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[Seite der Druckausgabe: 58 / Fortsetzung]


V. Erfahrungsbericht zum zukunftsfähigen Bauen und Wohnen

Im folgenden werden die Bewertungen und Erfahrungen eines Bau- und Wohnungsunternehmens vorgestellt, welches gute Architektur mit kostengünstigem Bauen verbinden will. Die 250 Mitarbeiter der Firmengruppe Gundlach befassen sich mit Bau(träger)tätigkeit, mit Projektentwicklung und mit der Bewirtschaftung von ca. 4.000 Wohnungen. Wichtig für die Zukunftsverträglichkeit des Gebauten ist die Kooperation der Beschäftigten, die etwas bauen, mit denen, die die Wohnungsbestände über Jahrzehnte verwalten.

Nach den Erfahrungen des Unternehmens setzt die Ökonomie oft nur geringe Grenzen in Bezug auf ökologische Fragen. Es gibt viele ökologische Maßnahmen, die zugleich kostensenkend wirken. Regenwasserversickerung ist z.B. preiswerter als Regenwasseranschlüsse. Manchmal sind auch Blockheizkraftwerke preisgünstiger als konventionelle Heizsysteme, wenn bei privater Erschließung Hausanschlußkosten abgezogen werden. Daneben gibt es viele kostenneutrale Komponenten. Für Gundlach ist beispielsweise der Niedrigenergiestandard schon kostenneutral zu erreichen, da die Firma in diesem Bereich viele Erfahrungen gesammelt hat. Auch bei den Baumaterialien ist die Auswahl ökologisch unbedenklicher Materialien in vielen Fällen schon kostenneutral. Es gibt allerdings auch kostensteigernde Öko-

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Komponenten - wie z.B. derzeit noch Photovoltaikelemente oder Windräder. Auch mit Brauchwassersystemen hat die Firma unter Kostengesichtspunkten noch keine guten Erfahrungen gemacht. Insgesamt will Gundlach die Chancen der Ökologie weitgehend nutzen und damit möglichst auch Gewinne erzielen. Soziale Aspekte sind für Gundlach ebenfalls nicht nur Rahmenbedingungen, sondern zusätzlich Gegenstand der ökonomischen Tätigkeit. Man vertritt die Auffassung, daß erst eine sozioökologische Orientierung das Bauen und Wohnen zukunftsfähig macht. Es geht aus Sicht von Gundlach also nicht um Ökologie als Selbstzweck. Wichtig ist vielmehr eine komplexe Gesamtschau von Ökonomie, Ökologie und Sozialem.

Vor diesem Hintergrund strebt das Unternehmen eine sozio-ökologische Positionierung an, besonders im Sinne einer Kompetenz zur Lösung von gesellschaftlichen Fragen. Dadurch soll die Zukunftsfähigkeit der Firma gesichert werden. Das Unternehmen will sich nicht allein auf Produkte konzentrieren, die zur Zeit einen gewissen Deckungsbeitrag bringen ("cash cows"). Auch solche Produkte veralten irgendwann. Deshalb müssen stets neue Produkte für die Zukunft entwickelt und Erfahrungen gesammelt werden.

Im Unternehmen wurden ökologische Ziele formuliert und der Fachöffentlichkeit erläutert. Die Mitarbeiter wurden eingestimmt, auch diesen Themen Beachtung zu schenken. Das Unternehmen hat sich einem ersten Öko-Audit unterzogen. Zwar gilt die entsprechende EU-Öko-Audit-Verordnung im Baubereich noch nicht. Da aber oft nur das geändert wird, was vorher gemessen wurde, beauftragte Gundlach ein Forschungsinstitut mit der Durchleuchtung des Unternehmens. Auf dieser Basis sollten ökologische Ziele formuliert werden. Die Ergebnisse waren anfangs noch dürftig. Inzwischen sind die Schwachstellen aber bekannt und werden in Angriff genommen. Das Unternehmen hat auch ökologische Produkte entwickelt (z.B. Eigentumswohnungen mit Niedrigenergiestandard). Diese Produkte sind zwar im Moment noch nicht sehr lukrativ. Ziel ist es aber, Marktführer in diesem Bereich zu sein. Schon heute gibt es ökologische Entwicklungen, für die allmählich ein Bedarf entsteht. Diese Potentiale will das Unternehmen in 10 bis 15 Jahren nutzen.

Die Baubranche insgesamt scheint sich demgegenüber um die angesprochenen Fragen bislang recht wenig zu bemühen. Grund für die Tatsache, daß die Branche in ökologischen und ökonomischen Fragen wenig progressiv ist, sind nach Auffassung von Gundlach die seit Jahrzehnten in der einen oder anderen Weise in den Wohnungsbau fließenden Subventionen, die derzeit auf 20 bis 30 Mrd. DM jährlich geschätzt werden. Diese Subventionen haben den Bau träge gemacht, den Blick auf das Notwendige getrübt und den Bereichsegoismus in der Branche verstärkt. Da andererseits bei den Wohnungsbausubventionen erhebliche Einsparungen vorbereitet werden, hat die Branche aus Sicht von Gundlach schwierige Zeiten vor sich. Verwiesen wurde hier z.B. auf die Abschreibungskürzungen und die BGH-Entscheidung zur Gleichstellung von Immobilienbesitz mit Aktienbesitz. Damit wird die bisherige Privilegierung beim Vererben von Grundbesitz durch niedrige Ein-

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heitswerte demnächst beendet. Hierdurch werden sich die Chancen einer Vermarktung von teuren Immobilien verringern. Die Branche muß deshalb in Zukunft Häuser bauen, deren Preis-Leistungsverhältnis so gut ist, daß sie auch bei weniger Subventionen angenommen werden. Gerade auch mit Blick auf jüngere Mieter und Erwerber von Wohnungen müssen die Produkte kostengünstiger werden. Da jüngere Kunden zugleich auch mehr Wert auf Ökologie legen, kann mehr Marktgerechtigkeit auch durch eine stärkere Berücksichtigung von Umweltaspekten entstehen. Dementsprechend erscheint beim Bauen eine ökologische Produktdifferenzierung vielversprechend.

Wie sieht nun im Hausbau ein marktgerechtes Produkt der Zukunft aus? Die Kriterien für ökologische und ökonomische Marktgerechtigkeit lassen sich aus Sicht von Gundlach anhand der Angebotsdifferenzierung in der Autobranche verdeutlichen: Ein Mercedes ist groß und lang, ein Swatch-Auto ist klein und kurz. Das übliche bürgerliche Haus ist groß, das "Swatch-Haus" sollte klein sein. Der Mercedes hat einen großen Kofferraum, das Swatch-Auto hat keinen Kofferraum. Das übliche bürgerliche Haus hat einen großen Keller, das Swatch-Haus sollte keinen Keller haben. [ Fn. 10: Keller werden - Befragungen zufolge - kaum vermißt, da sie ohnehin überwiegend unterwertig genutzt werden. Gegenstände werden oft nur deshalb aufbewahrt, weil ein Keller da ist. Außerdem ist das Bauen unter der Erde sehr teuer. Gundlach baut inzwischen die vorgeschriebenen Abstellräume regelmäßig in die Wohnungen hinein.] Der Mercedes ist ein Auto mit hohem Benzinverbrauch, das Swatch-Auto sollte verbrauchsarm sein. Entsprechend sollte das "Swatch-Haus" ein Niedrigenergiehaus sein. Der Mercedes ist teuer, das Swatch-Auto könnte ein Niedrigpreisauto werden. Für ein konventionelles Haus braucht man mindestens fünf Jahreseinkommen des durchschnittlichen Bundesbürgers, mit dem Swatch-Haus sollen auch junge Schwellenhaushalte erreicht werden. Gefragt sind also ökologische Swatch-Häuser, die eine neue Kundenschicht ansprechen. Für den Bereich der Wohnungen gilt ähnliches. Es wäre an der Zeit, neben dem 3-Liter-Auto auch über die Wohnung mit nur 50 kWh/qm und Jahr Heizenergieverbrauch zu sprechen.

Zwar behalten Weiterentwicklungen bei technischen Spitzenprodukten ihre Bedeutung (z.B. bei der Photovoltaik). Gundlach plädiert aber dafür, daß ökologisches Bauen stärker in die Breite getragen und allgemein angeboten wird. Dazu gehört auch ein entsprechendes Marketing. Das Interesse für ökologische Fragen kommt nicht von alleine. Die Mieter von Gundlach wurden z.B. mit Faltblättern auf ökologische Aspekte eingestimmt. Das Unternehmen regt Veränderungen in den Wohnungen oder im Wohnumfeld an und bietet bei deren Umsetzung Hilfestellung. Dies erfolgt im Rahmen eines Wettbewerbs: Wer die schönste Lösung im Zusammenhang mit ökologischem Wohnen entwickelt, darf einen Monat mietfrei wohnen. Nach Einschätzung von Gundlach reichen Verordnungen zur Durchsetzung von Ökologie nicht aus. Vielmehr kommt es bei ökologischen Produkten auch darauf an, daß eine höhere Aufgeschlossenheit und Sensibilität gegenüber Umweltfragen besteht. Bei den Niedrigenergiehäusern von Gundlach hat höchstens jeder

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zehnte Mieter sich nach der Energiebilanz der Gebäude erkundigt - eine unbefriedigende Resonanz.

Nach Auffassung von Gundlach tragen auch folgende Faktoren zur Erklärung dafür bei, daß Ökologie im Wohnbereich bisher nur mit mäßiger Begeisterung aufgenommen worden ist: Laut Umfragen besteht vielfach die Vorstellung, daß ökologisches Wohnen Mehrarbeit auslöst, mehr Wissen und mehr Disziplin als unökologisches Wohnen verlangt, Änderung des Konsums und auch mehr Großzügigkeit beim Reinlichkeitsstandard erfordert. Nach Fassadenbegrünungen wird z.B. über "Ameisen in der Küche" geklagt, die den Weg über die Rankpflanzen in die Wohnung finden. Probleme bestehen ferner in Bezug auf die Kooperationen, die mit der Nachbarschaft bei ökologischen Ausstattungen eingegangen werden müssen.

Dennoch ist für Gundlach die Ökologie ein wichtiges Ziel. Sie kann erhebliche Beiträge zur Sicherung der Zukunftsverträglichkeit eines Wohnungsunternehmens leisten. Entscheidend ist, daß eine Gesamtschau entwickelt und keine „Einzelmaximierung" betrieben wird. Bauen und Wohnen sollte also zugleich ökologisch, sozial und ökonomisch sein. Diesem Grundsatz entsprechend hat Gundlach experimentelle Gebäude realisiert. Die hierbei gemachten guten Erfahrungen sollen jetzt am Beispiel von zwei Modellprojekten dargestellt werden. Es handelt sich zum einen um das "Europahaus" im großstadtnahen "Speckgürtel" von Hannover, zum anderen um das Projekt "Regenbogen-Siedlung am Kanal", die sich in einem innenstadtnäheren Bereich von Hannover befindet. [ Fn. 11: Beide Projekte werden mit etwas abweichender Gewichtung der Details auch in Diskurs Nr. 90 „Neue Wege im sozialen Wohnungsbau", (Hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1996, S. 32-37), dargestellt.]

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1. Das Europahaus

Zu Beginn dieses Projektes mit 64 neuartigen Sozialwohnungen hat Gundlach in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium in Hannover, den baurelevanten Behörden und mit der Bauforschung einen internationalen Wettbewerb um neue Qualitäten und zugleich niedrigere Kosten initiiert. Zielsetzung war unter anderem, von möglichen Erfahrungs- und Kompetenzvorsprüngen der europäischen Nachbarländer zu profitieren. Dabei wurden jeweils Teams von Architekten und Baufirmen aus anderen Ländern angesprochen. Dieses Vorgehen vermeidet die Nachteile des herkömmlichen deutschen Verfahrens, bei dem zunächst getrennt ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben und dann in einer zweiten Wettbewerbsstufe - wenn alles entschieden und planerisch festgezurrt ist - versucht wird, den Preis noch zu senken. Diese Teamarbeit kam auch den ökologischen Aspekten zugute. Die Ausschreibung erfolgte auf einer modifizierten VOB-Basis. Erleichternd wirkte sich aus, daß die Kommune Teilnehmer des Projektes und der Jury war. Sie erstellte einen Bebauungsplan, der nur ganz wenige Festlegungen für den Wettbe

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werb enthielt. Insgesamt gingen 15 Angebote aus sieben Ländern ein. Die Ausschreibung führte zu ökologisch und baulich interessanten Lösungen bei Baukosten, die um ein Viertel niedriger lagen als bei konventionellen Projekten.

Die Jury hielt einen schwedischen Entwurf für den besten. Dieser inzwischen realisierte Entwurf bringt alle Autos außerhalb des Grundstücks in einer senkrechten Aufstellung im Straßenraum preiswert unter. Kein Auto kommt in den Innenraum der Wohnanlage. Dort gibt es Grünflächen und geschützte Entwicklungs- und Spielräume für Kinder. Die in verringertem Gebäudeabstand angeordneten zweigeschossigen Häuser sind nach Art einer Wagenburg um zwei zentrale Spielanger herum gruppiert. Es entsteht ein sehr individuelles Wohnen: Die Vorgärten und die separate Treppenhäuser ersetzenden Aufgänge zu den Wohnungen sind schon Teile des privaten Wohnbereichs. Zur Verbindung von Mensch und Umwelt tragen die vorderen und hinteren Mietergärten der Erdgeschoßwohnungen bei. Im Obergeschoß steht den Mietern jeweils eine Dachterrasse mit Pflanztrögen zur Verfügung.

Ferner wurde den Mietern ein Gemeinschaftshaus von fast 100 qm Nutzfläche zur Selbstverwaltung angeboten. Dieses Haus hat eine große soziale Bedeutung. Hier sind Gästezimmer (zum Teil mit Dusche) verfügbar. Das Erdgeschoß wird für Kinderspiel, Hobbies und Familienfeiern genutzt. Da die Gemeinschaftsräume zusätzlich angeboten werden, kommt es zu einer Erweiterung der individuellen Wohnfläche, allerdings an einem zentralen Platz und in Abstimmung mit anderen. Das ist aber positiv zu sehen: Durch solche Gemeinschaftseinrichtungen wird die Nachbarschaft gefördert. Es kommt zu Sozialarbeit, die effizienter und effektiver ist als die einer Sozialbehörde. Dementsprechend muß so gebaut werden, daß dieses Miteinander positive Impulse erhält.

Soziale Aspekte standen auch bei der Gestaltung der Grundrisse im Vordergrund. Herkömmliche Konzeptionen sind in sozialer Hinsicht oft sehr altmodisch und hierarchisch. Sie spiegeln die gesellschaftliche Situation. Die Wohnzimmer - die „Herrenerholungsräume" - sind am größten und schönsten, oft mit Gartenanbindung. Die Küchen - die „Frauenarbeitsräume" - sind dagegen klein und dicht am Hauseingang plaziert. Die Elternzimmer sind groß, die Kinderzimmer klein. Das schwedische Konzept zeigt, daß es auch anders geht. Die Häuser haben hier Grundrisse, in denen man durch einen kleinen Vorflur in ein 18 qm großes Wohnzimmer kommt, das Zentral- und Verteilungsfunktion hat. Im übrigen sind alle Zimmer mit etwa 12 qm gleich groß. Die Küche hat eine Schiebetür zum Wohnzimmer. Es gibt also zwischen den unterschiedlichen Wohnfunktionen eine unmittelbare Verbindung. Ebenerdig besteht Zugang zu den Mietergärten.

Die Häuser sind in einer Holzrahmenbauweise erstellt und mit einer Zeitungspapierrecycling-Dämmung versehen. Durch die vorgesetzte Klinkerschale wird ein gutes optisches Erscheinungsbild erreicht. Insgesamt wurden viele ökologische

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Maßnahmen realisiert bzw. Anforderungen erfüllt. In einem Blockheizkraftwerk wird mittels Automotoren, die mit Stadtgas betrieben werden, eigener Strom und warmes Wasser erzeugt. Der überschüssige Strom geht in das Netz. Reicht der eigene Strom nicht, wird zusätzlich aus dem Netz eingespeist. Die Investitionskosten für das Blockheizkraftwerk betrugen 640.000 DM und lagen damit im Vergleich zur konventionellen Lösung mit städtischer Erschließung um rund 50.000 DM niedriger. Diese ökologische Maßnahme war also auch ökonomisch. Die Wohnanlage verfügt außerdem über eine Regenwasserversickerung.

Trotz der zahlreichen ökologischen Maßnahmen lagen die reinen Baukosten bei nur 1.850 DM pro qm und die Gesamtbaukosten brutto bei 2.900 DM pro qm. Damit werden die für entsprechende konventionelle Wohnlagen üblichen Baukosten um ein Viertel unterschritten. Der Investor hat dennoch volle Kostendeckung erzielt. Überdies konnten der öffentlichen Hand Fördergelder erspart werden. Es wurde so kostensparend gebaut, daß das Gemeinschaftshaus zusätzlich erstellt werden konnte. Die Miete, die ohne Nebenkosten 9,30 DM/qm beträgt, konnte sogar gesenkt werden.

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2. Die Regenbogen-Siedlung am Kanal

Während das Europahaus sich mit seiner zweigeschossigen Bebauung für die Speckgürtel um die Städte herum, für Mittelstädte und Kleinstädte eignet, ist die Regenbogensiedlung am Kanal ein städtisches Projekt mit dreieinhalbgeschossiger Bauweise (drei Geschosse plus Pultdachgeschoß mit Dachterrasse). Es ist ebenfalls ein Projekt für den sozialen Wohnungsbau. Insgesamt wurden 111 Sozialwohnungen gebaut, deren Grundrisse mit denen im Europahaus vergleichbar, also modern und flexibel sind. Obwohl die Bereitschaft von Sozialmietern, sich mit Umweltfragen zu beschäftigen, eher gering ausgeprägt ist, versucht Gundlach, Ökologie auch in diesen Personenkreis hineinzutragen und zu untersuchen, wie entsprechende Angebote angenommen werden. Auch bei diesem Projekt konnte durch frühzeitige Abstimmung und kontinuierliche Kooperation mit den fördernden und genehmigenden Behörden des Landes Niedersachsen und der Stadt Hannover eine zügige Planung realisiert werden.

Als Generalplaner wurde ein deutscher Architekt mit umfassenden Erfahrungen bei der Kosteneinsparung und bei der Bau-Ökologie herangezogen. Arbeitsgrundlage ist ein "lAOH-Vertrag". In Umkehrung der Gebührenordnung HOAI bekommt der Architekt dabei mehr Geld, wenn er billiger baut. Zum Honorar kommt eine Zulage hinzu, die, da das Kostensparen schrittweise schwieriger wird, progressiv gestaffelt ist: Für die ersten eingesparten 100 DM (je qm Wohnfläche) wird ein Viertel, für die zweiten 100 DM Kostenersparnis ein Drittel und für die dritten 100 DM sogar 50% der eingesparten Summe als Prämie zusätzlich gezahlt. Hierdurch konnten (bezogen auf die hohe Qualität der Gebäude und auf die Verhältnisse in

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einem Ballungsraum) eindrucksvoll niedrige Baukosten in Höhe von 1.800 DM/qm (reine Brutto-Baukosten) bzw. von 2.800 DM/qm (Gesamtkosten) erreicht werden. Dies ermöglichte Mietsenkungen und Reduzierungen des Landesdarlehens im Volumen.

Der Entwurf des Generalplaners war die Basis für eine europaweite "konstruktionsoffene" Ausschreibung, die verschiedene Bausysteme der Anbieter zuließ. Freigestellt war den Anbietern z.B. die Wahl des Tragsystems, das Material (z.B. Mauerwerk, Beton, Stahl oder Holz - realisiert wurde schließlich ein Betonbau), die Bauweise (z.B. konventionell. Fertigteilkonstruktion, Tunnelschalung oder Raumzellen) und die konstruktive Detailausbildung. Dieses Ausschreibungsverfahren kommt der Forderung der Bauindustrie nach größeren Ausgestaltungsspielräumen gegenüber den Planern entgegen. Die Anbieter konnten damit sicherer und wohl auch niedriger kalkulieren. Obwohl in der Planung schon alle wichtigen Kostensparmöglichkeiten ausgeschöpft waren, gelang es dem beauftragten Generalunternehmer, noch weitere 30 Einsparvorschläge einzubringen.

Die Baukörper der Regenbogensiedlung sind straßenbegleitend entwickelt und trennen so die grüne Spiel- und Ruhezone im Innenbereich von der Aktivzone der Straße. Mittelpunkt der Anlage ist ein großes Gemeinschaftshaus von ca. 90 qm Fläche. Der Bebauungsplan ermöglichte die Anlage aller Pkw-Einstellplätze im Außenbereich (ohne Überdachung). Damit ist ein autofreier Innenhof entstanden, wo Kinderspiel ohne Verkehrsbeeinträchtigung möglich ist. In einer solchen ökologisch fortschrittlichen Planung haben Autos einen geringen Stellenwert; heute sind dagegen oft Tiefgaragenplätze teurer als Kinderzimmer.

Trotz bzw. wegen der erzielten Kostensenkung wurden in der Regenbogen-Siedlung in besonderem Maße ökologische Maßnahmen möglich. Die Häuser haben ein Grün- bzw. Grasdach. Im Süden und Westen sind die Fensterflächen großzügig, nach Norden bescheiden ausgelegt. Durch das nach Süden ansteigende Pultdach öffnet sich die gesamte Wohnanlage zur Sonne. Insgesamt wurde mit einem Jahresheizwärmebedarf von weniger als 50 kWh/qm und Jahr der Niedrigenergiestandard erreicht. Es wurde kellerlos gebaut. Abstellräume innerhalb der Wohnung sind billiger. Unter dem Haus gibt es nur einen 1 qm großen Schacht, in dem alle Leitungen laufen. Diese Abmessung erlaubt es, Reparatur- oder Wartungsarbeiten im Schacht auszuführen. Ein feuchtigkeitsgesteuertes Lüftungssystem mindert in den Wohnungen die Wärmeverluste durch unkontrolliertes Lüften. Holzfenster, Linoleumfußböden und lösemittelfreie Anstriche sind Beispiele für die Auswahl der Baustoffe nach ökologischen und baubiologischen Gesichtspunkten. Wie beim Europahaus wurde ein Blockheizkraftwerk mit vier Automotoren installiert. Die Wohnanlage verfügt ferner über eine Regenwasserversickerung, über Mietergärten und über großzügige Grünflächen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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