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Vorwort

In den letzten Jahren ist frischer Wind in die Kommunalwirtschaft gekommen. Hierfür ist eine Reihe unterschiedlicher Faktoren ausschlaggebend. Einmal spielt eine wichtige Rolle, daß die Bundesregierung und die Europäische Kommission auch im kommunalen Bereich stärker wettbewerbsorientierte Rahmenbedingungen durchsetzen wollen. Für diesen Wettbewerb müssen sich die Kommunen rüsten, wenn sie überleben wollen. Dementsprechend schöpfen viele Städte, Gemeinden und kommunale Betriebe die gesetzlichen Spielräume für wirtschaftliche Betätigungen zunehmend aus.

Zum anderen macht die sich verschärfende kommunale Finanzkrise die Suche nach Lösungskonzepten immer dringender. Städte und Gemeinden fordern mit Unterstützung der kommunalen Spitzenverbände, daß der Begriff des „öffentlichen Zwecks", mit dem kommunale Unternehmen nach den Gemeindeordnungen zu rechtfertigen sind, relativiert wird, und daß die Begrenzung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten auf die „Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" entfällt. Künftig müsse es beispielsweise möglich sein, freie Kapazitäten und Finanzressourcen kommunaler Unternehmen durch Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb auszulasten - wie etwa Werkstattleistungen von Stadtwerken oder Planungsleistungen von kommunalen Hoch- und Tiefbauämtern. Ebenso müsse es zulässig sein, daß Kommunen arbeitsplatzsichernde und arbeitsplatzschaffende Aktivitäten im Consultingbereich und bei der Telekommunikation entfalten. Ein Abbau der Grenzen des Gemeindewirtschaftsrechts sei auch angebracht, wenn es darum geht, daß städtische Reinigungsunternehmen auch öffentliche Gebäude in der Nachbargemeinde reinigen, oder daß ÖPNV-Betriebe günstig Busse einkaufen und dann auch anderen Stadtwerken zum Kauf anbieten.

Derartige Aktivitäten stoßen bei der Privatwirtschaft und ihren Interessenvertretern auf heftigen Widerstand. Durch den neuen „Trend zum Gemeindekapitalismus" werden eigene Wettbewerbsnachteile befürchtet. So sieht etwa die Handwerkskammer Düsseldorf die Existenz von 30 privaten Nutzfahrzeug-Werkstätten durch das Angebot der „Rheinbahn" gefährdet, private Fahrzeuge in den kommunalen ÖPNV-Werkstätten zu warten und zu reparieren. In der „Wirtschaftswoche" vom 30. Mai 1996 kritisiert der Verband der beratenden Ingenieure die Dumping-Konkurrenz kommunaler Consulting-Töchter. Die private Entsorgungswirtschaft beklagt, daß städtische Abfallbetriebe ihren Fuhrpark verstärkt auf Kosten von Mittelständlern auslasten. Alarmiert ist auch der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sport-

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platzbau durch den Rückgang des Marktanteils privater Betriebe von 40 % auf 25 % in den letzten 10 Jahren.

Von den Kritikern der Bestrebungen von Städten und Gemeinden, die Bandbreite der kommunalen Aufgabenerfüllung zu verändern und dabei auch auszuweiten, wird argumentiert, daß in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung die privatwirtschaftliche Betätigung die Regel und die öffentlichwirtschaftliche Betätigung die Ausnahme sein sollte. Die Kommunen seien nicht Teile der privaten Wirtschaft, der es darum geht, Gewinne zu erzielen, sondern Teile der öffentlichen Verwaltung, die zur Erledigung öffentlicher Aufgaben geschaffen wurden. Dementsprechend seien die Gemeinden in all ihren Tätigkeiten dem Gemeinwohl und nicht wirtschaftlichen Interessen verpflichtet. Jede Form der Kommunalwirtschaft bedürfe deshalb eines öffentlichen Zwecks. Die kommunalen Unternehmen hätten Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit zu erfüllen und dabei die Schranken des Gemeindewirtschaftsrechts zu beachten. Hier steht das Innenministerium in einem Interessenkonflikt: Einerseits müssen die Bestimmungen der Gemeindeordnung gewahrt werden, andererseits gilt es, die Städte und Gemeinden zu stärken. Es stellt sich die Frage, ob die kommunalen Unternehmen in Wettbewerb gehen sollen oder nicht. Sollen die Kommunen und ihre Betriebe dem Wettbewerb ausgesetzt, aber gleichzeitig bei der Vermarktung ihres Know-how behindert werden?

Sowohl mit den Chancen und Grenzen als auch mit den Risiken und Konsequenzen, die mit der Übernahme von zusätzlichen profitablen und wachstumsstarken Aufgabenschwerpunkten durch Städte und Gemeinden verknüpft sind, setzte sich die Fachtagung „Zukunft der Kommunalwirtschaft" auseinander. Die vorliegende Broschüre faßt die Referate und Diskussionsbeiträge der Konferenz thematisch strukturiert zusammen und berücksichtigt dabei zusätzliche Stellungnahmen und neuere Entwicklungen im Themenbereich, über den auf der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung kommunale und private Unternehmer, Wissenschaftler und Kommunalpolitiker kontrovers diskutierten.

Für die Durchführung und Konzeption der Konferenz sowie für die Redaktion des Tagungsberichtes war Karl-Hans Weimer vom Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung verantwortlich. Verfasser der Broschüre ist Rechtsassessor Andreas Hornung aus Münster.

Bonn, im März 1998


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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