilweise in kommunaler Trägerschaft stehenden Fernsehsendern (Stichwort „VOX") ist mit großen Anlaufverlusten zu rechnen, die letztlich über den kommunalen Haushalt die Steuerzahler zu tragen haben.

Schließlich ist bei der Bewertung der Kommunalwirtschaft zu beachten, daß für Städte und Gemeinden besondere Sachgesetzlichkeiten gelten. Während sich private Unternehmen beispielsweise ihre Kunden grundsätzlich frei aussuchen können,

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sind kommunale Unternehmen in das öffentlich-rechtliche Rechtsgeflecht eingebunden, woraus sich u.a. Versorgungs- und Bedienungspflichten - auch von wirtschaftlich unattraktiven und unsympathischen Kunden - ergeben.

Auf der anderen Seite ist die Kommunalwirtschaft ein prägender Faktor der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - wie in den vergangenen Jahren geschehen - ändern, muß die Kommunalwirtschaft darauf reagieren und neue Aktivitäten entfalten können. Zudem ist zu hinterfragen, warum den Kommunen von vornherein nur defizitäre Wirtschaftsbereiche zugänglich sein sollen. Zahlreiche kommunale Aktivitäten beweisen im übrigen, daß die Städte und Gemeinden durchaus mit Erfolg erwerbswirtschaftlich tätig sein können.

Ob und in welchem Umfang die Kommunalwirtschaft im wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen kann, wird sich in Zukunft ohnehin zeigen. Das europäische Recht sowie neue Steuerungstechniken in vielen Kommunen werden zu einer vermehrten Konkurrenz von Kommunalwirtschaft und Privatwirtschaft führen. Monopole, wie sie gegenwärtig z.B. noch auf dem Gebiet der Stromversorgung bestehen, wird es künftig kaum noch geben.

Die Kommunen sollten ihre Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu einem flexiblen Handeln nutzen. In einigen Tätigkeitsbereichen wird sich weiterhin die Frage nach einer materiellen Privatisierung - d.h. der Übertragung einer Aufgabe auf private Dritte - stellen. Dies muß aber keineswegs bedeuten, daß die Kommunen das wirtschaftliche Betätigungsfeld allein den Privaten überlassen. In „Private-Public-Partnership" können ungemein vielfältige und erfolgreiche Formen der Zusammenarbeit von Kommunen und Privaten ausgeschöpft werden.

Wichtig ist auch, daß die kommunalwirtschaftliche Betätigung in neuen Aufgabenbereichen nicht tabuisiert wird. Zu erwägen ist etwa, erwerbswirtschaftlich motivierte Randnutzungen in einem größeren Ausmaß als bisher zuzulassen. Dabei könnten Randnutzungen in bereits bestehenden und zulässigen Bereichen weniger strenge Gesetze auferlegt werden als der Erschließung vollkommen neuer Geschäftsfelder. Im übrigen sollte jede Stadt und jede Gemeinde, die in neue kommunalwirtschaftliche Bereiche vordringen will, die Beweislast dafür tragen, daß es der neuen Aktivitäten bedarf. Wenn man den Kommunen auf der einen Seite die Eröffnung neuer Geschäftsfelder - z.B. der Telekommunikation - zugesteht, so muß auf der anderen Seite sichergestellt werden, daß für kommunale und private Unternehmen vergleichbare Rahmenbedingungen gelten: den Kommunen darf aus ihrer Stellung als Ho-

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heitsträger

kein unzulässiger Vorsprung gegenüber der privaten Konkurrenz erwachsen. Dies bedeutet z.B., daß eine steuerrechtliche Gleichbehandlung anzustreben ist und kommunale Betätigungen in Zukunft nicht mehr zu subventionieren sind. Es gilt, ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu beseitigen. Solche Vorteile bestehen beispielsweise im Bereich der Kommunalkredite. Hier entsteht für kommunale Unternehmen dadurch eine bessere Ausgangslage bei der Kreditvergabe als für die private Konkurrenz, daß Kreditgeber von den städtischen Gesellschaften die Vorlage einer Bürgschaft der Kommune ohne Einrede der Vorausklage verlangen und somit im Notfall direkt auf die Kommune zugreifen können. Derartige Beeinträchtigungen der Wettbewerbschancen der Privatwirtschaft wurden für den Bereich der Telekommunikation in der Novelle der Gemeindeordnung NRW, die Anfang 1998 in Kraft getreten ist, ausgeschlossen.

Der Trend zur verstärkten kommunalwirtschaftlichen Betätigung und zur Erschließung neuer Geschäftsfelder wird in Zukunft ungebrochen bleiben. Das Faktum leerer öffentlicher Kassen wird die Kommunen weiterhin veranlassen, ihre Verwaltungen neu zu strukturieren (Stichworte: Kosten- und Leistungsrechnung, dezentrale Ressourcenverantwortung, Controllingverfahren) und sich stärker betriebswirtschaftlich zu organisieren. Es ist abzusehen, daß sich die Kommunen bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung auch in „Grauzonen" vorwagen werden, bei denen das Vorliegen der gemeindlichen Verbandskompetenz und der kommunalrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zumindest nicht unumstritten ist. Dieser Entwicklung könnte allein durch ein strengeres Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörden oder der Verwaltungsgerichte Einhalt geboten werden. Solche stärkeren Einschränkungen der dynamisch wachsenden Kommunalwirtschaft sind in der Praxis jedoch wohl kaum zu erwarten.

Wahrscheinlicher ist, daß sich die ordnungspolitische Debatte in Anbetracht der betriebswirtschaftlichen Orientierung der Kommunen und der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren verschieben wird: In Zukunft wird weniger die Frage nach der Zulässigkeit der Erschließung neuer wirtschaftlicher Geschäftsfelder durch die Kommunen im Mittelpunkt stehen, sondern es wird verstärkt darum gehen, „Waffengleichheit" zwischen den kommunalen und privaten Unternehmen herzustellen. Die nächsten Jahre werden zeigen, inwieweit sich kommunale Wirtschaftsunternehmen im zunehmend offeneren und härteren Konkurrenzkampf mit privaten Unternehmen behaupten können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000

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