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1. Zur finanziellen Situation der Kommunen

1.1 Stellung der Gemeinden im öffentlichen Finanzsystem

Neben Bund und Ländern sind derzeit auch die Kommunen von einer erheblichen Finanzkrise betroffen. Deren Finanzlage hat sich in den neunziger Jahren stetig verschlechtert. Sehr angespannt ist vor allem die Situation der ostdeutschen Gemeinden, die ihre Aufgaben bisher nur aufgrund massiver Unterstützungen von Bund und Ländern erfüllen konnten. Besonders problematisch ist nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW/Berlin die Konstellation, daß die ostdeutschen Kommunen noch sehr lange derartige Hilfen benötigen werden und die westdeutschen Gemeinden in einem gesamtwirtschaftlich noch günstigen Umfeld ins Minus gerutscht sind.

Langfristig haben die Ein- und Ausgaben der Gemeinden relativ zum Bruttoinlandsprodukt zugenommen. Sie sind gegenüber 1970 von 6,1 bzw. 7,1% auf 7,7 bzw. 7,9% des BIP gestiegen. Dabei fällt jedoch der Beitrag der Gemeinden zur beträchtlichen Expansion des Staatssektors, die in den letzten 25 Jahren zu verzeichnen ist, im Vergleich zu Bund und Ländern relativ bescheiden aus. Mittlerweile übt der Staat auf über die Hälfte des Sozialproduktes Einfluß aus, indem er einerseits selbst Ressourcen beansprucht oder andererseits eine Umverteilung des Primäreinkommens bewirkt. Diese Entwicklung verlief aber nicht stetig: Während die 70er Jahre von einem starken Anstieg geprägt waren, gilt für die 80er Jahre ein leichter Rückgang. Durch die Wiedervereinigung hat sich der Staatsanteil zu Anfang der 90er Jahre noch einmal kräftig erhöht. Dieses Verlaufsmuster trifft für alle drei Haushaltsebenen zu.

Auch die Verschuldung hat in Schüben zugenommen. Besonders markant waren hierbei die jeweiligen konjunkturellen Krisen: Da viele Einnahmen an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gekoppelt sind, reichen in Rezessionen die rückläufigen Steuern, Gebühren und sonstigen Einnahmen nicht zur Finanzierung der Aufgaben der öffentlichen Haushalte aus. Daß die Verschuldung bei den Kommunen in solchen Phasen

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langsamer als bei Bund und Ländern gestiegen ist, hat nicht nur in ihrem geringeren Haushaltsvolumen seine Ursache. Vielmehr spielt auch eine Rolle, daß die übergeordneten Ebenen viel stärker gesamtwirtschaftliche und verteilungspolitische Verantwortung tragen. Darüber hinaus sind die Verschuldungsmöglichkeiten der Kommunen im Vergleich zu Bund und Ländern begrenzt. Zwar können die Gemeinden ihre Investitionsprojekte grundsätzlich auch über Kredite finanzieren. Ihre Kreditmöglichkeiten hängen aber von ihrer "dauernden Leistungsfähigkeit", d.h. von der Einnahmenentwicklung ab: Bei rückläufiger Wirtschaftsentwicklung verringern sich mit den Einnahmen auch die Verschuldungsmöglichkeiten mit der Konsequenz, daß die Investitionsausgaben ebenfalls reduziert werden müssen. Die Schuldenaufnahme hat für einzelne Gemeinden weniger eine konjunkturpolitische Stabilisierungsaufgabe. Vielmehr werden mittels Krediten diskontinuierliche Ausgabenverläufe finanziert und spätere Generationen an der Finanzierungslast von langlebigen Investitionsobjekten beteiligt.

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1.2 Elemente des kommunalen Finanzsystems

Die Gemeinden erfüllen insbesondere Aufgaben mit lokal begrenzter Wirkung. Diese können sie nach eigenem Ermessen ("freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben") oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben innerhalb eines gewissen Entscheidungsspielraums ("Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben") bzw. auf Weisung durch die Bundesländer ("Pflichtaufgaben") wahrnehmen. Da bei vielen Leistungen der Gemeinden die Nutzung individuell zurechenbar ist, kann hier eine Finanzierung über Gebühren und Beiträge erfolgen. Dementsprechend spielen diese Einnahmen in den kommunalen Haushalten eine erheblich größere Rolle als auf Landes- oder Bundesebene. Auch das gemeindliche Steuersystem ist stärker am Äquivalenzprinzip orientiert. Dies zeigt sich z.B. bei der Gewerbesteuer: Als Voraussetzung für die Produktionstätigkeit der örtlichen Betriebe müssen die Gemeinden spezifische Infrastrukturausgaben vornehmen, die aber oft nicht "verursachergerecht" den einzelnen Unternehmen angelastet werden können. Deshalb wird hier der Grundsatz der "gruppenmäßigen

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Äquivalenz" angewendet. Mit dem Hebesatz haben die Gemeinden ein Instrument, mit dem sie auf die Höhe des Gewerbesteueraufkommens Einfluß nehmen und die Standortwahl der Unternehmen beeinflussen können. Ein niedriger Hebesatz spiegelt für sich allein die Standortqualität einer Gemeinde allerdings noch nicht hinreichend wieder. Neben allen anderen Standortfaktoren ist auch von Bedeutung, wie gut die kommunale Infrastruktur ausgebaut ist.

Die quantitativ bedeutendste Steuerquelle der Gemeinden stellt die Einkommensteuer dar, an der ein Anteil von 15% besteht. Basis für die Verteilung auf die Gemeinden ist dabei die Einkommensteuerleistung ihrer Einwohner. Allerdings werden die Steuerleistungen nur bis zu bestimmten Einkommenshöchstbeträgen berücksichtigt. Je niedriger diese Grenze angesetzt wird, um so stärker werden Aufkommensunterschiede nivelliert, und um so ausgewogener ist die örtliche Verteilung.

Eine Anhebung der Einkommensgrenzen wirkt sich in der Regel zugunsten der größeren Städte aus, weil hier relativ mehr Steuerzahler mit Einkommen über der bisherigen Grenze leben. Dies trifft allerdings nicht für wirtschafts- und strukturschwache Großstädte in Problemregionen - wie z.B. das Ruhrgebiet - zu. Viele kleinere Gemeinden lehnen dagegen höhere Einkommensgrenzen ab, weil bei ihnen im Durchschnitt ein geringeres Einkommensniveau vorliegt und sich deshalb die Verteilung zu ihren Lasten verändern würde. Eine Anhebung wird hingegen von den kleineren Gemeinden im Umland der Kernstädte befürwortet. Diese sind nicht nur dadurch begünstigt, daß eine zunehmende Anzahl von Haushalten ihren Wohnsitz aus den Kernstädten ins Umland verlegt hat. Vielmehr erlauben die relativ hohen Einnahmen aus der Einkommensteuer den Umlandgemeinden auch, die Hebesätze bei der Grund- und Gewerbesteuer niedrig anzusetzen. Dagegen müssen die Kernstädte zur Kompensation der wanderungsbedingten Einkommensverluste die Hebesätze noch stärker erhöhen mit der Konsequenz, daß sich ihre Standortqualität tendenziell verschlechtert.

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Je stärker die Steuerkraft zwischen den Gemeinden abweicht, um so größer sind die Anforderungen an den kommunalen Finanzausgleich. Dieser soll die Steuerkraftunterschiede zwischen Kommunen gleicher Größe verringern. Finanzkraftdifferenzen zwischen Gemeinden unterschiedlicher Größe sind hingegen gewollt. Anders als im Länderfinanzausgleich finden im kommunalen Finanzausgleich auch Bedarfsaspekte Berücksichtigung. Jedes Bundesland kann autonom den Umfang des kommunalen Finanzausgleichs, also den Anteil der Gemeinden an den Landeseinnahmen ("Verbundmasse") festlegen. Letztlich entscheiden die Länder auch über die Struktur der Zuweisungen (Anteil der allgemeinen und zweckgebundenen Zahlungen). Damit können die Länder die Handlungsspielräume der Gemeinden in erheblichen Ausmaß mitgestalten.

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1.3 Vergleich von Kommunalhaushalten nach Größenklassen

Ermittlungen des DIW zur gemeindlichen Steuerkraft nach Gemeindegrößenklassen zeigen, daß in den Haushalten der kleinen Gemeinden die Einkommensteuer zwei Drittel der Steuereinnahmen ausmacht. Demgegenüber liegt dieser Anteil in den sehr großen Städten nur knapp über der 50%-Grenze. Hier hat die Gewerbesteuer mit fast 40% der Steuereinnahmen eine viel größere Bedeutung. Die Position der Einkommensteuer hat sich generell verstärkt, in den kleineren Gemeinden mehr als in den Großstädten.

Im Zeitablauf werden zum Teil erhebliche Abweichungen sichtbar: In den kleineren Gemeinden hat sich die Steuerkraft von 1982 bis 1992 um über 70% erhöht, während für den Durchschnitt der Großstädte nur ein Zuwachs von 55% gilt. Auffallend sind die Diskrepanzen bei der Einkommensteuer: Die kleineren Gemeinden erreichen Zuwächse von 75% bis 80%, in den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern ist das Wachstum nur etwa halb so groß. Diese Differenz wurde nicht durch eine höhere Gewerbesteuerkraft der großen Städte kompensiert, im Gegenteil: Auch bei dieser Steuer verlief die Entwicklung in den kleineren Gemeinden viel günstiger.

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Der Einfluß der regionalen bzw. lokalen Wirtschaftskraft auf die Finanzlage der Kommunen zeigt sich, wenn man Gemeinden ähnlicher Größe vergleicht Nach Berechnungen des DIW nehmen bei den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern Frankfurt am Main (mit 1.841 DM je Einwohner), Düsseldorf (1.747 DM) und München (1.636 DM) Spitzenpositionen ein, während Dortmund (969 DM) und Duisburg (936 DM) sich am Ende der Rangskala befinden. Ähnlich ist das Bild bei den mittelgroßen Städten. Auch die Steuerkraft von kreisangehörigen Gemeinden unterscheidet sich zwischen prosperierenden und strukturschwachen Regionen erheblich: Sie liegt in den Landkreisen um Stuttgart, Düsseldorf und in Teilen von Südhessen bei 1.300 bis 1.500 DM, im Landkreis München sogar bei über 1.800 DM je Einwohner; dagegen werden in vielen Landkreisen Niederbayerns, der Oberpfalz, des Weser-Emslandes und des Saarlandes weniger als 700 DM erreicht. Solche Differenzen zwischen den Einnahmen verschiedener Kommunen mit etwa gleicher Größe, die in ähnlicher Relation auch im Sektor der Ausgaben zu finden sind, machen nach den Erfahrungen eines Stadtkämmerers aus dem Ruhrgebiet deutlich, daß die eigentlichen Probleme der Städte und Gemeinden eher strukturabhängig und innerhalb der jeweiligen Größenklasse zu finden sind.

Nach den Ermittlungen des DIW machte die Steuerkraft der ostdeutschen Gemeinden 1992 im Durchschnitt nur ein knappes Viertel des Wertes für Westdeutschland aus. In Leipzig als einziger Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern lag der Anteil bei nur knapp 17%. Die kleineren Gemeinden rangierten dagegen bei rund einem Drittel. Die niedrige Steuerkraft verdeutlicht vor allem die geringe originäre Wirtschaftskraft Ostdeutschlands und ist nur zu einem geringen Teil dadurch bedingt, daß in den neuen Bundesländern keine Gewerbekapitalsteuer erhoben wird. Die geringe Schwankungsbreite bei den Gemeindeanteilen an der Einkommensteuer resultiert aus den noch relativ kleinen Differenzen bei den ostdeutschen Einkommen.

Die Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich streuen etwa so stark wie die gemeindliche Steuerkraft: So leisten die Länder z.B. an die kleinen Gemeinden je Einwohner nur etwa halb so hohe Zahlungen wie an die Großstädte. Dabei enthalten

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die laufenden Zuweisungen der Länder allerdings auch die Erstattungen für jene Kosten, die die Aufnahme und Betreuung von Aussiedlern und Asylbewerbern in den Kommunen verursachen.

Die Verhältnisse auf der Ausgabenseite entsprechen weitgehend den Einnahmerelationen. Die großen Städte in Westdeutschland geben pro Einwohner etwa zweieinhalb mal so viel aus wie die kleinen Gemeinden. Gravierende Unterschiede gibt es bei den Transferzahlungen, die weitgehend aus den Sozialleistungen bestehen. Ausschlaggebend hierfür ist primär, daß die Quote alter Menschen, für die Pflegekosten zu übernehmen sind, in den großen Städten viel höher ist. Außerdem sind die Kosten pro Einzelfall im Durchschnitt hier höher. Verstärkend wirkt in den Großstädten die starke Expansion der Sozialhilfelasten durch die Zunahme der Langzeitarbeitslosen. Erhebliche Abweichungen sind auch im Sektor der Personalkosten zu registrieren, weil die größeren Städte als zentrale Orte eine wesentlich breitere und tiefere Palette an kommunalen Leistungen als die kleineren Gemeinden aufweisen. Die Unterschiede in der Zinsbelastung resultieren aus der sehr viel höheren Verschuldung der Großstädte. Dagegen fallen die Investitionsausgaben pro Einwohner weitgehend gleich hoch aus. Dies muß zum Teil auf die "Kosten der Kleinheit" zurückgeführt werden: Die Investitionskosten sind für kleine Gemeinden deshalb relativ hoch, weil keine "economies of scale" wirksam werden. Die bessere Finanzausstattung ermöglicht aber auch höhere Investitionsausgaben; verstärkend wirkt hier die Praxis des kommunalen Finanzausgleichs, da die Verteilung der Investitionszuweisungen aus den Landeshaushalten auf die einzelnen Gemeindegrößenklassen relativ gleichmäßig ausfällt.

Im Verlauf der 80er Jahre entspannte sich die kommunale Finanzlage in allen Größenklassen nachhaltig. Lediglich die sehr großen Städte hatten auch 1989 noch Defizite zu verzeichnen. Dieses Ergebnis muß einerseits auf den günstigen Konjunkturverlauf zurückgeführt werden. Andererseits kürzten die Gemeinden ihre Investitionsausgaben: Es kam zu einem bis dahin beispiellosen Rückgang der kommunalen Investitionstätigkeit. Besorgniserregend ist dabei, daß bereits Anfang der 90er Jahre die westdeutschen Gemeinden - und dabei besonders die Großstädte - in einem gesamtwirtschaftlich günstigen Umfeld in die Defizitzone gerutscht sind.

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Zusammenfassend stellt das DIW fest, daß die größeren und großen Städte in Westdeutschland fast über den ganzen Beobachtungszeitraum hinweg mit Finanzproblemen konfrontiert waren, und daß ihre Situation nun bedrohlich geworden ist. Vergleichsweise geringe Finanzprobleme haben dagegen die kleineren Gemeinden. Ausschlaggebend für diesen strukturellen Unterschied ist primär die Einnahmenseite. Insbesondere die Steuereinnahmen sind in den mittleren und kleinen Gemeinden von 1989 bis 1993 fast doppelt so stark gestiegen wie in den großen Städten. Dem steht allerdings ein geringerer Anstieg bei den Länderzuweisungen und -zuschüssen gegenüber.

Erheblich schlechter als in Westdeutschland war die Finanzsituation der mittleren und kleinen Städte in den neuen Bundesländern. Dagegen fallen die Unterschiede bei den großen Städten nicht so gravierend aus. Abweichend ist nur das Ergebnis für Leipzig, wo 1993 Finanzierungsüberschüsse erzielt werden konnten. Für diese Stadt trifft auch der generelle Trend nicht zu, daß mit der Einwohnerzahl auch der Finanzbedarf pro Kopf zunimmt.

Insgesamt standen den ostdeutschen Gemeinden je Einwohner fast gleich hohe Mittel wie den westdeutschen Kommunen zur Verfügung. Ihre Ausgaben waren jedoch höher:

Der Personalaufwand lag um fast ein Drittel über dem westdeutschen Niveau, und die Sachinvestitionen waren sogar fast 60% höher. Für die kleinen Gemeinden, die in den neuen Bundesländern eine wesentlich größere Rolle als in Westdeutschland spielen, sind die Differenzen - insbesondere bei den Personalausgaben - noch weit größer. Auch die Einnahmen pro Einwohner fallen gegenüber den kleineren westdeutschen Kommunen höher aus, insbesondere weil aus dem Fonds "Deutsche Einheit" erhebliche Zuweisungen nicht auf Basis "veredelter", sondern ungewichteter Einwohnerzahlen empfangen werden. Dies erklärt in Verbindung mit der geringen Bedeutung der Gewerbesteuer in Ostdeutschland als kommunale Einnahmequelle und den nach wie vor niedrigen Einkommensdifferenzen, warum die kommunalen Einnahmen in den neuen Bundesländern in Abhängigkeit von der Gemeindegröße viel weniger streuen als in Westdeutschland.

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1.4 Entwicklungsperspektiven der Gemeindefinanzen

Die westdeutschen Gemeinden können 1994 kaum mit Verbesserungen ihrer Finanzsituation rechnen. Der Ausgabenzuwachs wird sich zwar nochmals deutlich abschwächen, gleichzeitig werden aber auch die Einnahmen nur geringfügig zunehmen. Dabei erwartet das DIW, daß die Haushalte bei den größeren Städten wieder mit einem schlechteren Ergebnis abschließen als bei den kleineren Gemeinden.

Die Entwicklung der einzelnen Ausgabearten wird sehr unterschiedlich sein. Während bei den Sozialleistungen erneut mit einer überdurchschnittlichen Expansion zu rechnen ist, stellen die moderaten Tarifabschlüsse bei den Personalausgaben einen geringen Zuwachs in Aussicht. Wegen der hohen Finanzierungsdefizite der Vorjahre werden die Zinszahlungen dagegen kräftig steigen. Bei den Investitionsausgaben ist von einem weiteren Abbau auszugehen, weil die Gemeinden - wie immer in Phasen spärlich sprudelnder Einnahmequellen - versuchen, ihre Ausgaben durch Verzicht auf Investitionsprojekte zu reduzieren. Betroffen sind die Gemeinden des weiteren von Kürzungen der Landeszuweisungen für investive Zwecke. Da die Schlüsselzuweisungen an die Steuereinnahmen der Länder gekoppelt sind, ist auch hier kaum mit Erhöhungen zu rechnen. Bei den gemeindlichen Steuereinnahmen geht das DIW von einem nicht nur rezessionsbedingten Rückgang aus. Beeinträchtigungen ergeben sich vielmehr auch als Konsequenz von Steuerrechtsänderungen, insbesondere der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage im Rahmen des Standortsicherungsgesetzes.

Auch für Ostdeutschland zeichnen sich für 1994 nur geringe Verbesserungen der kommunalen Finanzlage ab. Ausgehend von sehr niedrigem Niveau dürften hier die Steuereinnahmen um ein Fünftel steigen. Trotz dieser deutlichen Expansion wird das Steuerkraftgefälle zwischen west- und ostdeutschen Gemeinden aber kaum schrumpfen. Die Personalausgaben werden dagegen etwa konstant bleiben. Auch in den neuen Bundesländern kommt beim Ausgabenzuwachs insbesondere der Zunahme der Sozialleistungen eine große Bedeutung zu.

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Nach Auffassung des DIW wird die Entwicklung im Jahre 1995 im Zeichen der Neuordnung des staatlichen Finanzsystems stehen. Mit dem "Föderalen Konsolidierungsprogramm" soll eine solidere Finanzierung des Aufholprozesses in Ostdeutschland und eine gerechtere Verteilung der Finanzierungslasten auf die unterschiedlichen Haushaltsebenen erreicht werden. Hierbei steht die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander im Mittelpunkt. Solche Reformschritte haben auch Rückwirkungen auf die Gemeinden, da sie die für den kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stehende Verbundmasse verändern.

Insgesamt werden im Rahmen des "Föderalen Konsolidierungsprogramms" etwa 47 Mrd. DM nach Ostdeutschland und 8 Mrd. DM nach Berlin transferiert. Die Höhe der Finanzierungsbeiträge der westdeutschen Gemeinden bestimmen dabei letztlich die alten Bundesländer. Nach überschlägigen Rechnungen ist 1995 hier mit einem kommunalen Beitrag von rund 8,5 Mrd. DM zur Finanzierung der deutschen Einheit zu rechnen. Von Stadtkämmerern wurde darauf hingewiesen, daß dieser Betrag erst einmal von den Kommunen erwirtschaftet werden muß - und zwar zusätzlich zu den Ausgaben für eigene Dienstleistungen und Investitionen oder sogar zu Lasten von Haushaltsansätzen für eigene Projekte und Aufgaben. Als problematisch stuft das DIW die zunehmende Nutzung der Gewerbesteuerumlage als Finanzierungsinstrument ein, weil dies zu Benachteiligungen von Städten mit einem hohen Gewerbesteueraufkommen - also überwiegend wirtschaftsstarker Gemeinden - führt, wogegen die Belastung bei Kommunen mit einem hohen Einkommensteuerzufluß - insbesondere Umlandgemeinden - schwächer ausfällt.

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1.5 Konsolidierung der Ausgaben und Reform der Einnahmen als wichtige Zukunftsaufgaben

Die Finanzsituation der Städte und Gemeinden wird in Deutschland auch weiterhin prekär bleiben. Besonders dramatisch ist die Lage in den größeren Städten strukturschwacher Regionen. Allerdings ist nach Einschätzung des DIW ein Teil der Finanz

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Probleme in Westdeutschland "hausgemacht". Dieser Auffassung wurde in verschiedenen Diskussionsbeiträgen heftig widersprochen, weil viele Leistungen - wie die Sozialhilfe - den Städten und Gemeinden von außen aufgezwungen werden - und zwar ohne kompensatorische Ausgleichszahlungen. Die Verschuldung ist deshalb als Reflex der unzureichenden Finanzkraft zu werten.

Das DIW plädiert dafür, daß die Gemeinden nach der Überwindung der Rezession die Konsolidierung ihrer Ausgaben in Angriff nehmen. Dies wird aus folgenden Gründen nicht einfach sein:

  • Für die Standortsicherung unabdingbare Infrastrukturausgaben müssen geschont werden.

  • Die sozialen Leistungen werden in ihrem Volumen exogen, also nicht von den Kommunen bestimmt.

  • Primär im administrativen Bereich sind Sparpotentiale auszuschöpfen; hierbei bestehen in den Gemeinden aber nur engere Spielräume als auf Länderebene.

Ein Teil der Probleme findet seine Lösung mit dem Konjunkturaufschwung. Falls die gesamtwirtschaftliche Entwicklung tatsächlich entsprechend der mittelfristigen Projektion der Bundesregierung verläuft, können die Gemeinden in drei oder vier Jahren ihre Haushaltsdefizite abgebaut haben. Positive Effekte sind vor allem von der Einführung der Pflegeversicherung zu erwarten. In verschiedenen Diskussionsbeiträgen wurde aber auch daran erinnert, daß andere gesetzliche Neuregelungen entgegengesetzt wirken und damit die Spar- und Reformmaßnahmen von Städten und Gemeinden konterkarieren. So werden die Kommunen für die Verwirklichung des Anspruches jedes Kindes auf einen Kindergartenplatz in den nächsten Jahren erhebliche Mittel aufbringen müssen. Ein solches Szenario berücksichtigt nicht die finanziellen Auswirkungen, die aus der vom Bundesfinanzminister geplanten Befristung der Arbeitslosenhilfe resultieren. Unbeachtet bleiben auch die Steuerausfälle, die sich aus der Freistellung des Existenzminimums oder dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer ergeben; diese Ausfälle werden auf ca. 10 Mrd. DM geschätzt.

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Keine Lösungen wurden bisher für die Strukturprobleme der Gemeindefinanzen gefunden, unter denen insbesondere die größeren Städte - und hier wiederum die Städte in den altindustriellen Ballungsgebieten - leiden. Diese Probleme sind seit Jahren bekannt, und es wurden auch zahlreiche Lösungsvorschläge hierfür konzipiert. Der Politik ist es aber bislang nicht gelungen, die längst überfällige Reform der Gemeindefinanzen zu verwirklichen. Im Gegenteil: Diese Probleme wurden beispielsweise durch die Aushöhlung der Gewerbesteuer noch verschärft. Das DIW bezweifelt, daß es der Politik in dieser Legislaturperiode gelingen wird, eine akzeptable Gemeindefinanzreform durchzuführen, denn die Vorstellungen der Parteien weichen mehr denn je voneinander ab. Das von der Wissenschaft vorgelegte Lösungskonzept einer Wertschöpfungsteuer stößt auf vehementen Widerstand in der Wirtschaft und wird insbesondere deshalb nicht mehrheitsfähig sein. Der Kompromißvorschlag des Städtetages, auf den in Kapitel 2.3 detaillierter eingegangen wird, ist zwar auch keine optimale Lösung, aber immer noch besser einzustufen als der Vorschlag, den Kommunen einen individuellen Einfluß auf die Struktur der Einkommensteuer einzuräumen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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